Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.07.2019, RV/7105167/2014

Einschleifung des Pensionistenabsetzbetrages unter Einbeziehung gemäß DBA steuerfreier Einkünfte; keine fiktive Wohnsitzverlegung durch Option zur unbeschränkten Steuerpflicht

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7105167/2014-RS1
wie RV/7104225/2018-RS1
Die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG führt für sich allein weder zu einer "fiktiven Verlegung des Wohnsitzes" von Österreich nach Deutschland noch zu einer Ansässigkeit in Deutschland iSv Doppelbesteuerungsabkommen (vgl. zum EStG 1988 Marschner in Jakom EStG12, § 1 Rz 61, und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG [Stand 45. Lfg.], § 1 Rz 21).
RV/7105167/2014-RS2
wie RV/0470-G/08-RS1
Die Einschleifung des Pensionistenabsetzbetrages ist von jenen Pensionsbezügen zu bemessen, die dem Welteinkommen zu Grunde liegen, und zwar unabhängig davon, ob ein Teil der Pensionsbezüge als Auslandseinkünfte auf Grund eines DBA von der österreichischen Steuer freigestellt ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Name, Adresse1, vertreten durch StB, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Einkommensteuer 2011 zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde die Einkommensteuererklärung 2011.

Mit Vorhalt vom teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass – da sie in Österreich einen Wohnsitz habe - in Österreich auch das Welteinkommen deklariert werden müsse. Es seien sämtliche Umstände darzulegen, die die österreichischen Besteuerungsrechte einschränken könnten. Weiters werde ersucht, eine steuerliche Ansässigkeitsbestätigung aus Deutschland vorzulegen.

Mit Bescheid vom wurde von der belangten Behörde die Einkommensteuer 2011 festgesetzt. In der Begründung wurde ausgeführt: „Da keine Unterlagen für das Jahr 2011 vorgelegt worden sind, werden die Einkünfte geschätzt“.
Im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer wurde auch ein Pensionistenabsetzbetrag in der Höhe von € 400,00 berücksichtigt.

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Einkommensteuerbescheid 2011. Wie aus der umfangreichen Vorkorrespondenz hervorgehe, habe die Beschwerdeführerin von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland für die Jahre ab 2005 zu optieren. Aus ihr nicht bekannten Gründe habe sich die Veranlagung der in Deutschland bereits eingereichten Einkommensteuererklärungen verzögert, es stehe jedoch außer Zweifel, dass das gesamte Einkommen in Deutschland versteuert werde. Um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden, beantrage sie die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf bis zum eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung von den deutschen Abgabenbehörden beizubringen. Weiters wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert bekanntzugeben und nachzuweisen, ob eine tatsächliche Ansässigkeit in Deutschland vorhanden sei oder nur ein Antrag in Deutschland gestellt worden sei, das Einkommen einer beschränkt steuerpflichtigen Person als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Weiters sei der  deutsche Steuerbescheid des betreffenden Jahres beizubringen.

In Beantwortung dieses Vorhalts über Finanzonline verwies die Beschwerdeführerin auf die Vorkorrespondenz (Schreiben vom , Schreiben vom , Schreiben vom , Schreiben vom , Schreiben vom und Schreiben vom ) und teilte mit, dass nach ihren Wissenstand noch kein Bescheid der deutschen Steuerbehörden vorliegen würde. Die Beschwerdeführerin regte die belangte Behörde an, direkt mit der deutschen Steuerbehörde Kontakt aufzunehmen. Eine Bescheinigung ihrer Ansässigkeit in Deutschland wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt.

