Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2019, RV/7100861/2018

Geltendmachung einer Haftung nach §11 BAO

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend die Geltendmachung einer Haftung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise stattgegeben.

Die Haftung wird für folgende Abgaben geltend gemacht:


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Lohnabgaben
2014
 1.592,63
Lohnabgaben
2015
 8.037,54
Lohnabgaben
01-09/2016
 445,91
Dienstgeberbeitrag
2014
966,64
Dienstgeberbeitrag
2015
3.187,59
Dienstgeberbeitrag
01-09/2016
1.224,88
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2014
34,11
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2015
283,32
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01-09/2016
108,88
Summe
 
€ 15.881,50

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Abgabenkontonummer 12345, wurde der Beschwerdeführer (Bf.) vom Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma A-GmbH in Anspruch genommen und aufgefordert den Betrag von € 16.780,37 zu entrichten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. mit rechtskräftiger Strafverfügung des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde Wien vom schuldig erkannt wurde, als Geschäftsführer der genannten Firma Lohnsteuer für die Zeiträume 1-12/2014 in Höhe von € 1.682,77, 1-12/2015 in Höhe von € 8.492,45 und 1-8/2016 in Höhe von € 471,14 sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfe für die Zeiträume 1-12/2014 in Höhe von € 1.057,39, 1-12/2015 in Höhe von € 3.667,36 und 1-8/2016 in Höhe von € 1.409,25 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet und dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs.1 lit.a Finanzstrafgesetz (FinStrG) begangen zu haben. Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen verurteilte Täter für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden. Dem Haftungsbescheid wurden die an den Masseverwalter der Firma A-GmbH ergangenen Haftungsbescheide gemäß § 82 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Lohnsteuer und die Bescheide über die Festsetzung der Dienstgeberbeiträge und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag unter Hinweis auf § 248 BAO beigelegt.

Gegen diesen Bescheid hat der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Finanzamt 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf zur Geltendmachung der Haftung unzuständig sei, da die Gesellschaft die Firmenanschrift in 1170 Wien hatte. Zudem sei die Konkursquote von ca. 5 % nicht berücksichtigt worden. Dem Bf. seien ausständige Lohnabgaben nicht bekannt. Grundlage der Haftungsinanspruchnahme seien unrichtige Schätzungsbescheide, da keine Geschäftsführerbezüge bezahlt wurden. Die Lohnverrechnung sei überdies vom damaligen Steuerberater geführt worden. Auch aus Billigkeitserwägungen sei eine Haftungsinanspruchnahme unbegründet, da kein Verschulden vorliege. Der Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben. Der Haftungsbetrag wurde um die Konkursquote von 5,3566 % je geltend gemachter Abgabe, insgesamt auf den Betrag von € 15.881,51 herabgesetzt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nunmehr die Konkursquote im Haftungsbescheid berücksichtigt worden sei. Der Bf. hätte die Möglichkeit gehabt, gegen die Haftungsbescheide gemäß § 248 BAO Beschwerde und gegen die Strafverfügung Einspruch zu erheben. Zum Einwand der Unzuständigkeit führte die belangte Behörde aus, dass die Änderung der Geschäftsanschrift nur wenige Tage vor der Insolvenz erfolgte, weshalb sich der Ort der Geschäftsleitung im Sinne des § 27 Abs.2 BAO in Folge der Schließung des Unternehmens nicht geändert habe. Zudem sei die Änderung der Geschäftsanschrift keinem anderen Finanzamt bekannt geworden.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung hat der Bf. mit Eingabe vom binnen offener Frist einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt (Vorlageantrag). Begründend verwies der Bf. neuerlich auf die Unzuständigkeit des Finanzamtes und auf sein bisheriges Vorbringen. Die Forderung werde auch der Höhe nach bekämpft, da die Gesellschaft diese Abgaben nicht schulde.

Am wurde eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Bf. durchgeführt. Der Vertreter des Finanzamtes 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf verwies auf das bisherige Vorbringen.

Sachverhalt:

Der Bf. war seit handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma A-GmbH. Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde die Geschäftsanschrift auf 1170 Wien, B-Straße, geändert. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1, GZ. 11111, wurde über die Firma das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum2 wurde das Sanierungsverfahren in ein Konkursverfahren abgeändert, welches mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3 nach Schlussverteilung gemäß § 139 Insolvenzordnung (IO) aufgehoben wurde. Auf das Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf entfiel eine Quote von 5,3566 %.

Bei der A-GmbH wurde vom Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf eine Außenprüfung (Bericht gemäß § 150 BAO vom ) durchgeführt. Dabei wurde die Grundlage für die Lohnsteuer, den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag an Hand der übermittelten Lohnzetteldaten durch Zuschätzung von Geschäftsführerbezügen (€ 12.000,00) und durch Zuschätzung eines Lohnaufwandes in Höhe von € 15.600,00  wegen fehlender Lohnzettel ermittelt.

