Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2019, RV/7103499/2019

Nichteinbeziehung des Fußweges zum Bahnhof bei Prüfung der Zumutbarkeit der zumutbaren Fahrzeit vom Wohnort zum Studienort

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in den Beschwerden des A.B., Adresse, PLZ-Ort, vom gegen die Bescheide der belangten Behörde, Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln, vom , betreffend Einkommensteuer 2016 und 2017 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (im Folgenden mit Bf. bezeichnet) beantragte bei Einreichung der Abgabenerklärungen 2016 und 2017 für seine beiden Kinder jeweils die Berücksichtigung von Aufwendungen für die auswärtigen Berufsausbildung als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 im nachstehend bezeichneten Ausmaß:

[...]

1. Erklärung und abweichende Veranlagung:

Im Zuge der Einreichung der Einkommensteuererklärung 2016 wurde der Bf. zunächst entsprechend der eingereichten Erklärung zur Einkommensteuer 2016 veranlagt. Dieser Erstbescheid wurde mit Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben und der in diesem Verfahren angefochtene Einkommensteuerbescheid 2016 vom erlassen.

Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurden die als außergewöhnliche Belastung beantragten Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung von Kindern im Gesamtbetrag von EUR 2.310,00 nicht zum Abzug zugelassen. Begründend wurde ausgeführt, dass Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen anzusehen seien, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum oder vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 zeitlich noch zumutbar sei. Im gegebenen Fall sei die (tägliche) Hin- und Rückfahrt zumutbar. Somit seien die geltend gemachten Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Im Zuge der Veranlagung des Bf. zur Einkommensteuer 2017 wich das Finanzamt von der eingereichten Erklärung insoweit ab, als die geltend gemachten Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung von Kindern nur hinsichtlich der Tochter D.C. für deren Besuch ab September 2017 an der FH-Krems mit EUR 440,00 berücksichtigt wurden. Begründend wurde ebenso ausgeführt, dass im gegebenen Fall die täglichen Fahrten zwischen Wohnort und Studienort zumutbar seien.

2. Beschwerden vom :

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 erhob der Bf. mit Eingaben vom jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Berücksichtigung von Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung seiner Kinder als außergewöhnliche Belastung im jeweils erklärten Ausmaß.

Begründend wurde ausgeführt, dass beim Ausfüllen der Daten in der jeweiligen Einkommensteuererklärung mittels FinanzOnline nach Eingabe der Postleitzahlen des Heimat- und Studienortes die außergewöhnliche Belastung betreffend die auswärtige Berufsausbildung automatisch berücksichtigt worden sei. Dass N. nicht in der Liste der zumutbaren Orte aufscheine, sei ein Indiz dafür, dass dem Bf. die außergewöhnliche Belastung zustehe.

Das Argument, dass bei der Berechnung der Zeiten Fußwege im Ort lt. Lohnsteuer-Richtlinie nicht zu berücksichtigen seien, treffe hier nicht zu, da hier ein Fußweg außerhalb des Ortes zurückzulegen sei. Der Bahnhof befinde sich mehr als 1 km außerhalb des Ortsgebietes. Der Bf. ersuche, daher die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 aufzuheben und um die außergewöhnliche Belastung korrigierte Bescheide zu erlassen.

3. Stellungnahme des bundesweiten Fachbereiches vom :

Nach der Stellungnahme des bundesweiten Fachbereiches vom sei es im Gefolge der Änderung des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 mit , BGBl I Nr. 54/2016, zu keiner tatsächlichen Änderung der steuerrechtlichen Beurteilung gekommen.

Aufgrund der Änderung des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 seien mit die genannten Verordnungen außer Kraft getreten, da in der Verordnung des BMF zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes aber statisch auf die Fassung vor dieser Änderung verwiesen werde (idF BGBl I Nr. 50/2016) seien diese Verordnungen weiterhin zur steuerlichen Beurteilung des Einzugsbereiches heran zu ziehen.