Mit Vorhalt vom teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass es nicht Aufgabe des Finanzamtes sei, die Mitwirkungspflicht eines Steuerpflichtigen zu übernehmen bzw. zu ersetzen. Die betreffenden Unterlagen, die im Zuge des Beschwerdevorbringens von der belangten Behörde angefordert würden, seien daher vom Steuerpflichtigen im Rahmen der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Einbringung einer Beschwerde selbst beizuschaffen und vorzulegen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen Einkommensteuerbescheid 2011 von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass in Deutschland die Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger beantragt werden könne, wobei diese Möglichkeit zu einer niedrigeren deutschen Steuer bzw zum gänzlichen Wegfall der deutschen Steuervorschreibung führen könne. In diesen Fällen bestünde nämlich Anspruch auf Abzug des Grundfreibetrags von den in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften. Die in Österreich bezogenen Pensionseinkünfte und dgl. würden in Deutschland nicht besteuert, Deutschland führe aber ebenfalls den Progressionsvorbehalt durch. Der Antrag zur Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger in Deutschland habe dabei keinerlei Auswirkungen auf die Besteuerung in Österreich. In der Eingabe vom werde in eindeutiger Weise erklärt, dass eine tatsächliche Ansässigkeit in Deutschland nicht gegeben sei, sondern nur ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gestellt worden wäre. Da durch einen solchen Antrag die Rechte des Ansässigkeitsstaates nicht beeinflusst würden, sei in den Steuererklärungen in Österreich das Welteinkommen zu deklarieren und zu besteuern. Die Berufung werde daher abgewiesen.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Einbringungsfrist für den Vorlageantrag bis . Seitens des Finanzamtes wurde darüber nicht mit Bescheid entschieden.

Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht.

Mit Schreiben vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und ersuchte um Abweisung der Beschwerde.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin unter anderem auf mitzuteilen, ob sie im Jahr 2011 ihren Wohnsitz und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich gehabt hätte und verwies dabei auf die in den Steuererklärungen angegebene inländische Wohnanschrift und dem damit korrespondierenden inländischen Hauptwohnsitz, welcher im zentralen Melderegister ersichtlich sei.

Weiters wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert mitzuteilen, ob eine steuerliche Ansässigkeit in Deutschland und eine Ansässigkeitsbestätigung der deutschen Abgabenbehörden für das Jahr 2011 vorliege und diese gegebenenfalls vorzulegen sowie anzugeben, welche Einkünfte sie im Jahr 2011 insgesamt aus dem In- und Ausland (insbesondere aus Pensionszahlungen aus deutschen Quellen) in welcher Höhe bezogen hätte.

Seitens des Bundesfinanzgerichts erfolgte diesbezüglich ein Verweis auf die in § 115 Abs. 1 BAO statuierte erhöhte Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin bei Auslandssachverhalten und den Umstand, dass im Falle des Vorliegens einer unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich grundsätzlich auch ausländische Einkünfte der inländischen Besteuerung unterliegen würden. Auch dann, wenn nach Doppelbesteuerungsabkommen dem anderen Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zustünde, wäre ihre Kenntnis für die inländischen Abgabenbehörden im Hinblick auf den Progressionsvorbehalt unerlässlich.

Falls hinsichtlich der Einkünfte im Jahr 2011 Umstände vorliegen sollten, welche das Besteuerungsrecht der Republik Österreich einschränken oder ausschließen würden, wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, diese darzulegen und mitzuteilen, ob sie von der in ihren Anbringen angesprochenen Möglichkeit, in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, im Jahr 2011 Gebrauch gemacht habe und diesbezügliche Nachweise vorzulegen.

Soweit die Beschwerdeführerin davon ausgehen sollte, dass eine Behandlung als in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig iSd § 1 Abs. 3 deutsches EStG zur Einschränkung einer unbeschränkten Steuerpflicht iSd § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich führe, solle sie diese Rechtsauffassung näher darzulegen.

Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführerin Unterlagen zur Antragstellung in Deutschland und teilte im Wesentlichen mit, die Beschwerde wäre notwendig gewesen, weil die österreichische Abgabenbehörde — aus ihrer Sicht fälschlicherweise — keine durch diesen Antrag bedingte Änderung der steuerlichen Situation in Österreich gesehen und weiterhin ihre Firmenrente mit Progressionsvorbehalt in Österreich besteuert habe.

