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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.07.2019, RV/3100246/2018

Herabsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerde­sache der Bfin, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanz­amtes Innsbruck vom , zu St.-Nr. nn-nnn/nnnn, betreffend Säum­nis­zu­schläge ,

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die zu­min­dest teil­weise Abschreibung der in den Jahren 2012 bis 2017 festgesetzten Säum­nis­zu­schläge in Höhe von insgesamt € 85.160,31 nach § 217 Abs. 7 BAO.

Ursache für die verzögerte Entrichtung laufender Abgaben sei die prekäre Liqui­ditäts­si­tua­tion gewesen, welche durch Verluste von insgesamt 4 Mio. Euro in den Jahren bis 2014 entstanden sei. Die Firma habe in den letzten Jahren ständig ums Über­le­ben ge­kämpft bzw. es seien andauernd Liquiditätsprobleme zu lösen gewesen. Dies sei einer­seits durch Einbringung von Privatvermögen durch den geschäftsführenden Ge­sell­schafter und durch Auflösung von stillen Reserven gelungen. Erst ab dem Jahr 2015 habe die Firma restrukturiert und auf gesunde Füße gestellt werden kön­nen und laufe nun wieder positiv. Liquiditätsprobleme würden aber weiterhin ein großes Problem darstellen. Ein wichtiges Element sei in diesem Zusammenhang der Ver­kauf von Grundstücken auf der X. gewesen. Ursprünglich sei hier ein großes Bauprojekt geplant gewesen, wel­ches jedoch aufgrund der Firmenkrise nicht durch­ge­zogen worden sei. 2015 habe man sich für den Verkauf als Maßnahme zur Ver­bes­serung der Liquiditäts­situation entschieden. Der geplante Überling aus dem Ver­kaufs­er­lös sei zur Abdeckung der Schulden gegenüber dem Finanzamt eingeplant ge­wesen. Der Verkauf habe sich aufgrund diverser Probleme (Streit um Servituts­rech­te, dadurch Abspringen von Käufern) bis 2017 verzögert. Unab­hängig davon seien laufend Zah­lun­gen an das Finanzamt getätigt worden, wobei es aber ver­ab­säumt worden sei, die Zah­lungen den laufenden Abgaben zu widmen, wo­durch es zu un­nötigen Vor­schrei­bun­gen von Säumniszuschlägen gekommen sei, die eigent­lich ver­mieden wer­den hät­ten können. Neben den aufgezeigten Problemen sei der Ge­sell­schafter-Ge­schäfts­führer gesundheitlich stark angeschlagen gewesen, wo­durch be­ste­hen­de Probleme viel­fach unzulänglich angegangen worden seien.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass kein grobes Verschulden vorliege. Ein Großteil der Verbindlichkeiten anderer Gläubiger seien innerhalb eines gewissen Zeitraumes pünktlich bedient worden.

Dagegen wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und gleichzeitig auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet.

Begründend wurde vorgebracht, dass sich der Geschäftsführer zu keiner Zeit ein grob fahr­lässiges Verhalten oder grobes Verschulden zukommen habe lassen. Alle Gläubiger seien nach Maßgabe der wirtschaftlichen Möglichkeiten ordentlich bedient wor­den. Teilzahlungen - meist auf Basis von Zahlungsvereinbarungen - seien ein­ge­halten worden. Lieferanten von Baumaterialien hätten teils prioritär be­dient werden müssen, um laufende Projekte/Baustellen bearbeiten und fertigstellen zu kön­nen. Dies sei elementar und substantiell für die Tätigkeit eines Bauunternehmens. Alt­las­ten aus der Restrukturierung hätten parallel dazu abgebaut werden müssen, diese hät­ten leider nicht auf einmal finanziert werden können, weil dies auch eine Frage von zu erbringenden Sicherheiten gewesen sei. Die Verzögerung des Verkaufs der Xx habe das Unternehmen zusätzlich in Bedrängnis gebracht. Da­für seien viele externe Faktoren verantwortlich gewesen. Ein grobes Verschulden oder Verhalten lasse sich hier beim besten Willen nicht ableiten. Es sei jederzeit ver­sucht worden, alle Gläubiger im Rahmen des sehr ambitionierten und doch er­folg­ver­sprechenden Restrukturierungsprozesses zu bedienen. Mit dem für 2018 geplanten Ge­schäftserfolg und der präliminierten passivseitigen Restrukturierung, bei der be­reits intensive Gespräche mit der Hausbank geführt werden würden, könne die Li­qui­ditätssituation des Unternehmens nachhaltig verbessert werden. Man hoffe, dass das Finanzamt mit einer Herabsetzung der Säumniszuschläge einen Beitrag im er­folg­reichen Restrukturierungsprozess leisten könne.