Auch alle bis dahin geltenden und in Rz 883 LSt-Richtlinien 2002 genannten Kriterien seien weiterhin anzuwenden:

Bei der Berechnung der Fahrzeit seien Wartezeiten vor Beginn des Unterrichtsbzw. nach Beendigung des Unterrichtsnicht zu berücksichtigen. Dies gehe u.a. aus § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I Nr. 50/2016 hervor, wonach für bestimmte Orte die Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt festgelegt werde. Es werde dabei auf individuelle Unterrichtszeiten nicht Rücksicht genommen. Sofern Orte nicht in den Verordnungen enthalten seien, könne daher nicht anders vorgegangen werden.

Da die Verordnung des BMF zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl Nr. 624/1995 idgF, auf das Studienförderungsgesetz idF BGBl I Nr. 50/2016 Bezug nehme, sei hinsichtlich der Zumutbarkeit auch die Rechtsprechung zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I Nr. 50/2016 anzuwenden. Die Zumutbarkeit sei jedenfalls dann gegeben, wenn die Fahrzeit von einer Stunde nicht überschritten werde.

Für das günstigste Verkehrsmittel sei ausreichend, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden existiere, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältige. Das müsse nicht das zweckmäßigste Verkehrsmittel sein (vgl. Zl. B 437/86).

Auf die örtlichen Verkehrsmittel sei nicht Bedacht zu nehmen. Nicht einzurechnen seien daher Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort (vgl. Zl. 85/12/0247). Für Gemeinden im Bundesland Steiermark würden keine Bedenken bestehen, gemäß § 36 der Verordnung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 (idF BGBl II Nr. 249/2016) die Gemeindegrenzen, die vor dem Inkrafttreten des Steiermärkischen Gemeinde-Struktur-Reformgesetzes, StGsrG, LGBl Nr. 31/2014 (Stichtag: ) gegolten haben, weiterhin anzuwenden. Wartezeiten bei Umsteigvorgängen außerhalb des Heimat- oder Studienortes seien hingegen zu berücksichtigen.

Auch wenn § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 mit (BGBl I Nr. 54/2016) geändert worden sei, seien die bisherigen Kriterien weiterhin anzuwenden.

4. Beschwerdevorentscheidungen vom :

Die Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, im vorliegenden Fall seien weiterhin alle in Rz 883 der LSt-Richtlinien genannten Kriterien weiterhin anzuwenden:

Bei der Berechnung der Fahrzeit seien Wartezeiten vor Beginn des Unterrichts bzw. nach Beendigung des Unterrichts nicht zu berücksichtigen. Dies gehe u.a. aus § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I 50/2016 hervor, wonach für bestimmte Orte die Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt festgelegt werde. Dabei werde auf individuelle Unterrichtszeiten nicht Rücksicht genommen. Sofern Orte nicht in den Verordnungen enthalten seien, könne daher nicht anders vorgegangen werden.

Da die Verordnung des BMF zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl 624/1995 idgF, auf das Studienförderungsgesetz idF BGBl I 50/2016 Bezug nehme, sei hinsichtlich der Zumutbarkeit auch die Rechtsprechung zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I 50/2016 anzuwenden. Die Zumutbarkeit sei jedenfalls dann gegeben, wenn die Fahrzeit von einer Stunde nicht überschritten werde. Für das günstigste Verkehrsmittel sei ausreichend, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden existiere, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältige. Das müsse nicht das zweckmäßigste Verkehrsmittel sein (vgl. Zl. B 437/86).

Auf die örtlichen Verkehrsverbindungen sei nicht Bedacht zu nehmen. Nicht einzurechnen seien daher Wartezeiten, Fußwege, sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort (vgl. Zl. 85/12/0247). Auch wenn mit (BGBl I Nr. 54/2016) die Bestimmung des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 geändert worden sei, seien somit die bisherigen Kriterien weiterhin anzuwenden.