Sie gehe mit der österreichischen Finanzverwaltung konform, dass sie in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sei. Diese Steuerpflicht könne jedoch nicht für deutsche Pensionseinkünfte gelten, weil gerade durch den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland der Wohnort für diese Einkünfte "fiktiv" nach Deutschland verlegt werde. Ein - im Übrigen auch im österreichischen Steuerrecht verankerter Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht - würde jeden Sinnes entbehren, wenn er zu keiner Veränderung der Zuständigkeit für die Besteuerung führen würde. Hinzu komme im gegenständlichen Fall, dass es im Hinblick auf die Firmenpension durch die Nichtberücksichtigung des Antrags auf unbeschränkte Steuerpflicht zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung dieses Einkommens komme.

Mit Beschluss vom teilte das Bundesfinanzgericht der Beschwerdeführerin mit, dass es ihre Rechtsansicht nicht teile.

Mit Beschluss vom wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme hinsichtlich der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, wonach der im Bescheid erfolgten Berücksichtigung des Pensionistenabsetzbetrages (Abzug von € 400,00 von der zu entrichtenden Einkommensteuer) entgegenstehe, dass die Einkünfte der Beschwerdeführerin laut Bescheid € 25.000,00 übersteigen und somit gemäß § 33 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 in diesem Fall kein Absetzbetrag mehr zustehe, eingeräumt.

Die Beschwerdeführerin machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.

Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführerin Unterlagen zu den beschwerdegegenständlichen Einkünften.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Strittig ist die Auswirkung einer (behaupteten) Option der Beschwerdeführerin zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteile, den elektronischen Steuerakt der Beschwerdeführerin, die von der Beschwerdeführerin dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen sowie das zentrale Melderegister.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Hauptwohnsitz und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich.

Aus Deutschland bezieht die Beschwerdeführerin eine Altersrente und eine Witwenrente aus der Deutschen Rentenversicherung sowie eine Firmenpension der D-KG.

[...]

Eine Besteuerung in Deutschland als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG wurde nicht nachgewiesen und es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Vornahme einer solchen Besteuerung vor, sodass von deren Bestehen nicht auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich der Art der beschwerdegegenständlichen Renten und der Bemessungsgrundlagen ergeben sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen und sind unstrittig.

Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin in Österreich ihren Hauptwohnsitz und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat.

Anhaltspunkte für eine steuerliche Ansässigkeit der Beschwerdeführerin in Deutschland liegen nicht vor und wurden von dieser (mit Ausnahme einer „ fiktiven Wohnsitzverlegung“ durch Option zur Steuerpflicht) auch nicht behauptet.

Die Feststellung der Höhe der Einkünfte erfolgte mit den von der Beschwerdeführerin selbst in der Stellungnahme vom übermittelten Werten, welche sich zutreffend aus dem übermittelten Pensionsunterlagen ergeben. Die belangte Behörde hat gegen diese ihr mitgeteilten Beträge keine Einwendungen erhoben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Folglich ist die Beschwerdeführerin mit den beschwerdegegenständlichen Renteneinkünften in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA-Deutschland dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat erhält, nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

Abweichend davon bestimmt Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland, dass Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, nur in diesem anderen Staat besteuert werden dürfen.

Für die Beurteilung der Frage, in welchem Staat der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ().

Die Beschwerdeführerin ist auf Grund der getroffenen Feststellungen iSd Art. 4 Abs. 1 DBA-Deutschland in Österreich ansässig.

Somit teilt das Doppelbesteuerabkommen Österreich das Besteuerungsrecht für die beschwerdegegenständliche Firmenpension (Art 18 Abs. 1 leg. cit.) und Deutschland das Besteuerungsrecht für die beiden beschwerdegegenständlichen Sozialversicherungspensionen aus der deutschen Rentenversicherung zu (Art 18 Abs. 2 leg. cit.).

Nach Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland dürfen Einkünfte einer in Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in Österreich auszunehmen sind, gleichwohl bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden.

Folglich sind die beschwerdegegenständlichen Sozialversicherungspensionen zwar in Österreich nicht zu besteuern, aber im Rahmen der Progression zu berücksichtigen (Progressionsvorbehalt).

