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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.06.2019, RV/7101715/2017

Anspruch auf Familienbeihilfe der in Österreich beschäftigten Kindesmutter, wenn die Kinder mit ihr in Ungarn im gemeinsamen Haushalt leben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache VJ, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom , betreffend "Abweisung des Antrages auf Ausgleichszahlung für die Kinder JVA, geb. xxx, und JN, geb. xxxx, ab Jänner 2014" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) VJ wohnt in Ungarn und ist in Österreich als Reinigungskraft tätig.

Am stellte die Bf. den Antrag auf Differenzzahlung für den Zeitraum bis für ihre beiden Kinder, JVA, geb. xxx, und JN, geb. xxxx, die in Ungarn mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebten und legte die Schulbestätigungen, den Arbeitsnachweis und die Aufstellung der in Ungarn erhaltenen Familienleistungen vor.

Auf Grund eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes brachte die Bf. Auszüge betreffend ihre Beiträge bei der österr. Sozialversicherung, Unfallversicherung, Pensionsversicherung, Krankenversicherung und Selbständigenvorsorge für das Jahr 2014 nach. Die Beiträge wurden mittels Einziehungsaufträge bezahlt. Weiters legte die Bf. die Kundenliste, die monatliche Aufstellung der Einnahmen und die Kontostandsentwicklung 2014 der Raiffeisenbank vor.
Als Adresse ihrer Betriebsstätte gab die Bf. A. 99, Stadt bekannt.

Das Finanzamt wies den Antrag  mit Abweisungsbescheid vom ab. Begründend führte das Finanzamt aus, dass Voraussetzung sei, dass die Einkünfte in Österreich steuerpflichtig seien und dass man daher von einer Tätigkeit eines österreichischen Unternehmers ausgehen könne, wenn in Österreich eine inländische Betriebsstätte gegeben sei.
Gem. § 29 (1) BAO ist eine Betriebsstätte im Sinne der Abgabenvorschriften
jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes
oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient.
(2) Als Betriebsstätte gilt insbesondere die Stätte, an der sich die
Geschäftsleitung befindet.
Als österreichische Betriebsstätte habe die Bf. Stadt, A. 99 angegeben.
Nach genauer mehrmaliger Überprüfung sei jedoch festgestellt worden, dass die Bf. an dieser Adresse über keine inländische Betriebsstätte verfüge.
Ein Anspruch auf Differenzzahlung sei daher mangels selbständiger Tätigkeit in
Österreich zu verneinen. Die Abweisung gelte für die Jahre 2014 und 2015.

Gegen den Abweisungsbescheid brachte die Bf. Beschwerde ein und führte aus, dass
sie eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern sei und selbstständig arbeite und sie selbst die einzige Mitarbeiterin ihres Betriebes in Österreich sei.
Ihre österreichische Betriebsstätte befinde sich in Betrieb:HAUSSERViCE Inh. VJ.
Da sie die einzige Mitarbeiterin sei, sei sie natürlich ständig unterwegs bei ihren Kunden
um ihre Kundenaufträge zu erledigen und ihre Arbeit dort zu verrichten.
Deshalb könne sie auch nicht ständig an ihrem österreichischen Betriebsstandort anwesend sein. Ihre Kunden erreichten sie alle auf Ihrem Mobiltelefon.
Von der Überprüfung ihrer Betriebsstätte am habe sie Frau S., die Hauseigentümerin, in Kenntnis gesetzt.
Die Bf. legte eine Bestätigung eines Kunden betreffend ihre Reinigungstätigkeit und die Rechnung Nr. 42/2014 über € 60,- vor.

Im Zuge von Erhebungen des Finanzamtes betreffend den Wohnsitz und die Betriebsstätte der Bf. an der von dieser angegebenen Adresse A., wurde festgestellt, dass nie jemand an der Adresse angetroffen worden sei.
Als Indiz, für das Nichtvorliegen der Betriebsstätte wurde gewertet, dass die Vermieterin, obwohl an der Liegenschaft schon seit die Bf. gemietet sei, keine Einkünfte aus Vermietung angemeldet habe.