Des Weiteren sei darauf zu verweisen, dass die genannten Verordnungen aufgrund der Änderung des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 (BGBl I Nr. 54/2016) zwar mit außer Kraft getreten seien, da in der Verordnung des BMF zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes aber statisch auf die Fassung vor dieser Änderung verwiesen werde (idF BGBl I Nr. 50/2016), seien diese Verordnungen weiterhin zur steuerlichen Beurteilung des Einzugsbereiches heran zu ziehen.

Zusammenfassend könne man sagen, dass es für die steuerrechtliche Beurteilung zu keiner tatsächlichen Änderung gekommen sei, auch wenn § 26 Abs. 3 StudFördG 1992 mit geändert worden sei. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.

5. Vorlageantrag vom :

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Insbesondere sei bei der Berechnung der Einkommensteuer die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen für 2017 lediglich mit EUR 440,00 anerkannt und für 2016 zur Gänze nicht anerkannt worden.

Die Gemeinde N. sei aufgrund der Rechtsvorschrift für die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz nicht zumutbar. Nun sei seitens der Finanzverwaltung mit der zumutbaren Zeit von 1 Stunde argumentiert worden, dass die reine Fahrtzeit in diesem Fall knapp unter einer Stunde sei.

Sowohl in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung als auch in der Lohnsteuer-Richtlinie in Rz 883 sei von Wartezeiten und Fußwegen im Heimatort oder Studienort die Rede. Nun liege der zu erreichende Bahnhof ca. 1 km außerhalb des Heimatortes (ab Ortstafel). Werden dieser Fußweg und die Bahnfahrt zusammengerechnet, ergebe sich eindeutig eine unzumutbare Hin- und Rückfahrt.

In jedem Fall müssten die außergewöhnlichen Belastungen für 2017 Anerkennung finden, wenn auf die Novellierung des Studienförderungsgesetzes 2017 Rücksicht genommen werde. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde des Bf. werde verwiesen.

6. Vorlagebericht vom :

Nach den Ausführungen im Vorlagebericht des vorlegenden Finanzamtes werde auf die gesonderte Bescheidbegründung zu den Beschwerdevorentscheidungen 2016 und 2017 sowie auf die Stellungnahme des bundesweiten Fachbereiches vom verwiesen.

Es sei daher anzumerken, dass trotz Änderung des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 mit , BGBl I Nr. 54/2016, die Kriterien in den Lohnsteuer-Richtlinien 2002, Rz 881ff, weiterhin anzuwenden seien. Daher seien die Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort nicht einzurechnen (vgl. Zl. 85/12/0247).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob für Zwecke der Ermittlung der zumutbaren Fahrdauer von einer Stunde vom Wohnort zum Studienort Fußwege zum ca. 1,5 km entfernten Bahnhof in der gleichen Gemeinde (lt. Routenplaner) miteinzubeziehen sind, sodass die Wegzeit, bestehend aus Fußweg und Fahrzeit, mehr als Stunde betragen würde. Dies mit der Folge, dass die Ausbildungsstätten in Wien nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes liegen, eine tägliche Hin- und Rückfahrt nicht zumutbar und Aufwendungen für die Berufsausbildung der Kinder des Bf. außerhalb des Wohnortes als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl 624/1995 (Bezugszeitraum ab , § 4 idF BGBl II Nr. 449/2001), lautet:

§ 1: dieser Verordnung liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht mehr im Einzugsbereich des Wohnorts.

§ 2 Abs. 1: Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

§ 2 Abs. 2: Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km vom Wohnort gelten nach § 2 Abs. 2 leg.cit. als innerhalb des Einzugsbereiches gelegen, wenn die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort von diesen Gemeinden nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 StudFG zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

§ 4: Die Verordnung ist für Zeiträume ab anzuwenden. § 2 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 ist für Zeiträume ab anzuwenden.

Rechtslage Studienförderungsgesetz 1992 bis , BGBl I Nr. 40/2014:

Von welchen Gemeinden nach § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I 40/2014 (Fassung bis ), diese tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich noch zumutbar ist, hat die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch Verordnung festzulegen. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar.

