Anerkennung von Fahrtkosten für die Pflege der behinderten Mutter am Familienwohnsitz
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache VN Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Inland vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2008-2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt und Verfahrensablauf:
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Ausland, Land und ist bei einer inländischen Baugesellschaft als Montageschlosser beschäftigt.
Mit Schreiben vom langten die Erklärungen betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2008-2012 beim Finanzamt ein. Der Beschwerdeführer beantragte unter KZ 723 Doppelte Haushaltsführung die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrtkosten iHv. EUR:
2008: 3.151,50
2009: 3.372,00
2010: 3.372,00
2011: 3.672,00
2012: 3.672,00
Mit Ersuchen um Ergänzung vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2008-2012 verlangte das Finanzamt vom Beschwerdeführer die folgenden entscheidungsrelevanten Unterlagen ab:
*Kaufvertrag, Grundbuchsauszug für das Haus in der Tschechischen Republik
*Fahrtenbuch
*Formular E 9
Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer das Formular E 9 zur Bescheinigung, dass seine Einkünfte im Ansässigkeitsstaat EUR 0,- betragen, unterzeichnet von der tschechischen Steuerbehörde für das Jahr 2008 und den Kaufvertrag für das Haus in Ausland, Land vom und die Eintragungsunterlagen zum Grundbuch vor.
In einem Aktenvermerk vom hielt das Finanzamt Folgendes fest: "Hr. Bf fährt jedes Wochenende nach Hause (Land), um seine Mutter zu pflegen. 125 Km Inland-Ausland. Herr Bf ist ledig und besitzt ein Haus in Land seit 1999. Fahrtengeld: 125 km * 52 Wochen * € 4,42 = € 2.730,-. Familienheimfahrten 2008:2.600,- 2009-2012: 2.730,-"
Unter KZ 723 Doppelte Haushaltsführung berücksichtigte das Finanzamt in den Bescheiden vom lediglich die folgenden Beträge iHv. EUR:
2008: 2.600,00
2009: 2.730,00
2010: 2.730,00
2011: 2.730,00
2012: 2.730,00
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) wie iHv. EUR fest:
2008: - 946,08
2009: - 948,26
2010: - 948,74
2011: - 953,00
2012: - 915,00
Das Finanzamt begründete die Bescheide vom wie folgt: "Die Aufwendungen wurden entsprechend den von Ihnen vorgelegten Unterlagen berücksichtigt. Die wöchentlichen Familienheimfahrten mit 125 Km konnten aufgrund der Berechnung mit dem amtlichen Kilometergeld in Höhe von € 0,42 mit einem Betrag von € 2.730,- berücksichtigt werden. Aufwendungen in Höhe des großen Pendlerpauschales konnten für die Familienheimfahrten nicht berücksichtigt werden, da der errechnete Betrag geringer als das höchste Pendlerpauschale ist. Berechnung: 125 km * 52 Wochen * € 4,42 = € 2.730,-."
In der Berufung (nunmehr als Beschwerde zu bezeichnen) vom beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung weiterer Werbungskosten und führte dazu aus: "Die Familienheimfahrten nach Stadt zwecks Pflege meiner kranken Mutter wurden unrichtig berechnet. 1 Strecke Inland nach Stadt beträgt 125 Km und retour wieder 125 Km gesamt 250 Km * 52 Wochen. Lt. ärztlichen Attest ist für meine Mutter eine wöchentliche Pflege erforderlich. (Beim Finanzamt aufliegend). Es steht mir daher für Familienheimfahrten (Mutter) das höchste Pendlerpauschale zu:
2008 richtig 3.151,50
2009 richtig 3.372,-
2010 richtig 3.372,-
2011 richtig 3.672,-
2012 richtig 3.672,-
Ich ersuche um Bescheidaufhebung 2008-2012 und Herausgabe der richtigen Bescheide."
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Vorlage von Unterlagen zur Pflegebedürftigkeit seiner Mutter und zu den Familienheimfahrten.
