Verwaltungsabgabe nach § 41 ZollR-DG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache BF., Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Innsbruck vom , Zl., betreffend Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe nach § 41 ZollR-DG iVm. § 30 ZollR-DV, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BA O Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom erstatteten die A., Adresse 1und die B., Adresse, beide vertreten durch die BF., Selbstanzeige gem. § 29 FinStrG für sich und für verschiedene namentlich genannte Mitarbeiter. Unter einem wurde die Festsetzung der Abgaben sowie die Vorschreibung der Abgaben an die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragt.
In der Selbstanzeige wurde im Wesentlichen angeführt, dass die A. in CH ein Unionsversandverfahren für ein Packstück 428 kg Zusatzgewichte mit Bestimmungszollstelle AA. eröffnet und auch ordnungsgemäß an die Zustellniederlassung der B. in AA. mit dem Verweis auf Zollgut weiterverladen habe.
Der Fahrer der Zweigniederlassung, C., habe am eine Palette verladen und dabei, nach Rücksprache mit dem Disponenten D., der die Sendung zur Zustellung ohne auf den Zollgutstatus zu achten freigegeben habe, zur Auslieferung mitgenommen. Die Ware wurde daher der zollamtlichen Überwachung entzogen.
Mit Bescheid vom , Zahl**, wurden der Bf. gem. Art. 79 Abs 1 Buchst a und Abs 3 UZK die EUSt in Höhe von € 896,80 vorgeschrieben.
Mit Bescheid vom , Zahl*, wurde vom Zollamt Innsbruck gemäß Art. 42 UZK iVm § 41 ZollR-DG und § 30 ZollR-DV eine Verwaltungsabgabe in Höhe von € 187,92 mit der Begründung festgesetzt, dass die angezeigte Verletzung der Gestellungspflicht der Verwaltungsabgabe unterliegt sofern kein Tatbestand eines Finanzvergehens erfüllt sei. Die verfahrensgegenständliche, mit Versandanmeldung zur Gestellung beim Zollamt Innsbruck, Zollstelle Freilager AA., angewiesene Sendung sei von der B. innerhalb der Gestellungspflicht an den Empfänger, die E., ausgeliefert worden, ohne diese zuvor einer Zollstelle zu gestellen.
In der gegen den Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der objektive Tatbestand des § 36 Abs.1 FinStrG erfüllt sei, in dem Waren der zollamtlichen Überwachung, wie im gegenständlichen Fall, entzogen wurden. Auf die Schuldform (Beurteilung einer Handlung als grob fahrlässig) komme es bei der Tatbestandsmäßigkeit nicht mehr an.
Der in Österreich angewandte § 41 ZollR-DG sehe ex lege vor, dass zur Abgeltung des erhöhten Verwaltungsaufwandes, verursacht durch eine Pflichtverletzung, eine pauschalierte Verwaltungsabgabe zu leisten ist.
Auch wenn gegebenenfalls vermeint werde, durch den Terminus "Verwaltungsabgabe" den Wortlaut "Abgeltung des dadurch entstandenen erhöhten Verwaltungsaufwandes" zu relativieren, sei es dennoch allein schon iSd Wortinterpretation der "Abgeltung des erhöhten Verwaltungsaufwandes" eine Gebühr iSd Art. 52 UZK.
Daraus resultierend kollidiere § 41 ZollR-DG ganz klar mit Art. 52 UZK, was den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl***, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der von der Bf. dargelegte Sachverhalt sei eindeutig als Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 79 UZK anzusehen und werde dadurch auch der objektive Tatbestand des § 35 FinStrG erfüllt. Nach Darlegung der Verfehlung liege weder beim Disponenten und noch beim Fahrer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vor.
Für das Zollamt bestehe nach Aktenlage kein Anlass oder offensichtliche Gründe an den Angaben der Bf. bzw. am Wahrheitsgehalt hinsichtlich des angezeigten Sachverhalts und auch hinsichtlich der Ausführungen zur Schuld zu zweifeln.
Das Zollamt unterstelle den Beteiligten somit lediglich leichte Fahrlässigkeit, sodaß der Tatbestand der Verzollungsumgehung im Sinne des § 36 FinStrG, der zumindest grob fahrlässiges Verhalten für die Strafbarkeit fordert, nicht erfüllt sei. Es liege somit kein Finanzvergehen vor. Weitere Verdachtsgründe hinsichtlich strafbarer Sachverhalte seien nicht ersichtlich, sodaß kein Finanzstrafverfahren einzuleiten sei.