Nach § 26 Abs. 4 StudFG 1992 idF BGBl  I 40/2014 hat die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen durch Verordnung jene Gemeinden zu bezeichnen, die wegen ihrer verkehrsgünstigen Lage zum Studienort gleichgesetzt werden können.

Rechtslage Studienförderungsgesetz 1992 ab , BGBl I Nr. 54/2016:

Nach § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I 54/2016 (geltende Fassung ab ), gelten als auswärtig Studierende, wenn

1. der Wohnsitz der Eltern bzw. des Elternteils, mit dem der Studierende zuletzt in gemeinsamen Haushalt gelebt hat, so weit vom Studienort entfernt ist, dass die tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich nicht zumutbar ist, und

2. sie aus Studiengründen einen Wohnsitz in einer Entfernung zum Studienort haben, von dem aus die tägliche Hin- und Rückfahrt zumutbar ist.

Nach § 26 Abs. 4 StudFG 1992 idF BGBl I Nr. 77/2017 (Fassung ab ) ist eine Wegzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel keinesfalls mehr zumutbar. Bei der Berechnung der Wegzeit ist auch der Weg zwischen dem Wohnsitz der Eltern und dem zu benutzenden öffentlichen Verkehrsmittel zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Wegzeit erfolgt automatisationsunterstützt durch die Studienbeihilfenbehörde nach Maßgabe einer von der Bundesministerin oder vom Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zu erlassenden Verordnung, in welcher nähere Bestimmungen zu den Kriterien und der Verfahrensweise für die Feststellung der Entfernung und der Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt zu treffen sind.

rechtliche Folgerungen:

Unter dem "Einzugsbereich" des Wohnortes ist jener Bereich zu verstehen, in dem die tägliche Hin- und Rückfahrt zum Ausbildungsort zeitlich noch als zumutbar anzusehen ist (vgl. Zl. 95/15/0196; , Zl. 91/13/0229).

Beträgt die Entfernung zwischen Ausbildungs(Studien)- und Wohnort weniger als 80 km und gilt die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen beiden Orten gemäß der zu § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 ergangenen Verordnungen als zeitlich zumutbar, erfolgt die Berufsausbildung des Kindes innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes. Die durch eine solche Berufsausbildung verursachten Aufwendungen können weder nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 noch - im Hinblick auf die Anordnung in § 34 Abs. 7 EStG 1988 - nach den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (vgl. GZ. RV/0356-I/02; , GZ. RV/1360-L/02).

Bei Katastralgemeinden ist dabei zu prüfen, ob die Ortsgemeinde, zu der sie gehören, in einer Verordnung angeführt ist (vgl. GZ. RV/4634-W/02). So sich in einer Katastralgemeinde ein eigener Bahnhof befindet, ist dennoch auf den Bahnhof in der Ortsgemeinde abzustellen (vgl. GZ. RV/4519-W/02; Vock in Jakom, EStG 2017, § 34, Rz. 78).

Kann der Gegenbeweis erbracht werden, dass trotz Nennung des Ortes in der Verordnung die tägliche Fahrt zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel (d.h. der schnellstmöglichen Verbindung) mehr als je eine Stunde beträgt, so gilt die Fahrt an den Studienort trotz Nennung in einer VO als nicht mehr zumutbar (vgl. Vock in Jakom, EStG, § 34, Rz. 78).

Insbesondere kann die Zumutbarkeit nicht nach schematisierten Kriterien, die auf die Besonderheiten des Einzelfalles keine Rücksicht nehmen, beurteilt werden, da das Merkmal der Außergewöhnlichkeit zu einer individuellen Betrachtungsweise zwingt (vgl. Zl. 95/15/0196).