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte begründend aus:
"Die Adresse, an der Sie Ihre Betriebsstätte angegeben haben, Betrieb wurde mehrmals (10 Mal) von unserer Behörde aufgesucht. Die Versuche Erhebungen
durchzuführen wurden zu verschiedenen Tageszeiten angesetzt. Sie wurden zu keinem
Zeitpunkt angetroffen. Die Erfordernisse einer Betriebsstätte konnten nicht überprüft werden, es wird auch keine weitere Überprüfung erfolgen.
Laut Ihren nachgereichten Unterlagen (Kundenliste) stehen Sie regelmäßig in einem
Dienstverhältnis, selbst wenn Ihnen hinsichtlich der Arbeitszeit eine gewisse Freizügigkeit
eingeräumt ist ().
Indizien für ein Dienstverhältnis sind eine regelmäßige Tätigkeit, die Beistellung der
Arbeitsmittel durch den Auftraggeber und keine Vertretung
durch eine andere Person (vgl. ; ).
Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes, wonach - wie im gegenständlichen Fall - einfache Hilfsarbeiten
(die im unmittelbaren zeitlichen Arbeitsablauf erbracht werden müssen) kein
selbständiges Werk darstellen können ( ZI. 95/09/0154, und vom , ZI. 95/09/0190) und dass bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann ( ZI. 2003/08/0274).
Ihre Auftraggeber werden aufgefordert, Sie in Zukunft bei der Gebietskrankenkasse als
geringfügige Beschäftigte anzumelden oder Sie mit Dienstleistungsscheck zu bezahlen. Bei einer weiteren Antragstellung auf Familienbeihilfe wird dies überprüft werden.
Der Zeitraum 2014 ist abgesprochen und wird - wie bereits im Erstantrag entschieden -
abgewiesen!"

Die Bf. brachte am 20. Sept. 2016 einen Vorlageantrag ein und führt Folgendes aus:

"Der Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart ohne GZ vom , handschriftlich auf ausgebessert, verletzt mich in meinem subjektiven Recht. Diese Rechtsverletzung ergibt sich im Detail aus folgenden Überlegungen:
Ich verfüge über die gesetzliche gewerberechtliche Bewilligung, eingetragen im Gewerberegister der Bezirkshautmannschaft XX, GZ.: X. Meine Betriebsstätte iSd § 29 Abs 1 BAO in Österreich befindet sich in Betrieb Die Tatsache, dass ich bei mehreren Überprüfungen an dieser Adresse von Mitarbeitern der Finanzpolizei nicht angetroffen wurde, ist damit begründbar, dass die tatsächliche Leistung meiner selbständigen Tätigkeit nicht an dieser Betriebsstätte erfolgt.
In sinngemäßer Anwendung des Erkenntnisses des VwGH 2004/14/0012, sind die Anforderungen an den Umfang betrieblicher Handlungen, die zur Begründung einer Betriebsstätte erforderlich sind, umso geringer, je mehr sich die eigentliche gewerbliche Tätigkeit außerhalb einer festen örtlichen Anlage vollzieht. Das Bestehen meiner Betriebsstätte ist für jedermann ersichtlich und die telefonische Erreichbarkeit ist gegeben.
Die belange Behörde hat im bisherigen Verfahren die Ansicht vertreten, dass ich in einem regelmäßigen Dienstverhältnis stehe und stützt diese Rechtsansicht auf das Erkenntnis des VwGH 83/14/0102 vom . Diese Entscheidung des VwGH ist in casu nicht anwendbar, da es sich um eine Aufräumefrau gehandelt hat, welche als Reinigungskraft in einem Betrieb (Hotel) organisatorisch eingegliedert war, eine laufende Kontrolle der Reinigungsarbeiten durch einen Hotelmitarbeiter erfolgte und daher eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Unternehmer (Hotelbetreiber) gegeben war. All diese Umstände wiesen das Gesamtbild eines Dienstverhältnisses auf. In meinem Fall ist kein vergleichbarer Umstand gegeben, wonach Indizien für ein Dienstverhältnis vorliegen.
Die belangte Behörde hat im bisherigen Verfahren die Ansicht vertreten, dass einfache Hilfsarbeiten kein selbständiges Werk darstellen können und in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann und stützt diese Rechtsansicht auf das Erkenntnis des VwGH, GZ. 2003/08/0274 vom . Diese Entscheidung des VwGH ist in casu ebenfalls nicht zutreffend, da die Parteien in diesem Verfahren Verkäufer und kaufmännische Angestellte waren, die nach Ansicht des Höchstgerichtes tatsächlich in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wurden. Bei sämtlichen Parteien kam es zu einer Integration der Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigten; diese verfügten kaum über eine Gestaltungsmöglichkeit und waren nicht in der Lage unternehmerische Chancen wahrzunehmen. Ich bin weder an Ordnungsvorschriften am jeweiligen Arbeitsort gebunden noch besteht eine Bindung an die Arbeitszeit oder arbeitsbezogenes Verhalten und niemand übt eine Weisungs- und Kontrollbefugnis mir gegenüber aus. Bei der sich aus § 47 Abs 2 EStG 1988 ergebenden Prüfung der Frage nach der Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit sind wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Dienstgebers.
Im Erkenntnis des VwGH, GZ. 2000/13/0182 vom wird angeführt, dass für das Vorliegen einer nichtselbständigen Tätigkeit die Tatsache von Bedeutung ist, wer bei verursachten Schäden die Haftung übernimmt. Wenn, wie in der zitierten Entscheidung ausführlich dargelegt, jeder wahrgenommene Schaden unverzüglich der Geschäftsleitung zu melden war, und damit die grundsätzliche Haftung für Schäden eindeutig nicht beim Verursacher lag, dann ist von einer nichtselbständigen Tätigkeit auszugehen. Mein unternehmerisches Risiko liegt u.a. auch darin, dass ich selbst als Unternehmerin für die von mir verursachten Schäden haftbar bin. Diese Tatsache kann durch Kunden bestätigt werden.
In einer Gesamtbetrachtung sind die Kriterien der Selbständigkeit zu bejahen. Die Begründungen der belangten Behörde gehen ins Leere und sind in keinem Fall auf meine unternehmerische selbständige Tätigkeit auch nur annähernd anzuwenden."

