TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2019, RV/3100079/2016

Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache der Bf, vertreten durch StB über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom betreffend Sicherheitsleistung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin betrieb Handel mit Kraftfahrzeugen. Es werden Fahrzeuge, vorwiegend solche mit hoher Kilometerleistung, älterem Baujahr und Unfallschaden von Fahrzeughändlern und Privatpersonen erworben. Die angekauften Fahrzeuge werden umgehend nach Deutschland transportiert und im EU-Raum an Händler und Privatpersonen, vorwiegend im osteuropäischen Raum, weiterveräußert. Jeden Monat werden Anträge auf Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe vom gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Beendigung der Zulassung im Inland beantragt.

Das Finanzamt leitete mit Prüfungsauftrag vom eine Außenprüfung gemäß § 144 BAO im Betrieb der Beschwerdeführerin ein. Im Rahmen dieser Außenprüfung übermittelte der Prüfer der Beschwerdeführerin mit Mail vom eine Übersicht über die vorläufigen Prüfungsfeststellungen samt deren betraglichen Auswirkungen. Seitens der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin wurde der Erhalt dieser Daten mit Mail vom bestätigt. Mit Bescheid vom ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung von Abgabenansprüchen in Höhe von insgesamt EUR 144.081,68 in das Vermögen der Beschwerdeführerin an. Die gegen diesen Sicherstellungsauftrag am erhobene Beschwerde ist Gegenstand eines weiteren Beschwerdeverfahrens.

Am erließ das Finanzamt einen Bescheid über einen Prüfungsauftrag, dem zufolge die Beschwerdeführerin eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs 2 FinStrG zu dulden habe. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung folgender Abgabenansprüche in das Vermögen der Beschwerdeführerin an:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
voraussichtliche Höhe
Umsatzsteuer
2009
79.183,33
Umsatzsteuer
2010
70.642,51
Umsatzsteuer
2011
38.791,67
Umsatzsteuer
2012
22.600,00
Normverbrauchsabgabe
2009
1.810,61
Normverbrauchsabgabe
2010
6.735,60
Normverbrauchsabgabe
2011
5.105,05
Normverbrauchsabgabe
2012
8.708,08
Normverbrauchsabgabe
2013
0,00
Kapitalertragsteuer
2009
6.166,67
Kapitalertragsteuer
2010
17.933,33
Kapitalertragsteuer
2011
16.766,67
Kapitalertragsteuer
2012
25.066,67
Körperschaftsteuer
2009
3.401,51
Körperschaftsteuer
2010
8.992,14
Körperschaftsteuer
2011
5.199,97
Summe
 
317.103,81

Begründend wies das Finanzamt zunächst darauf hin, dass am bereits ein Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO über einen Betrag von EUR 144.081,68 erlassen worden war. Bei den nunmehr sichergestellten Beträgen handle es sich um ergänzende Abgabenforderungen.

Die sicherzustellenden Abgabenansprüche stünden im Zusammenhang mit dem Verdacht der Abgabenhinterziehung gemäß §§ 13, 33 iVm 38 FinStrG sowie des Abgabenbetruges nach § 39 FinstrG. Das entsprechende Verfahren werde unter der Aktenzahl 23 St 285/14h von der Staatsanwaltschaft Innsbruck geführt. Gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bestehe der Verdacht der unmittelbaren Täterschaft. In diesem Verfahren bestehe der Verdacht, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als für deren abgabenrechtlichen Belange Verantwortlicher fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen vorsätzlich und unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten eine Verkürzung der bescheidmäßig festzusetzenden Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2012 bewirkt hat bzw. zu bewirken versucht habe. Weiter bestehe der Verdacht, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unter diesen Umständen eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen für die Voranmeldungszeiträume von Jänner 2013 bis Juli 2014 bewirkt habe. Schließlich bestehe der Verdacht, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unter diesen Umständen durch betrügerische Vorgehensweise Rückerstattungen von Normverbrauchsabgabebeträgen und dadurch eine Verkürzung der Normverbrauchsabgabe bewirkt habe. Es ergäbe sich ein EUR 100.000,- übersteigender strafbestimmender Wertbetrag und bestehe der Verdacht der gewerbsmäßigen Begehung dieser Delikte sowie der Verdacht der Begehung dieser Taten unter Verwendung verfälschter Urkunden im Sinn des § 39 FinStrG. Auch bestehe der Verdacht, dass die Beschwerdeführerin als Verband gemäß § 3 Abs 2 VbVG iVm § 28a FinstrG verantwortlich sei. Einzelne konkrete Tathandlungen würden dargestellt.

