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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.03.2019, RV/7101212/2019

Beschwerde mit E-mail

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK  

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Stanek in der Beschwerdesache des Bf., über dessen  Beschwerde vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 betreffend Zurückweisung des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 zu Recht erkannt:
 

Die Beschwerdevorentscheidung vom hinsichtlich Einkommensteuer 2010 (Arbeitnehmerveranlagung) wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes ersatzlos aufgehoben.
 


Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der in Deutschland wohnhafte Beschwerdeführer (Bf.) reichte mit am 31. Dezember bei der deutschen Post zur Versendung abgegebenem Paket (BFG-Akt AS 9f) seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 ein, welche am beim Finanzamt einlangte (BFG-Akt AS 1).

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 als nicht fristgereicht eingebracht zurück (BFG-Akt AS 6).

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob der Bf. mit E-Mail vom Beschwerde und führte darin aus, dass die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung seiner Ansicht nach fristgerecht eingebracht worden sei, da er diese am letzten Tag der Frist per Post an das Finanzamt versendet habe. Als Nachweis hierfür übermittelt der Bf. Fotos von dem an das Finanzamt adressierten Paket sowie von der am ausgestellten Rechnung über die Bezahlung der Versandkosten (BFG-Akt AS 9f).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom führte das Fianazamt die Arbeitnehemerveranlagung für 2010 durch und setzte dabei die Einkommensteuer abweichend von der Erklärung mit einer Gutschrift in Höhe von € 2.152,00 fest (BFG-Akt AS 12ff).

Mit Schreiben vom urgierte der Bf. beim Finanzamt die neuerliche Zustellung des Steuerbescheides 2010, da er noch immer keinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 erhalten habe (BFG-Akt AS 16).

Nachdem das Finanzamt die Beschwerdevorentscheidung am nochmals an die Zustelladresse des Bf. in Deutschland zustellte, beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage seiner Beschwerde und führte begründend aus, dass das Finanzamt im Rahmen der durchgeführten Arbeitnehmerveranlagung die von ihm als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen nicht in der beantragten Höhe berücksichtigt habe (BFG-Akt AS 17).

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde samt zugehöriger Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte in  den Vorlageantrag als unzulässig zurückzuweisen, weil mangels wirksam eingebrachter Beschwerde überhaupt kein Rechtsmittelverfahren anhängig sei (BFG-Akt AS 23ff).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Auf Grundlage des oben dargestellten Verwaltungsgeschehens sowie der aktenkundigen Unterlagen werden folgende entscheidungswesentlichen Feststellungen getroffen:

Am langte die am bei der deutschen Post zur Versendung übergebene Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 des Bf. beim Finanzamt ein.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Durchführung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

Mit E-Mail vom erhob der Bf. gegen den Zurückweisungsbescheid Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom führte  das Finanzamt die Arbeitnehmerveranlagung für den Bf. erstmals durch.

Die Beschwerdevorentscheidung vom konnte dem Bf. erst am zugestellt werden; dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage seiner Beschwerde beantragte.

Anhaltspunkte, dass ein früherer Zustellversuch zu einer rechtsgültigen Zustellung geführt hat, liegen dem Bundesfinanzgericht nicht vor. Vom Finanzamt konnte in diesem Zusammenhang auch kein entsprechender Rückschein vorgelegt werden und wurde der fristgerechte Antrag der Vorlage der Beschwerde durch das Finanzamt auch nicht in Abrede gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des dritten Abschnittes der BAO schriftlich einzureichen (Eingaben).

Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs. 2 BAO nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 86a Abs. 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt.

Mit § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 in der Fassung BGBl II 2013/447 wird für Anbringen im Sinne des § 86a Abs. 1 erster Satz BAO, die in Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für Finanzen, an die Verwaltungsgerichte, an eine Finanzamt oder an eine Zollamt gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) zugelassen.

Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 97/2006 in der Fassung BGBl. II Nr. 82/2018 (FinanzOnline-Verordnung 2006 – FonV 2006) wird die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen, geregelt. Nach § 1 Abs. 2 der FOnV 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen. Gemäß § 5 FOnV 2006 sind andere als die in den Funktionen gemäß § 1 Abs. 2 dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen, ungeachtet einer allfällige tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline, unbeachtlich.

