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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.07.2019, RV/5101009/2012

Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Einzelrichter in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Braunau Ried Schärding vom , betreffend Verspätungszuschlag Einkommensteuer 2010 zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Am brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (im Folgenden: Parteienvertreter) über das FinanzOnline Portal einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einreichung der Einkommensteuererklärung 2010 sowie der Umsatzsteuererklärung 2010 des Beschwerdeführers bis zum ein. Als Begründung wurde angeführt: „Durch Bandscheibenoperation meiner Gattin (Mitarbeiterin) bin ich mit der Erstellung der Steuererklärungen in Rückstand geraten.“

Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom unter Setzung einer Nachfrist bis abgewiesen.

Ein neuerlich vom Parteienvertreter am eingebrachter Antrag auf Verlängerung der Frist bis zum (Begründung: „Durch die Erkrankung meiner Mitarbeiterin und EDV-Probleme bin ich mit der Erstellung der Steuererklärungen in Rückstand geraten“) wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom ohne Setzung einer Nachfrist zurückgewiesen.

Mit am verbuchtem Zahlungseingang auf dem Steuerkonto des Beschwerdeführers wurde auf die Einkommensteuer 2010 eine Abschlagszahlung iHv 83.000,- Euro geleistet.

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde die Einkommensteuer 2010 von der belangten Behörde festgesetzt mit 90.205,00 Euro. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärung im Schätzungsweg ermittelt wurden.

Mit Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom wurde von der belangten Behörde ein Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 mit 10% von 90.205,00 Euro, somit mit 9.020,50 Euro festgesetzt.

Aufgrund einer vom Parteienvertreter eingebrachten Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurde die Einkommensteuer 2010 von der belangten Behörde mit Berufungsvorentscheidung vom mit 67.103,91 Euro neu festgesetzt.

Mit Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom , zugestellt am , wurde von der belangten Behörde der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 gemäß § 295 Abs 3 BAO mit 10% von 67.103,91 Euro, somit mit 6.710,39 Euro festgesetzt (Änderung zu Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom ).

Gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom erhob der Parteienvertreter im Namen des Beschwerdeführers mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Berufung und beantragte die Aussetzung der Einhebung. Darin erklärte der Parteienvertreter, dass der Bescheid „hinsichtlich der Höhe des Verspätungszuschlages bzw der festgesetzten Prozente“ angefochten werde. Begründend führte der Parteienvertreter wie folgt aus: „Die Verspätung entstand durch die Bandscheibenoperation meiner Gattin, welche ca. 3 Monate erkrankt war. Sie war auch nach der Genesung nicht voll einsetzbar. Meine Mitarbeiter waren auf spezifische Tätigkeiten spezialisiert. Zusätzlich hatte ich Personalprobleme, weil es derzeit schwierig ist, eine dementsprechende Fachkraft zu finden. Ich hoffe, Sie haben im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung Verständnis dafür.“ Abschließend führte der Parteienvertreter aus, dass er beantrage, den Verspätungszuschlag mit Null festzusetzen, da dem Finanzamt durch die rechtzeitige überhöhte Entrichtung der Einkommensteuer für 2010 kein Schaden entstanden sei.

Mit Bescheid vom , zugestellt am , wies die belangte Behörde die am eingebrachte Berufung ab und führte dabei begründend wie folgt aus:

Begründet wird die verspätete Abgabe der Steuererklärung mit einer Krankheit der Gattin, mit Personalproblemen und fehlenden Arbeitskräften. Gern. § 135 BAO kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzter Abgabe auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist. Seit 2004 wurden die Steuererklärung mehrmals außerhalb der gesetzlichen Frist abgegeben. Wiederholt erfolgte die Abgabe der Erklärungen erst nach Festsetzung einer Zwangsstrafe. Eine Verspätung ist dann nicht entschuldbar, wenn der Abgabepflichtige seine nach den persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat.
Nach der Rechtsprechung gilt als nicht entschuldbar
o Arbeitsüberlastung
o Personalmangel
o Wiederholt nicht oder wiederholt nicht fristgemäß abgegebene Steuererklärungen.

Mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , beantragte der Parteienvertreter, die Berufung gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom der Abgabenbehörde II. Instanz vorzulegen. Weiters beantrage er die „Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat“ sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Ergänzend zu der bereits in der Berufung angeführten Begründung wurde im Vorlageantrag wie folgt ausgeführt:

Bei der angeführten Rechtssprechung wurde nicht berücksichtigt, dass es Sich um eine kleine Kanzlei mit umgerechnet ca. 4 Mitarbeitern handelt, welche spezialisiert waren und dass am Arbeitsmarkt keinerlei Fachkräfte vorhanden waren. Es wurden zwar neue Mitarbeiter eingestellt, welche aber nach kurzer Zeit wieder selbst kündigten, sei es, weil Sie zu weit entfernt vom Arbeitsplatz wohnten oder sonstige Probleme hatten. Dass sich Mitarbeitermangel bei einer großen Kanzlei oder großen Behörde besser bewältigen lässt, kann ich mir vorstellen. Wenn man trotz intensiver Suche niemand findet und dass das kein Entschuldigungsgrund ist, ist für mich nicht verständlich. Z. B. einen arbeitslosen Bilanzbuchhalter aus dem Bereich Schärding konnte selbst das AMS nicht dazu bewegen sich überhaupt vorzustellen. (Name kann bekannt gegeben werden, Rückfragen beim AMS möglich.) Wenn man dann bedenkt, das ein Verspätungszuschlag trotz obiger Gründe und der vorzeitig überhöht einbezahlten Einkommensteuervorauszahlung nicht entschuldbar ist und diese Entscheidung mit den Frühpensionierungen oder sonstigen Dienstfreistellungen mit oder ohne Golden Handshake bei Post, Telekom und sonstigen staatlichen Institutionen vergleicht, dann versteht man das Rechtssystem nicht mehr. Diese Institutionen sind es auch, welche Gebühren (z. B. Telefongebühr) von jedem armen Staatbürger nehmen und an die Politik(er) verteilen. Und diese machen dann wieder die Gesetze.
Daher beantrage ich, den Verspätungszuschlag mit Null festzusetzen, weil kein Personal gefunden wurde und durch die rechtzeitige überhöhte Entrichtung der Einkommensteuer für 2010 dem Finanzamt kein Schaden entstanden ist.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom erfolgte in Folge einer Nachschau eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010 von Amts wegen. Mit Einkommensteuerbescheid 2010 vom , der in weiterer Folge rechtskräftig wurde, wurde die Einkommensteuer 2010 mit 68.382,70 neu festgesetzt.

Mit Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom wurde von der belangten Behörde der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 gemäß § 295 Abs 3 BAO mit 10% von 68.382,70 Euro, somit mit 6.838,27 Euro festgesetzt (Änderung zu Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom ).

Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht per Fax eingelangt am (Übermittlung vorab per eMail am ), zog der Parteienvertreter die im Vorlageantrag beantragte Entscheidung durch den Senat sowie die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück. „Zur Überprüfung des Verschuldens“ gab der Parteienvertreter im Rahmen dieses Schreibens unter Verweis auf seinen WT-Code an, dass (ein) „Fristverlängerungsansuchen noch offen“ sei(en). Darüber hinaus führte er Folgendes an: „Meine Gattin hat das Aufgabengebiet Kontrolle Buchhaltung und Bilanzierung. Mein Aufgabengebiet: Beratung, Kontrolle Lohnverrechnung und Bilanzierung. Bestätigung der OÖ.GKK Krankheit meiner Frau vom 23.05. bis Suche eines Bilanzbuchhalters ab 2009 bis laufend, Bestätigung vom AMS Auch einige Zeitungsinserate ab ca. 09/2011 und 2012 waren nicht erfolgreich. Es waren ca. 4 Arbeitskräfte auf Vollzeit umgerechnet beschäftigt.