Zur Ermittlung der sicherzustellenden Abgabenansprüche führte das Finanzamt unter Darstellung der betragsmäßigen Auswirkungen auf die Ermittlung der sicherzustellenden Abgaben aus, dass Einvernahmen von Verkäufern und Vermerke auf Kaufverträgen ergeben hätten, dass teilweise beim Verkauf und der Verbringung aus Österreich von nicht mehr fahrbereiten Fahrzeugen eine NoVA-Rückvergütung beantragt worden sei. Im Jahr 2009 sei ein Ferrari Maranello zu fingierten Preisen an- und wieder verkauft worden, der nur mehr Schrottwert besessen habe. Auch für dieses Fahrzeug sei eine NoVA-Rückvergütung beantragt worden.

Bei Fahrzeugankäufen von Privatpersonen habe der letzte Zulassungsbesitzer in mehreren Fällen nicht den im Kaufvertrag ausgewiesenen, sondern einen niedrigeren Verkaufspreis tatsächlich erhalten. Nach der niederschriftlichen Einvernahme von 25 Privatpersonen sei eine durchschnittliche Abweichung der tatsächlichen von den im Rechenwerk der Beschwerdeführerin angesetzten Ankaufspreise ermittelt worden, welche auf die gesamten Ankäufe von Privatpersonen im Prüfungszeitraum 2009 bis 2012 hochgerechnet würden.

Ebenfalls festgestellt sei worden, dass in mehreren Fällen beim Verkauf und der Verbringung nicht mehr fahrbereiter Fahrzeuge (dies aufgrund von Unfällen oder schweren Mängeln) NoVA-Rückvergütungen beantragt worden seien. Insoweit ein Fahrzeug nach kraftfahrrechtlichen Bestimmungen aufgrund des technischen Zustandes nicht mehr im Inland zugelassen werden kann, bestehe kein Anspruch auf Vergütung der NoVA. Hinsichtlich von Fahrzeugen mit einem Ankaufspreis bis EUR 750,- werde so wie bei Fahrzeugen, die im Kaufvertrag als Totalschaden bezeichnet wurden, davon ausgegangen, dass diese nur mehr Schrottwert besessen hätten.

Fahrzeugverkäufe an eine bulgarische Firma, die als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden seien, seien mangels vorliegenden Beförderungsnachweises umsatzsteuerpflichtig. Die bulgarische Firma sei ein Missing Trader. Verkäufe an mehrere estnische Firmen seien mangels vorliegenden Beförderungsnachweises ebenfalls umsatzsteuerpflichtig.

Hinsichtlich mehrerer Fahrzeugan- bzw. -verkäufe an bzw. von einem deutschen Fahrzeughändler und einer österreichischen Privatperson werde davon ausgegangen, dass diese Vorgänge nicht stattgefunden hätten bzw. die An- bzw. Verkaufspreise unrichtig angegeben worden seien.

Die Bemessungsgrundlage für die laufend beantragten NoVA-Rückvergütungen sei ab Juli 2011 unrichtig ermittelt worden, da vom Einkaufspreis die Umsatzsteuerkomponente ausgeschieden worden sei. Richtigerweise sei die Bemessungsgrundlage für die Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe für Kfz-Zulassungen bis zum der Einkaufspreis ohne Umsatzsteuer und NoVA-Komponente.

Ausfuhrlieferungen (Exporte) über Zollaustrittsstellen in Vorarlberg seien niemals in die Schweiz verbracht worden. Die entsprechenden Verkäufe an Endverbraucher im Gemeinschaftsgebiet seien umsatzsteuerpflichtig, Bemessungsgrundlage sei jeweils der in Rechnung gestellte Betrag.

