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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.06.2019, RV/7100664/2019

Geschäftsführerhaftung, kein Gleichbehandlungsnachweis, Betrauung des Steuerberaters mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung für Abgaben der G-1 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 40.246,63 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Umsatzsteuer
2010
3.909,93
Umsatzsteuer
04-06/2011
26.995,14
Umsatzsteuer
2011
168,80
Körperschaftsteuer
2009
97,76
Körperschaftsteuer
07-09/2011
437,00
Körperschaftsteuer
2011
2.004,00
Körperschaftsteuer
07-09/2012
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2012
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2013
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2013
2.441,00
Körperschaftsteuer
07-09/2013
1.439,00
Körperschaftsteuer
10-12/2013
1.441,00

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, hafte für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht hätten entrichtet werden können.

Der Bf. sei vom D-1 bis D-2 Geschäftsführer der Gesellschaft, also einer juristischer Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für Umsatzsteuer sei festzuhalten:

Die Umsatzsteuer sei nicht oder unzureichend gemeldet und entrichtet worden. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (, 0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten:

Gemäß § 78 Abs. 1 habe EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Es wäre die Pflicht des Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Er hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. ).

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für andere Abgaben sei festzuhalten:

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass er die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) wie den Abgabepflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er dazutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. ; ; ).

Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

*****

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass ihm der Haftungsbescheid (RSa-Brief) nicht persönlich zugestellt worden sei. Er habe am von diesem Bescheid Kenntnis erlangt.

Weiters habe er keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, da eine Steuerberatungskanzlei aufgrund seines Auslandsaufenthaltes beauftragt gewesen sei, sämtliche durch die Abgabenvorschriften vorgesehenen Handlungen zu setzen, die ein Steuerpflichtiger vorzunehmen berechtigt und verpflichtet sei, weshalb ihm kein Vorwurf einer Pflichtverletzung angelastet werden könne und ein Haftungsbescheid nicht gerechtfertigt sei.

Er verweise auf die beiliegende Vollmacht sowie auf die direkte Kommunikation zwischen dem Finanzamt und der Steuerberatungskanzlei.

Weiters sei die Höhe der aufgelisteten Forderungen nicht richtig. Eine Umsatzsteuerforderung 04-06/2011 sei zB in dieser Höhe unzutreffend, da die diese Umsatzsteuer auslösende Rechnung storniert worden sei. Die Steuerberatung habe dies direkt mit dem Finanzamt abgeklärt.

Alle anderen Forderungen könnten von ihm nicht nachvollzogen werden. Sämtliche Einreichungen bzw. Zahlungsangelegenheiten seien von der bevollmächtigten steuerlichen Vertretung in seiner Abwesenheit abgewickelt worden.

Außerdem verweise er auf die (Einhebungs-)Verjährung.

*****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass die Pflichtübertragung als gesetzlicher Vertreter (§§ 9, 80 BAO) könne nicht an den steuerlichen Vertreter erfolgen. Der Bf. sei vom D-1 bis D-2 Geschäftsführer der GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen. Der Tatbestand einer Verjährung sei nicht gegeben, da seitens der Abgabenbehörde laufend Maßnahmen gesetzt worden seien.

*****

Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens.

*****

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf. zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises und um Bekanntgabe, ob er die Steuerberatungskanzlei auch mit der Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft betraut und welche Überwachungsmaßnahmen er zur Einhaltung seiner Zahlungsverpflichtungen ergriffen habe.

*****

Mit Schreiben vom wies der Bf. darauf hin, dass mit der G-2 die Übermittlung der benötigten Unterlagen und Beantwortungen des Vorhaltes vereinbart worden sei, er jedoch bis dato keine Reaktion erhalten habe. Ihm sei es aufgrund der fehlenden Unterlagen nicht möglich, einen Liquiditätsnachweis zu erbringen.

Herr P-1 sei beauftragt gewesen, die erforderlichen Bilanzen zu erstellen sowie die Berichtigung für die Umsatzsteuerforderung 04-06/2011 in Höhe von € 27.000,00 wegen Stornierung der Rechnung und auch die nachfolgende Körperschaftsteuer durchzuführen. Sämtlicher Schriftverkehr zwischen dem Finanzamt und Herrn P-1 sei direkt erfolgt. Zur Vertretung sei der Kanzlei eine entsprechende Vollmacht erteilt worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Die Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen (Ritz, BAO6, § 238 Tz 1).

Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stellt ebenfalls eine Einhebungsmaßnahme dar. Sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner, der G-1, noch nicht eingetreten ist (vgl. zB ).

Da die haftungsgegenständlichen Abgaben im Zeitraum zwischen dem und dem fällig wurden, wäre die Einhebungsverjährung (ohne Unterbrechungshandlungen) gemäß § 238 Abs. 1 BAO mit Ablauf der Jahre 2016, 2017 und 2018 verjährt.