Hierbei ist die Fahrzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen die Fahrt mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel üblicherweise angetreten bzw. beendet wird. Die (örtliche) Erreichbarkeit des Bahnhofs der Abfahrtsgemeinde ist bedeutungslos. So wurde nach der Rechtsprechung des VwGH dem Umstand, dass der Bahnhof der Marktgemeinde S**** vom Abgabepflichtigen aufgrund der Entfernung seines Wohnortes von diesem und mangels Einrichtung eines öffentlichen Verkehrsmittels zwischen Wohnort und Bahnhof, nicht leicht erreichbar ist und entsprechende Fußmärsche mit sich bringt, von Gesetzes wegen keine Bedeutung beigemessen (vgl. Zl. 2006/15/0114).

Fußwege, Fahrten am Wohnort sowie Wartezeiten vor Beginn und nach Ende des Unterrichts werden daher nicht berücksichtigt, wohl aber allfällige Wartezeiten bei Umsteigvorgängen außerhalb des Heimat- oder Studienortes. Auf individuelle Unterrichtszeiten wird nicht Bedacht genommen (vgl. Zl. 2011/15/0168). Es kommt nicht auf die zeitliche Lagerung des Einzelfalles bzw. nicht auf die im Einzelfall besuchten Lehrveranstaltungen an (vgl. Zl. 2007/15/0306).

Die Feststellung der Zumutbarkeit des täglichen Pendelns erfolgt gemeindebezogen, wobei nur auf die reine Fahrzeit zwischen dem Bahnhof am Wohnort und jenem am Studienort abgestellt wird. Auf den Umstand, ob Studierende sehr weit weg vom Gemeindezentrum bzw. der Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels (Bahnhof) wohnen, wird dabei nicht Bedacht genommen, da Wegzeiten zwischen dem elterlichen Wohnsitz und der Einstiegsstelle des öffentlichen Verkehrsmittels nicht berücksichtigt werden (vgl. 1122 der Beilagen XXV. GP, Regierungsvorlage - Erläuterungen zur Ausgangslage vor der Änderung des StudFG 1992 mit BGBl I Nr. 54/2016).

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass es der Gleichheitssatz des Art. 7 Abs. 1 B-VG nicht verbietet, bei der Regelung von Lebensbereichen von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und demnach zu typisieren. Einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für Gleichbehandlung stellen verwaltungsökonomische Überlegungen dar, solange die Regelung nur in einzelnen Fällen und in angemessenen Ausmaß zu Benachteiligungen führen (vgl. Zl. 2007/15/0306).

Zeitraum bis :

Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der als außergewöhnliche Belastung beantragten Aufwendungen für die Berufsausbildung der Kinder des Bf., Name_Kinder, zu beachten, dass nach der zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl I Nr. 40/2014 und zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ergangenen Judikatur des VwGH die Wegzeiten vom Wohnhaus zum Bahnhof G.-N. nicht zu berücksichtigen sind.

So das Kind D.C. bis das Bachelorstudium ZZ*** auf der FH-Wien und im Zeitraum ab an der Universität Wien das Bachelorstudium YY**** betreibt, hinsichtlich derer sich - unstrittiger Weise - eine (reine) Fahrzeit von weniger als einer Stunde ergibt, erfolgt diese Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes. Die Aufwendungen betreffend auswärtige Berufsausbildung des Kindes können für diesen Zeitraum somit nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen werden.

Seitens des Kindes D.E. wird im vorliegenden Fall im Zeitraum vom bis das Bachelorstudium RR*** an der Universität für Bodenkultur Wien betrieben. Da auch hier - unstrittigerweise - die (reine) Fahrzeit ohne Berücksichtigung des Fußweges weniger als eine Stunde beträgt, erfolgt diese Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes. Die Aufwendungen betreffend auswärtige Berufsausbildung des Kindes können für diesen Zeitraum somit nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen werden.

