Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.07.2019, RV/7104225/2018

Keine fiktive Wohnsitzverlegung durch Option zur unbeschränkten Steuerpflicht

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104225/2018-RS1
Die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG führt für sich allein weder zu einer "fiktiven Verlegung des Wohnsitzes" von Österreich nach Deutschland noch zu einer Ansässigkeit in Deutschland iSv Doppelbesteuerungsabkommen (vgl. zum EStG 1988 Marschner in Jakom EStG12, § 1 Rz 61, und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG [Stand 45. Lfg.], § 1 Rz 21).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Name, Adresse, vertreten durch StB, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Einkommensteuer 2010 zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Die Einkommensteuererklärung der Beschwerdeführerin für das Jahr 2010 langte am bei der belangten Behörde ein. Darin wurden unter anderem inländische Einkünfte ohne Lohnsteuerabzug idHv € 5.560,32 (Kennzahl 359), ausländische Einkünfte mit Progressionsvorbehalt (Kennzahl 453) idHv € 22.268,04 und Werbungskosten für Kennzahl 453 (Kennzahl 493) idHv € 22.268,04 erklärt.

Mit Bescheid vom setzte die  belangte Behörde die Einkommensteuer 2010 fest.
Die beantragten Werbungskosten in Höhe von € 22.268,04 wurden nicht anerkannt.

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Einkommensteuerbescheid 2010. Mit Schreiben vom habe sie  der belangten Behörde mitgeteilt, dass sie voraussichtlich von der Option, in Deutschland als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden, Gebrauch machen werde. Dies sei mit Schreiben vom (Kopie beiliegend) auch erfolgt. Es bestünden keine Zweifel, dass dem Antrag stattgegeben werde, sodass in Österreich keine Einkommensteuerpflicht bestehe. Wenn die entsprechenden Bescheide vorliegen würden, werde sie im Zuge dieses Verfahrens auch die Wiederaufnahme der Veranlagungen 2005 bis 2009 beantragen. Aus obigen Gründen beantrage sie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Festsetzung der Einkommensteuer 2010 mit € 0,00.

Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, bis eine steuerliche Ansässigkeitsbestätigung von den deutschen Abgabenbehörden vorzulegen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung vom gegen den Bescheid vom als unbegründet ab. Da der Fragenvorhalt nicht beantwortet worden wäre, könnten die Angaben, die in der Berufung gemacht worden seien, nicht überprüft werden. Die Berufung sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde 2. Instanz. Die von der Abgabenbehörde mit Schreiben vom angeforderte Ansässigkeitsbestätigung der deutschen Abgabenbehörde könne  zurzeit nicht vorgelegt werden, da mangelnde Unterlagen eine Einreichung der Steuererklärungen 2005-2010 bei der deutschen Steuerbehörde verhindern würden.
Erst zu diesem Zeitpunkt könne, eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung ausgestellt werden. Nichts desto weniger habe der Antrag zur Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG dazu geführt, dass die Beschwerdeführerin unter der Steuernummer Nummer beim Finanzamt Deutschland erfasst worden sei. Als entsprechenden Nachweis lege sie in Kopie den Schriftverkehr mit dem deutschen Steuerberater sowie ein Fristverlängerungsansuchen bei. Sobald die steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung vorliege, werde diese unverzüglich nachgereicht.

Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin eine steuerliche Ansässigkeitsbestätigung von den deutschen Abgabenbehörden vorzulegen sowie weiters bekanntzugeben, ob eine tatsächliche Ansässigkeit in Deutschland vorhanden sei oder nur ein Antrag in Deutschland gestellt wurde, das Einkommen einer beschränkt steuerpflichtigen  Person als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass die von der steuerlichen Vertretung in Deutschland erstellten Steuererklärungen 2005 bis 2011 an das Finanzamt Deutschland abgefertigt wurden wären. Erst aufgrund der Abgabe der Steuererklärungen bestehe ein Anspruch auf Ausfertigung einer steuerlichen Ansässigkeitsbescheinigung. Die Abgabe der Steuererklärungen beinhalte konkludent den Antrag, dass das Einkommen der beschränkt steuerpflichtigen Mandantin als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden solle.

Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin neuerlich eine steuerliche Ansässigkeitsbestätigung der deutschen Abgabenbehörden vorzulegen sowie weiters bekanntzugeben, ob eine tatsächliche Ansässigkeit in Deutschland vorhanden sei oder nur ein Antrag in Deutschland gestellt wurde, das Einkommen einer beschränkt steuerpflichtigen  Person als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und ersuchte um deren Abweisung.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführer in unter anderem auf mitzuteilen, ob sie im Jahr 2010 ihren Wohnsitz und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich gehabt hätte und verwies dabei auf die in den Steuererklärungen angegebene inländische Wohnanschrift und dem damit korrespondierenden inländischen Hauptwohnsitz, welcher im zentralen Melderegister ersichtlich sei.

Weiters wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert mitzuteilen, ob eine steuerliche Ansässigkeit in Deutschland und eine Ansässigkeitsbestätigung der deutschen Abgabenbehörden für das Jahr 2010 vorliege und diese gegebenenfalls vorzulegen sowie anzugeben, welche Einkünfte sie im Jahr 2010 insgesamt aus dem In- und Ausland (insbesondere aus Pensionszahlungen aus deutschen Quellen) in welcher Höhe bezogen hätte.

Seitens des Bundesfinanzgerichts erfolgte diesbezüglich ein Verweis auf die in § 115 Abs. 1 BAO statuierte erhöhte Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin bei Auslandssachverhalten und den Umstand, dass im Falle des Vorliegens einer unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich grundsätzlich auch ausländische Einkünfte der inländischen Besteuerung unterliegen würden. Auch dann, wenn nach Doppelbesteuerungsabkommen dem anderen Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zustünde, wäre ihre Kenntnis für die inländischen Abgabenbehörden im Hinblick auf den Progressionsvorbehalt unerlässlich.

Falls hinsichtlich der Einkünfte im Jahr 2010 Umstände vorliegen sollten, welche das Besteuerungsrecht der Republik Österreich einschränken oder ausschließen würden, wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, diese darzulegen und mitzuteilen, ob sie von der in ihren Anbringen angesprochenen Möglichkeit, in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, im Jahr 2010 Gebrauch gemacht habe und diesbezügliche Nachweise vorzulegen.

Soweit die Beschwerdeführerin davon ausgehen sollte, dass eine Behandlung als in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig iSd § 1 Abs. 3 deutsches EStG zur Einschränkung einer unbeschränkten Steuerpflicht iSd § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich führe, solle sie diese Rechtsauffassung näher darzulegen.

Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführer in Unterlagen zur Antragstellung in Deutschland und teilte im Wesentlichen mit, die Beschwerde wäre notwendig gewesen, weil die österreichische Abgabenbehörde — aus ihrer Sicht fälschlicherweise — keine durch diesen Antrag bedingte Änderung der steuerlichen Situation in Österreich gesehen und weiterhin ihre Firmenrente mit Progressionsvorbehalt in Österreich besteuert habe.

Sie gehe mit der österreichischen Finanzverwaltung konform, dass sie in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sei. Diese Steuerpflicht könne jedoch nicht für deutsche Pensionseinkünfte gelten, weil gerade durch den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland der Wohnort für diese Einkünfte "fiktiv" nach Deutschland verlegt werde. Ein - im Übrigen auch im österreichischen Steuerrecht verankerter Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht - würde jeden Sinnes entbehren, wenn er zu keiner Veränderung der Zuständigkeit für die Besteuerung führen würde. Hinzu komme im gegenständlichen Fall, dass es im Hinblick auf die Firmenpension durch die Nichtberücksichtigung des Antrags auf unbeschränkte Steuerpflicht zu einer tatsachlichen Doppelbesteuerung dieses Einkommens komme.

Mit Beschluss vom teilte das Bundesfinanzgericht der Beschwerdeführer in mit, dass es ihre Rechtsansicht nicht teile.

Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführerin Unterlagen zu den beschwerdegegenständlichen Einkünften.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Strittig ist die Auswirkung einer (behaupteten) Option der Beschwerdeführerin zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteile, den elektronischen Steuerakt der Beschwerdeführerin, die von der Beschwerdeführerin dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen sowie das zentrale Melderegister.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Hauptwohnsitz und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich.

Aus Deutschland bezieht die Beschwerdeführer in eine Altersrente und eine Witwenrente aus der Deutschen Rentenversicherung sowie eine Firmenpension der D-AG.

Die Altersrente beträgt im Jahr 2010 € 20.293,44 wovon ein Abzug von € 1.603,20 an deutscher Krankenversicherung und € 395,76 an deutscher Pflegeversicherung erfolgt ist.
Somit verbleibt nach Abzug der genannten Werbungskosten ein Betrag von € 18.294,48.