Mit Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom wurde der Masseverwalter der A-GmbH, Mag. C.D., für die Lohnsteuer 2014 in Höhe von € 1.682,77, für die Lohnsteuer 2015 in Höhe von € 8.492,45 und für die Lohnsteuer 01-09/2016 in Höhe von € 471,15 in Anspruch genommen. Mit Bescheiden des Finanzamtes 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom wurden vom Masseverwalter der A-GmbH ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2014 in Höhe von € 1.021.35, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2014 in Höhe von € 36,04, ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2015 in Höhe von € 3.368,00, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2015 in Höhe von € 299,36, ein Dienstgeberbeitrag für 01-09/2016 in Höhe von € 1.294,21 und ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 01-09/2016 in Höhe von € 115,04 nachgefordert. Die Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.

Mit Strafverfügung des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde Wien vom wurde der Bf. für schuldig befunden die verfahrensgegenständlichen Abgaben nicht spätestens am fünften Tag nach der Fälligkeit entrichtet (abgeführt) und dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs.1 lit.a FinStrG begangen zu haben. Die Strafverfügung ist am in Rechtskraft erwachsen.

Beweiswürdigung:

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt Klagenfurt Villach vorgelegten Verwaltungsakten.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 224 Abs.1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 11 BAO haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Vorsätzliche Finanzvergehen im Sinne des § 11 FinStrG sind insbesondere Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 FinStrG (vgl. ; ; Ritz Bundesabgabenordnung § 11 Rz.2).

Der Bf. wurde mit Strafverfügung des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde Wien vom für schuldig befunden die verfahrensgegenständlichen Abgaben nicht spätestens am fünften Tag nach der Fälligkeit entrichtet (abgeführt) und dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs.1 lit.a FinStrG begangen zu haben. Die Strafverfügung ist am in Rechtskraft erwachsen.

Die gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten haften abzüglich der ausgeschütteten Konkursquote von 5,3566 % aus. In Anlehnung an die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom ist der Beschwerde teilweise stattzugeben und die Haftungssummen um diese Quote zu verringern.

Wenn der Bf. im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vorbringt, die Firma A-GmbH schulde dieses Abgaben nicht, ihm seien ausständige Lohnabgaben nicht bekannt, die Schätzungsbescheide seien unrichtig und es seien keine Geschäftsführerbezüge bezahlt worden, ist er auf § 248 BAO zu verweisen.

Dem Bf. wurden gemeinsam mit dem Haftungsbescheid Ausfertigungen (Ablichtungen) der maßgeblichen Bescheide über den Abgabenanspruch übermittelt. Der Bf. hat gegen diese Abgabenbescheide keine Bescheidbeschwerde gemäß § 248 BAO erhoben. Im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid können aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht mit Erfolg erhoben werden (Vgl. ; , 2004/13/0046, , 2004/13/0142; , 2006/13/0112; Ritz Bundesabgabenordnung § 248 Rz.14). Wegen der Rechtskraft der Abgabenbescheide war auch von den beantragten Einvernahmen des Steuerberaters des Bf. und des Masseverwalters gemäß § 183 Abs.3 BAO abzusehen, da die Vernehmungen der genannten Personen zum Beweis der Unrichtigkeit des Abgabenverfahrens im Haftungsverfahren unerheblich sind.

Im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 20 BAO ist im gegenständlichen Fall maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin A-GmbH auf Grund der mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3 erfolgten Aufhebung des Konkursverfahrens nach Schlussverteilung und der am erfolgten amtswegigen Löschung dieser Gesellschaft nicht möglich ist. Der Haftungsbestimmung des § 11 BAO liegt der gesetzgeberische Wille zu Grunde, dass derjenige, der eine widerrechtliche Handlung gesetzt hat, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen hat (Ritz, Bundesabgabenordnung § 11 Rz.1). Es ist daher im gegenständlichen Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägungen) zweifelsfrei der Vorzug gegenüber dem Interesse des Bf., nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung), zu geben.

Was das Vorbringen des Bf. zur Verschuldensfrage betrifft, wonach sein Steuerberater für etwaige Fehler verantwortlich sei, ist darauf zu verweisen, dass im Haftungsverfahren nach § 11 BAO die Ermessensregel nicht den Zweck hat, das auf Grund des rechtskräftigen Strafverfahrens als gegeben anzunehmende Verschulden einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. Überdies hat der Bf. in seiner Stellungnahme an die Finanzstrafbehörde vom eigene Fehler eingeräumt.

Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf ist zu bemerken, dass gemäß § 6 Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG) die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben mit dem Zeitpunkt endet, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung klargestellt, dass es weder auf den Zeitpunkt ankommt, in dem das die Zuständigkeit beeinflussende Ereignis eintritt, noch auf den Zeitpunkt, in dem das bisher zuständige Finanzamt von einem solchen Ereignis Kenntnis erlangt (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , 98/14/0105; , 94/13/0033, , 92/13/0094; , 99/13/0032). Einen Sachverhalt, aus dem sich eine Kenntnis des nach Auffassung des Beschwerdeführers zuständigen Finanzamtes Wien 8/16/17 von den die Zuständigkeit begründenden Tatsachen vor Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides durch das Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf ableiten ließe, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Beschwerde hinsichtlich der geltend gemachten Haftungssummen teilweise stattzugeben, im Übrigen aber abzuweisen war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100861.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at