Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.07.2019, RV/7105132/2018

Nachzahlungen aus Insolvenz-Entgelt-Fonds (Frage, welchem Kalenderjahr die Zahlungen zuzurechnen sind sowie ob Pflichtveranlagungstatbestand vorliegt)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA über die Beschwerde des ***, ***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, zu Recht: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO - wie mit Beschwerdevorentscheidung vom - teilweise Folge gegeben.

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen und der Höhe der festgesetzten Abgabe sowie der Lohnzettel tritt keine Änderung gegenüber der Beschwerdevorentscheidung vom ein, weshalb diesbezüglich auf diese verwiesen wird.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom wurde das Einkommen des Beschwerdeführers für das Jahr 2015 erklärungsgemäß (Arbeitnehmerveranlagung) veranlagt und die Einkommensteuer mit -2.574,00 Euro (Gutschrift) festgesetzt.

Das Verfahren wurde jedoch mit Bescheid vom wieder aufgenommen, "weil dem Finanzamt auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) erst nachträglich Umstände bekannt wurden, die im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent waren und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt."

Mit neuem Sachbescheid vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2015 mit 3.334,00 Euro festgesetzt (Nachforderung iHv 5.908,00 Euro).

In der dagegen erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei für ihn nicht nachvollziehbar. Sei dafür die an ihn erfolge Abfertigungszahlung ausschlaggebend, teile er mit, dass diese erst per erfolgt sei und daher nicht in das Jahr 2015 falle. Entsprechende Lohnzettel legte er bei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Sachbescheid vom insofern abgeändert, als die Einkommensteuer für das Jahr 2015 nunmehr mit 2.868,00 Euro festgesetzt wurde, weil der Lohnzettel der Firma B-GmbH vom bis korrigiert wurde. Weiters wurde ausgeführt, der Lohnzettel gemäß § 69 Abs. 6 EStG 1988 des Insolvenz-Entgelt-Fonds sei für das Jahr 2015 richtig übermittelt worden. Nachzahlungen im Insolvenzverfahren würden gemäß § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 dem Kalenderjahr zugeordnet, in dem der Anspruch entstanden sei. Auf Grund des § 69 Abs. 6 EStG 1988 lägen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vor.

Die vom Beschwerdeführer als "nochmalige Beschwerde" bezeichnete Eingabe vom wurde als Vorlageantrag gewertet. Darin wurde ausgeführt, die Arbeitnehmerveranlagung sei zu Unrecht in eine Einkommensteuererklärung umgewandelt worden. Die im Jahr 2016 ausgezahlte Abfertigung könne zu keinem zusätzlichen Einkommen im Jahr 2015 führen. Weder das Arbeitsmarktservice (AMS) noch der Insolvenz-Entgelt-Fonds würden als bezugauszahlende Stelle iS des österreichischen Steuerrechts gelten.

Im Vorlagebericht führte die belangte Behörde aus, die gegenständlichen Insolvenzgelder, welche für das Jahr 2015 ausbezahlt worden seien, würden als im Jahr 2015 zugeflossen gelten und lösten im Jahr 2015 eine Pflichtveranlagung iSd § 41 Abs. 1 EStG 1988 aus. Es werde daher um Abweisung der Beschwerde ersucht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von bis bei der Firma **B-GmbH** (im Folgenden: B. GmbH) in *** als Angestellter beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Kündigung gemäß § 25 Insolvenzordnung

Der Beschwerdeführer führte für das Jahr 2015 eine Arbeitnehmerveranlagung durch, die zunächst erklärungsgemäß zu einer Einkommensteuergutschrift iHv 2.574,00 Euro führte.

Der Lohnzettel der Firma B. GmbH vom bis stellt sich wie folgt dar (alle Beträge in Euro):


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Kennzahl 210 Brutto
 
39.348,45
Steuerfr. Bezüge gern. § 68 EStG 19988 Kennzahl 215
 
172,00
Bezüge gemäß § 67 Abs 1 u.2. EStG 1988 Kennzahl 220
 
5.063,90
Insgesamt einbeh. SV-Beiträge:
6.373,30
 
Abzügl. SV-Beitr. für KZ 220
864,41
 
= Kennzahl 230
 
5.508,89
ergibt Kennzahl 245 steuerpflichtige Bezüge
 
28.603,66
Einbehaltene Lohnsteuer insgesamt
8.922,64
 
Kennzahl 260 einbehaltene Lohnsteuer
 
8.922,64

Auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma B. GmbH am beim LG Wiener Neustadt, GZ ***, wurden dem Beschwerdeführer mit Teilbescheid vom am aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds folgende (Netto-)Beträge (Ansprüche) für das Jahr 2015 ausbezahlt:

• Laufendes Entgelt für die Monate April, Mai, September und Oktober (bis einschließlich 16.10) iHv gesamt 6.426,00 Euro,

• Weihnachtsrenumeration für den Zeitraum bis iHv 3.227,00 Euro,

• Abfertigung (12 Monatsgehälter) iHv 62.847,00 Euro,

• gerichtliche Forderungsanmeldung iHv 22,00 Euro,

insgesamt sohin 72.522,00 Euro.