Die Witwenrente beträgt im Jahr 2010 € 4.407,72 wovon ein Abzug von € 348,24 an deutscher Krankenversicherung und € 85,92 an deutscher Pflegeversicherung erfolgt ist.
Somit verbleibt nach Abzug der genannten Werbungskosten ein Betrag von € 3.973,56.

Die Firmenpension beträgt im Jahr 2010 € 5.532,12 wovon ein Abzug von € 824,28 an deutscher Krankenversicherung und € 107,88 an deutscher Pflegeversicherung erfolgt ist.
Somit verbleibt nach Abzug der genannten Werbungskosten ein Betrag von € 4.599,96.

Eine Besteuerung in Deutschland als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG wurde nicht nachgewiesen und es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Vornahme einer solchen Besteuerung vor, sodass von deren Bestehen nicht auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich der Art der beschwerdegegenständlichen Renten und der Bemessungsgrundlagen ergeben sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen und sind unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin in Österreich ihren Hauptwohnsitz und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat.

Anhaltspunkte für eine steuerliche Ansässigkeit der Beschwerdeführer in in Deutschland liegen nicht vor und wurden von dieser (mit Ausnahme einer „fiktiven Wohnsitzverlegung“ durch Option zur Steuerpflicht) auch nicht behauptet.

Die Feststellung der Höhe der Einkünfte erfolgte mit den von der Beschwerdeführer in selbst in der Stellungnahme vom übermittelten Werten, welche sich zutreffend aus dem übermittelten Pensionsunterlagen ergeben. Die belangte Behörde hat gegen diese ihr mitgeteilten Beträge keine Einwendungen erhoben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Folglich ist die Beschwerdeführerin mit den beschwerdegegenständlichen Renteneinkünften in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA-Deutschland dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat erhält, nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

Abweichend davon bestimmt Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland, dass Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, nur in diesem anderen Staat besteuert werden dürfen.

Für die Beurteilung der Frage, in welchem Staat der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ().

Die Beschwerdeführerin ist auf Grund der getroffenen Feststellungen iSd Art. 4 Abs. 1 DBA-Deutschland in Österreich ansässig.

Somit teilt das Doppelbesteuerabkommen Österreich das Besteuerungsrecht für die beschwerdegegenständliche Firmenpension (Art 18 Abs. 1 leg. cit.) und Deutschland das Besteuerungsrecht für die beiden beschwerdegegenständlichen Sozialversicherungspensionen aus der deutschen Rentenversicherung zu (Art 18 Abs. 2 leg. cit.).

Nach Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland dürfen Einkünfte einer in Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in Österreich auszunehmen sind, gleichwohl bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden.

Folglich sind die beschwerdegegenständlichen Sozialversicherungspensionen zwar in Österreich nicht zu besteuern, aber im Rahmen der Progression zu berücksichtigen  (Progressionsvorbehalt).

Bei der Ermittlung der Einkünfte der Beschwerdeführerin sind die Beiträge zur deutschen Kranken- und Pflegeversicherung als Werbungskosten abzuziehen (§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988; zur Pflegeversicherung siehe zB ).

Soweit die Beschwerdeführer in die Rechtsauffassung vertritt, es würde auf Grund einer Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig in Deutschland gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG zu einer Änderung der „steuerlichen Situation“ in Österreich dergestalt kommen, dass die beschwerdegegenständliche Firmenpension diesfalls nicht mehr zu besteuern wäre, verkennt sie die Rechtslage.

Es erfolgt keine fiktive „Verlegung des Wohnortes“ und des inländischen Besteuerungsrechts für diese Einkünfte nach Deutschland. Ebenso entbehrt die auch im österreichischen Steuerrecht in § 1 Abs. 4 EStG 1988 vorgesehene Möglichkeit einer Option zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht jeden Sinnes, wenn sie zu keiner Veränderung der Zuständigkeit für die Besteuerung führt.

Schließlich kommt es im Beschwerdefall im Hinblick auf die Firmenpension durch eine Besteuerung in Österreich auch nicht zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung dieser Einkünfte.

Zum einen konnte die Beschwerdeführer in ohnehin keinen Nachweis für eine Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG in Deutschland erbringen, sodass auch nicht vom Vorliegen einer solchen Besteuerung auszugehen ist.

