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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.04.2019, RV/4100175/2019

Studienwechsel nach dem 3. Semester - Rückforderung Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a CP in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Klagenfurt vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind Kind, geb. aa, für den Zeitraum Oktober 2017 bis September 2018 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) übermittelte aufgrund der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe durch das Finanzamt (FA) am das Reife- und Diplomprüfungszeugnis sowie die Studienbestätigung für das Bachelorstudium Lehramt UF Deutsch UF Geographie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt für ihre Tochter Kind, geb. aa.

Nach Überprüfung der Unterlagen stellte das FA fest, dass Kind im WS 2015/16 das Studium Medien- und Kommunikationswissenschaften begonnen hat; nach dem vierten Semester (WS 2017/18) wechselte Kind auf das Bachelorstudium Lehramt UF Deutsch und Geographie und Wirtschaftskunde.

Das FA forderte mit Bescheid vom die Familienbeihilfe (FB) und den Kinderabsetzbetrag (KG) für den Zeitraum Oktober 2017 bis September 2018 (€ 2.672,70) zurück. Begründend wurde auf § 26 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 und § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EstG) 1988 verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass Kind nach dem 4. Semester "schädigend" auf das Bachelorstudium Lehramt UF Deutsch und UF Geographie gewechselt habe. Der Anspruch auf Familienbeihilfe sei daher ab 10/2017 nicht mehr gegeben.

Mit Schreiben vom erhob die Bf. Beschwerde und führte aus:

Meine Tochter Kind ist bereits im Juli 2015 zum Aufnahmeverfahren für das Lehramt angetreten, hat dieses nicht geschafft. Daraufhin hat sie mit dem Wintersemester 2015/2016 das Studium der Medienkommunikation begonnen. Im Juli 2016 ist meine Tochter neuerlich zum Aufnahmeverfahren für das Lehramt angetreten, hat dieses weiterhin nicht geschafft und somit das Studium der Medienkommunikation fortgesetzt. Im Juli 2017 erfolgte ein neuerlicher Antritt zum Aufnahmeverfahren, welcher von Erfolg gezeichnet war. Daher erfolgte mit dem WS 2017/18 der Studienwechsel auf Bachelor Lehramt UF Deutsch und UF Geographie.

Da diese Aufnahmeverfahren nur einmal im Studienjahr angeboten werden und nicht einmal pro Semester, war es meiner Tochter aufgrund der widrigen Umstände nicht möglich, innerhalb der Frist von 3 inskribierten Semester das Studium zu wechseln. Weiters habe ich die bezogene FB samt KG wirklich für den Lebensunterhalt meiner Tochter verwenden müssen, da sie noch nicht selbsterhaltungsfähig ist. Somit konnte ich mich diesen Ausgaben weder rechtlich noch aus sittlichen Gründen entziehen. Ich selbst bin aufgrund meines Alters am Arbeitsmarkt so gut wie nicht mehr vermittelbar, Alleinerzieherin und beziehe Notstand. Die Rückforderung stellt für mich eine besondere wirtschaftliche Härte dar.

Ich ersuche daher die Abgabenbehörde, den gegenständlichen Bescheid wegen Unbilligkeit im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung aufzuheben.“

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung am ab. Hingewiesen wurde auf § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 iVm § 17 StudFG und darauf, dass Kind zwei Jahre Medienkommunikation an der Universität Klagenfurt studiert und nach dem vierten Semester beihilfenschädlich auf ein Lehramtsstudium gewechselt habe. Der Anspruch auf Familienbeihilfe sei ab Oktober 2017 nicht mehr gegeben und die Familienbeihilfe für den angeführten Zeitraum rückzufordern gewesen.

Mit 29.11.2918 langte der Vorlageantrag ein. Die Bf. wies erneut auf ihre wirtschaftlich prekäre Situation hin und ersuchte das BFG im Rahmen seines Aufsichtsrechtes § 26 Abs. 4 FLAG 1967 anzuwenden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Als erwiesen angenommener Sachverhalt

Die aa geborene Tochter der Bf., Kind, absolvierte im Schuljahr 2014/15 die Matura. Mit Beginn des Wintersemesters 2015/16 begann sie das Studium Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Mit dem Wintersemester 2017/18 wechselte sie auf das Bachelorstudium Lehramt UF Deutsch und UF Geographie und Wirtschaftskunde.