Mit weiterem Teilbescheid vom kam es zur Auszahlung von Zinsen iHv 17,00 Euro, Urlaubsersatzleistung für das Ausmaß 43,68 WT iHv 8.099,00 Euro und Kündigungsentschädigung für den Zeitraum bis iHv 3.897,00 Euro. Davon wurden 9.008,80 Euro an den Beschwerdeführer und 2.956,20 Euro an das AMS Baden ausbezahlt.

Mit Bescheid des Insolvenz-Entgelt-Fonds vom wurden weitere Begehren des Beschwerdeführers mangels Vorliegens weiterer gesicherter Ansprüche abgelehnt.

Die bezugsauszahlende Stelle Insolvenz-Entgelt-Fonds übermittelte aufgrund der Verpflichtung gemäß § 69 Abs. 6 EStG 1988 in einem Lohnzettel gemäß § 84 EStG 1988 dem Betriebsstättenfinanzamt die Bruttobezüge des Beschwerdeführers. Der Lohnzettel stellt sich wie folgt dar (Hervorhebungen im Original):


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Bezugsauszahlende Stelle:
 
Insolvenz-Entgelt-Fonds
Bezugszeitraum:
 
bis
Beträge in
 
EUR
Bruttobezüge (210)
 
95.928,97
SV-Beiträge für laufende Bezüge (230)
 
3.635,38
Insgesamt einbeh. SV-Beiträge
4.544,22
 
Mit festen Sätzen versteuerte Bezüge
72.672,59
 
Übrige Abzüge (243)
 
72.672,59
Steuerpflichtige Bezüge (245)
 
19.621,00
Einbehaltene Lohnsteuer
6.954,49
 
Lohnsteuer mit festen Sätzen
4.011,51
 
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
 
2.942,98
SV-Beiträge f. m. festem Satz verst. Bezüge (226)
908,84
 

Die Übermittlung des Lohnzettels erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits einen Erstbescheid betreffend die Einkommensteuer 2015 erhalten hatte.

Der Beschwerdeführer bezog von bis Arbeitslosengeld iHv 492,70 Euro.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen des Finanzamtes und des Beschwerdeführers, die insoweit übereinstimmen, sowie insbesondere aus den im Akt enthaltenen Lohnzetteln des Insolvenz-Entgelt-Fonds und der Firma B. GmbH und aus den unbedenklichen Bescheiden des Insolvenz-Entgelt-Fonds vom , 12. und .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung im Sinne der BVE)

3.1.1. Strittig ist, welchem Kalenderjahr die aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds an den Beschwerdeführer ausbezahlten Bezüge zuzurechnen sind.

§ 19 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 112/2011 bestimmt dazu Folgendes:

"Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Abweichend davon gilt:

1. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.

2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:

– Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,

– Nachzahlungen im Insolvenzverfahren sowie

– Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Abs. 4, mit Ausnahme der in § 3 Abs. 2 genannten Bezüge.

3. Bezüge gemäß § 79 Abs. 2 gelten als im Vorjahr zugeflossen. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln."

Für Nachzahlungen des Insolvenz-Ausfallsgeldes besteht somit gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 die Sonderregelung, dass diese nicht im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, sondern in dem Zeitpunkt, für den der Anspruch besteht, als Einkünfte zu erfassen sind (sog. "Anspruchsprinzip"). Die Zurechnung dieser Nachzahlungen zu dem Jahr, für das der Anspruch besteht, gilt für Konkurse, die nach dem eröffnet worden sind (§ 124b Z 130 EStG 1988 idF AbgÄG 2005; Doralt, EStG-Kommentar, § 19 Tz. 30/3).