Im Rahmen einer Erörterung der Sach- und Rechtslage am wurde der Beschwerdeführerin nochmals die Möglichkeit eingeräumt anhand konkret zu be­zeich­nender Ab­ga­ben­schuldigkeiten nachzuweisen, dass diese im Einzelfall mangels vor­handener liquider Mittel nicht oder zumindest nicht zur Gänze frist­ge­recht entrichtet werden konnten und bei der Bezahlung anderer Gläubiger (auch unter Be­rück­sich­tigung von Zug-um-Zug-Geschäften) der Gleich­be­handlungs­grund­satz be­ach­tet worden ist.

Mit E-Mail vom übermittelte die Beschwerdeführerin eine Aufstellung über die festgesetzten Säum­nis­zuschläge, die diesen zugrunde liegenden Ab­gaben­schuldig­kei­ten sowie der Summen der Ver­bind­lich­keiten (Kredite, L&L, Wechsel und Steuern), zum jeweils 31. De­zem­ber jeden Jahres. Gleichzeitig wurde mit­ge­teilt, dass die Erstellung einer solchen Aufstellung für jeden Monat nahezu ein Ding der Unmöglichkeit sei.

Auf entsprechenden Vorhalt, dass diese Aufstellung nicht geeignet sei, ein Ver­schul­den an der Säumigkeit zu widerlegen, wurde mit Eingabe vom eine Auf­stellung der Saldostände des "Betriebsmittelkontos" zum 15. des jeweiligen Mo­nats für den Zeitraum Jänner 2015 bis Dezember 2017 und der jeweils geltenden Rah­men-/Über­zie­hungs­ver­ein­barung mit der Bank vorgelegt. Hierzu wurde aus­geführt, dass die Saldostände die über die Jahre weitestgehend angespannte Li­qui­di­täts­situation des Unternehmens zeigen würden. Eine Nachweis über die aliquote Auf­tei­lung der zur Verfügung stehenden liquiden Mittel und auf die zum gleichen Zeit­punkt fälligen Verbindlichkeiten lasse sich beim besten Willen für diese Zeitraum auf­grund der fehlenden Daten nicht mehr rückwirkend darstellen. Die liqui­den Mittel seien nach bestem Wissen und Gewissen ganz im Sinne des Fortbestandes des Fa­mi­lien­betriebes für die Zahlung der Löhne und Gehälter, Lieferantenrechnungen, Ab­ga­ben so­wie sonstige Verbindlichkeiten nach Maßgabe der Dringlichkeit und den Er­for­der­nissen zur Auf­rechterhaltung des Geschäftsbetriebes verwendet. Es habe aus der Sicht des Geschäfts­führers keine bewusste Bevorzugung oder Benachteiligung von Gläu­bi­gern gegeben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht ent­rich­te­ten Abgabenbetrages zu entrichten.

Der Säumniszuschlag ist somit eine objektive Säumnisfolge. Die Gründe, die zum Zah­lungs­verzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 3f).

Das Vorliegen des Zahlungsverzuges ist unbestritten. Die Beschwerdeführerin begehrt im gegenständlichen Fall jedoch eine Herabsetzung der festgesetzten Säumiszuschläge nach § 217 Abs. 7 BAO.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabenpflichtigen Säumniszuschläge in­so­weit her­ab­zusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Ver­schul­den trifft, ins­be­son­dere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu be­rech­nen­den Abgaben kein gro­bes Ver­schulden an der Unrichtigkeit der Selbst­be­rech­nung vorliegt.

Voraussetzung für eine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages ist es daher, dass hinsichtlich der verspäteten Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten kein grobes Verschulden vorliegt.

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leich­te Fahr­läs­sig­keit vorliegt. Eine lediglich leichte Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn ein Fehler unterläuft, den ge­le­gent­lich auch ein sorgfältiger Mensch be­geht (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 44 mwN).

Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche, und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. ().

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin an der verspäteten Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten deshalb kein grobes Verschulden treffe, weil ihre Liqui­däts­situation angespannt gewesen sei.

Nach Ritz, BAO6, § 217 Tz 47, ist ein grobes Verschulden an einer Säumnis bei­spiels­weise dann nicht gegeben, wenn die Abgabenentrichtung infolge Zahlungs­unfähig­keit unmöglich ist. Die Unzumutbarkeit der Abgabenentrichtung wird unter anderem dann als gegeben angesehen, wenn sich der zur Abgabenentrichtung Verpflichtete die betreffenden Mittel nur durch Verschleuderung von Vermögen beschaffen oder eine Kreditgewährung nur dadurch erreichen könnte, dass er den Kreditgeber auf eine strafrechtlich relevante Weise täuscht oder unzumutbar überhöhte Kreditzinsen ent­richtet (vgl. Ritz, SWK 2001, S 339).

