1. Reihengeschäft: Vorsteuerabzug bei Transport durch den Letzten in der Reihe 2. Rückersatzanspruch des Leistungsempfängers, wenn der Leistende insolvent geworden ist
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2028/2019 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/5101201/2016-RS1 | Hat der Leistende zu Unrecht Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, aber nicht abgeführt, geht für den Fall, dass der Leistungsempfänger brutto gezahlt hat, der Leistende jedoch inzwischen insolvent geworden ist, der Rückersatzanspruch des Leistenden nicht auf den Leistungsempfänger über. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH, Kirchenplatz 8, 4070 Eferding, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , betreffend Umsatzsteuer für 2008 zu Recht erkannt:
Der Bescheid wird wie folgt abgeändert.
Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen: 258.178.178,85 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Leistungen: 227.763.888,79 €
227.587.332,06 € mit 20% zu versteuern ergibt eine Umsatzsteuer von 45.517.466,41 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern ohne Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb und ohne Vorsteuern betreffend die Steuerschuld gemäß § 19. Abs. 1 zweiter Satz sowie gemäß Art. 19 Abs. 1 Z 3 und Art. 25 Abs. 5: 26.921.222,71 €.
Die übrigen Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 18.614.704,02 €
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) wird für nicht zulässig erklärt.
Entscheidungsgründe
Vorbemerkung:
Nachfolgend werden die Bescheide und Eingaben (obzwar nunmehr anders lautend) so wie ursprünglich lautend bezeichnet, also als Berufung, Berufungsvorentscheidung und Berufungsentscheidung.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
1. PKW-Auslandsleasing:
Die Beschwerdeführerin (nachfolgend kurz: BF) hat im Ausland Kraftfahrzeuge mit Vorsteuerabzugsberechtigung angemietet. Das Finanzamt versteuerte im Umsatzsteuerbescheid vom deren Verwendung als Eigenverbrauch, gab jedoch der dagegen eingebrachten Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom statt und änderte dies auch nach deren Aufhebung vom in der neuen Berufungsvorentscheidung vom nicht ab.
Über diesbezüglichen Vorhalt teilte die BF mit, dass bestimmte Fahrzeuge davon vom Geschäftsführer, von einer Gesellschafterin und von Mitarbeitern auch privat genutzt wurden, und zwar zu geschätzt 10%, und gab die sich ihrer Meinung nach daraus ergebenden Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuer bekannt.
2. Aufwendungen für Werbegeschenke:
Laut Niederschrift der Prüferin vom hat die BF für diese Aufwendungen den Vorsteuerabzug geltend gemacht. Dieser stehe aber nicht zu. Das Finanzamt hat daraufhin in der neuen Berufungsvorentscheidung vom diese Vorsteuern gestrichen.
Dies hat die BF weder sachverhaltsmäßig noch in rechtlicher Hinsicht bestritten. Das Begehren im Vorlageantrag, die Umsatzsteuer wie im ursprünglichen Bescheid festzusetzen (und damit diesen Vorsteuerabzug zu gewähren), hat die BF dahingehend eingeschränkt, dass nur mehr der Vorsteuerabzug für die unter 3. dargelegten Lieferungen begehrt wird.
3. Treibstofflieferungen im Zeitraum April bis Oktober 2007:
Die X1 (nachfolgend kurz: X1) verfügte in diversen deutschen Raffinerien über Produktkontingente und hat Mineralölprodukte an die X2 (nachfolgend kurz: X2) verkauft. Nach Akontierung des jeweiligen Preises hat X2 von X1 Abholnummern und Abholausweise bekommen, die zur Abholung der Produkte berechtigen. X2 hat sich gegenüber X1 verpflichtet, für den Transport der Produkte nach Österreich zu sorgen und ist gegenüber X1 mit ihrer österreichischen UID‑Nummer aufgetreten. X2 hat die jeweiligen Abholnummern und die Abholausweise an die BF weitergeleitet, hat aber X1 nicht darüber informiert, ob (und daher auch nicht an wen) sie die Produkte weiterverkauft oder bereits weiterverkauft hat. Obwohl X1 davon ausging, dass X2 als reines Handelsunternehmen die Produkte weiterverkauft, war (daher) für X1 nicht ersichtlich, ob dies bereits geschehen ist oder nicht bzw. an wen weiterverkauft wurde. Für X1 war nur ersichtlich, dass Mineralölprodukte, die von X2 bestellt wurden, abgeholt wurden.
