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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.07.2019, RV/7105175/2018

Keine erhöhte Familienbeihilfe bei schlüssigem Sachverständigengutachten

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7105175/2018-RS1
Liegen schlüssige Sachverständigengutachten vor, kommen Bekundungen der Mutter, an welchen Krankheiten die Tochter leide, keine Bedeutung zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., W, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von erhöhter Familienbeihilfe ab Dezember 2016 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Tochter der Beschwerdeführerin (Bf.) vollendete am Datum ****1998 das 18. Lebensjahr.

Im Schuljahr 2016/2017 besuchte sie die achte Klasse des Gymnasiums.

Am erfolgte in Zusammenhang mir der Überprüfung des Anspruches der Bf. auf erhöhte Familienbeihilfe eine ärztliche Untersuchung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.

Im Gutachten vom wurde auf Grund der Anamnese "Diabetes mellitus Typ I seit 9/2005 als Ergebnis der Begutachtung ein Grad der Behinderung von 40 % festgestellt und wie folgt begründet:

"Diabetes mellitus, Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage" sowie

"Das Leiden wurde um eine Stufe geringer als im VGA eingestuft, da vollendetes 18. LJ".

Weiters wurde festgehalten, dass das Leiden voraussichtlich mehr als drei Jahre andauern werde und dass die Tochter voraussichtlich nicht dauernd außer Stande sein werde sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Unter Hinweis auf dieses Gutachten sowie § 8 Abs. 5 FLAG 1967, wonach ein Kind als erheblich behindert gelte, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 % betrage, wurde der Antrag der Bf. vom auf Gewährung von erhöhter Familienbeihilfe ab Dezember 2016 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. am fristgerecht Beschwerde und erklärte den Befund für falsch, da sie nicht verstehe, warum bei einer dauerhaften Behinderung eine Senkung des Behinderungsgrades um 10 % erfolge, nur wegen der Vollendung des 18. Lebensjahres und darüberhinaus noch andere Krankheiten vorlägen, etwa eine Allergie auf Tierhaare und Pollen, hormonelle Probleme und starke Gelenksschmerzen.

Die Tochter wurde daraufhin in Anwesenheit der Bf. am neuerlich untersucht, wobei lt. Gutachten vom auch die weiteren Beschwerden der Gutachtenerstellung zu Grunde gelegt wurden.

Als Ergebnis wurde unter Berücksichtigung eines 10 %-igen Grades der Behinderung wegen "Hyperandrogenämie" ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 % festgestellt, da ""Leiden 2" "Leiden 1" nicht erhöhe".

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde wiederum auf § 8 Abs. 5 FLAG verwiesen sowie darauf, dass im neuerlichen Sachverständigengutachten vom ein Grad der Behinderung von 40 % festgestellt worden sei.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem die Bf. folgendes vorbrachte:

" Ich beantrage die Weitergewährung der erhöhten Familienbeihilfe fur meine Tochter A

geboren am Datum ****1998, ab Dezember 2016. Das neuerliche Sachverständigengutachten hat keine Änderung hervorgebracht, trotz vorgelegter Befunde, welche beweisen, dass bei A außer Diabetes mellitus Typ 1 zusatzliche Beeinträchtigungen vorhanden sind. Zum Beispiel ein geschwächtes Immunsystem, welches zu Pilzbefall und schlechter Wundheilung führt. Sie leidet auch an einer Allergie auf Tierhaare und Pollen, welche erst im Jahr 2015 aufkam. Trotz Vollendung des 18. Lebensjahres, liegt bei A eine Hormonstörung und eine instabile Stoffwechsellage durch die generelle Hormonumstellung und durch hohen Insulinbedarf vor, was mit den häufigen Blutzuckerschwankungen zusammenhängt. Auch rheumatische Beschwerden treten 3 bis 4 Mal pro Monat schubartig auf, da Diabetes und Rheuma zusammenhängend sind. Dies alles bedarf mehr Behandlung, was wiederrum mehr Kosten fur die Familie aufwirft. Mit Erreichen des Erwachsenenalters ist bei A, keine Änderung aufgetreten und eine selbstständige Lebensführung ist nicht möglich, deswegen ersuche ich Sie höflich um positive Erledigung meiner Angelegenheit."

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wurde vom Bundesfinanzgericht ersucht, neuerlich zur Herabstufung des Grades der Behinderung von 50 % auf 40 % mit Vollendung des 18. Lebensjahre Stellung zu nehmen und erhielt folgende Stellungnahme vom , die der Bf. mit Schreiben vom , hinterlegt am mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bis , übermittelt wurde:

"Ärztliche Stellungnahme, warum die Vollendung des 18. Lebensjahres im konkreten Fall zu einer Herabstufung des Grades der Behinderung auf nunmehr 40% führte.