Im Beschwerdefall ist keine derartige Fallkonstellation gegeben bzw. nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin war im fraglichen Zeitraum keineswegs zahlungsunfähig, sondern lediglich mit (vor­über­gehen­den) Liquiditätsengpässen konfrontiert.

§ 217 Abs. 7 BAO stellt einen Begünstigungstatbestand dar. In einem Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, herrscht das An­trags­prinzip. Daraus folgt, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sach­ver­halts­er­mitt­lung gegenüber der Offenlegungspflicht des Be­günstigungs­wer­bers in den Hin­ter­grund tritt. Dieser hat selbst einwandfrei und unter Aus­schluss je­den Zwei­fels das Vor­lie­gen all jener Umstände darzulegen, auf welche die ab­gaben­recht­liche Begünstigung ge­stützt werden kann (vgl. ; ).

Überträgt man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall, so wäre es Sache der Be­schwer­de­führerin gewesen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. die Un­mög­lichkeit bzw. Un­zu­mut­barkeit der rechtzeitigen Abgabenentrichtung bezogen auf konkrete Säum­nis­fälle durch entsprechende Vorbringen und Vorlage entsprechender Unter­la­gen und Nachweise eingehend offenzulegen.

Der generelle Hinweis auf die angespannte Liquiditätssituation, die Vorlage der Sal­den des Betriebsmittelkontos zum 15. des Monats bzw. die Vorlage einer Zusammen­stel­lung der zum Jahresende bestehenden Verbindlichkeiten genügt dieser der die Be­schwer­de­führerin treffenden Konkretisierungsobliegenheit nicht. Dies nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass andere andrängende Gläubiger, wie die Beschwerde­füh­re­rin auch vorbringt teilweise prioritär, befriedigt worden sind und Löhne und Gehälter in voller Höhe ausbezahlt wurden, ohne die einzubehaltende und ab­zu­füh­ren­de Lohnsteuer (vgl. § 78 EStG 1988) fristgerecht zu entrichten. Die Aufstellung zum Betriebs­mittel­konto zeigt auch, dass die Rahmen­vereinbarung bezüglich des Kredit­rahmens (öftere Über­schrei­tungen) offensichtlich flexibel gehandhabt und in Ein­zel­fällen auch nicht ausgenutzt worden ist.

Die Beschwerdeführerin mag zwar nach besten Wissen und Gewissen versucht ha­ben, alle Gläubiger zu bedienen. Bei Abgabenschuldigkeiten sind aber jedenfalls auch die be­tref­fen­den Fälligkeitstermine in die Beurteilung miteinzubeziehen. In manchen Fällen bedurfte es sogar der Festsetzung eines zweiten und dritten Säumnis­zu­schla­ges. Das Vor­bringen, dass ein zukünftiger Überling aus dem Verkauf von Grund­stücken für die Abdeckung von bestehenden Abgaben­schuldig­keiten gedacht ge­we­sen sei, zeigt in diesem Zu­sam­men­hang auf, dass die Abgabenentrichtung im Wissen um die be­ste­hen­de Säumig­keit auf einen un­be­stimm­ten späteren Zeit­punkt hinaus­geschoben wurde. Auch mit dem Hinweis, dass es verabsäumt worden sei, Fi­nanz­amts­zahlungen mit Verrechnungsweisung bestimmten Abgaben zu widmen, ist für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen, bedeutet dies doch nur, dass man mit einer anderen Abgabe säumig wird bzw. eine bestehende Säumnis weiterbesteht.

Die Abgabenbehörde bleibt daher zur Annahme berechtigt, dass die Beschwerde­füh­rerin zumindest in der Lage hätte sein müssen, ihrer Abgabenzahlungspflicht nach­zu­kommen. Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, dass Zah­lungen nach Maßgabe der Dringlichkeit und den Erfordernissen zur Aufrechterhaltung des Geschäfts­be­trie­bes erfolgt seien. Ein Ermessen - durch die Herabsetzung der Säumniszuschläge einen Betrag zum Re­struk­tu­rie­rungs­prozess zu leisten - räumt das Gesetz weder der Ab­ga­ben­behörde noch dem Verwaltungsgericht ein.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung ihres Antrages gemäß § 217 Abs. 7 BAO vorgebrachte Sachverhalt nicht geeignet war, ihr Be­geh­ren auf Nichtfestsetzung der Säumniszuschläge zu stützen. Da somit kein recht­licher Grund für eine Stattgabe der Beschwerde gegeben war, war spruch­ge­mäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Erledigung des Rechtsmittels erforderte nicht die Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Tatsachenfeststellungen sind im Allgemeinen einer Revision ohnehin nicht zuglänglich. Es war daher die ordentliche Revision als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100246.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100246.2018

Fundstelle(n):
KAAAC-21665