Die Bf. stellte den Antrag eine mündliche Verhandlung abzuhalten und die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung legte die Bf. ihre "Rechnungshefte" mit den Rechnungen betreffend ihre Reinigungstätigkeit im Jahr 2014 vor.

Weiters legte die Bf. die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 vor, deren persönliche Eingabe vom Finanzamt (Stempel vom ) bestätigt worden war. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden in Höhe von € 8.109,54 erklärt.

In der gegenständlichen Verhandlung wurde über den Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung, eingereicht beim Finanzamt am , betreffend die beantragte Differenzzahlung für den Zeitraum bis für die beiden Kinder verhandelt.

Die Bf. führte abschließend aus, dass die Entscheidung an ihre Betriebsstätte in Unterschlaining zugestellt werden möge.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Ausgehend vom Inhalt des Verwaltungsaktes und den Vorbringen in der mündlichen Verhandlung wird der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) VJ wohnt in Ungarn und ist in Österreich als selbständige Reinigungskraft tätig.

Am stellte sie den Antrag auf Differenzzahlung für den Zeitraum  bis für ihre beiden Kinder, JVA, geb. xxx und JN, geb. xxxx. Die beiden Kinder wohnten im Streitzeitraum mit der Bf. in Ungarn im gemeinsamen Haushalt.

Die Bf. legte Auszüge betreffend ihre Beiträge bei der österr. Sozialversicherung, Unfallversicherung, Pensionsversicherung, Krankenversicherung und Selbständigenvorsorge für das Jahr 2014 vor.
Die Beiträge wurden mittels Einziehungsaufträge bezahlt.
Die Bf. gab ihre Kundenliste und ihre Betriebsstätte in A. 99, Stadt bekannt.

Weiters legte die Bf. im Zuge des Verfahrens eine Liste der vereinnahmten Beträge für das Jahr 2014, die "Kontostandsentwicklung 2014", aus der die Überweisungen und die Eingänge ersichtlich sind, das "Rechnungsheft für das 2014" betreffend ihre Reinigungstätigkeit und die gewerberechtliche Bewilligung, eingetragen im Gewerberegister der Bezirkshautmannschaft XX, GZ.: X, vor.

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob der Bf. auf Grund ihrer Tätigkeit in Österreich die von beantragten Differenzzahlungen für ihre beiden Kinder für den Zeitraum 1/2014 bis 12/2014 zustehen.

Der Sachverhalt war rechtlich wie folgt zu begründen:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe , die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für ihre minderjährigen Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat eine Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört.

