Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.07.2019, RV/7102437/2016

Aufhebung wegen bereits entschiedener Sache

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde des Bf., vertreten durch Stb, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2014 gem. § 299 BAO und betreffend Einkommensteuer 2014 vom , zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird Folge gegeben.
    Die angefochtenen Bescheide über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2014 gem. § 299 BAO und betreffend Einkommensteuer 2014 vom werden aufgehoben.
     

  • Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, zum einen das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes gem. § 299 BAO und zum anderen, ob nach einer Aufhebung gem. § 299 BAO im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2014 bei den sonstigen Bezügen des Beschwerdeführers (Bf.) ein Betrag i.H.v. 9.513 € gem. § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 steuerfrei zu behandeln ist.
 

Der Bf. brachte am seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 elektronisch ein und wurde am erklärungsgemäß veranlagt.

In der Beschwerde vom gegen den Erstbescheid vom führt der Beschwerdeführer (Bf.) aus, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, und zwar bei den sonstigen Bezügen, ein Betrag i.H.v. 9.513 € gem. § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 steuerfrei zu belassen sei.

Der Bf. sei bis Dezember 2014 bei der A angestellt gewesen.

Am sei das Dienstverhältnis durch die A mit Wirkung gekündigt worden.

Nach Ansicht des Bf. sei jedoch diese Kündigung sozialrechtswidrig gewesen. Er erreichte noch im September 2014 einen außergerichtlichen Vergleich, bei dem eine Vergleichssumme i.H.v. 160.000 € vereinbart und im Dezember 2014 abgerechnet worden sei.

Von der Vergleichssumme wäre daher ein Fünftel der 9-fachen Höchstbemessungsgrundlage gem. § 108 ASVG, somit 9.513 €, steuerfrei zu belassen.

Daraufhin wurde der Jahreslohnzettel 2014 vom zuständigen Betriebsfinanzamt korrigiert, indem „mit festen Sätzen versteuerte Bezüge“ (KZ 243) i.H.v. 8.154 € festgesetzt wurden.

Im Zuge der Beschwerdevorentscheidung vom wurden die „steuerpflichtigen Bezüge“ (KZ 245) nun mit 228.128,24 € (= 236.282,24 – 8.154), statt bisher mit 236.282,24 €, festgesetzt.

Mit Bescheid vom wurde der Bescheid vom (= Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2014) gem. § 299 BAO aufgehoben.

Gleichzeitig mit diesem Aufhebungsbescheid wurde – anstatt einer neuen Beschwerdevorentscheidung - über die Beschwerde vom ein Bescheid betreffend Einkommensteuer 2014 erlassen, in dem die steuerpflichtigen Bezüge (KZ 245) – wie im ursprünglichen Bescheid vom – i.H.v. 236.282,24 € festgesetzt wurden, da die „Vergleichszahlung“ keine Zahlung gewesen sei, die als Gegenleistung für die Zurücknahme einer „bereits gerichtsanhängigen Kündigungsanfechtungsklage“ geleistet worden sei.

Der Bf. brachte gegen den Aufhebungsbescheid gem. § 299 BAO und den Einkommensteuerbescheid jeweils vom Beschwerde ein und begehrte erneut die Berücksichtigung von steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (KZ 245) i.H.v. 228.128,24 €.

Nach Ansicht des Bf. sei die Annahme des Finanzamtes, dass die Anwendung von § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 bei Vergleichszahlungen eine zuvor erfolgte Gerichtsanhängigkeit voraussetze, weder im Gesetz noch in den Richtlinien geregelt und würde auch eine grobe Ungleichbehandlung gegenüber jenen Parteien darstellen, die sich um eine „formlose außergerichtliche“ Einigung bemühen würden.

Das Finanzamt wies die Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, da der Bf. die Versteuerung einer „freiwilligen Abfertigung“ gem. § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 beantragt habe und der Vergleichszahlung keine bereits gerichtsanhängige Kündigungsanfechtungsklage zu Grunde gelegen sei.

Der Bf. stellte daraufhin am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht, ohne weitere Ergänzungen zum bisherigen Beschwerdevorbringen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde über die angefochtenen Bescheide
a) betreffend Aufhebung gem. § 299 BAO (ESt 2014) und

b) betreffend Einkommensteuer 2014

mit Vorlagebericht am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom nahm der Bf. seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 299 BAO lautet:

(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;

b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann somit die Abgabenbehörde von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen darzustellen (Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 299, Tz. 40).

