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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.07.2019, RV/7102206/2019

Korrigierter Lohnzettel - kein Wiederaufnahmsgrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr.Bf. , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , betreffend Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2014 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr (2014) u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von der Pensionsversicherungsanstalt und von der Rechtsanwaltskammer Wien/Versorgungseinrichtung.

Gemäß Einkommensteuererklärung erließ das Finanzamt am einen diesbezüglichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 und führte begründend aus, dass sich sein Antrag auf das Vorliegen eines Tatbestandes im Sinne des § 303 Abs. 1 lit.b BAO stütze, da neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen seien und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Mit Schreiben der Rechtsanwaltskammer Wien vom sei dem Bf. mitgeteilt worden, dass unter Bezugnahme auf die VwGH-Entscheidung vom , Ro 215/13/0020 die Lohnzettel aller Betroffenen korrigiert worden seien und diese zeitnah an das Finanzamt übermittelt worden seien. Im korrigierten Lohnzettel für das Jahr 2014 seien steuerpflichtige Bezüge in Höhe von € 29.624,52 und Bezüge gemäß § 67 Abs. 3-8 EStG in Höhe von € 39.371,21 ausgewiesen worden.

In der zitierten Entscheidung des VwGH habe dieser ausgesprochen, dass die Abfindung des Anspruches auf eine Zusatzpension der Rechtsanwaltskammer im Ausmaß von 50% durch Zahlung eines Kapitalbetrages der Steuerbegünstigung gemäß § 67 Abs. 4 EStG unterliege.

Das Finanzamt möge das Verfahren betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 wieder aufnehmen und die Einkommensteuer auf Basis des berichtigten Lohnzettels neu festsetzen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 ab und führte begründend aus, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 rechtskräftig sei und ein Judikat des Höchstgerichtes keinen Wiederaufnahmegrund darstelle.

Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorgehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen worden seien, seien keine Tatsachen oder Beweismittel, die neu hervorkommen.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Bf. aus, dass sich das Finanzamt mit dem relevanten Teil der Begründung des Wiederaufnahmeantrags nicht auseinandergesetzt habe, da von der Rechtsanwaltskammer Wien ein korrigierter Lohnzettel für das Jahr 2014, datiert mit , an das Finanzamt übermittelt worden sei.

Das Finanzamt habe dieser Darstellung nicht widersprochen, sodass davon auszugehen sei, dass der korrigierte Lohnzettel beim Finanzamt eingegangen sei. Bereits dieser Umstand führe zu einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens.

Jedenfalls stelle der korrigierte Lohnzettel für das Jahr 2014 eine neue Tatsache und ein neues Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit.b BAO dar.

Durch die Vorlage des korrigierten Lohnzettels für das Jahr 2014 habe sich die Entscheidungsgrundlage für die Bemessung der Einkommensteuer für das Jahr 2014 geändert, da der seinerzeit zugrunde gelegte Lohnzettel durch die Übermittlung des korrigierten Lohnzettels außer Kraft getreten sei.

Die Tatsache, dass in den von der Rechtsanwaltskammer Wien ursprünglich gemeldeten Bezügen ein Betrag in Höhe von € 39.371,21 auf die 50%-ige Abfindung des Anspruches auf Zusatzpension B entfalle, dies ein Bezug gemäß § 67 Abs. 4 EStG sei, rechtfertige die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Wäre dem Finanzamt vor der Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2014 ein Lohnzettel der Rechtsanwaltskammer Wien mit dem Inhalt des später korrigierten Lohnzettels vorgelegen, wäre die Bemessung der Einkommensteuer auf dieser Basis erfolgt. Der korrigierte Lohnzettel vom stelle somit eine Tatsache und ein Beweismittel gemäß § 303 Abs.1 lit.b BAO dar, der einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte hiezu aus, dass der Abgabenbehörde von der Rechtsanwaltskammer Wien kein korrigierter Lohnzettel vorgelegt worden sei. Für die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2014 sei jener der Abgabenbehörde mit übermittelter Lohnzettel maßgeblich.

Eine allfällige durch eine Lohnzettelberichtigung ausgelöste Wiederaufnahme des Verfahrens sei bei gegebener Sache unzulässig.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag brachte der Bf. vor, dass der den Bf. betreffende korrigierte Lohnzettel für das Jahr 2014 auf dem Postweg übermittelt worden sei und die Zustellung nachweislich am erfolgt sei. Daher gehe der Bf. davon aus, dass die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung, die Rechtsanwaltskammer Wien habe hinsichtlich des Bf. keinen korrigierten Lohnzettel vorgelegt, auf einem Irrtum beruhe. Im Übrigen habe der Bf. eine Kopie des berichtigten Lohnzettels für das Jahr 2014 bereits seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angeschlossen.