Dem Schreiben waren folgende Beweismittel beigelegt:

  • Krankenstandsbescheinigung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom , derzufolge die Gattin des Parteienvertreters ab bis wegen Krankheit arbeitsunfähig war.

  • Bestätigung des AMS vom , „dass seit 2009 laufend durch Schaltung von Inseraten auf der AMS-Homepage versucht wird für Ihre Kanzlei eine Bilanzbuchhalterin zu finden.

Das oa Schreiben sowie die diesem Schreiben beigelegten Beweismittel wurden der belangten Behörde am zur Kenntnis gebracht.

Mit Vorhalt vom wurde der Parteienvertreter aufgefordert binnen zwei Wochen zu der Frage Stellung zu nehmen, worauf sich das Vorbringen im Schreiben vom , dass ein „Fristverlängerungsansuchen noch offen“ sei, stützt. In diesem Zusammenhang wurden dem Parteienvertreter Kopien folgender Bescheide übermittelt:

  • Bescheid der belangten Behörde vom betreffend die Abweisung des Ansuchens um Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2010 sowie der Umsatzsteuererklärung 2010;

  • Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend die Zurückweisung des Ansuchens um Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2010 sowie der Umsatzsteuererklärung 2010.

Am nahm der Parteienvertreter telefonisch mit dem Bundesfinanzgericht Kontakt auf  und ersuchte das Bundesfinanzgericht Bezug nehmend auf den oa Vorhalt um Prüfung, ob es sich im Beschwerdefall um einen vertretenen Quotenfall gehandelt habe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Dementsprechend stellt das Bundesfinanzgericht auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Am brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (im Folgenden: Parteienvertreter) über das FinanzOnline Portal einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einreichung der Einkommensteuererklärung 2010 sowie der Umsatzsteuererklärung 2010 des Beschwerdeführers ein. Es handelte sich um keinen sog. Quotenfall.

Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom unter Setzung einer Nachfrist bis abgewiesen. Ein am neuerlich vom Parteienvertreter eingebrachter Fristverlängerungsantrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom ohne Setzung einer Nachfrist zurückgewiesen.

Mit am verbuchtem Zahlungseingang auf dem Steuerkonto des Beschwerdeführers wurde auf die Einkommensteuer 2010 eine Abschlagszahlung iHv 83.000,- Euro geleistet.

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde die Einkommensteuer 2010 von der belangten Behörde auf der Grundöage eines Schätzungsverfahrens festgesetzt mit 90.205,00 Euro.

Mit Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom wurde von der belangten Behörde ein Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 mit 10% von 90.205,00 Euro, somit mit 9.020,50 Euro festgesetzt.

Aufgrund einer vom Parteienvertreter eingebrachten Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurde die Einkommensteuer 2010 von der belangten Behörde mit Berufungsvorentscheidung vom mit 67.103,91 Euro neu festgesetzt. Die Berufung ist bei der belangten Behörde den Daten des Steueraktes für 2010 zufolge am eingelangt.

Mit Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom , zugestellt am , wurde von der belangten Behörde der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 gemäß § 295 Abs 3 BAO mit 10% von 67.103,91 Euro, somit mit 6.710,39 Euro festgesetzt (Änderung zu Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom ). Gegen diesen Bescheid wurde (fristgerecht) das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom erfolgte in Folge einer Nachschau eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010 von Amts wegen. Mit Einkommensteuerbescheid 2010 vom , der in weiterer Folge rechtskräftig wurde, wurde die Einkommensteuer 2010 mit 68.382,70 neu festgesetzt.

Mit Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom wurde von der belangten Behörde der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 gemäß § 295 Abs 3 BAO mit 10% von 68.382,70 Euro, somit mit 6.838,27 Euro festgesetzt (Änderung zu Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom ).