Bei der Ermittlung der Einkünfte der Beschwerdeführerin sind die Beiträge zur deutschen Kranken- und Pflegeversicherung als Werbungskosten abzuziehen (§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988; zur Pflegeversicherung siehe zB ).

Soweit die Beschwerdeführerin die Rechtsauffassung vertritt, es würde auf Grund einer Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig in Deutschland gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG zu einer Änderung der „ steuerlichen Situation“ in Österreich dergestalt kommen, dass die beschwerdegegenständliche Firmenpension diesfalls nicht mehr zu besteuern wäre, verkennt sie die Rechtslage.

Es erfolgt keine fiktive „ Verlegung des Wohnortes“ und des inländischen Besteuerungsrechts für diese Einkünfte nach Deutschland. Ebenso entbehrt die auch im österreichischen Steuerrecht in § 1 Abs. 4 EStG 1988 vorgesehene Möglichkeit einer Option zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht jeden Sinnes, wenn sie zu keiner Veränderung der Zuständigkeit für die Besteuerung führt.

Schließlich kommt es im Beschwerdefall im Hinblick auf die Firmenpension durch eine Besteuerung in Österreich auch nicht zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung dieser Einkünfte.

Zum einen konnte die Beschwerdeführerin ohnehin keinen Nachweis für eine Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG in Deutschland erbringen, sodass auch nicht vom Vorliegen einer solchen Besteuerung auszugehen ist.

Zum anderen würde aber eine solche Form der Besteuerung für sich allein auch keine Auswirkung auf die Besteuerung in Österreich haben.

Der Sinn der Bestimmung des § 1 Abs. 3 deutsches EStG ist ein anderer als ihn ihr die Beschwerdeführerin beimisst. Er liegt in der Verhinderung einer Ungleichbehandlung hinsichtlich steuerlicher Vergünstigungen, die nur unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährt werden, innerhalb der EU und ergibt sich aus der diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung (vgl. zur österreichischen Rechtslage Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG, § 1 Rz 21).

Nicht nachvollziehbar ist für das Bundesfinanzgericht, warum es im Fall der Besteuerung der Firmenpension in Österreich nach Ansicht der Beschwerdeführerin zu einer Doppelbesteuerung kommen sollte.

Siehe zur steuerlichen Situation in Deutschland Stöber in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, 3. Edition [Stand: ], § 1, Rz 277 f:

"Die nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Regeln ermittelten weltweiten Einkünfte sind in einem zweiten Schritt aufzuteilen in Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

Der Steuerpflichtige ist nur dann berechtigt, die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 zu beantragen, wenn entweder seine Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Einkunftsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – bzw. den ggf. an seine Stelle tretenden niedrigeren Betrag – nicht übersteigen (absolute Einkunftsgrenze).

Für die Ermittlung der weltweiten Einkünfte im ersten Schritt wird eine unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen fingiert. Dagegen ist für die Aufteilung der weltweiten Einkünfte im zweiten Schritt eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu unterstellen (HHR/Tiede § 1 Rn. 266).

Die Frage, welche Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen und bei welchen Einkünften dies nicht der Fall ist, muss mithin nach deutschem Recht beurteilt werden (KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 50, D 78).

Danach unterliegen zum einen jene Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer, die nicht vom abschließenden Katalog der inländischen Einkünfte des § 49 Abs. 1 erfasst werden (BFH – I R 18/13, BStBl. II 2015, 474 Rn. 23; HHR/Tiede § 1 Rn. 266).

Weil für die Aufteilung der Einkünfte eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu unterstellen ist, muss für die Beurteilung der Frage, ob es sich um inländische Einkünfte iSd § 49 handelt, konsequenterweise auch die isolierende Betrachtungsweise nach § 49 Abs. 2 (dazu → §49 Rn. 643 ff.; s. auch Lademann EStG/Stöer §49 Rn. 501 ff.) zur Anwendung kommen (aA wohl KSM/Lehner/Waldhoff §1 Rn. D 79).