X2 hat diese Produkte an die BF weiterverkauft und darüber (zunächst) Rechnungen mit Ausweis der österreichischen Umsatzsteuer an die BF gelegt. Physisch wurden die Produkte von der BF oder von Dritten, die von der BF damit beauftragt wurden, abgeholt (siehe Beweiswürdigung und Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0281-12).
Auf den Umstand der erfolgten Lieferungen hat die steuerliche Vertreterin in einem Schreiben an das Finanzamt vom hingewiesen und sachverhaltsmäßig zutreffend ausgeführt, dass X2 die an die BF gelegten Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis im November 2007 dahingehend berichtigt hat, dass keine Umsatzsteuer mehr ausgewiesen ist. Diese Berichtigung sei jedoch unzulässig, weil die Lieferung von X2 an die BF die innerstaatliche (sogenannte ruhende) Lieferung sei. Die von X2 nachträglich gewünschte Bestätigung, dass die Abholung bzw. der Transport der bei X2 bestellten Produkte in Deutschland durch die BF mittels Tankwägen der BF oder durch von der BF in deren Namen beauftragte Spediteure oder Frachtführer erfolgt ist, sei von der BF nicht unterfertigt worden. Es werden daher die von der BF abgezogenen diesbezüglichen Vorsteuern nicht berichtigt.
Das Finanzamt hat am eine Anfrage in dieser Sache an den bundesweiten Fachbereich gerichtet und die Meinung vertreten, dass die Lieferung X2 an die BF die innergemeinschaftliche (sogenannte bewegte) Lieferung sei. Der Fachbereich hat dies bestätigt.
Mit Schreiben vom teilte das Bundesministerium für Finanzen dem Finanzamt mit, dass „die Inlandslieferung im gegenständlichen Fall die bewegte Lieferung darstellt, weil die Abholung durch die Kunden (z.B. die BF) nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte“.
Mit Schreiben vom an den Vorstand des Finanzamtes Linz bedankte sich die steuerliche Vertreterin für das geschenkte Gehör und die Unterstützung, die das Finanzamt der BF im Zusammenhang mit den Terminen und Gesprächen im Bundesministerium für Finanzen zukommen ließ. Ohne diese Unterstützung wäre die BF einer unvermeidlichen Insolvenz ausgesetzt gewesen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Finanzverwaltung unterstützt durch das Bundesministerium für Finanzen die Verfahren hinsichtlich der Vorsteuerkorrekturen bei den Kunden der X2, die durch die Rechnungskorrekturen der X2 ausgelöst wurden, einstellt oder einstellen wird.
Die BF hat die ihr (zunächst) von X2 in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer erklärt. Das Finanzamt hat zunächst diesen Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerbescheid vom nicht beanstandet. Dieser Bescheid wurde mit der Begründung, das PWK-Auslandsleasing sei nicht zu besteuern, bekämpft (siehe Punkt A.). In der stattgebenden Berufungsvorentscheidung vom blieb besagter Vorsteuerabzug unangetastet.
X2 hat die Umsatzsteuern weder erklärt noch abgeführt. X2 rechtfertigte dies damit, dass ihre Lieferungen an die BF in Deutschland ausgeführt worden (und dort steuerfrei) seien, weshalb diese in Österreich nicht steuerbar seien. Deshalb seien die Rechnungen an die BF dahingehend berichtigt worden, dass in diesen keine Umsatzsteuern mehr ausgewiesen sind. X2 zahlte die ihrer Ansicht nach fälschlicherweise ausgewiesene Umsatzsteuer der BF nicht zurück.