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörde erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Erkenntnis vom , 2012/16/0082 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein mit einem E-Mail eingebrachtes Anbringen weder eine Entscheidungspflicht der Behörde auslöst, noch es die Behörde berechtigt, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen (Eingabe) abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängt. Im zitierten Erkenntnis führte der VwGH (auszugsweise) wie folgt aus:

“… Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das ´Anbringen` als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einem solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt. … Eine andere Einbringung als eine schriftliche Eingabe, die etwa persönlich oder durch einen Postdienst bei der Behörde abgegeben wird, ist abgesehen von den hier unstrittig nicht gegebenen Fällen der FOnV 2006 mit der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 nur für im Wege eines Telefaxgerätes (unter Verwendung eines Telekopierers) eingebrachte Anbringen zugelassen.
Damit ist aber die in Rede stehende Übermittlung eines Textes einer Administrativbeschwerde in Form eines einer E-Mail angehängten PDF-Dokuments vom Gesetz nicht vorgesehen. …“

Beschwerden gemäß § 243 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs. 1 BAO. Sie sind daher grundsätzlich schriftlich einzubringen. Dem § 86a folgend können Beschwerden auch telegraphisch oder fernschriftlich, oder, soweit es durch Verordnung des BMF zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung eingereicht werden. Nach der Verordnung BGBl 1991/494 (idF BGBl II 2002/395) können Beschwerden bei den Finanzämtern unter Verwendung eines Fernkopierers (Telekopierers) eingebracht werden. Sie können auch im Wege von FinanzOnline eingereicht werden (vgl. Ritz, BAO6, § 243 Tz 3f.).

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung eines Bescheides durch das Bundesfinanzgericht darf nur dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Rz 5 unter Verweis u.a. auf oder vom , 2004/17/0089). Eine derartige Aufhebung hat beispielsweise dann zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hierfür unzuständigen Behörde erlassen wurde (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Rz 6 unter Verweis auf ; , 2001/17/0043).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes (vgl. ).

Betrachtet man den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt unter dem Blickwinkel obiger Ausführungen so steht für das Bundesfinanzgericht zweifelsfrei fest, dass die E-Mail des Bf. vom kein rechtsgültiges Anbringen im Sinne der §§ 85 und 86a BAO und der aufgrund § 86a BAO ergangenen Verordnungen darstellt. Gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom wurde somit keine rechtsgültige Beschwerde erhoben.

Mangels rechtsgültig eingebrachter Beschwerde war das Finanzamt für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom daher auch nicht zuständig. Wird nun eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, ohne dass der vorangegangene Bescheid mit einer rechtsgültigen Beschwerde angefochten wurde, liegt eine rechtswidrige weitere Sachentscheidung ohne verfahrensrechtlicher Grundlage vor.

Die Beschwerdevorentscheidung war vom Bundesfinanzgericht daher zur Herbeiführung des rechtsrichtigen Verfahrenszustandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.

Ein Vorlageantrag setzt zwingend eine im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung voraus (vgl. Ritz, BAO6, § 264 Tz 6 unter Verweis auf ; ). Der Vorlageantrag vom war aber grundsätzlich zulässig, da im gegenständlichen Beschwerdefall zwar eine rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorlag (vgl. , , RV/7100192/2017; , RV/7103328/2016). Eine Zurückweisung des Vorlageantrages hatte demnach nicht zu erfolgen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die vom Bf. eingereichte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 rechtzeitig beim Finanzamt eingelangt ist, nicht entscheidungsgegenständlich war. Der Zurückweisungsbescheid vom ist mangels rechtsgültiger Beschwerde in Rechtskraft erwachsen.

Zulässigkeit der Revision

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die mit gegenständlichem Erkenntnis erfolgte, ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt, ist durch die Rechtsprechung des VwGH gedeckt (vgl. etwa ). Des Weiteren entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer E-Mail nicht die Eigenschaft eines Anbringens im Sinne der §§ 85, 86a BAO und der aufgrund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen zukommt (vgl. etwa ; , 2012/16/0082).

Von der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Bundesfinanzgericht in seiner gegenständlichen Entscheidung nicht abgewichen, weshalb die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt auch nicht vor, weshalb die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 58 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101212.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at