Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.07.2019, RV/7104409/2015

Haftung gemäß § 9 BAO, Verjährung, Aufbewahrungspflicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R. in der Beschwerdesache A.B., Wohnadresse, vertreten durch Dr. Georg Freimüller, Rechtsanwalt, Alserstraße 21, 1080 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) als ehemaliger Geschäftsführer der X Gesellschaft m.b.H. & Co KG für deren unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 175.222,96 gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen.

Diese setzen sich wie folgt zusammen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2001
5.759,46
Umsatzsteuer
05/2001
2.199,68
Umsatzsteuer
05-07/2002
11.548,34
Umsatzsteuer
09-12/2002
15.729,54
Umsatzsteuer
2003
5.095,28
Umsatzsteuer
01/2003
104,61
Umsatzsteuer
02/2003
4.039,25
Umsatzsteuer
03/2003
4.802,20
Umsatzsteuer
04/2003
3.420,26
Umsatzsteuer
05/2003
2.891,76
Umsatzsteuer
06/2003
4.232,84
Umsatzsteuer
07/2003
3.976,86
Umsatzsteuer
09/2003
2.652,40
Umsatzsteuer
10/2003
3.998,12
Umsatzsteuer
11/2003
3.469,60
Umsatzsteuer
12/2003
3.997,58
Umsatzsteuer
01/2004
2.253,11
Umsatzsteuer
02/2004
3.414,56
Umsatzsteuer
03-04/2004
9.047,88
Umsatzsteuer
05-09/2004
8.444,90
Umsatzsteuer
10/2004
2.962,72
Lohnsteuer
2002
10.422,07
Lohnsteuer
2003
18.451,42
Lohnsteuer
2004
17.913,78
Lohnsteuer
11/2004
2.554,90
Dienstgeberbeitrag
2002
4.765,17
Dienstgeberbeitrag
2003
7.509,90
Dienstgeberbeitrag
2004
6.932,75
Dienstgeberbeitrag
11/2004
1.278,17
Zuschlag zum DB
2002
371,81
Zuschlag zum DB
2003
671,47
Zuschlag zum DB
2004
560,03
Zuschlag zum DB
11/2004
150,54

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. seit Datum1 Geschäftsführer der GmbH & Co KG gewesen sei.

Der Geschäftsführer habe für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderung bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe.

****

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte der Bf. aus, dass im Insolvenzverfahren der Firma das Finanzamt lt. dem vorliegenden Anmeldungsverzeichnis am eine Insolvenzforderung von € 90.639‚67 sowie am eine weitere Insolvenzforderung von € 52.415,21 angemeldet habe. In weiterer Folge sei am eine Einschränkung der Forderungsanmeldung vom auf € 44.540,50 erfolgt. Die Gesamtsumme der im Insolvenzverfahren der GmbH & CoKG angemeldeten Insolvenzforderungen habe sich daher auf € 135.180,17 belaufen.

Nur hinsichtlich dieses Betrages sei durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren
die 5-jährige Frist für die Einhebungsverjährung gewahrt gewesen. Im darüber hinaus gehenden Ausmaß unterliege die im Haftungsbescheid vom
geltend gemachte Summe von € 175.222,96 jedenfalls der Verjährung.

Vorsorglich werde jedoch hinsichtlich des gesamten Betrages von € 175.222,96
Verjährung eingewendet, da lange Zeit vor der formellen Aufhebung des Insolvenzverfahrens bereits mit Sicherheit absehbar gewesen sei, dass die Gläubiger im
gegenständlichen Insolvenzverfahren mit einer Null-Quote zu rechnen hätten und
daher die 5-jährige Frist für die Einhebungsverjährung nicht erst mit der formellen Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sondern bereits zum Zeitpunkt, zu dem die
Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bekannt gewesen sei, zu laufen begonnen habe und seit diesem Zeitraum bis zur Erlassung des Haftungsbescheides ein Zeitraum von mehr als 5 Jahren verstrichen sei.

Insoweit der Haftungsbescheid ausführe, dass vom Bf. keinerlei Beweise erbracht worden seien, die die schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO entkräften könnten, sei anzuführen, dass der Bf. bis zur Erlassung des Haftungsbescheides vom mit keinerlei Aufforderung zur Rechtfertigung konfrontiert worden sei, obschon dazu über einen Zeitraum von 10 Jahren die Möglichkeit bestanden hätte.