Allerdings wurden aktenkundig folgende Unterbrechungshandlungen gesetzt, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist gemäß § 238 Abs. 2 BAO jeweils neu in Gang setzten:


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Unterbrechungshandlung
Datum
verlängerte
Verjährungsfrist
Vollstreckungsversuch am Betriebsort
Vollstreckungsversuch am Betriebsort
negative Melde-, Sozialversicherungs-, Firmenbuch-, Grundbuchs- und KFZ-Abfragen betreffend Bf. als potenziell Haftungspflichtigem
erfolglose Anmeldung bei Zwangsversteigerung, die durch die X Sparkasse Bank AG betrieben wurde
neuerliche negative Melde- und Sozialversicherungsabfragen
neuerliche negative Melde-, Sozialversicherungs-, Firmenbuch- und Grundbuchsabfragen



positive Melde- und Sozialversicherungsabfragen
Haftungsbescheid

Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO entgegen der Rechtsansicht des Bf. nicht eingetreten ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind:

- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)

1. Stellung des Geschäftsführers als Vertreter

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Unbestritten ist, dass der Bf. laut den Firmenbucheintragungen im Zeitraum vom D-1 bis D-2 (amtswegige Löschung) Geschäftsführer der G-1 und daher gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG zu deren Vertretung berufen war

2. Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft

Auf dem Abgabenkonto der genannten Gesellschaft haften die bescheidmäßig festgesetzten haftungsgegenständlichen Abgaben nach wie vor unberichtigt aus.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Dem Vorbringen des Bf., dass die Umsatzsteuerforderung 04-06/2011 in dieser Höhe nicht richtig sei, da die zugrunde liegende Rechnung storniert worden sei, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (). Einreden betreffend Abgabenfestsetzung sind nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren vorzutragen ().

Informativ wird dazu festgestellt, dass die selbst gemeldete Umsatzsteuervoranmeldung 04-06/2011 (verbucht am ) sowohl durch die am durchgeführte Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 01-06/2011 („keine Feststellungen“) als auch durch die erklärungsgemäß am veranlagte Umsatzsteuer 2011 bestätigt wurde.

Auch lässt sich aus dem Vorbringen des Bf., dass auch alle anderen Forderungen von ihm nicht nachvollzogen werden könnten, nichts gewinnen, weil diese mit folgenden, jeweils an die Steuerberatungskanzlei gerichteten, Bescheiden, gegen die keinerlei Rechtsmittel ergriffen wurden, festgesetzt wurden:


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Abgabe
Zeitraum
Nachforderung
(VZ/Jahr)
Bescheid vom
Umsatzsteuer
2010
4.295,72
Umsatzsteuer
2011
168,80
Körperschaftsteuer
2009
273,00
Körperschaftsteuer
2011
2.004,00
Körperschaftsteuervorauszahlungen
07-09/2011
bis
01-03/2013
1.750,00
Körperschaftsteuervorauszahlungen
04-06/2013
bis
10-12/2013
5.758,99

3. Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die Gesellschaft am D-2 im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

4. abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters

Dem Bf. oblag als Geschäftsführer der Gesellschaft die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Da die im Zeitraum vom und dem fälligen haftungsgegenständlichen Abgaben daher vom Bf. als damaligem Geschäftsführer der GmbH zu entrichten gewesen wären, stellt deren Nichtentrichtung somit eine Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall bringt der Bf. jedoch keine triftigen Gründe vor, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass ihm keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden oder dass sämtliche Gläubiger gleich behandelt worden wären.

Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat der Bf. jedoch nicht aufgestellt.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

5. Verschulden des Bf. an der Pflichtverletzung

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB ). Nur der Vertreter wird nämlich idR jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (zB ).

Der Bf. brachte dazu vor, dass er keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen habe, da die Steuerberatungskanzlei aufgrund seines Auslandsaufenthaltes beauftragt gewesen sei, sämtliche durch die Abgabenvorschriften vorgesehenen Handlungen zu setzen, die ein Steuerpflichtiger vorzunehmen berechtigt und verpflichtet sei, und verwies auf die beiliegende Vollmacht.

Aus der vorgelegten Vollmacht, wonach diese auch für alle Kassenangelegenheiten gelte, die mit der Finanzbehörde abzuwickeln seien, wie Umbuchungs- und Rückzahlungsanträge sowie die Übernahme von Geld und Geldeswert, lässt sich nichts gewinnen, weil daraus nicht hervorgeht, dass die bevollmächtigte Steuerberatungskanzlei auch mit der Entrichtung der fälligen Abgaben betraut worden wäre.

Auch in der Vorhaltsbeantwortung vom verwies der Bf. lediglich auf die der Steuerberatungskanzlei erteilte Vollmacht, ohne auf die Frage des Bundesfinanzgerichtes hinsichtlich einer Betrauung der Vertretung mit abgabenrechtlichen Zahlungsverpflichtungen einzugehen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schließt der bloße Umstand, einen Steuerberater mit den steuerlichen Agenden der Gesellschaft betraut zu haben, ein Verschulden des Geschäftsführers der Gesellschaft an der Uneinbringlichkeit der Abgaben der Gesellschaft nicht aus ().

6. Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

7. Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung zwar besondere Bedeutung beizumessen, jedoch war diese nicht auf die Untätigkeit der Behörde (siehe Unterbrechungshandlungen), sondern auf den Umstand zurückzuführen, dass der Bf. als einzige Einbringungsmöglichkeit in der Zeit vom D-3 bis D-4 (mit Ausnahme von 3 Tagen im Mai 2017) nicht in Österreich gemeldet war.

Vom Bf. wurden somit keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

8. Conclusio

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der G-1 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100664.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at