Zum Einwand der Bf., dass der objektive Tatbestand eines Finanzvergehens erfüllt und damit § 41 ZollR- DG nicht anwendbar sei, wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit eines Verhaltens wie in einschlägigen Kommentaren publiziert, der Tatbestand, die Rechtswidrigkeit und die Schuld sind.
Eine strafbare Handlung liege nur unter diesen bestimmten Voraussetzungen vor. Fehle auch nur eine dieser Voraussetzungen, wie im verfahrensgegenständlichen Fall die von § 36 FinStrG geforderte grobe Fahrlässigkeit, liege keine strafbare Handlung, somit auch kein Finanzvergehen vor.
Eine Selbstanzeige sei nur hinsichtlich eines verwirklichten Finanzvergehens möglich. Eine vorsorgliche Selbstanzeige ist im FinStrG nicht vorgesehen.
Die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe gemäß Art. 42 UZK iVm § 41 ZollR-DG und § 30 ZollR-DV erfolgte somit zu Recht.
Im von der Bf. eingebrachten Vorlageantrag wurden zum bisherigen Vorbringen ergänzend ausgeführt, dass der Tatbestand eines Finanzvergehens „allein mit den objektiven Elementen erfüllt“ sei, sowie dass es sich bei der Verwaltungsabgabe tatsächlich um eine Gebühr handle.
Überdies wurde ein Normenprüfungsverfahren an den VfGH angeregt.
Rechtslage:
Artikel 42 UZK Anwendung von Sanktionen
(1) Jeder Mitgliedstaat sieht Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vor. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(2) Werden verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängt, so können sie unter anderem in einer oder beiden folgenden Formen erfolgen:
a) als eine von den Zollbehörden auferlegte finanzielle Belastung, gegebenenfalls auch an Stelle oder zur Abwendung einer strafrechtlichen Sanktion,
b) als Widerruf, Aussetzung oder Änderung einer dem Beteiligten erteilten Bewilligung.
(3) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission innerhalb von 180 Tagen nach Beginn der Anwendung dieses Artikels gemäß Artikel 288 Absatz 2 über die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorgesehenen geltenden einzelstaatlichen Vorschriften und teilen ihr jede spätere Änderung dieser Vorschriften unverzüglich mit.
Wer zollrechtliche Aufsichts- oder Erhebungsmaßnahmen behindert oder eine sonstigezollrechtliche Pflichtverletzung begeht, ohne dabei den Tatbestand eines Finanzvergehens zu erfüllen, hat zur Abgeltung des dadurch entstehenden erhöhten Verwaltungsaufwandes eine pauschalierte Verwaltungsabgabe zu leisten. Die Höhe dieser Verwaltungsabgabe sowie die hiervon betroffenen Zollzuwiderhandlungen sind mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen fest zu legen.
§ 30 ZollR-DV
(1) Der Verwaltungsabgabe nach § 41 ZollR-DG unterliegt, sofern dadurch kein Tatbestand eines Finanzvergehens erfüllt wird
1. die Verletzung der Gestellungspflicht;
2. die Nichterfüllung von Verpflichtungen aus einer zollrechtlichen
Entscheidung (Art. 23 Abs. 1 Zollkodex);
3. die Erklärung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung, in
der Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung, in der summarischen Eingangs- oder
Ausgangsanmeldung, sowie in der Wiederausfuhrmitteilung;
4. die Überschreitung einer Frist in den besonderen Verfahren.
(1) Des Schmuggels macht sich schuldig, wer
a) eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht oder
b) ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig aus dem
Zollgebiet der Union verbringt.
(2) Der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig,
wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von
Eingangs- oder Ausgangsabgaben bewirkt. Die Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn eine
entstandene Eingangs- oder Ausgangsabgabenschuld bei ihrer Entstehung nicht oder zu niedrig festgesetzt wird und in den Fällen des § 33 Abs. 3 lit. b bis f.
(1) Der Verzollungsumgehung macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht.
(2) Der grob fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich
schuldig, wer die im § 35 Abs. 2 und 3 bezeichneten Taten grob fahrlässig begeht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Nach den Erläuterungen zu § 41 ZollR-DG (BGBl I 2015/163 – Abgabenänderungsgesetz
2015; ErlRV 896 BlgNR 25.GP 1, 21) bzw. § 30 ZollR-DV sollen – in Umsetzung des Art
42 UZK – nur solche Zollzuwiderhandlungen mit einer Verwaltungsabgabe belegt werden,
die nicht dem Finanzstrafgesetz unterliegen.