Dem Schuldner wäre jedoch zu Zeiten, zu dem die Buchhaltungsunterlagen nach Maßgabe der Aufbewahrungspflichten der BAO noch greifbar gewesen wären, die Möglichkeit offen gestanden, nachzuweisen, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten der Firma nicht schlechter befriedigt hat, im nunmehrigen Status, in dem die Buchhaltungsunterlagen der Firma bereits vom Masseverwalter vernichtet worden seien, sei eine entsprechende Beweisführung jedoch unmöglich geworden. Die Behörde habe daher dem Bf. die Erbringung des Entlastungsbeweises durch grundloses Zuwarten verunmöglicht.

Vom gegenständlichen Haftungsbescheid seien Abgabenforderungen umfasst, deren
Fälligkeit erst nach der am Datum5 erfolgten Insolvenzeröffnung eingetreten
seien. Für diese Abgabenverbindlichkeiten scheide eine Haftung des Bf. aus, da er selbst bei Einhaltung aller ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht zu einer Bezahlung der Abgabenforderungen vor Fälligkeit verpflichtet gewesen wäre. Es handle sich dabei um folgende Abgabenforderungen:


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L, DB, DZ 11/2004
fällig am
€ 3.983,61
U 10/2004
fällig am
€ 2.962,72
U 11/2004
fällig am
€ 13.159,41

Keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO liege schließlich
hinsichtlich der von der Firma vor Insolvenzeröffnung geleisteten Zahlungen vor, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens vom Masseverwalter erfolgreich nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung angefochten worden seien.

Dabei handle es sich um den Betrag von € 14.000,00, der in Entsprechung der Anfechtung vom Finanzamt nach Insolvenzeröffnung an den Masseverwalter überwiesen worden sei. Auch diesbezüglich sei eine Haftung wegen schuldhafter Pflichtverletzung des Geschäftsführers ausgeschlossen.

****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom  gab das Finanzamt der Beschwerde hinsichtlich eines Betrages von € 32.352,89 statt und führte aus, dass zur eingewendeten Verjährung festgestellt werde, dass auf Grund der Bestimmung des § 9 IO, der eine lex specialis gegenüber dem § 238 BAO sei, die Verjährung unterbrochen werde. Die Insolvenzaufhebung sei erst am beschlossen worden. Eine Verjährung könne somit keinesfalls eingetreten sein.

Hinsichtlich der U 10/2004 in Höhe von € 2.962,72, der L 2004 in Höhe von € 17.913,78, L 11/2004 in Höhe von € 2.554,90, DB 2004 in Höhe von € 6.932,75, DB 11/2004 in Höhe von € 1.278,17, DZ 2004 in Höhe von € 560,03 sowie DZ 11/2004 in Höhe von € 150,54 werde der gegenständliche Haftungsbescheid insoweit reduziert.

Soferne in der Beschwerde ausgeführt werde, dass € 14.000,00 aus Rückzahlungen resultiere, werde entgegengehalten, dass diese Beträge nicht in den Haftungsbescheid aufgenommen worden seien.

****

Dagegen beantragte die steuerliche Vertretung namens und Auftrags des Bf. mit Eingabe vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

1. Wie in Pkt. 1 der Beschwerde vom bereits ausgeführt worden sei, seien im Insolvenzverfahren der Firma Insolvenzforderungen in Höhe von insgesamt € 135.180,17 angemeldet worden. Demgegenüber lägen dem Haftungsbescheid vom Abgabenforderungen in Höhe von € 175.222.96 zugrunde. Wie ebenfalls im Rahmen der Beschwerde vom ausgeführt worden sei, werde insbesondere hinsichtlich all jener im Haftungsbescheid vom angeführter Abgaben, die nicht Gegenstand der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren gewesen seien, Einhebungsverjährung eingewendet.

Insoweit in der Beschwerdevorentscheidung auf die Bestimmung des § 9 IO und die Unterbrechung der Verjährung durch Anmeldung im Insolvenzverfahren Bezug genommen werde, könne dies nur für die tatsächlich im Insolvenzverfahren angemeldeten Abgabenforderungen gegenüber der Firma gelten.