Unabhängig von der Frage, wo der mit Schreiben vom übermittelte korrigierte Lohnzettel für das Jahr 2014 verblieben sei und warum dieser nicht gemäß § 50 BAO weitergeleitet worden sei, liege der korrigierte Lohnzettel für das Jahr 2014 jetzt dem Finanzamt Wien 8/16/17 vor, sodass diese Begründung in der Beschwerdevorentscheidung gegenstandslos geworden sei.

In der Sache selbst sei auf die Ausführungen in der Beschwerde zu verweisen und beantragte der Bf. die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Bf., dass die Begründung des Finanzamtes, ein Verwaltungsgerichtshoferkenntnis sei kein Grund für eine Wiederaufnahme, in der Form zu kurz greife. Der korrigierte Lohnzettel enthalte eine neue, seinerzeitige Tatsache; nämlich die Tatsache, dass ein Betrag in Höhe von € 39.371,21 auf diese Abfindung entfällt, war aus dem ursprünglichen Lohnzettel nicht ersichtlich.

Desweiteren zitierte der Bf. in der mündlichen Verhandlung Entscheidungen des unabhängigen Finanzsenates; in der Entscheidung zu RV/0283-K/06 werde auf das Prinzip der Rechtsrichtigkeit verwiesen, in einer anderen Entscheidung zu RV/0807-L/10 sei festgestellt worden, dass der Lohnzettel im Abgabenverfahren ein Beweismittel darstelle.

Ziel des § 303 BAO sei jedenfalls ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis, somit sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit der Vorrang zu geben.

Das Finanzamt stellte fest, dass der ursprüngliche Lohnzettel die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie beim Lohnsteuerabzug und bei der Auszahlung vorgelegen seien, wiedergespiegelt habe. Dadurch sei es zu keiner begünstigten Besteuerung dieser Teilabfertigung nach § 67 Abs. 4 EStG 1988 gekommen. Durch das VwGH-Erkenntnis aus dem Jahr 2017 (gemeint: ) habe die Kammer der Rechtsanwälte daraufhin die Lohnzetteldaten geändert. Das Betriebsstättenfinanzamt habe diesen Lohnzettel nicht als korrigierten Lohnzettel übernommen. Insofern sei ein geänderter oder korrigierter Lohnzettel nicht zur Verfügung gestanden und in der Beschwerdevorentscheidung vereinfachend dargelegt worden. Aus diesem Grund habe auch keine "automatische" Wiederaufnahme stattgefunden.

Hinsichtlich der Ermessensübung wandte das Finanzamt ein, dass diese voraussetze, dass ein tauglicher Wiederaufnahmetatbestand vorliegen müsse. Im vorliegenden Fall würden weder der körperlich übermittelte Lohnzettel, noch die VwGH-Entscheidung eine neu hervorgekommene Tatsache bilden. Der korrigierte Lohnzettel sei eine neu entstandene Tatsache, also ein neu entstandenes Beweismittel, der nach Rechtskraft des Bescheides neu erstellt worden sei. Auch die Tatsache einer VwGH-Entscheidung sei kein Wiederaufnahmetatbestand.

Desweiteren ergänzte der Bf., dass bei der Weiterleitung des Lohnzettels nach § 50 BAO etwas schief gegangen sei und dieser Umstand sei bei der Beurteilung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu berücksichtigen.

Der Bf. führte weiters aus, dass aufgrund der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 die gegenständlichen Einkünfte von ihm nicht deklariert worden seien, sondern es sei lediglich der Hinweis auf zwei "Lohnsteuerkarten" (gemeint: Anzahl der inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen) gemacht worden. Somit habe das Finanzamt aus der Lohnsteuerkarte (gemeint: aus dem Lohnzettel) seine Schlüsse zu ziehen und dem Bescheid zugrunde zu legen. Wenn nun im Nachhinein aufgedeckt worden sei, dass sich diese Einkünfte in einer bestimmten Weise zusammensetzen würden, die aus dem ursprünglichen Lohnzettel nicht hervorgegangen seien, dann sei dies eine neue Tatsache, die der ursprünglichen Bemessung zugrunde gelegt hätte werden müssen.

Das E-Mail der Frau BS. vom wurde verlesen.

Mit dem Übermittlungsschreiben der Rechtsanwaltskammer vom seien berichtigte Lohnzettel für die Jahre 2013 - 2016 dem Finanzamt 1/23 übermittelt worden; die Namen der Kollegen des Bf. seien abgedeckt gewesen. Frau BS. habe offensichtlich nur für das Jahr 2013 geschrieben. Aus diesem Mail sei nicht ersichtlich, dass die Wiederaufnahme für den gegenständlichen Fall als unzulässig angesehen worden sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

Der Bf. beantragte am die Gewährung einer Altersrente mit Teilabfindung aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien. Diesem Antrag gab der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien mit Beschluss vom , R106917, statt und der Bf. erhielt im Jahr 2014 infolge Erreichens des gesetzlichen Pensionsalters eine Teilabfindung seines Pensionsanspruches in Höhe von € 39.371,21.