Die Einbringung der sicherzustellenden Abgaben sei gefährdet, da die Beschwerdeführerin in Österreich über kein verwertbares Vermögen mit Ausnahme des Guthabens auf dem Abgabenkonto verfüge. Die Gebrauchtwagen, welche das Umlaufvermögen der Beschwerdeführerin darstellten, befänden sich nicht in Österreich. Der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Primärschuldnerin habe keinen Wohnsitz in Österreich, sein Lebensmittelpunkt befinde sich unzweifelhaft in Deutschland, wo er auch einen weiteren Autohandel betreibe.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdefrist für die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag vom bis zum . Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum . Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum .

Am wurde der Beschwerdeführerin Akteneinsicht unter anderem in die Dokumentation des Außenprüfers über die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes gewährt.

In ihrer Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin in Bezug auf den bekämpften Bescheid zusammengefasst vor, dass dem angefochtenen Bescheid massive Verletzungen von Verfahrensvorschriften und Grundrechtsverletzungen anhafteten. Auch bestünde der Verdacht des Missbrauchs der Amtsgewalt. Die Höhe der sicherzustellenden Abgaben basiere auf Vermutungen und sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführerin sei seit Jänner 2014 jegliche Akteneinsicht verwehrt worden. Die Ermessensübung des Finanzamtes sei nicht begründet. Die Beschwerdeführerin sei mit den einzelnen Vorwürfen nicht konfrontiert worden.

Hinsichtlich der Fahrzeugankäufe von Privatpersonen sei der Beschwerdeführerin "jede Gelegenheit vorenthalten" worden, die Behauptungen zu entkräften oder einen konkreten Sachverhalt aufzuklären. Es seien keine Personen bekannt gegeben worden, die vom Prüfer befragt worden wären, auch sei kein konkreter Geschäftsfall und kein konkretes Fahrzeug bezeichnet. Die geschätzte Aufwandskürzung von EUR 150,- pro Fahrzeug sei viel zu hoch, da dieser Betrag "bei einigen Autos mit Sicherheit dem halben Einkaufspreis oder mehr" entspräche.

Hinsichtlich der Schrottfahrzeuge sei die Rechtsmeinung, dass für "Billigfahrzeuge" keine NoVA-Rückvergütung zustehe, rechtlich nicht gedeckt. Diese Feststellung sei im übrigen geringfügig.

Betreffend die innergemeinschaftlichen Lieferungen sei der Vertrauensschutz des Art 7 Abs 4 UStG außer Acht gelassen worden. Die UID des Auftraggebers sei geprüft und Ausweiskopien der abholenden Personen vorgelegt worden. Ausfuhrnachweise lägen vor und die Fahrzeuge seien in der Genehmigungsdatenbank gesperrt worden. Die Beschwerdeführerin habe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt.

Die vorliegenden Rechnungen entsprächen den gesetzlichen Anforderungen. Die Nennung des Zahlungsempfängers sei kein Rechnungsmerkmal, weshalb "keine gewichtigen Gründe für den Ausschluss vom Vorsteuerabzug" vorlägen.

Die Berechnungen der NoVA-Rückvergütung seien nur theoretisch dargelegt, die im Sicherstellungsauftrag angeführten Werte seien nicht nachvollziehbar.

Die Einbringlichkeit von Abgaben sei nicht gefährdet oder erschwert, da aufgrund des Geschäftsfeldes der Beschwerdeführerin keine nennenswerten Verbindlichkeiten gegenüber Dritten bestünden. Sie erwirtschafte seit 2011 regelmäßig monatliche NoVA-Rückvergütungen in Höhe von EUR 10.000,- bis 20.000,- und hätte "im denkbar langwierigsten und ungünstigsten Fall ... nach Abschluss der Betriebsprüfung und gegebenenfalls eines Rechtsmittelverfahrens einige Monate auf die Guthabensauszahlung verzichten können und so ihre Schulden begleichen können".

Die Belastung von Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 95.333,34 sei gesetzwidrig, da diese zwingend dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben sei.