Der Bescheid, mit dem der Einkommensteuerbescheid 2014 aufgehoben wurde, wurde aber lediglich mit dem wiedergegebenen Gesetzestext begründet.

Ungeachtet dessen, dass gem. § 299 Abs. 2 BAO mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid (hier Einkommensteuerbescheid 2014 vom ) zu verbinden ist, liegen ebenso wie nach § 307 Abs. 1 BAO (hinsichtlich Wiederaufnahme- und Sachbescheid) rechtlich zwei Bescheide vor, die jeder für sich einer Beschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 299 Tz 45).

Die Bestimmung folgt dem Vorbild des für die Wiederaufnahme des Verfahrens geltenden § 307 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 299 Tz 44).

Damit führt gleichermaßen die in § 299 Abs. 2 BAO angeordnete Verbindung von Aufhebungs- und Sachbescheid nicht dazu, dass nur ein Bescheid mit einer einheitlichen Begründung vorliegt bzw. nach Belieben die Begründung des Sachbescheides als Begründung für den Wiederaufnahmebescheid herangezogen werden kann oder umgekehrt.

Daraus folgt, dass an die Begründung für einen Aufhebungsbescheid (Verfahrensbescheid) gemäß § 299 Abs. 1 BAO dieselben strengen Anforderungen zu stellen sind wie für die Begründung des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides.

Dies kann auch daraus erschlossen werden, dass das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen eine Aufhebung gemäß § 299 BAO und umgekehrt nicht ausschließt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 299 Tz 41).

Allerdings sind für die Aufhebung gemäß § 299 BAO die zeitlichen Grenzen des § 302 BAO zu beachten.

Die Prüfung der Zulässigkeit zur Aufhebung durch das Bundesfinanzgericht beschränkt sich daher auch für Aufhebungsbescheide darauf, ob das Finanzamt den Bescheid aus den von ihm angeführten Gründen gemäß § 299 BAO aufheben durfte.

Im Rechtsmittelverfahren darf kein anderer Aufhebungsgrund herangezogen werden.

Bei amtswegiger Aufhebung ist daher die Bezeichnung der für die Aufhebung maßgebende Rechtswidrigkeit in der Begründung unverzichtbar (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 299 Tz 43a).

Das Finanzamt hätte daher bereits im Aufhebungsbescheid (Verfahrensbescheid) zu begründen gehabt, worin seines Erachtens die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides (Unrichtigkeit des Bescheidspruches im Sinne einer mangelnden Übereinstimmung mit dem Gesetz) besteht.

Da sich aber die Ausführungen des Finanzamtes in der Begründung zum Aufhebungsbescheid in der Wiedergabe eines Gesetzeswortlautes erschöpfen, fehlt jegliche Begründung für die Aufhebung (vgl. zur fehlenden Begründung eines Aufhebungsbescheides auch GZ RV/0663-I/06; GZ RV/0557-I/06, GZ RV/0557-I/06, RV/005-I/05).

Durch Zitierung eines Gesetzeswortlautes werden lediglich Tatbestandsmerkmale angeführt, deren Verwirklichung Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer zitierten Gesetzesbestimmung ist.

Ein Sachverhalt wird durch das Zitieren eines Gesetzeswortlautes aber nicht festgestellt.

Im gegenständlichen Fall liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes darüber hinaus auch keine Unrichtigkeit eines Bescheidspruches vor, da davon ausgegangen wird, dass der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom richtig gewesen ist, da auch, wie § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 selbst ausführt, ein außergerichtlicher Vergleich ausreichend ist, um die Steuerbegünstigung für sonstige Bezüge zu erhalten.

Letztlich wird festgehalten, dass auch der Sachbescheid vom nicht hätte ergehen dürfen, sondern eine (neue) Beschwerdevorentscheidung hätte erlassen werden müssen.

Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides vom durch das Bundesfinanzgericht tritt das Verfahren somit in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat (§ 299 Abs. 3 BAO), sodass der Einkommensteuersteuerbescheid 2014 vom wieder auflebt, während jener vom ex lege aus dem Rechtsbestand ausscheidet

(vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 299 Tz 60 f).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen eines Aufhebungsbescheides gem. § 299 BAO ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Aufhebung
§ 299 BAO
entschiedene Sache
Beschwerdevorentscheidung
Begründung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102437.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at