Darüber hinaus unterliegen aber auch solche Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer, die zwar an sich unter §49 Abs. 1 fallen, bezüglich derer aber nach einem anwendbaren DBA nicht der Bundesrepublik, sondern dem Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen als dem anderen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht zusteht (BFH –I R 72/02, BFH/NV 2004, 321 (323); BFH –I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 (395 f.); Korn/Herfort §1 Rn. 91; KSM/Lehner/ Waldhoff §1 Rn. D 74; Waterkamp-Faupel FR 1995, 766 (769))."

Nach dem DBA-Deutschland steht das Besteuerungsrecht an der beschwerdegegenständlichen Firmenpension aber Österreich zu, sodass ohnehin – auch im Falle einer tatsächlichen Anwendung des § 1 Abs. 3 deutsches EStG – keine Besteuerung in Deutschland erfolgen würde.

In seinem Urteil vom , I R 13/02, hat der deutsche Bundesfinanzhof ausgesprochen, ein in Frankreich wohnender, jedoch in Deutschland gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG 1987 fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger sei nicht iSd Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a deutsches DBA-Frankreich in Deutschland ansässig.

In der Begründung hat der BFH dazu ausgeführt: „ Ihre (inländische) unbeschränkte Steuerpflicht ist fiktiver Natur und resultiert aus § 1 Abs. 3 EStG 1987. Sie gründet damit nicht - wie aber nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA -Frankreich erforderlich – auf ortsbezogenen Anknüpfungsmerkmalen, sondern auf der Art des Dienstverhältnisses und der vereinnahmten Bezüge sowie den Umfang der ausländischen Einkünfte, und schafft deswegen keine Ansässigkeit i. S. von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA –Frankreich (vgl. z. B. Wilke, in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA , Art. 4 OECD-MA Rn. 20; Kaminski, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/ DBA , Art. 4 OECD-MA Rz. 32; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 4 MA Rz. 39 f.).“

Siehe dazu nochmals Stöber in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, 3. Edition [Stand: ] zu § 1, Rz 304 f: "Wenn die nicht im Inland ansässige natürliche Person einen Antrag nach § 1 Abs. 3 gestellt hat und die Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind, wird sie in Deutschland wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt. Sofern daneben im ausländischen Ansässigkeitsstaat eine „echte“ unbeschränkte Steuerpflicht besteht, bleibt diese unberührt (Blümich/Rauch § 1 Rn. 242) …

Während die „echte“ unbeschränkte Steuerpflicht vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in einem DBA nach dem Welteinkommensprinzip das gesamte weltweit erzielte Einkommen erfasst, ist die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 auf die inländischen Einkünfte der betreffenden Person iSd § 49 beschränkt (BFH – III R 5/17, DStR 2018, 1167 Rn. 21 f.; Korn/Herfort § 1 Rn. 95; KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 180; Frotscher/Geurts/Lochte § 1 Rn. 40; LBP/Teller § 1 Rn. 127; HHR/Tiede § 1 Rn. 254, 297; Weiss IWB 2017, 746 (747); …

DBA-Bestimmungen sind auch insofern vorrangig, als die Fiktion einer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 keine abkommensrechtliche Ansässigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen im Inland begründet ( IStR 2000, 188; FG Münster – 11 K 2115/15 E, DStRE 2017, 1500; KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 195 ff.; Kirchhof/Gosch § 1 Rn. 15; Lademann EStG/Hahn § 1 Rn. 238; Frotscher/Geurts/Lochte § 1 Rn. 47; Weiss IWB 2017, 746 (749); s. auch BFH – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 (398))."

Unabhängig von diesen Erwägungen ist im Beschwerdefall aber ohnehin die rechtliche Situation in Österreich, nämlich die Irrelevanz einer fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland, für die Beurteilung der unbeschränkten Steuerpflicht und der Ansässigkeit entscheidend.