Mit Bericht vom wurde die Außenprüfung im Betrieb der Beschwerdeführerin abgeschlossen. Mit Niederschrift vom erklärte die Beschwerdeführerin gemäß § 255 Abs 2 BAO den Verzicht auf das Rechtsmittel der Beschwerde "gegen folgende Bescheide sowie auf Grund nachstehender Übersicht der Bemessungsgrundlagen, Abgabenerhöhungen und Abweichungen von den bisherigen Festsetzungen", und zwar hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2014, der Normverbrauchsabgabe für die Jahre 2009 bis 2014, der Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2013 und der Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2014.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Die Beschwerdeführerin beantragte am die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Schreiben vom legte die Beschwerdeführerin zwei Schreiben an den Steuerombudsdienst des Bundesministeriums für Finanzen vor. In diesen Schreiben stellt der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin verschiedene, seiner Auffassung nach rechtswidrige Verwaltungsakte des Finanzamtes bzw. das rechtswidrige Unterbleiben von solchen dar. Unter anderem wird im Schreiben vom darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein Privathaus in F ein Einfamilienhaus besitze, hinsichtlich dessen das Finanzamt eine Ranganmerkung zur Sicherung der Abgaben eintragen hätte lassen können.

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen der Parteien und den vorgelegten Verwaltungsakten.

Erwägungen

1) Ein Antrag auf Akteneinsicht in den Arbeitsbogen des Außenprüfers wurde seitens der Beschwerdeführerin im Stadium des Rechtsmittelverfahrens über die Beschwerde gegen den (ersten) Sicherstellungsauftrag vom gestellt. Nachdem das Finanzamt am einen Bescheid über einen Prüfungsauftrag gemäß § 147 BAO iVm § 99 Abs 2 FinStrG erlassen und diesen am der Beschwerdeführerin ausgefolgt hatte, geschah die mit Bescheid vom ausgesprochene Verweigerung der Einsichtnahme in den Arbeitsbogen des Außenprüfers in Anwendung des § 79 Abs 3 FinStrG und somit zu Recht, zumal diese Bestimmung lautet: "Im Untersuchungsverfahren können Aktenstücke vorläufig von der Einsichtnahme ausgenommen werden, wenn besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme die Untersuchung erschwert werden könnte." Bis zur Erlassung des verfahrensgegenständlichen (zweiten) Sicherstellungsauftrages war die Außenprüfung gemäß § 147 BAO iVm § 99 Abs 2 FinStrG noch nicht abgeschlossen, sodass das Finanzamt weiterhin Aktenstücke vorläufig von der Einsichtnahme ausschließen konnte. Am wurde der Beschwerdeführerin Akteneinsicht - unter anderem in die Dokumentation des Außenprüfers über die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes gewährt. Die Beschwerdeführerin hätte daher auch im gegenständlichen Verfahren Gelegenheit gehabt, ihr Vorbringen im Sinn ihrer durch die Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen.

2) Im Rahmen des laufenden Außenprüfungsverfahrens hat das Finanzamt bereits im Oktober 2013 die Beschwerdeführerin von jenen Prüfungsfeststellungen samt deren betraglicher Auswirkungen in Kenntnis gesetzt, welche dem (ersten) Sicherstellungsauftrag vom zugrunde gelegt wurden. Im wesentlichen handelt es sich bei den dem verfahrensgegenständlichen (zweiten) Sicherstellungsauftrag zugrunde liegenden Feststellungen um inhaltlich dieselben Feststellungen, die dem (ersten) Sicherstellungsauftrag vom zugrunde liegen. Lediglich die Höhe der sich aus den Feststellungen aufgrund weiterer Ermittlungsergebnisse ergebenden voraussichtlichen Abgabenforderungen hat sich gegenüber dem (ersten) Sicherstellungsauftrag geändert. Die Beschwerdeführerin hatte daher ausreichend Gelegenheit, sich zu den Haftungsvoraussetzungen zu äußern.

3) § 232 BAO lautet:

"§ 232. (1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:

a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren. Ein Sicherstellungsauftrag ist aber kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden ().

