Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2019, RV/7102077/2019

Absetzbarkeit von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen eines Pensionisten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den R in der Beschwerdesache Bf., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , FA 33 2000, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2017, zu Recht erkannt:

  I.  Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.  

Entscheidungsgründe

Strittig ist die Absetzbarkeit von behaupteten Werbungskosten, Sonderausgaben und Außergewöhnlichen Belastungen im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2017.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Pensionist und brachte am seine Einkommensteuererklärung 2017 elektronisch ein und beantragte

1.         Werbungskosten i.H.v. 154,38 € für an die BVA geleistete Kostenbeiträge für A und B C.

2.1       Sonderausgaben – Versicherungsprämie für eine Unfallversicherung für B C, geb. xxx, i.H.v. 311,68 €.

2.2.      Sonderausgaben – Darlehensrückzahlung zur Wohnraumschaffung i.H.v. 3.342,51 €.

3.         Außergewöhnliche Belastungen für den Einbau einer Dusche i.H.v. insgesamt 5.950 €.

Im Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurden vom Finanzamt die erklärten Werbungskosten sowie Sonderausgaben im steuerlich zu berücksichtigendem Maße anerkannt.

Bei den Außergewöhnlichen Belastungen wurden betreffend den Duscheinbau vom Finanzamt unter Heranziehung des Selbstbehaltes nur der behindertengerechte Duschklappsitz i.H.v. 174 € und der Wandhaltegriff i.H.v. 58,80 € berücksichtigt, da es sich beim Einbau der Dusche um ein allgemein verwendbares Wirtschaftsgut des Privatvermögens handle, das steuerlich gem. § 20 EStG 1988 nicht absetzbar sei.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde führt der Bf. im Wesentlichen wie folgt aus:

Der barrierefreie Umbau der Badewanne auf eine Dusche sei aufgrund der Behinderung der Gattin B C notwendig gewesen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt das Beschwerdebegehren als unbegründet ab, da durch den Badezimmerumbau eine bloße Vermögensumschichtung stattgefunden habe und es sei somit kein verlorener Aufwand getätigt worden.

Der Bf. stellte daraufhin am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und führt darin ergänzend aus:

Die Kosten für den Badezimmerumbau würden keine Vermögensumschichtung darstellen, sondern einen notwendigen Aufwand für die körperlichen Einschränkungen der Gattin B C (ein kausaler Zusammenhang liege vor).

Trotz Vorhalt des Finanzamtes vom legte der Bf. keine Unterlagen vor, aus denen eine bereits 2017 bestehende Behinderung ableitbar gewesen wäre.

Aufgrund des Vorhaltes des Bundesfinanzgerichts vom an den Bf. nochmals zu den beantragten Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen Stellung zu nehmen, legte dieser mit Schreiben vom ergänzende Nachweise vor und beantragte eine erklärungsgemäße Erledigung seines Beschwerdebegehrens.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf. bezog im Streitjahr Pensionseinkünfte und tätigte für seine seit 2016 pflegegeldbeziehende und gehbehinderten Gattin B C zum einen Sonderausgaben und zum anderen krankheitsbedingte Aufwendungen.

ad 1.  Werbungskosten (KZ 724) i.H.v. 154,38 €:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 lautet u.a., dass Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen sind.

Die Berücksichtigung von Werbungskosten bei ausschließlichem Vorliegen von Pensionsbezügen ist demnach nicht möglich.

Diese Aufwendungen sind vielmehr bei den Außergewöhnlichen Belastungen (siehe Pkt. 3) zu erfassen.

ad 2.  Sonderausgaben:

ad 2.1  Sonderausgaben – Versicherungsprämie für eine Unfallversicherung für
B C, geb. xxx, i.H.v. 311,68 €:

Aufgrund der Erbringung des Zahlungsnachweises sind die o.a. Versicherungsprämien gem. § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 als Sonderausgaben abzugsfähig.

Gem. § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 sind die Ausgaben, wenn sie insgesamt niedriger als der jeweils maßgebliche Höchstbetrag sind, zu maximal einem Viertel steuerlich zu berücksichtigen, das sind im gegenständlichen Fall 77,92 € (vor Anwendung der Einschleifregelung).

ad 2.2.     Sonderausgaben – Darlehensrückzahlung zur Wohnraumschaffung
i.H.v. 3.342,51 €:

Aufgrund der Erbringung des Zahlungsnachweises sind die o.a. Darlehensrückzahlungen gem. § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 als Sonderausgaben abzugsfähig.