Im Fall der Gestellung nach Art. 139 UZK ist der Schutzzweck der Norm nach Ansicht des Gerichts darauf gerichtet, der Behörde die Kontrollmöglichkeiten am Amtsplatz oder am zugelassenen Warenort zu erhalten, andernfalls wäre die Abgabe zu entrichten, um einen "erhöhten Verwaltungsaufwand" abzudecken.
Da der Gesetzgeber nach § 41 ZollR-DG nicht auf eine „Bestrafung nach dem FinStrG“, sondern nur darauf abstellt, ob eine Tat einem „Finanzvergehen unterliegt“, bleibt unbedeutend, ob – etwa aufgrund einer eingebrachten Selbstanzeige – eine Tat nach dem FinStrG tatsächlich zu bestrafen ist oder nicht. Im konkreten Fall sind – wie bereits ausgeführt – nach der Nichtgestellung Abgaben in Höhe von € 896,80 erhoben worden.
Nach Ansicht des Zollamtes liege nur leichte Fahrlässigkeit vor, weil die Beteiligten (Fahrer und Disponent) weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt haben. Die Verzollungsumgehung sei aber nur dann strafbar, wenn der Täter zumindest grob fahrlässig handelt.
Wie das Bundesfinanzgericht in der Entscheidung vom , RV/3200007/2017, in einem ähnlich gelagerten Fall ausführlich dargelegt hat, ist schon dem Wort „versehentlich“ nicht zwingend der (juristische) Begriff leichte Fahrlässigkeit zu unterstellen. Nach der Rechtsprechung des UFS ist das bloße Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung jedenfalls noch kein Indiz dafür, die Handlung des Verpflichteten als leicht oder schon grobfahrlässig zu werten ().
Ob die Beteiligten leicht oder grob fahrlässig gehandelt haben, ist von der Behörde nachvollziehbar darzulegen.
Leichte Fahrlässigkeit liegt nach Ansicht des BFG vor, wenn es sich um Arbeitsfehler handelt, die unter Beachtung der konkreten Situation "passieren können". Das gilt auch bei wiederholten Fehlern, wenn nachgewiesen wird, dass die Fehler vor dem Entdecken auf einer falschen, nicht vorwerfbaren Grundannahme beruhen und nach Entdecken des Fehlverhaltens die notwendigen organisatorischen Maßnahmen ergriffen wurden.
Der EuGH befasste sich im Urteil vom zur Rechtssache C-48/98 mit dem Begriff der offensichtlichen Fahrlässigkeit und legte Kriterien für deren Prüfung fest. Demnach muss bei der Beantwortung der Frage, ob offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden (EuGH-Urteil, Rz 56).
Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig ist und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfügt (Rz 57).
Nach der Rechtsprechung des VwGH () erfolgt die Abgrenzung zwischen einem Fehler, der "nicht hätte passieren dürfen" und einem Fehler, der "passieren kann" (Arbeitsfehler). Anders als einzelne Arbeitsfehler sind auch Organisationsmängel vornehmlich geeignet, die offensichtliche Fahrlässigkeit zu begründen.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts handelt es sich bei der Einhaltung der Gestellungspflicht für Waren im Versandverfahren um eine einfache Materie, sodaß die Freigabe einer Ware durch den Disponenten, ohne dass sich dieser vor der Freigabe vom Status der Ware vergewissert hat, nicht bloß als Arbeitsfehler, der passieren kann sondern als grob fahrlässiges Verhalten anzusehen ist.
Den Beteiligten ist daher grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Da die B. ständig im internationalen Warenverkehr tätig ist, hätte Vorsorge getroffen werden müssen, um derartige Fehler hintanzuhalten. Insoweit liegt in der Tat ein Organisations- und Überwachungsverschulden vor.
Entgegen der Ansicht des Zollamtes Innsbruck ist daher vom Vorliegen von Finanzvergehen auszugehen, weshalb die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe nach Art. 42 ZK iVm. § 41 ZollR-DG und § 30 ZollR-DV nicht zulässig war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor, weil der Streitpunkt - unter Zugrundlegung der vorhandenen Rechtsprechung - im Wege der freien Beweiswürdigung zu lösen war.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 35 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 36 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 41 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 30 ZollR-DV, Zollrechts-Durchführungsverordnung, BGBl. Nr. 1104/1994 § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 29 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.3200005.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at