§ 53 Abs. 1 FLAG 1967: Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Nationales Recht in Verbindung mit Unionsrecht:

Nach dem Unionsrecht unterliegen Personen, für die die VO 883/2004 gilt, immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates (Art. 11 Abs. 1 VO), wobei bei nachrangiger Zuständigkeit der andere Mitgliedstaat zu einer Differenzzahlung verpflichtet sein kann (Art. 68 VO). In der Regel sind dies gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, anzuwenden (vgl. Czaszar  in Czaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 53 Rz 60).

Der EuGH hat zur VO 1408/71 ausgesprochen, dass die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Selbständiger“ in Art. 1 Buchstabe a  VO 1408/71 definiert sind und jede Person bezeichnen, die im Rahmen eines der in Art. 1 Buchstabe a VO 1408/71 aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist, auch wenn sie nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Artikel 1 Buchstabe a VO 1408/71 dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeits- oder Selbständigenverhältnisses (, Dodl und Oberhollenzer).

Ziel dieser Verordnung ist es, die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen (zu denen zweifellos auch die Gewährung einer Ausgleichszahlung gehört) zu regeln, wenn ein Arbeitnehmer in einem Mitgliedstaat beschäftigt ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnt. Wie der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-543/03 Dodl, Oberhollenzer ausgesprochen hat, ist Ziel der Verordnung, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern und bei möglichen Ansprüchen auf Familienleistungen in zwei beteiligten Staaten ihnen das höchste Anspruchsniveau zu garantieren. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Personen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, deshalb nicht schlechter gestellt werden dürfen, als wenn sie von diesem Recht nicht Gebrauch gemacht hätten.

Die Bf. wohnt mit ihren Kindern in Ungarn im gemeinsamen Haushalt.
Sie übt als Reinigungskraft in Österreich eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne der VO 883/2004 aus.
Sie war im Beschwerdezeitraum (und ist) bei der österreichischen Sozialversicherung der gewerblichen Versicherung pflichtversichert.

Das Unionsrecht gewährleistet, dass den Familienangehörigen eines den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegenden Erwerbstätigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, die in den anwendbaren Rechtsvorschriften des Staates der Erwerbstätigkeit vorgesehenen Familienleistungen gewährt werden (vgl. und C-312/94, Hoever und Zachow). Aus unionsrechtlicher Sicht ist daher sicherzustellen, dass die Familienbeihilfe jedenfalls auch dann gewährt wird, wenn die Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen (vgl. ).

Das Unionsrecht selbst vermittelt keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im besonderen, dass die nach dem nationalen Recht, hilfsweise nach dem Unionsrecht zu ermittelnden Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 1408/71 oder der VO 883/2004 fällt, also im wesentlichen einer Person, die (nur oder auch) in einem anderen Mitgliedstaat einer Erwerbstätigkeit nachgeht als in jenem, in dem ihre Familie wohnt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll.

Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach nationalem Recht zu beurteilen (; ;  FG , RV/7101889/2016; ).
Nach Art. I, Buchstabe i, Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bezeichnet der  Ausdruck "Familienangehöriger" "jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltszugehöriger bezeichnet wird."

 Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört.
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft Voraussetzung für die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes, wobei es unmaßgeblich ist, wer die Mittel für die Führung des Haushaltes zur Verfügung stellt. Wohl kommt es darauf an, dass über diese Mittel im Rahmen einer einheitlichen Wirtschaftsführung verfügt wird. Die Bedürfnisse des Kindes müssen daher in dieser einheitlichen Wirtschaftsführung entsprechend Berücksichtigung finden.

Die Bf. wohnt in Ungarn. Die Kinder der Bf. gehörten im Antragszeitraum jedenfalls unstrittig ihrem Haushalt in Ungarn an.
Die Bf. bezog für das Jahr 2014 Familienleistungen in Ungarn.
Die Bf. war im Jahr 2014 in Österreich selbständig erwerbstätig.

Der vorstehenden angeführten Rechtsprechung folgend kommt das BFG daher zu dem Schluss, dass im gegenständlichen Fall der Bf. die Differenzzahlungen für ihre beiden Kinder für den Zeitraum bis zustehen. 

Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzlich Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientiert sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 1 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101715.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at