In der Folge befasste sich der Rechnungshof mit dieser Angelegenheit. Nach Ergehen eines diesbezüglichen Berichts nahm das Finanzamt eine Prüfung vor, hob im Anschluss daran den Bescheid vom gem. § 299 BAO auf und erließ am eine neue Berufungsvorentscheidung betreffend Umsatzsteuer für 2008, in der der Vorsteuerabzug aus den Lieferungen von X2 an die BF nicht anerkannt wurde. Die gegen die Aufhebung gerichtete Berufung wurde als unbegründet abgewiesen. Eine Beschwerde dagegen blieb erfolglos ( und 2013/15/0143).
Begründet hat das Finanzamt die neue Berufungsvorentscheidung u.a. damit, dass im Zuge der Außenprüfung übereinstimmend mit dem eigenen Vorbringen anhand von Fakturen, auf denen das Kfz-Kennzeichen des abholenden Tankwagens ersichtlich ist, festgestellt wurde, dass die BF den Transport der Mineralöle entweder durch eigene Tankwägen durchgeführt hat oder einen Frachtführer damit beauftragt hat. Dass die BF Abholbestätigungen nicht unterfertigt hat, sei für die Beantwortung der Frage, wer abgeholt hat, nicht entscheidend.
Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 3 Abs. 8 UStG 1994). Dieser Umsatz wird als die bewegte Lieferung bezeichnet. Da der letzte Abnehmer in der Reihe, also die BF, den Liefergegenstand abgeholt hat, sei die bewegte Lieferung deren Lieferanten, also der X2, zuzurechnen. Da somit der Leistungsort nicht in Österreich liege, stehe der Vorsteuerabzug nicht zu. Betreffend die weiteren Ausführungen des Finanzamtes wird auf die Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0281-12, verwiesen.
Die BF stellte einen als Berufung bezeichneten Vorlageantrag und führte darin u.a. aus, dass die X2 die Abholnummern und Abholausweise an die BF weitergeleitet hat. Die BF hat unter Vorlage dieser Abholnummern und Abholausweise, somit im Auftrag der X2, im deutschen Lager der Vorlieferantin (X1) für X2 die Treibstoffe mit ihren LKW’s abgeholt. X2 habe somit den Transport organisiert, indem sie die BF beauftragte, die Treibstoffe nach Österreich zu transportieren.
Alle Beteiligten seien zunächst vom Vorliegen von Reihengeschäften ausgegangen. Die Rechnungslegung mit österreichischer Umsatzsteuer von X2 an die BF habe dem damaligen, über viele Jahre geübten Branchenusus entsprochen.
Das Finanzamt habe jedoch aufgrund der Rechnungsberichtigungen durch X2 beim X2 in Millionenhöhe teilweise Umsatzsteuergutschriften verbucht, teilweise in bar ausbezahlt. X2 sei mittlerweile insolvent und habe bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens die von der BF erhaltenen Beträge in Höhe der Umsatzsteuern nicht rückvergütet. Das Bundesministerium für Finanzen habe sich in einem Schreiben an das Finanzamt der Ansicht der BF angeschlossen, dass bei ihr keine Vorsteuerberichtigungen vorzunehmen seien. Betreffend die weiteren Ausführungen der BF wird auf die Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0281-12, verwiesen.