Mit Lohnzettel der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, übermittelt über den Hauptverband am  für den Zeitraum 01.01. bis wurden folgende Beträge ausgewiesen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bruttobezüge gemäß § 25 (ohne § 26 und ohne Familienbeihilfe)
KZ 210
73.928,11
Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 (innerhalb des Jahressechstels)vor Abzug der Sozialversicherungsbeiträge (SV-Beiträge)
KZ 220
4.932,38
Steuerpflichtige Bezüge
KZ 245
68.995,73
Anrechenbare Lohnsteuer
KZ 260
26.855,61
Nach dem Tarif versteuerte sonstige Bezüge (§ 67 Abs. 2,6,10)
 
39.401,43

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2014 fest. Dabei wurden vom Finanzamt unter den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben den Bezügen von der Pensionsversicherungsanstalt Bezüge der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien in Höhe von € 68.995,73 in Ansatz gebracht und nach Tarif versteuert.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0020 ausgesprochen, dass die von einem Rechtsanwalt bezogene Teilabfindung einer Zusatzpension nicht dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegt, sondern mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 4 Teilstrich 1 EStG 1988 zu besteuern ist.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2014 mit der Begründung, dass die  Rechtsanwaltskammer Wien einen korrigierten Lohnzettel vom ausgestellt habe, wonach Einkünfte in Höhe von € 39.371,21 vorlägen, die mit dem begünstigten Steuersatz von 6% zu versteuern seien. Dies stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO dar.

Der Antrag wurde von der Abgabenbehörde abgewiesen. Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde.

Rechtslage:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF FVwGG 2012, BGBl I 2013/14, kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmsantrag zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (Ritz, BAO5 § 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

Wenn der Bf. in seiner Beschwerde vorbringt, dass ein korrigierter Lohnzettel jedenfalls eine neue Tatsache und ein neues Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO darstelle, ist darauf hinzuweisen, dass neue Tatsachen ausschließlich neue Sachverhaltselemente sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht bekannt waren; wie z.B. der Zufluss von Einnahmen, die Betriebseinnahmen sind oder getätigte Ausgaben, die Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Keine Wiederaufnahmsgründe (keine Tatsachen) sind hingegen neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen; Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden (Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 303, Rz. 22 ff.). Dass dem Bf. sonstige Bezüge in Höhe von € 39.371,21 im streitgegenständlichen Jahr zugeflossen sind, ist unbestritten, lediglich die Beurteilung, nach welcher Bestimmung dieser Betrag zu versteuern ist, war strittig. Während die Rechtsanwaltskammer mit dem Lohnzettel vom  die Meinung vertreten hat, der Betrag in Höhe von € 39.371,21 sei nach dem Tarif zu versteuern, gelangt sie nach der VwGH-Entscheidung vom , Ro 2015/13/0020 zur Ansicht (siehe auch Schreiben der Rechtsanwaltskammer an den Bf. vom ), dass dieser Betrag nach festen Steuersätzen zu versteuern sei und stellte einen diesbezüglich korrigierten Lohnzettel aus. Dass diese Vorgehensweise jedoch keinen neuen Sachverhalt, sondern eine neue Rechtsmeinung nach der zitierten VwGH-Entscheidung darstellt, versteht sich von selbst.

Wenn der Bf. desweiteren vermeint, ein korrigierter Lohnzettel sei ein neues Beweismittel, dann trifft dies zum Beispiel zu, wenn ein Dienstgeber einen Zufluss von Einnahmen nicht bekannt gegeben hat. Der aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom , Ro 2015/13/0020 übermittelte "berichtigte" Lohnzettel vom wurde erst nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2014 vom (Erstbescheid) ausgestellt. Damit handelt es sich bei diesem Lohnzettel um ein neu entstandenes Beweismittel (nova producta) und ein neu entstandenes Beweismittel stellt keinen Wiederaufnahmsgrund dar.

Betreffend das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, die Tatsache, dass ein Betrag in Höhe von € 39.371,21 auf diese Abfindung entfalle, sei aus dem ursprünglichen Lohnzettel nicht ersichtlich gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass der ursprüngliche Lohnzettel sehr wohl nach dem Tarif versteuerte sonstige Bezüge (§ 67 Abs. 2, 6, 10) in Höhe von € 39.401,43 ausgewiesen hat. Zum Zeitpunkt der Ausstellung des ursprünglichen Lohnzettels war die Rechtsanwaltskammer Wien der Meinung, dass diese Bezüge eben nach dem Tarif zu versteuern seien. Was die Differenz zwischen den beiden Beträgen in Höhe von € 30,22 betrifft ist das Gericht der Ansicht, dass dieser Betrag aufgrund seiner Geringfügigkeit die Unterlassung der Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt.

