Herabsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache der Bfin, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom , zu St.-Nr. nn-nnn/nnnn, betreffend Säumniszuschläge ,
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die zumindest teilweise Abschreibung der in den Jahren 2012 bis 2017 festgesetzten Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt € 85.160,31 nach § 217 Abs. 7 BAO.
Ursache für die verzögerte Entrichtung laufender Abgaben sei die prekäre Liquiditätssituation gewesen, welche durch Verluste von insgesamt 4 Mio. Euro in den Jahren bis 2014 entstanden sei. Die Firma habe in den letzten Jahren ständig ums Überleben gekämpft bzw. es seien andauernd Liquiditätsprobleme zu lösen gewesen. Dies sei einerseits durch Einbringung von Privatvermögen durch den geschäftsführenden Gesellschafter und durch Auflösung von stillen Reserven gelungen. Erst ab dem Jahr 2015 habe die Firma restrukturiert und auf gesunde Füße gestellt werden können und laufe nun wieder positiv. Liquiditätsprobleme würden aber weiterhin ein großes Problem darstellen. Ein wichtiges Element sei in diesem Zusammenhang der Verkauf von Grundstücken auf der X. gewesen. Ursprünglich sei hier ein großes Bauprojekt geplant gewesen, welches jedoch aufgrund der Firmenkrise nicht durchgezogen worden sei. 2015 habe man sich für den Verkauf als Maßnahme zur Verbesserung der Liquiditätssituation entschieden. Der geplante Überling aus dem Verkaufserlös sei zur Abdeckung der Schulden gegenüber dem Finanzamt eingeplant gewesen. Der Verkauf habe sich aufgrund diverser Probleme (Streit um Servitutsrechte, dadurch Abspringen von Käufern) bis 2017 verzögert. Unabhängig davon seien laufend Zahlungen an das Finanzamt getätigt worden, wobei es aber verabsäumt worden sei, die Zahlungen den laufenden Abgaben zu widmen, wodurch es zu unnötigen Vorschreibungen von Säumniszuschlägen gekommen sei, die eigentlich vermieden werden hätten können. Neben den aufgezeigten Problemen sei der Gesellschafter-Geschäftsführer gesundheitlich stark angeschlagen gewesen, wodurch bestehende Probleme vielfach unzulänglich angegangen worden seien.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass kein grobes Verschulden vorliege. Ein Großteil der Verbindlichkeiten anderer Gläubiger seien innerhalb eines gewissen Zeitraumes pünktlich bedient worden.
Dagegen wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und gleichzeitig auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet.
Begründend wurde vorgebracht, dass sich der Geschäftsführer zu keiner Zeit ein grob fahrlässiges Verhalten oder grobes Verschulden zukommen habe lassen. Alle Gläubiger seien nach Maßgabe der wirtschaftlichen Möglichkeiten ordentlich bedient worden. Teilzahlungen - meist auf Basis von Zahlungsvereinbarungen - seien eingehalten worden. Lieferanten von Baumaterialien hätten teils prioritär bedient werden müssen, um laufende Projekte/Baustellen bearbeiten und fertigstellen zu können. Dies sei elementar und substantiell für die Tätigkeit eines Bauunternehmens. Altlasten aus der Restrukturierung hätten parallel dazu abgebaut werden müssen, diese hätten leider nicht auf einmal finanziert werden können, weil dies auch eine Frage von zu erbringenden Sicherheiten gewesen sei. Die Verzögerung des Verkaufs der Xx habe das Unternehmen zusätzlich in Bedrängnis gebracht. Dafür seien viele externe Faktoren verantwortlich gewesen. Ein grobes Verschulden oder Verhalten lasse sich hier beim besten Willen nicht ableiten. Es sei jederzeit versucht worden, alle Gläubiger im Rahmen des sehr ambitionierten und doch erfolgversprechenden Restrukturierungsprozesses zu bedienen. Mit dem für 2018 geplanten Geschäftserfolg und der präliminierten passivseitigen Restrukturierung, bei der bereits intensive Gespräche mit der Hausbank geführt werden würden, könne die Liquiditätssituation des Unternehmens nachhaltig verbessert werden. Man hoffe, dass das Finanzamt mit einer Herabsetzung der Säumniszuschläge einen Beitrag im erfolgreichen Restrukturierungsprozess leisten könne.