Im Vorlagebericht führte das Finanzamt u.a. aus, dass das Vorliegen eines Auftrages von X2 an die BF, die Treibstoffe von Deutschland nach Österreich zu transportieren, erstmals in der Berufung (gemeint wohl: im Vorlageantrag) behauptet wird. Nachweise für die Behauptung wurden jedoch nicht erbracht. Nur aus der Weiterleitung der Abholnummern und der Abholausweise sei nicht abzuleiten, dass besagter Auftrag erteilt wurde. Der steuerliche Vertreter habe selbst in einem per E-Mail gesendeten Dokument mitgeteilt, dass die BF (nachdem sie die Abholnummer von X2 erhalten hat) die Treibstoffe entweder selbst abholt oder ihrerseits einen Spediteur damit beauftragt. Übereinstimmend mit diesem Vorbringen sei anhand von Fakturen, auf denen das Kfz‑Kennzeichen des abholenden Tankwagens ersichtlich ist, festgestellt worden, dass die BF den Transport entweder mittels eigener Tankwägen durchgeführt hat oder einen Frachtführer damit beauftragt hat. Ein Auftrag der X2 an die BF oder an Drittfirmen, den Transport für X2 durchzuführen, sei nicht feststellbar gewesen, wohl aber ein solcher von der BF an Drittfirmen. Hätte das in der Berufung behauptete Auftragsverhältnis bestanden, wäre überdies unverständlich, warum X2 Abholbestätigungen versendet hat.
Anders als das Bundesministerium für Finanzen konnte somit der Nachweis der Abholung durch die BF nachgewiesen werden. Weiters wiederholte das Finanzamt die Ansicht, dass der Lieferort (demnach) nicht in Österreich liege, weshalb der Vorsteuerabzug nicht zustehe.
Betreffend die weiteren Ausführungen des Finanzamtes wird auf die Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0281-L/12, verwiesen.
Die vom Referenten (nunmehr Richter) angeforderten Nachweise darüber, dass die BF von X2 beauftragt worden sei, die Transporte für X2 durchzuführen, konnte die BF nicht erbringen.
Der Unabhängige Finanzsenat hat mit Berufungsentscheidung vom , RV/0281-L/12 der Berufung in diesem Punkt Folge gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird bezüglich der Erwägungen, u.a. betreffend die Frage, wer den Transport veranlasst hat, die damit zu beantworten ist, dass dies die BF getan hat, auf die Entscheidung verwiesen.
Das Finanzamt hat dagegen eine Beschwerde an den VwGH erhoben, der mit Erkenntnis vom , 2013/15/0114 und 2013/15/0143, die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufhob und ausführte, dass die an die abholende BF erfolgte Lieferung die innergemeinschaftliche ist, weshalb der Lieferort gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 nicht in Österreich liegt und daher der Vorsteuerabzug nicht zusteht. Ein Vertrauensschutz hinsichtlich des Vorsteuerabzuges besteht nicht.
Das nunmehr den Unabhängigen Finanzsenat ersetzende Bundesfinanzgericht hat daraufhin ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Darin wurde u.a. gefragt, ob ausgehend davon, dass die BF (als X3 bezeichnet) den Transport veranlasst oder durchgeführt hat und daher bereits im Ausgangsmitgliedstaat wie ein Eigentümer über die Waren verfügen konnte, dennoch die Lieferung von X1 an X2 als die Innergemeinschaftliche (sogenannte bewegte) Lieferung ist, wenn aus der Sicht von X1 der X2 die Waren abgeholt hat. Der EuGH hat diese Frage im Urteil vom , C-628/16, Rn 38, verneint.
In Rn 44 hat der EuGH noch ausgeführt, dass der Enderwerber den Betrag der Mehrwertsteuer, den er rechtsgrundlos für Waren gezahlt hat, nicht nur aufgrund der vom Lieferanten irrtümlich übermittelten Rechnung als Vorsteuer abziehen kann.
In Rn 46 hat der EuGH ausgeführt, dass sich jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann, bei dem eine Verwaltungsbehörde aufgrund bestimmter Zusicherungen, die sie ihm gegenüber gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat.