Zur Einstufung des GdB wird die Einschätzungsverordnung herangezogen, welche generell nach Vollendung des 18. Lebensjahres eine Änderung der Richtsatzposition bei insulinpflichtigern Diabetes mellitus, und damit eine Herabsetzung des GdB, vorsieht.

Bei der hierorts durchgeführten Begutachtung war die Antragstellerin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie nach den vorliegenden Befunden, bestand eine stabile Stoffwechsellage ohne Hinweis auf Stoffwechselentgilisungen, siehe auch Gutachten vom : Harnzucker negativ, Bz 101mg/dl.

Die darüber hinaus angeführten Beschwerden wurden separat eingestuft bzw. begründen kein anhaltendes, behinderungsrelevantes Leiden. Eine maßgebliche, relevante Auswirkung auf Leiden 1 besteht nicht.

Insgesamt, wie aber auch im konkreten vorliegenden Fall, kann nach Erreichen des 18. Lebensjahres von einer ausreichenden Krankheitsakzeptanz und Eigenkompetenz ausgegangen werden, Hinweise auf eine Einschränkung der Krankheitseinsicht bzw des Therapieerfordernisses bestand nicht, sodass eine Herabsetzung des Grades der Behinderung vertreten wird.

Eine Stellungnahme der Bf. ist bis dato nicht erfolgt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Tochter der Bf. vollendete am Datum *****2016 das 18. Lebensjahr.

Im Schuljahr 2016/2017 besuchte sie die achte Klasse des Gymnasiums.

Anlässlich des Antrages der Bf. auf Weitergewährung der erhöhten Familienbeihilfe erstellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am ein Gutachten, in dem der Grad der Behinderung mit 40 %, anstelle wie bisher 50 %, festgestellt wurde.

Im Folgegutachten vom blieb der Gesamtgrad der Behinderung trotz Feststellung eines weiteren Leidens (Leiden 2) im Ausmaß von 10 % unverändert.

Mit Schreiben vom erfolgte über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes  eine ärztliche Stellungnahme hinsichtlich der von der Bf. aufgeworfenen Frage, warum die Vollendung des 18. Lebensjahres eine Herabstufung des Grades der Behinderung von

50 % auf 40 % bei der Diagnose "Diabetes mellitus" rechtfertige, die wie in den Entscheidungsgründen wörtlich wiedergegeben, beantwortet wurde.

Dieser Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 idgF) haben

Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

b)

für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

§ 8 Abs. 4 FLAG normiert dass sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um € 138,30, ab Juli 2014 monatlich um € 150,00 erhöht. Als erheblich behindert gilt nach Abs 5 der zitierten Gesetzesstelle ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl II Nr 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG hat der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist.

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ; ). Bekundungender Eltern über den Gesundheitszustand des Kindes kommt keine Bedeutung zu.

Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen sind (z.B. mit Hinweis auf , und ; Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29).

Im gegenständlichen Fall liegen zwei Gutachten vor, nämlich jenes vom , das dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegt und jenes vom , das auf Grund der Beschwerde erstellt wurde.

Darüberhinaus liegt auch eine ergänzende ärztliche Stellungnahme zu den Gutachten vor, die der Bf. nachweislich zur Kenntnis gebracht wurde.

Das Bundesfinanzgericht sieht keinen Grund an der Schlüssigkeit der beiden Gutachten zu zweifeln, zumal auch die ergänzende Stellungnahme deutlich und nachvollziehbar ergänzend begründet, warum im konkreten Fall die Herabstufung des Grades der Behinderung gerechtfertigt war.

Bei der Begutachtung am hatte die Bf., die auch bei der Untersuchung anwesend war, Gelegenheit auf die weiteren Erkrankungen, so wie in der Beschwerde vorgebracht, hinzuweisen und wurden diese auch, soweit aus den in der Beschwerde erwähnten Erkrankungen ersichtlich, in die Anamnese aufgenommen.

Dem Bundesfinanzgericht ist es daher auf Grund der Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG rechtlich verwehrt, auf das weitere Vorbringen der Bf. im Vorlageantrag, nämlich an welchen Krankheiten ihre Tochter leide und dass diese keinen Eingang in das neuerliche Sachverständigengutachten bzw in die Feststellung des Grades der Behinderung gefunden hätten, inhaltlich einzugehen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Bindungswirkung an ein schlüssiges Sachverständigengutachten, mit dem der Grad der Behinderung festgestellt wird, ergibt sich aus der gesetzlichen Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 und wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits ausführlich erörtert, sodass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof auszuschließen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
erhöhte Familienbeihilfe
schlüssiges Gutachten
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105175.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at