Die in der Kanzlei des Parteienvertreters beschäftigte Ehegattin des Parteienvertreters war ab bis wegen Krankheit arbeitsunfähig. Seit dem Jahr 2009 sind Bemühungen erkennbar, einen zusätzlichen Mitarbeiter in der Kanzlei des Parteienvertreters zu beschäftigen.

Den Daten des Steueraktes für 2009 ist zu entnehmen, dass bereits die Einkommensteuererklärung 2009 verspätet eingereicht und ein Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2009 rechtskräftig festgesetzt worden war (Verspätungszuschlagsbescheid 2009 vom ).

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen des Parteienvertreters.

Die Feststellung, dass im Beschwerdefall kein sog. „Quotenfall“ vorlag, stützt sich einerseits darauf, dass eine Teilnahme an der sog. „Quotenregelung“ für den Veranlagungszeitraum 2010 laut Abgabeninformationssystem nicht angemerkt ist und darauf, dass bereits die Abgabenerklärung für das Jahr 2009 verspätet eingereicht worden war. Bei verspäteter Einreichung für ein Jahr fällt dieser Fall nach der Verwaltungspraxis für das nächste Veranlagungsjahr nicht in die Quotenregelung und ist daher innerhalb der gesetzlichen Fristen einzureichen. Zudem ist aus dem vom Parteienvertreter am letzten Tag der gesetzlichen Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung gestellten Fristverlängerungsansuchen zu schließen, dass die Abgabenerklärung des Beschwerdeführers auch vom Parteienvertreter nicht als „Quotenfall“ behandelt wurde.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Vorliegen eines Fristversäumnisses und verfahrensrechtliche Ausgangslage

§ 134 BAO idF BGBl I Nr 2009/20 lautet:

(1) Die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Umsatzsteuer sowie für die Feststellung der Einkünfte (§ 188) sind bis zum Ende des Monates April jeden Folgejahres einzureichen. Diese Abgabenerklärungen sind bis Ende des Monates Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt. Diese Fristen können vom Bundesminister für Finanzen allgemein erstreckt werden.

(2) Die Abgabenbehörde kann im Einzelfall auf begründeten Antrag die in Abgabenvorschriften bestimmte Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung verlängern. Wird einem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung nicht stattgegeben, so ist für die Einreichung der Abgabenerklärung eine Nachfrist von mindestens einer Woche zu setzen.“

Dass die Einkommensteuererklärung 2010 im Beschwerdefall nicht rechtzeitig im Sinne des § 134 BAO eingereicht wurde, ist unstrittig.

§ 253 BAO idgF (ehemals § 274 Satz 1 BAO idF BGBl I Nr 2002/97) lautet: „Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.

An die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tretende Bescheide in diesem Sinne sind unter anderem nachträglich (gem § 295 BAO) geänderte Bescheide (vgl zB Ritz, BAO6 § 253 Rz 2), sodass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens d er von der belangten Behörde erlassene Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom ist, mit dem der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 gemäß § 295 Abs 3 BAO mit 10% von 68.382,70 Euro, somit mit 6.838,27 Euro festgesetzt wurde (Änderung zu Verspätungszuschlagsbescheid 2010 vom ).

3.2. Vorliegen der Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages

§ 135 BAO idF BGBl I Nr 2003/71 lautet:

Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages setzt gemäß § 135 BAO neben dem objektiven Kriterium der nicht (fristgerecht) erfolgten Einreichung einer Abgabenerklärung (siehe dazu oben unter Punkt 3.1.) voraus, dass die Verspätung nicht entschuldbar ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist eine Verspätung entschuldbar im Sinne des § 135 BAO, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, dh, wenn er die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist hier auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen. Dem Verschulden des Abgabepflichtigen an der verspäteten Einreichung der Abgabenerklärung ist das Verschulden seines Vertreters gleichzuhalten (vgl zB ).

Auch das Verschulden eines berufsmäßigen Parteienvertreters ist demnach dem Vertretenen zuzurechnen; der Verspätungszuschlag ist jedoch dem Vertretenen gegenüber festzusetzen (vgl Stoll, BAO-Kommentar 1531; Ritz, BAO6 § 135 Rz 11 und die dort angeführten Nachweise der Rsp des VwGH).