In Rn 48 hat der EuGH noch angemerkt, dass ein Wirtschaftsteilnehmer wie der BF (X3) die Rückzahlung der rechtsgrundlos an den Wirtschaftsteilnehmer, der eine fehlerhafte Rechnung ausgestellt hat, gezahlte Steuer nach nationalem Recht verlangen kann (vgl. Urteil vom , Farkas, C-564/15, Rn 49).
In Rn 49 hat der EuGH zur zweiten Frage (betreffend den Vertrauensschutz) ausgeführt, dass wenn die zweite Lieferung die innergemeinschaftliche ist, der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass der Enderwerber (X3), der zu Unrecht einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, die von ihm nur auf der Grundlage der vom Zwischenhändler (X2), der seine Lieferung falsch eingestuft hat, übermittelten Rechnungen an den Lieferanten gezahlte Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann.
In mehrfach überarbeiteten Beschwerdeergänzungen (vom , und ) führte der die BF vertretende Rechtsanwalt aus, dass die BF dadurch einen Vertrauensschaden erlitten hat, dass sie im Mai 2008 die Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen erhalten hat, das der Vorsteuerabzug zustehe, weshalb sie nichts unternommen hat, die Umsatzsteuer von X2 rückzufordern. Hätte die BF nicht besagte, sondern eine gegenteilige Auskunft erhalten, hätte sie noch im Mai 2008 Rückforderungsansprüche gestellt, die zu diesem Zeitpunkt noch Aussicht auf Erfolg gehabt hätten, weil X2 erst im September 2010 insolvent geworden ist. Nunmehr ist aber von X2 nichts mehr zu holen.
Die Ausführungen in Rn 44 und Rn 46 des EuGH-Urteils seien so zu verstehen, dass die BF mitnichten lediglich aufgrund einer irrtümlich ausgestellten Rechnung den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat. Grundlage dafür war vielmehr die von der Verwaltungsbehörde aufgrund von Zusicherungen hervorgerufene begründete Erwartung. Dies rechtfertige also den Vorsteuerabzug.
Im Sinn einer einwandfreien juristischen Methode folge aus der Rn 48 des EuGH-Urteils dies:
In der Rechtssache Farkas wird unter Rn 40 bis 57 die erste Frage beantwortet. Die Beantwortung strukturiert der EuGH so, dass unter den Rn 40 bis 48 (also gleichsam in einem ersten Kapitel) die Frage nach dem Vorsteuerabzug behandelt wird (siehe Rn 40 bis 47) und dieser erste Fragenteil in Rn 48 beantwortet wird.
In Rn 49 ff beschäftigt sich der EuGH mit einem gesonderten Gliederungspunkt der ersten Frage (nachdem er den ersten Gliederungspunkt in Rn 48 verneint hatte). Dazu geht der EuGH so vor, dass er zunächst eine Aussage trifft (das ist exakt der Inhalt der Rn 49) und dann in weiterer Folge unter den Rn 50 bis 57 die dazu notwendige Begründung und zwar unter den von ihm angesprochenen zwei Fallkonstellationen, nämlich die Rückerstattung gegenüber dem Vertragspartner (das ist im Wesentlichen unter Rn 50 und 51 abgehandelt und beantwortet) und dann (insbesondere ab Rn 53) die Begründung dafür, was zu gelten hat, wenn die Rückerstattung gegenüber dem Vertragspartner wegen dessen Insolvenz nicht mehr möglich ist, nämlich mit dem Ergebnis, dass der Erwerber (die BF) einen Rückerstattungsanspruch gegenüber der Steuerbehörde hat.
In der Folge führte der Rechtsanwalt umfangreiche Literatur an, die seine Ansicht bestätigen würden. U.a. führte er noch aus, dass weniger der Wortlaut, sondern mehr die tragenden Gründe für eine Entscheidung zu gewichten seien. Dies verbiete, das Zitat in Rn 48 im die BF betreffenden Urteil so zu verstehen, dass lediglich die Rn 49 zitiert werden sollte.