Im Rahmen einer Erörterung der Sach- und Rechtslage am wurde der Beschwerdeführerin nochmals die Möglichkeit eingeräumt anhand konkret zu bezeichnender Abgabenschuldigkeiten nachzuweisen, dass diese im Einzelfall mangels vorhandener liquider Mittel nicht oder zumindest nicht zur Gänze fristgerecht entrichtet werden konnten und bei der Bezahlung anderer Gläubiger (auch unter Berücksichtigung von Zug-um-Zug-Geschäften) der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet worden ist.
Mit E-Mail vom übermittelte die Beschwerdeführerin eine Aufstellung über die festgesetzten Säumniszuschläge, die diesen zugrunde liegenden Abgabenschuldigkeiten sowie der Summen der Verbindlichkeiten (Kredite, L&L, Wechsel und Steuern), zum jeweils 31. Dezember jeden Jahres. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass die Erstellung einer solchen Aufstellung für jeden Monat nahezu ein Ding der Unmöglichkeit sei.
Auf entsprechenden Vorhalt, dass diese Aufstellung nicht geeignet sei, ein Verschulden an der Säumigkeit zu widerlegen, wurde mit Eingabe vom eine Aufstellung der Saldostände des "Betriebsmittelkontos" zum 15. des jeweiligen Monats für den Zeitraum Jänner 2015 bis Dezember 2017 und der jeweils geltenden Rahmen-/Überziehungsvereinbarung mit der Bank vorgelegt. Hierzu wurde ausgeführt, dass die Saldostände die über die Jahre weitestgehend angespannte Liquiditätssituation des Unternehmens zeigen würden. Eine Nachweis über die aliquote Aufteilung der zur Verfügung stehenden liquiden Mittel und auf die zum gleichen Zeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten lasse sich beim besten Willen für diese Zeitraum aufgrund der fehlenden Daten nicht mehr rückwirkend darstellen. Die liquiden Mittel seien nach bestem Wissen und Gewissen ganz im Sinne des Fortbestandes des Familienbetriebes für die Zahlung der Löhne und Gehälter, Lieferantenrechnungen, Abgaben sowie sonstige Verbindlichkeiten nach Maßgabe der Dringlichkeit und den Erfordernissen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes verwendet. Es habe aus der Sicht des Geschäftsführers keine bewusste Bevorzugung oder Benachteiligung von Gläubigern gegeben.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten.
Der Säumniszuschlag ist somit eine objektive Säumnisfolge. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 3f).
Das Vorliegen des Zahlungsverzuges ist unbestritten. Die Beschwerdeführerin begehrt im gegenständlichen Fall jedoch eine Herabsetzung der festgesetzten Säumiszuschläge nach § 217 Abs. 7 BAO.
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabenpflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Voraussetzung für eine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages ist es daher, dass hinsichtlich der verspäteten Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten kein grobes Verschulden vorliegt.
Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Eine lediglich leichte Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 44 mwN).
Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche, und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. ().
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin an der verspäteten Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten deshalb kein grobes Verschulden treffe, weil ihre Liquidätssituation angespannt gewesen sei.
Nach Ritz, BAO6, § 217 Tz 47, ist ein grobes Verschulden an einer Säumnis beispielsweise dann nicht gegeben, wenn die Abgabenentrichtung infolge Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist. Die Unzumutbarkeit der Abgabenentrichtung wird unter anderem dann als gegeben angesehen, wenn sich der zur Abgabenentrichtung Verpflichtete die betreffenden Mittel nur durch Verschleuderung von Vermögen beschaffen oder eine Kreditgewährung nur dadurch erreichen könnte, dass er den Kreditgeber auf eine strafrechtlich relevante Weise täuscht oder unzumutbar überhöhte Kreditzinsen entrichtet (vgl. Ritz, SWK 2001, S 339).