Soweit der Bf. in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0807-L/10 verweist und vorbringt, ein Lohnzettel im Abgabenverfahren stelle ein Beweismittel dar, geht das Gericht mit dieser Ansicht konform; allerdings kommt es darauf an, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existent sind und erst später hervorkommen. Eben diese Sachverhaltskonstellation liegt verfahrensgegenständlich nicht vor.

Hinsichtlich der anderen zitierten Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates zur Geschäftszahl RV/0283-K/06, in der die Amtspartei bei ihrer Ermessensübung zu Recht dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorrang gegenüber dem der Rechtsbeständigkeit eingeräumt hat, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Ermessensspielraum im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangt. Wenn der Bf. in weiterer Folge das Ziel des § 303 BAO anführt, welches ein rechtmäßiges Ergebnis bringen soll, ist entgegenzuhalten, dass bei der Anwendung dieser Norm zwischen der Rechtsfrage und der Ermessensfrage zu unterscheiden ist. Die Verfügung, sowie die Bewilligung einer Wiederaufnahme liegt im Ermessen. Erst wenn feststeht, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt und wenn anzunehmen ist, dass dessen Kenntnis im vorangegangenen Verfahren einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte, liegen die Voraussetzungen für eine Ermessensübung vor. Verfahrensgegenständlich hat die Amtspartei zu Recht festgestellt, dass keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und aus diesem Grund die Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt. Damit hat aber die Amtspartei kein Ermessen zu üben und demzufolge auch kein Ermessen zu begründen.

Wenn der Bf. in der mündlichen Verhandlung vermeint, bei der Weiterleitung des Lohnzettels nach § 50 BAO sei etwas schief gegangen und dieser Umstand möge bei der Beurteilung der Wiederaufnahme des Verfahrens Berücksichtigung finden, ist zu erwidern, dass dieser Umstand bei der Frage der Ermessensübung einbezogen wurde. Das Gericht ist zur Ansicht gelangt, dass im Rahmen der Ermessensübung wegen geringfügiger Auswirkungen eine Wiederaufnahme nicht zu verfügen ist.

Betreffend das E-Mail der Frau BS. vom ist zu bemerken, dass mit Schreiben vom die Rechtsanwaltskammer Wien an das Finanzamt Wien 1/23 korrigierte Lohnzettel für namentlich genannte Personen übermittelt hat. In diesem Schreiben nahm die Rechtsanwaltskammer Wien Bezug auf das VwGH-Erkenntnis vom , zu Ro 2015/13/0205 und teilte mit, dass nach Prüfung der Rechtslage u.a. der korrigierte Lohnzettel (Kalenderjahr 2014) für den Bf. übermittelt werde. Mit E-Mail vom ersuchte Frau BS. um eine Sachverhaltsdarstellung der berichtigten Jahreslohnzettel für das Jahr 2013. In Beantwortung dieses E-Mails teilte die Rechtsanwaltskammer Wien mit Schreiben vom mit, dass bezugnehmend auf die VwGH-Entscheidung vom , Ro 2015/13/0205 aufgrund einer nachträgliche Überprüfung der Rechtslage die Ausstellung neuer Lohnzettel veranlasst worden sei. Zutreffend ist somit, dass aus dem E-Mail der Frau BS. vom nicht ersichtlich ist, ob eine Wiederaufnahme des Verfahrens im gegenständlichen Fall als unzulässig angesehen wird. Die diesbezügliche Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 hat schließlich das Finanzamt Wien 8/16/17 mit getroffen, gegen die der Bf. eben das verfahrensgegenständliche Rechtsmittel eingebracht hat.

Soweit der Bf. letztlich vorbringt, dass im Nachhinein aufgedeckt worden sei, seine Einkünfte würden sich in einer bestimmten Weise zusammensetzen, die aus dem ursprünglichen Lohnzettel nicht hervorgegangen sei und dies sei eine neue Tatsache, ist entgegenzuhalten, dass neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehende Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, keine Wiederaufnahmsgründe darstellen (Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 303, Rz. 23). Bei dem nach Ergehen des Erstbescheides ausgestellten korrigierten Lohnzettel handelt es sich - wie oben bereits ausgeführt - um ein neu entstandenes Beweismittel (nova producta), welches als tauglicher Wiederaufnahmegrund nicht in Betracht kommt.

Da aus den angeführten Gründen die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 zu Recht erfolgte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall wurde die Feststellung getroffen, dass keine Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, sodass die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102206.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at