Als Reaktion auf die Beschwerdeergänzung vom vertrat der Richter in einer E-Mail an den Rechtsanwalt folgende Meinung:
1) Vertrauensschutz:
Anmerkung:
Laut Rückfrage beim Vorstand des Finanzamtes Linz hat das Finanzamt stets die Auffassung vertreten, dass die Leistung der X2 nicht in Österreich steuerbar ist und dass daher der Vorsteuerabzug zu berichtigen ist. MR Quantschnigg (Ministerium) hat aber eine gegenteilige Ansicht vertreten und in der Folge auch eine entsprechende Weisung an das Finanzamt Linz erteilt.
Rechtlich fraglich war zwar richtigerweise nicht, ob eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen ist, sondern ob der Vorsteuerabzug für die Monate 7-9/2008 zusteht oder nicht, weil eine nur aufgrund der Rechnungslegung geschuldete Umsatzsteuer (ein solcher Fall liegt bei X2 vor) nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf. Da es aber betragsmäßig keine Unterschied macht, ob eine Vorsteuer zu berichtigen ist oder ob der Vorsteuerabzug von vornherein nicht zusteht, ist die Auskunft des Ministeriums, eine Vorsteuerberichtigung sei nicht vorzunehmen, so zu werten, als ob die Auskunft erteilt worden wäre, dass der Vorsteuerabzug zusteht.
Wie sie mir in der vergangenen Woche telefonisch mitgeteilt haben, hat die BF dadurch einen Schaden erlitten, dass er im Vertrauen auf die Richtigkeit der vom Ministerium im ersten Halbjahr 2008 erteilten Auskunft, die darin bestand, dass eine Vorsteuerkorrektur nicht vorzunehmen ist, seinen Lieferanten (X2) nicht auf Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrages verklagt hat.
Hätte die BF bereits im ersten Halbjahr 2008 vom Finanzministerium die Auskunft erhalten, dass eine Vorsteuerkorrektur stattzufinden hat (bzw. dass der Vorsteuerabzug nicht zusteht), hätte die BF sofort die damals noch nicht in Konkurs befindliche X2 auf Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrages verklagt und hätte die BF mehr als bloß die Konkursquote erhalten.
Bitte legen sie dar, wie hoch der wahrscheinliche „Vertrauensschaden“ (durch nicht sofortiges Verklagen) war und begründen und belegen sie dies.
2) Anspruch gegen die Steuerbehörde:
Im Urteil C-628/16 betreffend die BF hat der EuGH auf Rz 49 des Urteils Farkas verwiesen. Anders als bei den Rz 53 und 56 des Urteils Farkas, auf die der EuGH in dem die BF betreffenden Urteil nicht verwiesen hat, ist in Rz 49 nur allgemein von einem Rückzahlungsanspruch hinsichtlich einer rechtsgrundlos gezahlten „Steuer“ (richtig wohl: eines Betrages in Höhe der nicht abzuführenden Steuer) die Rede. Auch in Rz 50 des Urteils Farkas ist nur von der Ausübungsmodalität die Rede. So darf die Erstattung an den Leistungsempfänger nicht schwieriger sein als Umsatzsteuerberichtigungen durch den Leistenden. Daraus könnte zwar geschlossen werden, dass in Rz 49 auch von einem Rückzahlungsanspruch gegenüber den Steuerbehörden die Rede ist. Allerdings war es in den Fällen, die den Urteilen Farkas, Fatorie und Reemtsma zugrunde lagen so, dass der Leistende die Umsatzsteuer abgeführt hat, obwohl er diese nicht schuldete und daher einen Rückzahlungsanspruch gegen die Steuerbehörden hatte, der Leistende jedoch insolvent geworden ist, was für den Fall, dass der Leistende seinen Anspruch gegen die Steuerbehörden durchsetzt, dazu führen könnte, dass auch andere Gläubiger als der Leistungsempfänger auf diesen Anspruch greifen oder dass möglicherweise widersprechende Urteile der Zivil- und der Finanzgerichtsbarkeit vorliegen. Um diesen Nachteil für den Leistungsempfänger nicht eintreten zu lassen, hat der EuGH in den genannten Urteilen dem Leistungsempfänger einen Anspruch gegen die Steuerbehörden zugesprochen (siehe insbesondere Rz 35, Reemtsma).