Nachfolgende Abgabenverbindlichkeiten, die vom Haftungsbescheid vom umfasst seien, seien allerdings im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Firma gar nicht angemeldet worden:


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U 2003
€ 5.095,28
L 2002
€ 10.422,07
L 2003
€ 18.051,42
DB 2002
€ 4.765,17
DB 2003
€ 7.509,90
DZ 2002
€ 371,81
DZ 2003
€ 671.47
 
€ 46.887,12

Hinsichtlich dieser Abgabenforderungen liege jedenfalls Verjährung vor, da eine die Verjährung unterbrechende Rechtshandlung (Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren) nicht erfolgt sei.

2. Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom sei der Haftungsbescheid vom bereits um folgende Abgabenschuldigkeiten reduziert und der Beschwerde damit teilweise Folge gegeben worden:


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U 10/04
€ 2.962,72
L 2004
€ 17.913,78
DB 2004
€ 6.932,75
DB 11/04
€ 1.728,17
DZ 2004
€ 560,03
DZ 11/04
€ 150,54
 
€ 30.247,99

3. Insoweit in der Beschwerdevorentscheidung auf Pkt. 4 der Beschwerde Bezug genommen und ausgeführt werde, dass der Betrag in Höhe von € 14.000,00, welcher aus Anfechtungsrückzahlungen resultiere, nicht in den Haftungsbescheid aufgenommen worden sei, sei anzuführen, dass der Haftungsbescheid vom sehr wohl die Abgabenforderungen aus Umsatzsteuer 2002 für die Zeiträume 05-07/2002 in Höhe von € 11.548,34 und 09-12/2002 in Höhe von € 15.729,54 umfasse. Zudem sei die Forderung aus der Umsatzsteuer 2002 in Höhe von € 14.000,00 auch im Rahmen der zweiten Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren mit Rückstandsausweis vom angemeldet worden. Dementsprechend sei zwar der Betrag von € 14.000,00 von der Unterbrechung der Verjährung gemäß § 9 IO erfasst, eine Haftung besteht aber unbeschadet dessen nicht, weil der Bf. diesbezüglich seiner Verpflichtung zur Bezahlung der Abgabenverpflichtung durch die Firma vollinhaltlich nachgekommen sei. Die nachträgliche Rückforderung des Anfechtungsbetrages durch den Masseverwalter könne dem Bf. nicht zum Nachteil gereichen.

4. Die Höhe des Abgabenrückstandes, für den der Bf. hafte, reduziere sich daher jedenfalls zunächst wie folgt:


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Abgabenforderung It. Bescheid
€ 175.222,96
abzgl. verjährte Forderungen mangels Vorliegens einer Unterbrechung der Verjährung
- € 46.887,12
abzgl. bereits reduzierte Beträge aufgrund der Beschwerdevorentscheidung
- € 30.247,99
abzgl. Betrag aus bezahlten, jedoch angefochtenen Abgabenbeträgen
- € 14.000,00
 
€ 84.087,85

**** 

Im Vorlagebericht vom führte die belangte Behörde aus, dass mit Edikt vom Datum5 über das Vermögen der Firma das Konkursverfahren eröffnet worden sei.

Mit Beschluss vom habe der Masseverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt. Daher sei auch die nachträgliche Abgabenvorschreibung hinsichtlich U 2003, L 2002-2003, DB 2002-2003 und DZ 2002-2003, gebucht am bzw. am aus Kostengründen nicht mehr zum Insolvenzverfahren angemeldet worden.

Neben dem laufenden Insolvenzverfahren seien in regelmäßigen Abständen Unterbrechungshandlungen (Ediktsabfragen, Mitteilungen der Strafsachenstelle, Abfragen hinsichtlich Geschäftsführer) erfolgt. Nach Aufhebung des Konkurses am Datum2 sei ein Haftungsbescheid erlassen worden.

 Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung nach § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden ( ), die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ( ).

Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Der Bf. hat bezüglich der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten  Verjährung eingewendet:

Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stellt eine Einhebungsmaßnahme dar. Sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist (vgl. Ritz BAO6, TZ 5 zu § 237).

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechungshandlung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

§ 9 Abs. 1 IO normiert: Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an  dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Zutreffend führt das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung aus, dass § 9 IO gegenüber den Verjährungsbestimmungen der BAO Vorrang zukommt.