Zeitraum bis :

Die Norm des § 26 Studienförderungsgesetz 1992 wurde mit BGBl I 54/2016 novelliert und ein Abs. 4 dieser Bestimmung eingefügt, da für Zwecke der Gewährung der Studienbeihilfe die gemeindebezogene Feststellung der Zumutbarkeit des täglichen Pendelns im Verordnungsweg als den dynamischen Verhältnissen nicht gerecht angesehen wurde: Verkehrsverbindungen würden sich laufend ändern, neue Studienorte entstehen und selbst Gemeindegrenzen können sich ändern. So wurde es insbesondere als problematisch angesehen, wenn Studierende weit vom Gemeindezentrum bzw. der Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels entfernt wohnen (vgl. 1122 der Beilagen XXV. GP, Regierungsvorlage - Erläuterungen zur Ausgangslage vor der Änderung des StudFG 1992 mit BGBl I Nr. 54/2016).

Auf diese Änderung des § 26 Studienförderungsgesetz 1992 und der Einfügung des Abs. 4 wird jedoch mit der Verordnung des Bundesministers für Finanzen nicht Bezug genommen, wenn statisch auf die Fassung vor dieser Änderung verwiesen wird. Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen ist weiterhin zur steuerlichen Beurteilung des Einzugsbereiches bzw. der zumutbaren Entfernung von Wohnort und Studienort heranzuziehen (vgl. Peyerl in Jakom, EStG, 12. Auflage, § 34, Rz. 78, S. 1729). Fußwege, Fahrten am Wohnort und am Studienort sowie auf Wartezeiten vor Beginn und nach Ende des Unterrichts werden nicht berücksichtigt (vgl. Zl. 2011/15/0168).

Demnach sind zurückzulegende Fußwege bis zur nächsten Einstiegsstelle des öffentlichen Verkehrsmittels ab zwar für Zwecke der Gewährung der Studienbeihilfe, nicht aber iZm der Gewährung von Pauschbeträgen gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 betreffend auswärtige Berufsausbildung eines Kindes zu berücksichtigen.

So von D.C. ab Oktober 2017 an der FH-Krems das Masterstudium ****** betrieben wird, erfolgt diese Ausbildung - unstrittiger Weise - nicht mehr im Einzugsbereich des Wohnortes des Bf.. Die Aufwendungen aus der auswärtigen Berufsausbildung von Kindern werden daher - wie vom Finanzamt anerkannt - für den Zeitraum bis mit den Pauschalbeträgen für 4 Monate im Gesamtbetrag von EUR 440,00 zum Abzug zugelassen.

Seitens des Kindes D.E. wird im Zeitraum vom bis  das Bachelorstudium RR**** an der Universität für Bodenkultur Wien betrieben. Da auch hier - unstrittigerweise - die (reine) Fahrzeit weniger als eine Stunde beträgt, erfolgt diese Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes. Die Aufwendungen betreffend auswärtige Berufsausbildung des Kindes können für diesen Zeitraum somit nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen werden.

So nach den Ausführungen im Vorlageantrag vom auf die Novellierung des Studienförderungsgesetzes 1992 verwiesen wird, derzufolge die außergewöhnliche Belastung Anerkennung finden müsste, ist darauf zu verweisen, dass mit § 26 Abs. 4 Studienförderungsgesetz 1992 lediglich die Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe geändert wurden, als Wegzeiten zwischen dem elterlichen Wohnsitz und der Einstiegsstelle des öffentlichen Verkehrsmittels nunmehr berücksichtigt werden.

Aufgrund des Umstandes, dass die Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Berufsausbildung eines Kindes bei der Feststellung des Einzugsbereiches zum Wohnort statisch auf die Fassung vor der Änderung des § 26 Abs. 3 StudFG 1992 und damit rein auf die Fahrdauer abstellt, ist die Neufassung des StudFG 1992 mit für Zwecke der Ermittlung der außergewöhnlichen Belastung ohne Belang.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, als diese Entscheidung in der Frage der Ermittlung der zumutbaren Fahrzeit auf die dazu ergangene Judikatur abstellt (vgl. Zl. 2006/15/0114; , Zl. 2011/15/0168).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103499.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at