Mit Schreiben vom beantwortete Beschwerdeführer den Vorhalt und gab an, dass es kein Pflegegeld in der Tschechischen Republik gebe, sondern dass eine Pension ausgezahlt werde und dass er und seine Schwester die Mutter pflegen würden: er jeweils 3 Stunden am Wochenende und seine Schwester von Montag bis Freitag. Weiters legte der Beschwerdeführer dem Finanzamt den Bescheid des Magistrats der Stadt Ausland, Abteilung für Sozialpflege vom vor, in dem der Mutter des Beschwerdeführers, Frau Name eine schwere körperliche Behinderung iSd. des Behindertengesetztes mit Anspruch auf Ausstellung eines Behindertenausweises attestiert wurde. Weiters legte er den Bescheid zum Bezug von Pflegegeld für seine Mutter ab 2012 vor, in dem ein ungünstiger Gesundheitszustand und die Unfähigkeit "die grundlegenden Lebensbedürfnisse im Bereich der Mobilität zu bewältigen" attestiert wurde.
Zu den beantragten Werbungskosten aufgrund der getätigten Familienheimfahrten gab der Beschwerdeführer den Kilometerstand seines Kfz lt. Tachoanzeige mit 280.000 Kilometer bekannt. Er gab an, dass er 40.000 Kilometer im Jahr fahren würde. Der Beschwerdeführer legte der belangten Behörde auch den Zulassungsschein seines Kfz vor. Er gab weiters bekannt, dass er im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht krank gewesen wäre und dass er vier Wochen pro Jahr auf Urlaub gewesen sei.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2008-2012 iHv. EUR fest:
2008: 0,00
2009: 0,00
2010: 0,00
2011: 0,00
2012: 0,00
Die vom Beschwerdeführer unter der KZ 723 Doppelte Haushaltsführung geltend gemachten und mit den angefochtenen Bescheiden teilweise gewährten Werbungskosten wurden nunmehr zur Gänze von der belangten Behörde aberkannt.
In der gesondert ausgefertigten Bescheidbegründung vom führte die belangte Behörde dazu aus: "An Sie wurde ein durch das Bundesrechenzentrum ausgefertigter Bescheid betreffend Einkommensteuerbescheid 2008 am (...) abgefertigt. Bitte beachten Sie, dass es bei dem automationsunterstützt versendeten Bescheid und der vorliegenden händisch versendeten Begründung zu unterschiedlichen Zustellungszeitpunkten kommen kann. Die Erledigung weicht von Ihrem Begehren aus folgenden Gründen ab: Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach Lehre und Rechtsprechung sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushalts an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsort erwachsen, als Werbungskosten absetzbar. Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann. Die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, wird somit nicht durch die Erwerbstätigkeit selbst, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten sowie eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Die als Werbungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen müssen nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung nach Art und Umfang nachgewiesen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft gemacht werden § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zufolge dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Ebenfalls nicht abzugsfähig (Z 2 lit. a leg. cit.) sind Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Wie bereits ausgeführt, sind Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz nur dann im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gesetzten Grenzen Werbungskosten, wenn neben der Erbringung eines diesbezüglichen Nachweises oder der Glaubhaftmachung der betreffenden Aufwendungen, die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen und somit in Folge dessen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung - etwa aus Gründen der Pflegebedürftigkeit nahe stehender Personen - nicht zumutbar ist. Hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit den behaupteten Familienheimfahrten wurden trotz Vorhalt keine geeigneten Belege für die Jahre 2008 bis 2012 vorgelegt, die eindeutig und zweifelsfrei das Vorliegen der entsprechenden Aufwendungen sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich deren Höhe nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht hätten. Lediglich die Behauptung, dass wöchentliche Familienheimfahrten durchgeführt wurden sowie die Kopie der Zulassungsbescheinigung auf Ihren Namen sind nicht ausreichend. Die Tatsache, dass sich ein Fahrzeug in Ihrem Besitz befand und auf Sie zugelassen war, kann jedenfalls keinen Beweis hinsichtlich der tatsächlich erfolgten Durchführung der behaupteten Familienheimfahrten liefern. Zudem wurde auch die Pflegebedürftigkeit der Mutter ab dem Kalenderjahr 2008 nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Weiters geben Sie in der Vorhaltebeantwortung an, dass Sie Ihre Mutter sowohl am Samstag als auch am Sonntag drei Stunden betreuen. Die Betreuung von jeweils drei Stunden am Samstag und Sonntag ist nicht unter die Kategorie werbungskostenrelevanter Familienheimfahrten, sondern unter Besuchsfahrten zur Mutter somit unter die gern. § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähigen Ausgaben - einzuordnen. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) sind Fahrtkosten, die Kindern durch regelmäßige Besuche und verschiedene Besorgungen für betreuungsbedürftige Eltern erwachsen, nicht als außergewöhnlich anzusehen, wenn die Betreuung durch das Kind keine außergewöhnlichen Kosten erforderlich macht. Demnach stellen die Fahrten auch keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 dar. Dem Berufungsbegehren konnte nicht entsprochen werden. Die im Erstbescheid gewährten Ausgaben für Familienheimfahrten mussten daher aberkannt werden. Die Beschwerdevorentscheidung kann den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Beschwerde als unbegründet abweisen (§ 263 BAO). Die Abgabenbehörde kann sowohl im Spruch als auch in der Begründung ihre bisherige Auffassung in der Tatfrage und in der Rechtsfrage aufrechterhalten oder zufolge neu gewonnener oder vertiefter Kenntnisse eine geänderte Einstellung verfolgen (Stoll, Kommentar zur BAO, zu § 276, S 2711, Wien 1994). „Nach jeder Richtung hin" umfasst ausdrücklich auch eine verbösernde Entscheidung zum Nachteil des Beschwerdewerbers, zumal keine Beschränkung der Abänderungsmöglichkeiten auf die Punkte, in denen der Bescheid angefochten wurde im Hinblick auf die amtswegige Wahrheitsermittlungspflicht (§ 115 Abs. 1 BAO) besteht. Die angeführten Ausführungen sind Bestandteil des oben bezeichneten Bescheides. Ein nach Maßgabe der Rechtsmittelbelehrung zulässiges Rechtsmittel kann nur gegen den Spruch des oben bezeichneten Bescheides, nicht aber gegen die Begründung erhoben werden. Im Übrigen wird auf die entsprechende Rechtsmittelbelehrung bzw. Rechtsbelehrung verwiesen."
Mit Schreiben vom begehrte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht. In der Begründung führte er aus: "Ich erhebe, innerhalb offener Frist gegen den Einkommensteuerbescheid für die Jahre 2008 bis 2012 vom , das Rechtsmittel der Berufung und begründe dies wie folgt: Der Bescheid ist unrichtig, weil ich alle geforderte Dokumente von dem Tschechichen Sozialamt abgegeben. Meine 90-jährige Mutter braucht alltägliche Pflege und deshalb muss ich jede Wochenende in die Tchechischen Republik zurückfahren. Zuerst hat mir das Finanzamt die Pflege bestätigt und das Geld auf mein Konto geschickt. Drei Monaten spät hat es das Finanzamt abgeweist. Das finde ich nicht richtig. Ich stelle daher den Antrag, diese Umstände zu berücksichtigen. Ich ersuche um Aussetzung gem. § 212a BAO in Höhe von € 4.962,46 bis zur Erledigung meiner Berufung."
Mit Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer auf, die Nachweise betreffend der beantragten Werbungskosten vorzulegen. Der Beschwerdeführer teilte dem Bundesfinanzgericht mit, dass seine Mutter zwischenzeitlich verstorben ist und dass sämtliche Belege zu den Fahrtkosten nicht mehr vorhanden sind. Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer eine eidesstaatliche Erklärung seiner Schwester NameSchwester vor, in der diese bestätigt, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2008 bis 2012 jedes Wochenende nach Ausland gefahren ist, um die gemeinsame Mutter Name zu pflegen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
§ 16 Z 6 lit. c EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2008 bestimmt:
"Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:
Bei einer einfachen Fahrtstrecke von (...)
über 60 km 3.372 Euro jährlich
Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen der lit. b und c abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung dieser Pauschbeträge muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden. Die Pauschbeträge sind auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder auf Urlaub (Karenzurlaub) befindet. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5) befördert, dann stehen ihm die Pauschbeträge nach lit. b und c nicht zu. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, dann sind diese bis zur Höhe der sich aus lit. b und c ergebenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen."
§ 16 Z 6 lit. c EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 bestimmt:
"Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:
Bei einer einfachen Fahrtstrecke von (...)
über 60 km 3 672 Euro jährlich
Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen der lit. b und c abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung dieser Pauschbeträge muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden. Die Pauschbeträge sind auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder auf Urlaub (Karenzurlaub) befindet. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5) befördert, dann stehen ihm die Pauschbeträge nach lit. b und c nicht zu. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, dann sind diese bis zur Höhe der sich aus lit. b und c ergebenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen."
§ 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 in der geltenden Fassung bestimmt:
"Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen."
§ 5 Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz, idF BGBl II 37/1999 normiert:
"Ständiger Pflegebedarf liegt vor, wenn dieser täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich regelmäßig gegeben ist."