Bereits aus dem Gesetzestext des § 9 Abs. 1 IO ergibt sich, dass die Verjährung nur für jene Abgabenschuldigkeiten unterbrochen wird, die im Insolvenzverfahren angemeldet werden.

Werden somit Abgabenschuldigkeiten, sei es aus Kosten- oder aus anderen Gründen nicht im Insolvenzverfahren angemeldet, tritt für diese Verbindlichkeiten keine Unterbrechung der Verjährung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein.

Hinsichtlich der im Insolvenzverfahren angemeldeten Abgabenschuldigkeiten begann die Verjährung mit Ablauf des Datum2 (Beschluss des Handelsgerichtes Wien betreffend Aufhebung des Konkurses) neu zu laufen. Daraus folgt, dass der Haftungsbescheid innerhalb der 5-Jahresfrist erging, somit keine Verjährung eingetreten ist.

Von der belangten Behörde wurde nicht bestritten, dass folgende Abgabenschuldigkeiten im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden:


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U 2003
€ 5.095,28
L 2002
€ 10.422,07
L 2003
€ 18.051,42
DB 2002
€ 4.765,17
DB 2003
€ 7.509,90
DZ 2002
€ 371,81
DZ 2003
€ 671.47
 
€ 46.887,12

Hinsichtlich dieser Abgabenschuldigkeiten trat keine Unterbrechung der Einhebungsverjährung gemäß § 9 IO ein.

Bezüglich der Umsatzsteuer 2003 ist zunächst festzustellen, dass der Abgabenfestsetzungsbescheid vom an die X Gesellschaft m.b.H. & Co KG z.H. Masseverwalter adressiert wurde.

Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO (; ). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (; ; ).

Der Umsatzsteuerbescheid konnte daher im Hinblick auf das am Datum5 eröffnete Konkursverfahren gegenüber der X Gesellschaft m.b.H. & Co KG nicht wirksam erlassen werden (sie wäre vielmehr an den Masseverwalter und nicht an den Gemeinschuldner zu richten gewesen).

Gemäß § 224 Abs. 3 BAO ist die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig, weshalb nunmehr zu prüfen war, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides am die Festsetzung sverjährung noch nicht eingetreten war.

Es ist daher zu prüfen, ob die Verjährung gemäß § 238 Abs. 2 BAO unterbrochen wurde.

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO (…) bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (…).

Gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 entsteht die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind. (…)

Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich um jeweils ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. (…)

Bereits aus dem Umstand, dass die belangte Behörde in der irrtümlichen Annahme, den Umsatzsteuerbescheid 2003 am rechtswirksam erlassen zu haben in der Folge keine weiteren nach außen erkennbaren Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen unternommen hat, die gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr hätten verlängern können, war im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides jedenfalls Festsetzungsverjährung eingetreten.

Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Nachforderungen an Lohnabgaben 2002-2004, verbucht am , konnte das Finanzamt die entsprechenden Bescheide nicht vorlegen, sodass eine Überprüfung der rechtmäßigen Adressierung nicht möglich war.

Doch selbst wenn man von einer wirksamen Bescheidzustellung ausgehen würde, war die Heranziehung des Bf. zur Haftung aufgrund der eingetretenen Einhebungsverjährung unzulässig.

Einhebungsverjährung war aus folgendem Grund eingetreten:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Wirksamkeit einer Unterbrechungshandlung die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches Voraussetzung (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0364, mwN).

Geht man von der wirksamen Zustellung der Lohnabgabenbescheide im Jahr 2005 aus, tritt § 238 Abs. 2 BAO zufolge die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2010 ein.

Wie bereits ausgeführt, erfolgte für diese Abgabenschuldigkeiten keine Anmeldung im Insolvenzverfahren. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Auszug aus dem B-Verfahrensakt (Einbringungsakt) erfolgten bis Ende 2011 lediglich Erhebungen im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren, jedoch keine Unterbrechungshandlung zur Geltendmachung der Lohnabgaben 2002-2004. Erst im Jahre 2012 erfolgten Ermittlungen zur Vermögenslage des Bf. zwecks Ausstellung eines Haftungsbescheides.