In all diesen Fällen war es also so, dass bei Zahlungsunfähigkeit des Leistenden der Anspruch des Leistenden gegen die Steuerbehörden auf den Leistungsempfänger übergeht. Im Fall der BF hatte aber der Leistende (X2) keine Anspruch aus den gegenständlichen Geschäften gegen die Steuerbehörden, weil X2 ja die Umsatzsteuer nicht abgeführt hat. Ein derartiger Anspruch konnte daher gar nicht auf die BF übergehen. Offenbar deswegen hat der EuGH in dem die BF betreffenden Urteil nicht auf die Rz 53 und 56 des Urteils Farkas verwiesen.
Die Frage nach der Höhe des wahrscheinlichen Vertrauensschadens hat der Rechtsanwalt nicht beantwortet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. PKW-Auslandsleasing:
Wie in der Berufung zutreffend dargelegt hat eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 (ab 2004 § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994) nicht zu erfolgen (siehe auch ‑L/07).
Allerdings sind ab 2004 einige der mit Vorsteuerabzugsberechtigung geleasten Fahrzeuge auch privat verwendet worden. Die Mitteilung der BF, dass dies im Ausmaß von 10% der Fall war, ist glaubhaft.
Wie vom Referenten in SWK 19/2011, S 737, dargelegt ist aus dem Erkenntnis des , zu schließen, dass eine ab 2004 erfolgte private Verwendung von im Ausland mit Vorsteuerabzugsberechtigung geleasten Fahrzeugen eine fiktive Dienstleistung iSd § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 darstellt. Die auf die private Verwendung entfallenden Kosten (§ 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994) sind daher in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage einzubeziehen. Gegen die von der BF bekanntgegebenen Bemessungsgrundlagen bestehen keine Bedenken.
Der Bescheid war daher entsprechend abzuändern.
2. Aufwendungen für Werbegeschenke:
Die für diese Aufwendungen geltend gemachten Vorsteuern stehen unstrittig nicht zu. Der Bescheid war daher entsprechend abzuändern.
3. Treibstofflieferungen:
Der oben angeführte Sacherhalt ist bis auf die Frage, wer den Transport veranlasst hat, unstrittig und den Akten ist auch nicht zu entnehmen, dass dieser anders gelagert ist. Betreffend die angeführte Frage wird der Sachverhalt wie folgt gewürdigt:
Nach Ansicht der BF sei die Abholung der Treibstoffe von X2 organisiert worden. Dies wird damit begründet, dass die Weiterleitung der jeweiligen Abholnummern und der Abholausweise an die BF als Auftrag von X2 an die BF zu werten sei, die Treibstoffe für X2 nach Österreich zu transportieren. Dafür spreche auch, dass X2 von der BF eine Bestätigung haben wollte, dass die Abholung der Treibstoffe nicht von X2 veranlasst wurde. Die BF habe aber eine solche Bestätigung nicht erteilt.