Im Beschwerdefall ist keine derartige Fallkonstellation gegeben bzw. nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin war im fraglichen Zeitraum keineswegs zahlungsunfähig, sondern lediglich mit (vorübergehenden) Liquiditätsengpässen konfrontiert.
§ 217 Abs. 7 BAO stellt einen Begünstigungstatbestand dar. In einem Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, herrscht das Antragsprinzip. Daraus folgt, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ; ).
Überträgt man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall, so wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der rechtzeitigen Abgabenentrichtung bezogen auf konkrete Säumnisfälle durch entsprechende Vorbringen und Vorlage entsprechender Unterlagen und Nachweise eingehend offenzulegen.
Der generelle Hinweis auf die angespannte Liquiditätssituation, die Vorlage der Salden des Betriebsmittelkontos zum 15. des Monats bzw. die Vorlage einer Zusammenstellung der zum Jahresende bestehenden Verbindlichkeiten genügt dieser der die Beschwerdeführerin treffenden Konkretisierungsobliegenheit nicht. Dies nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass andere andrängende Gläubiger, wie die Beschwerdeführerin auch vorbringt teilweise prioritär, befriedigt worden sind und Löhne und Gehälter in voller Höhe ausbezahlt wurden, ohne die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer (vgl. § 78 EStG 1988) fristgerecht zu entrichten. Die Aufstellung zum Betriebsmittelkonto zeigt auch, dass die Rahmenvereinbarung bezüglich des Kreditrahmens (öftere Überschreitungen) offensichtlich flexibel gehandhabt und in Einzelfällen auch nicht ausgenutzt worden ist.
Die Beschwerdeführerin mag zwar nach besten Wissen und Gewissen versucht haben, alle Gläubiger zu bedienen. Bei Abgabenschuldigkeiten sind aber jedenfalls auch die betreffenden Fälligkeitstermine in die Beurteilung miteinzubeziehen. In manchen Fällen bedurfte es sogar der Festsetzung eines zweiten und dritten Säumniszuschlages. Das Vorbringen, dass ein zukünftiger Überling aus dem Verkauf von Grundstücken für die Abdeckung von bestehenden Abgabenschuldigkeiten gedacht gewesen sei, zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass die Abgabenentrichtung im Wissen um die bestehende Säumigkeit auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt hinausgeschoben wurde. Auch mit dem Hinweis, dass es verabsäumt worden sei, Finanzamtszahlungen mit Verrechnungsweisung bestimmten Abgaben zu widmen, ist für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen, bedeutet dies doch nur, dass man mit einer anderen Abgabe säumig wird bzw. eine bestehende Säumnis weiterbesteht.
Die Abgabenbehörde bleibt daher zur Annahme berechtigt, dass die Beschwerdeführerin zumindest in der Lage hätte sein müssen, ihrer Abgabenzahlungspflicht nachzukommen. Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, dass Zahlungen nach Maßgabe der Dringlichkeit und den Erfordernissen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erfolgt seien. Ein Ermessen - durch die Herabsetzung der Säumniszuschläge einen Betrag zum Restrukturierungsprozess zu leisten - räumt das Gesetz weder der Abgabenbehörde noch dem Verwaltungsgericht ein.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung ihres Antrages gemäß § 217 Abs. 7 BAO vorgebrachte Sachverhalt nicht geeignet war, ihr Begehren auf Nichtfestsetzung der Säumniszuschläge zu stützen. Da somit kein rechtlicher Grund für eine Stattgabe der Beschwerde gegeben war, war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Erledigung des Rechtsmittels erforderte nicht die Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Tatsachenfeststellungen sind im Allgemeinen einer Revision ohnehin nicht zuglänglich. Es war daher die ordentliche Revision als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100246.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100246.2018
Fundstelle(n):
KAAAC-21665