Nach der herrschenden Ansicht gehört es zur Sorgfaltspflicht eines berufsmäßigen Parteienvertreters, organisatorisch dafür vorzusorgen, dass die Abgabenerklärungen rechtzeitig erstellt und eingereicht werden können. Übliche Verhinderungen oder Personalausfälle, die erfahrungsgemäß mit der Art und der Größe des Beratungsunternehmens verbunden sind, führen dieser Ansicht nach nicht zu einer Entschuldbarkeit von Säumnissen in der Erfüllung der dem Parteienvertreter überantworteten Erklärungspflichten, da für derartige Fälle ausreichend Vorsorge zu treffen sei (vgl Stoll, BAO-Kommentar 1530 f mwN; , ÖStZB 1980, 301; , ÖStZB 1980, 301).

Organisationsmängel führen vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht zu einer Entschuldbarkeit iSd § 135 BAO. Allenfalls könnten Fristversäumnisse eines berufsmäßigen Parteienvertreters infolge unvorhergesehener, unabwendbarer Ereignisse, denen durch übliche und zumutbare organisatorische Maßnahmen nicht entgegengewirkt werden kann, als entschuldbar iSd § 135 BAO beurteilt werden (vgl Stoll, BAO-Kommentar 1531). Wenn der Parteienvertreter im Beschwerdefall vorbringt, dass er sich bereits seit Jahren ohne Erfolg um die Einstellung eines zusätzlichen Mitarbeiters bemühe, so ist dem zu entgegnen, dass der von ihm ins Treffen geführte Personalengpass bereits deshalb nicht als unabwendbar im vorstehenden Sinne qualifiziert werden kann, da insoweit nicht auf die subjektiven Verhältnisse des konkreten Parteienvertreters abzustellen ist, sondern auf einen durchschnittlichen Ablauf der Ereignisse (vgl dazu sinngemäß ; Stoll, BAO-Kommentar 2982 f).

Zum Vorliegen personeller Engpässe hat das BFG zudem bereits im Erkenntnis vom , RV/7104782/2016, die Ansicht vertreten, dass diese keine Entschuldbarkeit von Fristversäumnissen des berufsmäßigen Parteienvertreters begründen. Wenn die personellen (und technischen) Kapazitäten eines berufsmäßigen Parteienvertreters regelmäßig die rechtzeitige Erstellung von Steuererklärungen nicht zulassen, habe der Parteienvertreter diesem Erkenntnis zufolge „entweder die personellen und technischen Ressourcen hierfür bereitzustellen oder die Zahl seiner Klienten den vorhandenen personellen und technischen Ressourcen anzupassen “ (vgl zur Nichtanerkennung einer Arbeitsüberlastung der Kanzlei als Entschuldigungsgrund auch ).

Vor diesem Hintergrund ist (auch) im gegenständlichen Fall vom Vorliegen eines Organisationsmangels auszugehen, der es ausschließt, das Firstversäumnis in Zusammenhang mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 als entschuldbar zu beurteilen.

3.3. Ermessensausübung bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages

Bei Zutreffen der in § 135 BAO für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages genannten Voraussetzungen (nicht oder verspätet eingereichte Abgabenerklärung und Nichtentschuldbarkeit der Verspätung) kann im Rahmen des Ermessens ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, steht der Abgabenbehörde sowohl bei der Frage der Zuschlagsfestsetzung dem Grunde nach als auch bei der Festlegung des Ausmaßes des Verspätungszuschlages Ermessen zu (vgl zB ; Ritz, BAO6 § 135 Rz 4 mwN).

Wird ein Verspätungszuschlagsbescheid gemäß § 295 Abs 3 BAO geändert, weil die Abgabenhöhe des die Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag bildenden Bescheides geändert wurde, ist das Ermessen neuerlich auszuüben (; Stoll, BAO-Kommentar 1541).