4) Betreffend diverse Fahrzeugankäufe von Privatpersonen sind im bekämpften Bescheid entgegen den Behauptungen in der Beschwerde 14 Geschäftsfälle mit den von der Beschwerdeführerin vergebenen Geschäftszahlen und den Namen der niederschriftlich einvernommenen Verkäufer aufgeführt, bei denen die Beschwerdeführerin einen höheren als den an die Verkäufer übergebenen Ankaufspreis angegeben hatte. Das Finanzamt hat schlüssig dargelegt, auf welcher Grundlage es die geschätzte Minderung der Einkaufspreise ermittelt hat. Aus dieser Feststellung lassen sich ein Abgabenanspruch dem Grunde nach ebenso ableiten wie Anhaltspunkte für dessen Höhe gewinnen.

5) Der in der Beschwerde erhobene Einwand gegen die Streichung der NoVA-Rückvergütung für Fahrzeuge mit einem Einkaufspreis unter EUR 750,- wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Finanzamtes hinsichtlich der Möglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Fahrzeugen. Die vollzogene Beweiswürdung des Finanzamtes hinsichtlich der "Schrottfahrzeuge" neben der Feststellung, dass 12 durch die von der Beschwerdeführerin vergebenen Geschäftszahlen identifizierte Fahrzeuge in den Kaufverträgen als Totalschaden bezeichnet waren, bietet ausreichend gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme eines Abgabenanspruches in der vom Finanzamt errechneten Höhe.

6) Auch hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin als nicht steuerpflichtig behandelten innergemeinschaftlichen Lieferungen sind die Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, die Entstehung des Abgabenanspruches dem Grunde nach in Zweifel zu ziehen. Die Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführerin bei der Lieferung an Missing Trader Vertrauensschutz genießt oder nicht, ist nicht im Rahmen des Sicherungsverfahrens zu entscheiden. 

7) Entgegen der Behauptungen in der Beschwerde verneint das Finanzamt die Berechtigung der Beschwerdeführerin zum Vorsteuerabzug nicht allein mangels Nennung des Zahlungsempfängers der Zahlungen für die Fahrzeugkäufe zu Punkten 6 bis 9 des Sicherstellungsauftrages, sondern aufgrund der Gesamtumstände dieser Transaktionen. Das Finanzamt hat schlüssig dargestellt, weshalb es die Zahlungsflüsse an sich für unglaubwürdig erachtet. Dieser Darstellung ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten. Daher ist auch in diesem Punkt für das Sicherungsverfahren von der Verwirklichung abgabenpflichtiger Tatbestände auszugehen.

8) Die in der Beschwerde gerügte Ermittlung der nach Ansicht des Finanzamtes nicht zustehenden NoVA-Rückvergütungsbeträge wurde der Beschwerdeführerin mit Mail vom zur Kenntnis gebracht. Über die materielle Richtigkeit der vom Finanzamt gewählten Berechnungsmethode ist nicht im Sicherungsverfahren zu entscheiden.

9) Insgesamt hat das Finanzamt im Sicherstellungsauftrag ausreichend dargestellt, welche Umstände darauf hindeuten, dass abgabenrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht wurden und dass Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin tatsächlich entstanden sind. Auch hat das Finanzamt die Beschwerdeführerin vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages von seinen diesbezüglichen Annahmen in Kenntnis gesetzt und das Parteiengehör gewahrt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht geeignet, die vom Finanzamt aus seinen Ermittlungsergebnissen gezogenen Schlüsse als überschießend erscheinen zu lassen. Ihre materielle Richtigkeit ist jedenfalls nicht Gegenstand des Sicherungsverfahrens.