"Wird vom Antragsrecht nach § 1 Abs 4 EStG 1988 Gebrauch gemacht, stehen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich die Begünstigungen der unbeschränkten Steuerpflicht zu und ist die Veranlagung nach den Bestimmungen der §§ 39 ff EStG 1988 vorzunehmen. Dies betrifft insbesondere (lt der RV zum EU-AbgÄG, 498 der Beilagen, XX. GP) den allgemeinen Absetzbetrag zur steuerlichen Berücksichtigung des persönlichen Existenzminimums, die Absetzbeträge zur steuerlichen Berücksichtigung der Familienverhältnisse mit Ausnahme des Kinderabsetzbetrages (somit Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag), die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach §§ 34 und 35 sowie einige weitere steuerliche Randbereiche (Tarifermäßigung für Erfindungen nach § 38, Veranlagungsfreibetrag nach § 41, Freibetrag nach § 105, Bausparen nach § 108). Die beantragte unbeschränkte Steuerpflicht bewirkt allerdings für sich allein keine inländische Ansässigkeit im Sinne der Doppelbesteuerungsabkommen" (Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG [Stand 45. Lfg.], § 1 Rz 21).

"Die Fiktion der unbeschr StPfl gem § 1 Abs 4 bewirkt keine Ansässigkeit iSv DBA" (Marschner in Jakom EStG12, § 1 Rz 61) .

Dies ergibt sich in gekehrter Weise bei einer Option zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland bereits unmittelbar aus § 1 EStG 1988 bzw. Art. 4 DBA-Deutschland, die keine Ausnahmen für den Fall einer solchen Besteuerung im Ausland vorsehen.

Somit wurden die Einkünfte aus der beschwerdegegenständlichen Firmenpension zu Recht der Besteuerung unterzogen. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen durch die Beschwerdeführerin war die Höhe der Einkünfte gegenüber dem bekämpften Bescheid abzuändern.

Hinsichtlich des im Einkommensteuerbescheid 2011 bei der Beschwerdeführerin in Abzug gebrachten Pensionistenabsetzbetrages ist auf § 33 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 zu verweisen, wonach sich der Pensionistenabsetzbetrag nach Z 2 leg. cit. zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von € 17.000 und € 25.000 gleichmäßig einschleifend auf null vermindert.

In VwGH 30.3.3016, 2013/13/0027, wird erläutert, dass in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu der erst durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, eingeführten Einschleifregelung in § 33 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988, 311 BlgNR XXI. GP 161 und 169, mit dem Wortlaut ("einschleifend zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von") die Höhe der "Monatsbruttopensionen" und des "Einkommens" des Pensionisten als die maßgebliche Größe beschrieben wurden. Sachliche Gründe für eine Ausklammerung von Bezügen, die nur durch ein Doppelbesteuerungsabkommen der Besteuerung in Österreich entzogen und der alleinigen Besteuerung durch den anderen Vertragsstaat vorbehalten wurden, waren für den Verwaltungsgerichtshof aber nicht erkennbar.

Daher sind bei der Anwendung der Einschleifregelung des § 33 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 auch die gemäß Art 18 Abs. 1 DBA-Deutschland in Österreich nicht zu versteuernden beschwerdegegenständlichen Sozialversicherungspensionen der Beschwerdeführerin mit einzubeziehen. Da sich dadurch im Beschwerdefall eine Überschreitung der Grenze von € 25.000,00 ergibt, steht kein Pensionistenabsetzbetrag zu.

Im Ergebnis war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2 Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit einer Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung des gegenständlichen Falles betrifft eine auf Ebene der Beweiswürdigung zu beurteilende Sachfrage (keine Besteuerung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig in Deutschland) bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz (§ 1 EStG 1988) und dem Doppelbesteuerungsabkommen (Art 4 DBA-Deutschland).

Hinsichtlich der Einschleifung des Pensionistenabsetzbetrages ist auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH zu verweisen.

Es war daher gemäß § 25a Abs. 1 VwGG zu entscheiden, dass eine Revision im Beschwerdefall nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 4 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
Zitiert/besprochen in
Pernegger in BFGjournal 2019, 397
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105167.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at