Zu diesem Zeitpunkt war das Recht zur Einhebung der Lohnabgaben 2002-2004 bereits verjährt.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich der Umsatzsteuer 2003 und Lohnabgaben 2002-2004 in Höhe von insgesamt € 46.887,12 (vgl. Tabelle oben) stattzugeben.

Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin:

Unbestritten war die X Gesellschaft m.b.H. persönlich haftender Gesellschafterin der X Gesellschaft m.b.H. & Co KG. Bei einer GmbH & Co KG , bei welcher die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer, vertreten wird, haben diese Geschäftsführer die abgabenrechtliche Verpflichtungen, die die KG betreffen, zu erfüllen. Sie haften bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben derKG ().

Die unbestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben steht auf Grund der amtswegigen Löschung der GmbH & Co KG gemäß § 30 Abs. 2 UGB per Datum3 sowie der Löschung der GmbH gemäß § 40 FBG per Datum4 zweifelsfrei fest.

Stellung als Vertreter:

Laut Firmenbuchabfrage begann die Funktion des Bf. als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH am Datum1 und er zählt somit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter, welche zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.

Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten:

Die Haftung erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeit) in den Zeitraum der Vertretertätigkeit fällt.

Die Lohnabgaben 11/2004 waren am  fällig, somit zu einem Zeitpunkt zu dem das Insolvenzverfahren bereits eröffnet (Datum5) und der Bf. somit nicht mehr Vertreter der Firma war.

Der Beschwerde war somit hinsichtlich dieser Abgabenschuldigkeit stattzugeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. , 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf ( ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (). Im gegenständlichen Fall wurde jedoch nicht behauptet, dass dem Bw. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären.

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es grundsätzlich gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Der Bf. bringt vor, dass er bis zum Ergehen des Haftungsbescheides vom mit keinerlei Aufforderung zur Rechtfertigung konfrontiert worden sei und aufgrund der lange verstrichenen Zeit die Unterlagen die Unterlagen vernichtet worden seien.

Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörenden Belege sind gemäß § 132 Abs. 1 BAO sieben Jahre aufzubewahren; darüber hinaus sind sie noch so lange aufzubewahren, als sie für die Abgabenerhebung betreffende anhängige Verfahren von Bedeutung sind, in denen diejenigen Parteistellung haben, für die auf Grund von Abgabenvorschriften die Bücher und Aufzeichnungen zu führen waren oder für die ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt wurden. Soweit Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind, sollen sie sieben Jahre aufbewahrt werden. Diese Fristen laufen für die Bücher und die Aufzeichnungen vom Schluss des Kalenderjahres, für das die Eintragungen in die Bücher oder Aufzeichnungen vorgenommen worden sind, und für die Belege, Geschäftspapiere und sonstigen Unterlagen vom Schluss des Kalenderjahres, auf das sie sich beziehen; bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr laufen die Fristen vom Schluss des Kalenderjahres, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

Die Aufbewahrungsfrist der Unterlagen für die haftungsgegenständlichen Abgaben endete gemäß § 132 Abs. 1 BAO am bzw. am und am .

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat, jedoch verstrichen nach Aufhebung des Konkursverfahrens Datum2) bis zur Erlassung des Haftungsbescheides () beinahe drei Jahre, sodass der Bf. davon ausgehen durfte, dass das Finanzamt keine Haftung geltend macht. Dies auch deshalb, da der Bf. gemäß dem vorliegenden Akt im Jahr 2006 wegen des Finanzvergehens der Hinterziehung von USt 10-12/2003 und 1-9/2004 und Lohnabgaben 7, 9-12/2002, 1,2,5-12/2003 und 1-10/2004 rechtskräftig bestraft wurde und das Finanzamt von der Möglichkeit der Geltendmachung einer Haftung gemäß § 11 BAO keinen Gebrauch gemacht hat.

Der Bf. war somit nicht dazu verhalten, die Bücher und Aufzeichnungen weiterhin aufzubewahren.

Da aber dem Bf. das Nichtvorhandensein der Unterlagen nicht vorgeworfen werden kann, kann er im gegenständlichen Haftungsverfahren auch nicht dazu verpflichtet sein, einen Liquiditätsstatus zu erstellen.

Im Hinblick auf die zu Recht unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Haftungsinanspruchnahme für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die oben jeweils näher dargestellte Judikatur wird verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 132 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104409.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at