10) Hinsichtlich der Beschwerdebehauptung, die Kapitalertragsteuer von verdeckten Gewinnausschüttungen sei einer Sicherstellung ins Vermögen der Beschwerdeführerin nicht zugänglich, da diese "zwingend dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben" sei, ist der Beschwerdeführerin dahin beizupflichten, dass § 95 Abs 4 EStG idF BGBl I Nr 105/2014 - der am geltenden Fassung - lautet: "Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt."
Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Bestimmung ausgesprochen, dass schon in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EStG 1988 (621 BlgNR 17. GP) festgehalten wurde, dass die den zum Abzug Verpflichteten auferlegte Haftung "nach Art und Umfang" jener entspricht, "die schon nach dem EStG 1972 für den Schuldner der Kapitalerträge bestand". Im Geltungsbereich des EStG 1972 war es nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass es im Auswahlermessen der Abgabenbehörde lag, ob dem Abzugsverpflichteten oder dem Steuerschuldner (Empfänger der Ausschüttung) die Kapitalertragsteuer vorgeschrieben wird. Sind die Voraussetzungen des § 95 Abs 4 EStG erfüllt, liegt es daher im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird. Dabei wird es vor allem dann zu einer Vorschreibung an den Steuerschuldner kommen, wenn der abzugspflichtigen Gesellschaft trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war, dass eine steuerpflichtige Ausschüttung vorliegt. Es stößt daher grundsätzlich auf keine Bedenken, die ausschüttenden GmbH zur Haftung für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten Ausschüttungen heranzuziehen (). In Anwendung dieser Ermessenskriterien ist keine Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Sicherstellungsauftrages hinsichtlich der Kapitalertragsteuer zu erkennen.

11) Ein angefochtener Sicherstellungsauftrag ist ohne Rücksicht auf später eingetretene Tatsachen allein darauf zu prüfen, ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die dafür erforderlichen sachlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 2012/15/0165). In Bezug auf die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung muss der Begründung der Entscheidung entnommen werden können, aus welchen besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass die Einbringung nur bei raschem Zugriff der Behörde gesichert erscheint (). Dabei hat sich das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (). Die Beschwerdeführerin ist der Feststellung des Finanzamtes, dass die Beschwerdeführerin abgesehen vom Guthaben auf ihrem Abgabenkonto keinerlei verwertbares Vermögen im Inland besaß, nicht entgegengetreten und hat auch nicht aufgezeigt, dass die Einbringung der Abgaben aufgrund anderer Umstände gesichert erschiene. Das Beschwerdevorbringen, es sei auch in Zukunft mit namhaften Abgabengutschriften zu rechnen, ist diesbezüglich wenig zielführend, zumal einige der dem Sicherstellungsauftrag zugrunde liegenden Prüfungsfeststellungen gerade die Rechtmäßigkeit und Höhe der von der Beschwerdeführerin regelmäßig beanspruchten Abgabengutschriften in Zweifel ziehen. Das Finanzamt hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei verwertbares Vermögen im Inland verfügt und laufend negative Betriebsergebnisse ausweist.

12) Das der Abgabenbehörde eingeräumte Ermessen erfordert gemäß § 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Bei der Ermessensübung sind demnach berechtigte Interessen des Abgabepflichtigen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände abzuwägen (). Aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden kann. Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmsfällen - etwa bei Geringfügigkeit des zu sichernden Betrages oder der zu erlangenden Sicherheit (siehe Ritz, Verwaltungsökonomie als Ermessenskriterium, ÖStZ 1996, 70) - ist daher von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen (). Eine unrichtige Ermessensübung des Finanzamtes kann im gegenständlichen Fall nicht erkannt werden, da der zu sichernde Betrag nicht geringfügig ist und im Abgabenguthaben der Beschwerdeführerin Deckung fand.

13) Sonstige außergewöhnliche Umstände, welche das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben in den Hintergrund treten ließen, wurden weder behauptet noch sind sie ersichtlich. Auch der Hinweis im Schreiben vom , dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein Privathaus in Österreich besitzt und dieses der Besicherung der Abgabenansprüche gegenüber der Beschwerdeführerin dienen hätte können, zeigt keine unrichtige Ermessensübung des Finanzamtes bei der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Sicherstellungsauftrages auf. Ein Sicherstellungsauftrag stellt einen Exekutionstitel im finanzbehördlichen und gerichtlichen Sicherungsverfahren dar (§ 233 Abs 1 BAO). Verfahrensgegenständlich und entscheidungswesentlich sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages an sich, nicht jedoch die Wahl jener Vermögenswerte, in die aufgrund des Sicherstellungsauftrages Exekution geführt wird.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt. Darüber hinaus war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100079.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at