Gem. § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 sind die Ausgaben, wenn sie insgesamt niedriger als der jeweils maßgebliche Höchstbetrag sind, zu maximal einem Viertel steuerlich zu berücksichtigen, das sind im gegenständlichen Fall 835,63 € (vor Anwendung der Einschleifregelung).

ad 3.  Außergewöhnliche Belastung:

Gem. § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Die Belastung muss folgende Voraussetzung erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs. 2 EStG 1988).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 EStG 1988).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können u.a. folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
– Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

§ 35 EStG 1988 lautet u.a.:
Abs. 1: Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung
- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6.000 € jährlich erzielt,
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Abs. 5: Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Aufgrund der vorgelegten Akten und Belege sind beim Bf. von keinen Behinderungen im Sinne der oben wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen auszugehen und die ihm zu zurechenbaren Aufwendungen mit Selbstbehalt zu berücksichtigen; hingegen bezieht die Ehegattin B C seit 2016 nachweislich Pflegegeld, weshalb die ihr zu zurechenbaren Aufwendungen im Sinne einer Behinderung ohne Selbstbehalt wie folgt zu berücksichtigen sind:
 

3.1     BVA-Kostenbeiträge:
Die an die BVA geleisteten Kostenbeiträge i.H.v. insgesamt 154,38 € sind zwangsläufig erwachsen und wie folgt aufgeteilt auf den Bf. (mit Selbstbehalt) und auf die Ehegattin (ohne Selbstbehalt) zu berücksichtigen:


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Re-Datum
Gesamt
Anteil-Bf.
(mit SB)
Anteil-Gattin
(ohne SB)
7,84
1,96
5,88
18,80
 
18,80
5,04
1,96
3,08
10,10
2,00
8,10
6,98
4,98
2,00
27,06
27,06
 
25,45
4,00
21,45
9,36
9,36
 
7,05
5,05
2,00
30,88
4,89
25,99
?
5,82
5,82
 
Summe:
154,38
67,08
87,30

3.2     Badezimmerumbau:

Die Ehegattin des Bf. bezieht keine Pensionseinkünfte (Hausfrau).
Die Bf. hat zwar zum Zeitpunkt des Einbaus der Dusche über keinen amtlich bestätigten Grad einer Behinderung verfügt, erhält jedoch bereits seit 2016 Pflegegeld wegen aufgetretener Bewegungsbehinderungen durch multiple Wirbelkörperbrüche.
Durch diese Behinderungen stehen ihr die außergewöhnlichen Belastungen auch ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes im folgenden Ausmaß zu:
 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern im Regelfall allerdings keine außergewöhnliche Belastung dar, da durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, und somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. ).

Eine andere Beurteilung könnte nur dann geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen oä.) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (z.B. ; z.B. -G/06 ).

Voraussetzung für den Abzug von derartigen Aufwendungen aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung ist sohin, dass diese Aufwendungen ausschließlich durch die Behinderung bedingt sind.

Nur für den ausschließlich behinderungsbedingten Mehraufwand kann der oa. Gegenwertgedanke nicht greifen ( ).

Im Hinblick auf die lt. Rechnung vom erfolgte Art der Badezimmersanierung kann im gegenständlichen Fall keinesfalls von einem verlorenen Aufwand gesprochen werden und die „Gegenwerttheorie“ kommt daher zur Anwendung.

Dass das Bad in seiner konkreten Ausgestaltung für einen "gesunden" Dritten keinen bzw. nur einen eingeschränkten Wert hätte, ist aus den vorgelegten Unterlagen für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar.

Die lt. Rechnung verwendeten Duschteile (Duschtasse statt niveaugleichem Einstieg) tragen zwar einem modernen Bad Rechnung, tragen aber – aus welchen Gründen auch immer – einem behindertengerechten niveaugleichen Einstieg in die Duschkabine aufgrund zunehmender Unbeweglichkeit im Alter bzw. durch fortschreitende Bewegungskrankheit (oder sogar der Benutzung eines Rollstuhles in der Dusche) nicht Rechnung.

Die strittigen Aufwendungen i.H.v. insgesamt 5.950 € sind daher (mit Ausnahme der behinderungsbedingten Kosten für den Duschklappsitz und den Wandhaltegriff samt anteilige Montagekosten – siehe Vorhalt vom Pkt. 3.1 und 3.2) nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Ohne Selbstbehalt sind somit insgesamt außergewöhnliche Belastungen betreffend Badumbau i.H.v. 312,80 € (= 174 + 58,80 + 80) zu berücksichtigen.

Zusammenfassend sind lt. Pkt. 3.1 und 3.2 somit folgende außergewöhnliche Belastungen im Streitjahr 2017 zu berücksichtigen:

a) mit Selbstbehalt: 67,08 € und

b) ohne Selbstbehalt: 400,10 € (= 87,30 + 312,80)

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG wird eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur außergewöhnlichen Belastung ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung (). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Werbungskosten
BVA
Kostenbeitrag
Sonderausgaben
Versicherungsprämie
Darlehensrückzahlung
Badezimmer
Dusche
Selbstbehalt
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102077.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at