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 BAOin den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.“

Bei der Handhabung des Ermessens ist der Sinn der das Ermessen einräumenden Rechtsvorschrift zu beachten (vgl Stoll, BAO-Kommentar 204 f mwN).

Nach der Rsp des VwGH ist der Gesetzeszweck des Verspätungszuschlages darin zu erblicken, dass der Abgabepflichtige zur Erfüllung der ihn gesetzlich obliegenden Pflichten zur rechtzeitigen Einreichung von Abgabenerklärungen angehalten werden soll (). Zudem soll der Verspätungszuschlag nach der Rsp des VfGH „offenbar auch den mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand abdecken“ ().

Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde im beschwerdegegenständlichen Fall – insbesondere angesichts der wiederholten Säumigkeit bei der Einreichung der Einkommensteuererklärung – dem Grunde nach zu Recht einen Verspätungszuschlag festgesetzt. Dass dem Grunde nach ein Verspätungszuschlag festzusetzen war, ist im Übrigen unstrittig; bestritten wird lediglich die Höhe des Verspätungszuschlages.

Als Kriterien für die Ermessensübung zur Festlegung der Höhe des Verspätungszuschlages von maximal 10 Prozent der festgesetzten Abgabe sind nach der Rsp des VwGH vor allem das Ausmaß der Fristüberschreitung, die Höhe des durch die verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils, das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen ().

Im Beschwerdefall erfolgte die Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2010 nicht innerhalb der von der belangten Behörde festgesetzten Nachfrist (); vielmehr wurden die Besteuerungsgrundlagen erst im Rahmen einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid vom , dem eine von der belangten Behörde vorgenommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt wurde, offengelegt. Die Berufung ist bei der belangten Behörde am eingelangt; die von der belangten Behörde gesetzte Nachfrist wurde demnach jedenfalls um 5 Monate überschritten. Der am vom Parteienvertreter eingebrachte neuerliche Fristverlängerungsantrag kann in diesem Zusammenhang nicht mildernd berücksichtigt werden. So sind Anträge auf Fristverlängerung iSd § 134 Abs 2 erster Satz BAO nach der stRsp des VwGH begrifflich nur innerhalb offener Frist möglich (zB , 91/13/0116; , 99/14/0341; , 2006/15/0308), sodass die belangte Behörde diesbezüglich zu Recht einen Zurückweisungsbescheid erlassen hat (Anm: Auch die nicht erfolgte Setzung einer Nachfrist war Rechtens; vgl Ritz, BAO6 § 134 Rz 5 mwN). Zudem wurde letztlich auch das im Fristverlängerungsantrag beantragte Fristende () bei weitem überschritten.

Betreffend das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen ist darauf zu verweisen, dass bereits betreffend das Veranlagungsjahr 2009 ein Verspätungszuschlag verhängt wurde. Die Säumigkeit bei der Einreichung der Einkommensteuererklärung ist somit bereits wiederholt aufgetreten.

Keinen Milderungsgrund stellt der vom Parteienvertreter vorgebrachte Personalengpass dar (siehe dazu die unter Punkt 3.2. erfolgten Ausführungen).

Mildernd ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer aus der nicht fristgerechten Einreichung der Einkommensteuererklärung 2010 infolge der im Oktober 2011 auf die Einkommensteuer 2010 geleistete Abschlagszahlung iHv 83.000,- Euro kein finanzieller Vorteil erwachsen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Festsetzung des Verspätungszuschlages im gesetzlichen Höchstmaß nicht als gerechtfertigt (vgl zB auch zur Festsetzung eines Verspätungszuschlages iHv 5% bei zum wiederholten Male verspätet eingereichter Abgabenerklärung, aus der sich eine Gutschrift ergibt).

Der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2010 wird daher mit 5% von 68.382,70 Euro, somit mit 3.419,14 Euro festgesetzt.

4. Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt insbesondere dem Erkenntnis des , weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 134 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101009.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at