Nach Ansicht des Finanzamtes habe hingegen die BF den Transport veranlasst. Dies wird damit begründet, dass das Vorliegen eines Auftrages von X2 an die BF, die Treibstoffe von Deutschland nach Österreich zu transportieren, erstmals in der Berufung (gemeint wohl: im Vorlageantrag) behauptet wird, Nachweise für die Behauptung jedoch nicht erbracht wurden. Nur aus der Weiterleitung der Abholnummern und der Abholausweise sei nicht abzuleiten, dass besagter Auftrag erteilt wurde. Der steuerliche Vertreter habe selbst in einem per E-Mail gesendeten Dokument mitgeteilt, dass die BF (nachdem sie die Abholnummer von X2 erhalten hat) die Treibstoffe entweder selbst abholt oder ihrerseits einen Spediteur damit beauftragt. Übereinstimmend mit diesem Vorbringen sei anhand von Fakturen, auf denen das Kfz‑Kennzeichen des abholenden Tankwagens ersichtlich ist, festgestellt worden, dass die BF den Transport entweder mittels eigener Tankwägen durchgeführt hat oder einen Frachtführer damit beauftragt hat. Ein Auftrag der X2 an die BF oder an Drittfirmen, den Transport für X2 durchzuführen, sei nicht feststellbar gewesen, wohl aber ein solcher von der BF an Drittfirmen. Hätte das in der Berufung behauptete Auftragsverhältnis bestanden, wäre überdies unverständlich, warum X2 Abholbestätigungen versendet hat.
Die Frage, wer den Transport veranlasst hat, ist daher wie folgt zu beantworten:
Wer den Transport physisch durchgeführt hat, lässt nicht darauf schließen, in wessen Auftrag der Transport durchgeführt wurde. Auch die Weiterleitung der Abholnummern und Abholausweise stellt keinen solchen Auftrag dar. Die Weigerung der BF zu bestätigen, dass die Produkte nicht von X2 abgeholt wurden, ist kein Nachweis für das Vorliegen von Transportaufträgen von X2 an die BF. Auch die übrigen vom Finanzamt ins Treffen geführten Argumente sprechen gegen das Vorliegen von Auftragsverhältnissen besagter Art. Letztlich konnte die BF für ihre Sachverhaltsdarstellung keine Nachweise erbringen. Es ist daher davon auszugehen, dass die BF den Transport veranlasst hat.
Im Erkenntnis vom , 2013/15/0114 und 2013/15/0143, hat der VwGH auch diese bereits in der angefochtenen Berufungsentscheidung vorgenommene Sachverhaltswürdigung nicht beanstandet, sondern ging sogar in materieller Hinsicht davon aus und kam daher zum Ergebnis, dass der Leistungsort der gegenständlichen Lieferungen gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 dort liegt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Dies sei Deutschland, weshalb der Vorsteuerabzug nicht zusteht.
Im § 63 VwGG ist geregelt: Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, in der betreffenden Rechtsache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Da auch der EuGH die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt hat, war der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu gewähren.
Daran ändern auch die Ausführungen in den Beschwerdeergänzungen nichts. Dies aus folgenden Gründen:
Der vom Rechtsanwalt eingewendete Vertrauensschaden mag entstanden sein. Eine diesbezügliche Berücksichtigung hat jedoch nicht im Abgabenverfahren, sondern allenfalls in einem Nachsichtsverfahren zu erfolgen.
Das Bundesfinanzgericht erachtet seine Ausführungen in der E-Mail vom nach wie vor für zutreffend, zumal der Rechtsanwalt auf diese Ausführungen nicht eingegangen ist.
Der Rechtsanwalt hat statt dessen Methoden zur Auslegung von Urteilen des EuGH’s dargelegt. Selbst wenn solche Methoden anzuwenden wären, wären die einhelligen und eindeutigen Aussagen des EuGH’s, dass nur dann der Rückersatzanspruch gegen die Steuerbehörden auf den Leistungsempfänger übergeht, wenn der Leistende die Umsatzsteuer (zu Unrecht) abgeführt hat, nicht dahingehend umzudeuten, dass es für den Rückersatzanspruch nicht auf die Abfuhr der Umsatzsteuer ankommt.
Der Beschwerde kommt daher im Punkt Vorsteuerabzug aus den Treibstofflieferungen keine Berechtigung zu.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Keiner der genannten Gründe liegt jedoch vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101201.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at