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu unter Hinweis auf die Materialien (RV 1187 BlgNR 22. GP, 4 und 8) im Erkenntnis vom , 2011/15/0185, ausgeführt, dass diese Regelung den Zweck verfolge, eine erhöhte Progressionsbelastung hintanzuhalten, "indem die Pensionen (und anderen Bezüge) jenen in der Vergangenheit liegenden Monaten (Kalenderjahren) zugeordnet werden, zu denen sie wirtschaftlich gehören." Im Zuge von Insolvenzverfahren ergebe sich für Dienstnehmer typischerweise die Situation, dass sie ihre Entlohnung nicht mehr regelmäßig am Fälligkeitstag erhalten. Nachträglich erhielten sie dafür zusammengeballt (Ersatz)Zahlungen in Form von Insolvenz-Ausfallgeld nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG). Die mit dem Abgabenänderungsgesetz 2005 vorgenommene Ausweitung des Anwendungsbereiches der Sonderreglung des § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 auf Nachzahlungen im Insolvenzverfahren diene dem Zweck, die negativen Progressionsfolgen der kumulierten Auszahlung zu vermeiden.

Die in Rede stehende Sonderregelung in § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 will somit Bezüge den Zeiträumen zuordnen, in denen sie bei normalem Lauf der Dinge zugeflossen wären, wäre dem nicht im Insolvenzfall die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entgegengestanden ().

3.1.2. Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die in Rede stehenden, vom Insolvenz-Entgelt-Fonds im Jahr 2016 ausbezahlten Beträge (Ansprüche) dem Kalenderjahr 2015 zuzuordnen sind:  

Bei den für die Monate April, Mai, September und Oktober (bis einschließlich 16. Oktober) 2015 ausbezahlten Beträgen ist für die steuerliche Zuordnung der Nachzahlungen der jeweilige Kalendermonat maßgeblich, für den der Anspruch besteht, weshalb diese Nachzahlungen - genauso wie die damit in Zusammenhang stehende Weihnachtsrenumeration für das Jahr 2015 - zweifelsfrei dem Jahr 2015 zuzurechnen sind.

Bei einem vorzeitigen Austritt aus wichtigem Grund nach § 25 Abs. 1 IO gebührt dem Arbeitnehmer gemäß § 29 AngG die ("unbedingte") Kündigungsentschädigung (vgl. , betreffend die dem § 25 Abs. 1 IO gleichzuhaltende Regelung des § 25 Abs. 1 KO). Auch für diese dem Beschwerdeführer gebührende unbedingte Kündigungsentschädigung wird durch § 19 Abs. 1 EStG 1988 hinsichtlich ihres Bezuges die Fiktion des Zuflusses für den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses normiert. Diese Zahlungen sind somit ebenfalls dem Jahr 2015 zuzurechnen.

Bei der Urlaubsersatzleistung gilt, dass der Anspruch auf eine solche mit dem Ende des Dienstverhältnisses entsteht (vgl. ), weshalb auch diese dem Jahr 2015 zuzurechnen ist. Gleiches gilt für die das Jahr 2015 (12 Monate) betreffende Abfertigung: Der Anspruch auf diese ist ebenfalls mit Beendigung des Dienstverhältnisses - im Dezember 2015 - entstanden.

Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, das Finanzamt habe die vom Insolvenz-Entgelt-Fonds ausbezahlten Beträge dem falschen Veranlagungszeitraum zugeordnet, trifft daher nicht zu.

3.1.3. Soweit der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes bestreitet, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

§ 69 Abs. 6 EStG 1988 sieht vor, dass bei Auszahlung von Insolvenz-Entgelt durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds (Z 1) die auszahlende Stelle zur Berücksichtigung der Bezüge im Veranlagungsverfahren bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln hat. Betrifft eine Auszahlung im Sinne der Z 1 ein abgelaufenes Kalenderjahr, ist der Lohnzettel bis zum Ende des Kalendermonats zu übermitteln, das dem Quartal der Auszahlung folgt.

Für das Jahr 2015 gab es sowohl einen Lohnzettel des Arbeitgebers des Beschwerdeführers, der Firma B. GmbH, als auch einen gemäß § 69 Abs. 6 EStG 1988 übermittelten Lohnzettel des Insolvenz-Entgelt-Fonds, somit zwei bezugsauszahlende Stellen. Der im Vorlageantrag vertretenen Ansicht, Auszahlungen aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds stellten keine Zahlungen einer bezugsauszahlenden Stelle iSd österreichischen Steuerrechts dar, geht vor diesem Hintergrund ins Leere.

Da der Steuerpflichtige gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988  u.a. dann zu veranlagen ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - im Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs. 6 EStG 1988 zugeflossen sind, lagen damit bereits die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung des Beschwerdeführers vor.

3.1.4. Der Beschwerde ist daher aus den dargelegten Gründen nicht Folge zu geben, der angefochtene Bescheid aber im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abzuändern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnissesauszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil der Lösung der Frage, welchem Kalenderjahr Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren zuzuordnen sind, keine grundsätzliche Bedeutung zukommt: Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insbesondere ); diese ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

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