Zum anderen würde aber eine solche Form der Besteuerung für sich allein auch keine Auswirkung auf die Besteuerung in Österreich haben.

Der Sinn der Bestimmung des § 1 Abs. 3 deutsches EStG ist ein anderer als ihn ihr die Beschwerdeführerin beimisst. Er liegt in der Verhinderung einer Ungleichbehandlung hinsichtlich steuerlicher Vergünstigungen, die nur unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährt werden, innerhalb der EU und ergibt sich aus der diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung (vgl. zur österreichischen Rechtslage Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG, § 1 Rz 21).

Nicht nachvollziehbar ist für das Bundesfinanzgericht, warum es im Fall der Besteuerung der Firmenpension in Österreich nach Ansicht der Beschwerdeführerin zu einer Doppelbesteuerung kommen sollte.

Siehe zur steuerlichen Situation in Deutschland Stöber in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, 3. Edition [Stand: ], § 1, Rz 277 f:

Die nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Regeln ermittelten weltweiten Einkünfte sind in einem zweiten Schritt aufzuteilen in Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

Der Steuerpflichtige ist nur dann berechtigt, die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 zu beantragen, wenn entweder seine Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Einkunftsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – bzw. den ggf. an seine Stelle tretenden niedrigeren Betrag – nicht übersteigen (absolute Einkunftsgrenze).

Für die Ermittlung der weltweiten Einkünfte im ersten Schritt wird eine unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen fingiert. Dagegen ist für die Aufteilung der weltweiten Einkünfte im zweiten Schritt eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu unterstellen (HHR/Tiede § 1 Rn. 266). Die Frage, welche Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen und bei welchen Einkünften dies nicht der Fall ist, muss mithin nach deutschem Recht beurteilt werden (KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 50, D 78).

Danach unterliegen zum einen jene Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer, die nicht vom abschließenden Katalog der inländischen Einkünfte des § 49 Abs. 1 erfasst werden (BFH – I R 18/13, BStBl. II 2015, 474 Rn. 23; HHR/Tiede § 1 Rn. 266). Weil für die Aufteilung der Einkünfte eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu unterstellen ist, muss für die Beurteilung der Frage, ob es sich um inländische Einkünfte iSd § 49 handelt, konsequenterweise auch die isolierende Betrachtungsweise nach § 49 Abs. 2 (dazu § 49 Rn. 643 ff.; s. auch Lademann EStG/Stöber § 49 Rn. 501 ff.) zur Anwendung kommen (aA wohl KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 79).

Darüber hinaus unterliegen aber auch solche Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer, die zwar an sich unter § 49 Abs. 1 fallen, bezüglich derer aber nach einem anwendbaren DBA nicht der Bundesrepublik, sondern dem Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen als dem anderen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht zusteht (BFH – I R 72/02, BFH/NV 2004, 321 (323); BFH – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 (395 f.); Korn/Herfort § 1 Rn. 91; KSM/Lehner/ Waldhoff § 1 Rn. D 74; Waterkamp-Faupel FR 1995, 766 (769)).

Nach dem DBA-Deutschland steht das Besteuerungsrecht an der beschwerdegegenständlichen Firmenpension aber Österreich zu, sodass ohnehin – auch im Falle einer tatsächlichen Anwendung des § 1 Abs. 3 deutsches EStG – keine Besteuerung in Deutschland erfolgen würde.

In seinem Urteil vom , I R 13/02, hat der deutsche Bundesfinanzhof ausgesprochen, ein in Frankreich wohnender, jedoch in Deutschland gemäß § 1 Abs. 3 deutsches EStG 1987 fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger sei nicht iSd Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a deutsches DBA-Frankreich in Deutschland ansässig.

In der Begründung hat der BFH dazu ausgeführt: „Ihre (inländische) unbeschränkte Steuerpflicht ist fiktiver Natur und resultiert aus § 1 Abs. 3 EStG 1987. Sie gründet damit nicht - wie aber nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA -Frankreich erforderlich – auf ortsbezogenen Anknüpfungsmerkmalen, sondern auf der Art des Dienstverhältnisses und der vereinnahmten Bezüge sowie den Umfang der ausländischen Einkünfte, und schafft deswegen keine Ansässigkeit i. S. von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA –Frankreich (vgl. z. B. Wilke, in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA , Art. 4 OECD-MA Rn. 20; Kaminski, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/ DBA , Art. 4 OECD-MA Rz. 32; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 4 MA Rz. 39 f.).“