Rechtliche Beurteilung:
Die rechtliche Beurteilung erfolgt unter Zugrundelegung des oben unter "Sachverhalt und Verfahrensablauf" festgestellten Sachverhalts.
Aufwendungen für Familienheimfahrten sind laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, dass eine tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, dh. am Dienstort ein weiterer Wohnsitz begründet werden muss (). Dies liegt im konkreten Fall vor, da der Beschwerdeführer ledig ist, in Ausland seinen Wohnsitz bzw. seinen Familienwohnort mit seiner pflegebedürftigen Mutter und im Inland seine Arbeitsstätte hat. Der Beschwerdeführer hat glaubhaft machen können, dass er abwechselnd mit seiner in Ausland wohnhaften Schwester seine pflegebedürftige Mutter pflegt. Die tägliche Zurücklegung der Distanz im Ausmaß von 250 Kilometern ist jedenfalls nicht zumutbar ().
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ihre Ursache in der privaten Lebensführung haben kann (; ). Aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen kann sich ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben ().
Die Familienwohnsitzverlegung ist unzumutbar, wenn eine besonders gelagerte Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger besteht und deren Mitübersiedlung unzumutbar wäre (; ; ; 88/13/0121; ; ). Die Pflegebedürftigkeit der Mutter des Beschwerdeführers wurde mittels Vorlage der oben genannten Bescheide, die eine "schwere körperliche Behinderung" der Mutter des Beschwerdeführers ab dem Jahr 2006 bescheinigen, nachgewiesen, womit von einer Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ins Inland auszugehen ist.
Eine besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit ist dann anzunehmen, wenn die im § 5 Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz umschriebenen Voraussetzungen gegeben sind: ein ständiger, täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich zu erbringender Betreuungs- und Hilfsbedarf aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen (Sinnes)Behinderung. Im konkreten Fall benötigt die Mutter des Beschwerdeführers aufgrund einer schweren Behinderung tägliche Betreuung über mehrere Stunden, womit die oben genannten Voraussetzungen grundsätzlich zutreffen.
Gem. § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 sind die "Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit c angeführten Betrag übersteigen", nicht abzugsfähig. Die Absetzbarkeit von Kosten der steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach bleibt durch § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 unberührt. Nur die Abzugsfähigkeit des Fahrtaufwands der Höhe nach ist im beschwerdegegenständlichen Zeitraum mit dem höchsten Pendlerpauschale gem. § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG 1988 begrenzt.
Der belangten Behörde ist grundsätzlich zuzustimmen, dass die Aufwendungen für Fahrtkosten der Höhe nach vom Beschwerdeführer nicht detailliert nachgewiesen wurden. Zur anzuerkennenden Häufigkeit der Familienheimfahrten des Beschwerdeführers ist im konkreten Fall nicht nachgewiesen worden, dass er tatsächlich, wie in den Schreiben behauptet, wöchentliche Heimfahrten getätigt hat.
Der Rechtsansicht des Beschwerdeführers in der Beschwerde, dass er Anspruch auf Abzug der Fahrtkosten der Familienheimfahrten bis zum höchsten Pendlerpauschale haben würde, kann nicht gefolgt werden, denn der Beschwerdeführer konnte zB. keine überwiegende Rückkehr zum Familienwohnsitz nachweisen. Ein Fahrtenbuch, Tankrechnungen oder andere Belege außer dem Schreiben seiner Schwester, wurden - trotz Aufforderung der belangten Behörde - nicht vorgelegt. Die Angabe des Beschwerdeführers, zB. er habe 40.000 Kilometer jährlich zurückgelegt, steht im Widerspruch zu seinen Angaben, er sei 52 Mal im Jahr 250 Kilometer zu seinem Familienwohnsitz gefahren. In diesem Punkt ist die Beschwerde somit abzuweisen.
Dass die belangte Behörde in den Erstbescheiden davon ausgegangen ist, dass Familienheimfahrten bis zur Hälfte der errechneten Bemessungsgrundlage glaubhaft gemacht wurden, ist somit die den Tatsachen am nächsten kommende Feststellung, von der hiermit auszugehen ist. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts und der Würdigung der vorgelegten Unterlagen ergibt sich somit unter freier Beweiswürdigung gem. § 167 Abs. 2 BAO, dass die angefochtenen Bescheide rechtsrichtig ergangen sind.
Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da es nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Erkenntnis folgt der im Erkenntnis zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 263 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Z 6 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993 § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102404.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at