Beweiswürdigung

Der als erwiesen angenommene Sachverhalt gründet sich auf den von der Bf. vorgelegten Unterlagen sowie den Datenbanken der Abgabenbehörde (DB 7 – Familienbeihilfeverfahren).

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studenten­vertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) lautet:

„(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderun­gen gleichwertig sind,

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwin­gend herbeigeführt wurden,

3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe be­zogen wurde,

4. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 3.

(3) …

(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt haben. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.“

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.

Rechtliche Würdigung

Das FLAG 1967 verweist für den Fall eines Studienwechsels auf § 17 StudFG, das FLAG 1967 enthält jedoch keine Definition eines Studienwechsels. § 17 StudFG selbst enthält aber auch keine abschließende Definition des Studienwechsels (vgl. ).

Der Begriff Studienwechsel bedeutet den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde. Wenn ein Studierender das begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes in den Geltungsbereich des StudFG 1992 fallendes Studium beginnt, liegt ein Studienwechsel vor (vgl. ).

Es ist unbestritten, dass die Tochter der Bf. das Studium nach dem vierten Semester  gewechselt hat. Somit liegt ein beihilfenschädlicher Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG vor.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familien­beihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge irrelevant (vgl. Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 3, unter Zitierung von ).

Aufgrund der objektiven Erstattungspflicht der Familienbeihilfe gehen die Einwendungen hinsichtlich des nur einmal jährlich stattfindenden Aufnahmeverfahrens, des mehrmaligen Antretens der Tochter beim Aufnahmeverfahren, ins Leere. Schließlich ist auch das Vorbringen der Bf., dass sie die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Lebensunterhalt ihrer Tochter verwendet habe, nicht entscheidungsrelevant.

Wenn die Bf. aber auf ihre prekäre finanzielle Situation sowie ihre Arbeitslosigkeit hinweist und ersucht, den Bescheid wegen Unbilligkeit aufzuheben, ist sie auf Folgendes zu verweisen:

Im Rahmen des Einhebungsverfahrens gibt es die Möglichkeit einer Nachsicht oder einer Ratenzahlung. Die Bewilligung einer Nachsicht iSd § 236 BAO ist aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Zuständig hiefür ist das FA.

§ 26 Abs. 4 FLAG 1967 ermächtigt die Oberbehörden in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Das Bundesfinanzgericht ist Verwaltungsgericht und nicht Oberbehörde des Finanzamts (vgl. ). Oberbehörde war bis zur Bundesministeriengesetz-Novelle 2017 BGBl. I Nr. 164/2017 das Bundesministerium (die Bundesministerin) für Familien und Jugend (BMFJ), 1020 Wien, Untere Donaustraße 13-15. Nunmehr ist (Abschnitt A Z 24 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 Bundesministeriengesetz 1986 i. d. g. F.) Oberbehörde das Bundeskanzleramt, wobei gemäß Entschließung des Bundespräsidenten, mit der die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten einer eigenen Bundesministerin übertragen wird, BGBl. II Nr. 4/2018, ausgegeben am , der Bundesministerin im Bundeskanzleramt Dr. Juliane Bogner-Strauß die sachliche Leitung unter anderem der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angelegenheiten des Familienlastenausgleichs (Z 4 der Entschließung) übertragen wurde (Anschrift: Bundeskanzleramt, Sektion Jugend und Familie, 1020 Wien, Untere Donaustraße 13-15, Internetauftritt weiterhin unter www.bmfj.gv.at). Die Oberbehörde kann das Finanzamt anweisen, von einer Rückforderung bei Unbilligkeit abzusehen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren kommt es nur darauf an, ob die Bf. die in Rede stehenden Beträge zu Unrecht erhalten hat. Dem Bundesfinanzgericht ist auch bei seiner Entscheidung kein Ermessen eingeräumt. Aus diesem Grund war die Beschwerde abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, weil die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes folgt.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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