Siehe dazu  nochmals Stöber in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, 3. Edition [Stand: ] zu § 1, Rz 304 f: "Wenn die nicht im Inland ansässige natürliche Person einen Antrag nach § 1 Abs. 3 gestellt hat und die Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind, wird sie in Deutschland wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt. Sofern daneben im ausländischen Ansässigkeitsstaat eine „echte“ unbeschränkte Steuerpflicht besteht, bleibt diese unberührt (Blümich/Rauch § 1 Rn. 242) …

Während die „echte“ unbeschränkte Steuerpflicht vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in einem DBA nach dem Welteinkommensprinzip das gesamte weltweit erzielte Einkommen erfasst, ist die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 auf die inländischen Einkünfte der betreffenden Person iSd § 49 beschränkt (BFH – III R 5/17, DStR 2018, 1167 Rn. 21 f.; Korn/Herfort § 1 Rn. 95; KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 180; Frotscher/Geurts/Lochte § 1 Rn. 40; LBP/Teller § 1 Rn. 127; HHR/Tiede § 1 Rn. 254, 297; Weiss IWB 2017, 746 (747); …

DBA-Bestimmungen sind auch insofern vorrangig, als die Fiktion einer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 keine abkommensrechtliche Ansässigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen im Inland begründet ( IStR 2000, 188; FG Münster – 11 K 2115/15 E, DStRE 2017, 1500; KSM/Lehner/Waldhoff § 1 Rn. D 195 ff.; Kirchhof/Gosch § 1 Rn. 15; Lademann EStG/Hahn § 1 Rn. 238; Frotscher/Geurts/Lochte § 1 Rn. 47; Weiss IWB 2017, 746 (749); s. auch BFH – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 (398))."

Unabhängig von diesen Erwägungen ist im Beschwerdefall aber ohnehin die rechtliche Situation in Österreich, nämlich die Irrelevanz einer fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland, für die Beurteilung der unbeschränkten Steuerpflicht und der Ansässigkeit entscheidend.

"Wird vom Antragsrecht nach § 1 Abs 4 EStG 1988 Gebrauch gemacht, stehen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich die Begünstigungen der unbeschränkten Steuerpflicht zu und ist die Veranlagung nach den Bestimmungen der §§ 39 ff EStG 1988 vorzunehmen. Dies betrifft insbesondere (lt der RV zum EU-AbgÄG, 498 der Beilagen, XX. GP) den allgemeinen Absetzbetrag zur steuerlichen Berücksichtigung des persönlichen Existenzminimums, die Absetzbeträge zur steuerlichen Berücksichtigung der Familienverhältnisse mit Ausnahme des Kinderabsetzbetrages (somit Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag), die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach §§ 34 und 35 sowie einige weitere steuerliche Randbereiche (Tarifermäßigung für Erfindungen nach § 38, Veranlagungsfreibetrag nach § 41, Freibetrag nach § 105, Bausparen nach § 108). Die beantragte unbeschränkte Steuerpflicht bewirkt allerdings für sich allein keine inländische Ansässigkeit im Sinne der Doppelbesteuerungsabkommen" (Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG [Stand 45. Lfg.], § 1 Rz 21).

"Die Fiktion der unbeschr StPfl gem § 1 Abs 4 bewirkt keine Ansässigkeit iSv DBA" (Marschner in Jakom EStG12, § 1 Rz 61).

Dies ergibt sich in gekehrter Weise bei einer Option zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland bereits unmittelbar aus § 1 EStG 1988 bzw. Art. 4 DBA-Deutschland , die keine Ausnahmen für den Fall einer solchen Besteuerung im Ausland vorsehen.   

Somit wurden die Einkünfte aus der beschwerdegegenständlichen Firmenpension zu Recht der Besteuerung unterzogen. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen durch die Beschwerdeführer in war die Höhe der Einkünfte gegenüber dem bekämpften Bescheid abzuändern.

Im Ergebnis war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2 Spruchpunkt II. (Unzu lässigkeit einer Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung des gegenständlichen Falles betrifft eine auf Ebene der Beweiswürdigung zu beurteilende Sachfrage (keine Besteuerung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig in Deutschland) bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz (§ 1 EStG 1988) und dem Doppelbesteuerungsabkommen (Art 4 DBA-Deutschland).

Es war daher gemäß § 25a Abs. 1 VwGG zu entscheiden, dass eine Revision im Beschwerdefall nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104225.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at