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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2019, RV/7101213/2019

Familienheimfahrten, geringfügige Einkünfte von Ehefrau rechtfertigen nicht die Beibehaltung vom Familienwohnsitz

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***, ***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für den Beschwerdeführer für das Jahr 2017 mit -1.111,- Euro fest. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass Familienheimfahrten nur dann als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen würden. Dies sei dann der Fall, wenn dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann, z.B. wenn die Gattin am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte aus einer aktiven Erwerbstätigkeit von mehr als 6.000,- Euro jährlich erziele. Würden die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen, so könnten Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als vorübergehend sei bei einem verheirateten Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren anzusehen. Da diese Voraussetzungen nicht zutreffen würden, hätten die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde. Er fahre jede Woche (einfache Strecke 350 km) nach Polen zu seinem gemeinsamen Familienwohnsitz. Seine Frau habe keine Möglichkeit (Sorgepflicht für zwei Kinder) ihn zu besuchen, da ein Kind schulpflichtig sei, das andere im Kindergarten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Beziehe der Ehepartner keine steuerlich relevanten Einkünfte im Heimatland, sei nach einer Übergangszeit von zwei Jahren eine Wohnsitzverlegung zumutbar. Es sei Sache des Beschwerdeführers der belangten Behörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansehe. Da keine stichhaltigen Gründe vorgebracht worden seien, sei die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Polen privat veranlasst und die entstandenen Kosten würden keine Werbungskosten darstellen.

Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde (Vorlageantrag) ein. Er beantrage die Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,- Euro. Er fahre jede Woche mit dem Auto nach Polen zu unserem gemeinsamen Familienwohnsitz. Seine Frau sei bei ihm mitversichert. Seine Gattin habe keine Möglichkeit ihn in Österreich zu besuchen, da sie Sorgepflichten für die zwei gemeinsamen Kinder habe.

Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer vom Bundesfinanzgericht aufgefordert eine ausführliche Begründung vorzulegen, warum eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar war und eine Aufstellung der geltend gemachten Kosten iHv 3.672,- Euro für die Familienheimfahrten samt Belegen zu übermitteln.

Mit Schreiben vom führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Gattin in Polen Einkünfte beziehe, die einen wesentlichen Beitrag zu seinem Familieneinkommen betragen würden. Er habe zwei gemeinsame Kinder, für die es nicht ratsam wäre, sie aus der gewohnten Umgebung herauszunehmen (Schulfreunde, Verwandte). Seine Gattin habe daher nicht die Möglichkeit den Familienwohnsitz nach Österreich zu verlegen, da sie der Erziehungspflicht der Kinder nachkommen müsse. Die Kosten für die Familienheimfahrten würden der Sicherung und Erhaltung seiner Einkünfte in Österreich dienen. Als Beilage übermittelte er mehrere polnische Dokumente, die auf den Namen seiner Gattin ausgestellt waren, sowie Kopien von fünf Tankstellenrechnungen und eine Rechnung vom für eine PKW-Vignette für zwei Monate.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer hat seinen Familienwohnsitz in Polen. Er hat zwei minderjährige Kinder. Die Ehefrau des Beschwerdeführers erzielte im Jahr 2017 in Polen Einkünfte iHv 5.034,15 PLN (entspricht weniger als 1.200,- Euro). Der Beschwerdeführer erzielte in Österreich im Jahr 2017 Einkünfte iHv 23.874,92 Euro. Die Kosten für eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung wurden bereits in den Jahren 2010 und 2011 berücksichtigt.

2. Beweiswürdigung

Diese Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt und wurden vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Der Beschwerdeführer gab zusätzlich an wöchentlich zu seinem Familienwohnsitz zu fahren. Er legte eine als Fahrtenbuch bezeichnete Liste vor, in der wöchentliche Fahrten von Wien an seinen polnischen Familienwohnsitz mit jeweils 406km angeführt waren. Der angegebene Kilometerstand des Autos betrug lt. Liste Anfang 2017 174.851km und erhöhte sich bis Jahresende ausschließlich durch die vorgeblich durchgeführten Familienheimfahrten um jeweils 406km. Außerdem übermittelte er lediglich fünf Tankrechnungen, die sich zudem nicht vollständig mit den angegebenen Daten der Familienheimfahrten decken. Eine weitere Rechnung betrifft den Erwerb einer 2-Monats-Vignette im August 2017. Weitere Belege oder Angaben um welches Fahrzeug es sich handelte mit dem die Familienheimfahrten durchgeführt worden sein sollten bzw. eine Aufstellung, wie sich die vorgebrachten Gesamtkosten von 3.672,- Euro zusammensetzen, wurden nicht übermittelt.

Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein PKW - so wie es das vorgelegte Fahrtenbuch anhand des Kilometerstandes, der sich nur durch die Familienheimfahrten veränderte, nahelegt - ausschließlich für Zwecke der Familienheimfahrten verwendet wird. Auch die übermittelten Tankstellenrechnungen widersprechen dem vorgebrachten Sachverhalt, da die Rechnungsanschriften (St. Pölten, Wels, Kemmelbach) nicht auf der Route vom Arbeitsort zum Familienwohnsitz liegen.

Der Beschwerdeführer konnte daher nicht glaubhaft darlegen, ob und in welchem Umfang Familienheimfahrten im Jahr 2017 durchgeführt wurden bzw. welche Kosten ihm daraus erwachsen sein sollten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften u.a. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 sind nicht abzugsfähig die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen Berufstätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG angeführten Betrag übersteigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Eine berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (siehe etwa , , 2000/13/0083, 2001/13/0216, , 2003/13/0154, und , 97/13/0111, mit den dort angeführten weiteren Nachweisen).

Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe-)Partners haben (, ).

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Begründung oder Aufrechterhaltung des zweiten Haushaltes ausschließlich beruflich veranlasst ist (VwGH 26.11.196, 95/14/0124). Da es sich um Kosten der persönlichen Lebensführung handelt, muss zur Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in einer typisierenden Betrachtungsweise ein strenger Beurteilungsmaßstab angelegt werden.

Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes ("doppelte Haushaltsführung") ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder der Steuerpflichtige oder sein (Ehe-)Partner am Familienwohnsitz relevante Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielen oder aus anderen gewichtigen Gründen die Verlegung des Familienwohnsitzes in die Nähe des Beschäftigungsortes nicht zugemutet werden kann.

Andere gewichtige Gründe für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes liegen beispielsweise vor, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit-)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist (vgl. zB ) oder wenn es sich um Alleinerzieher handelt, die auf die Unterstützung der Familie angewiesen sind (vgl. betreffend einen alleinerziehenden Witwer, der auf die Unterstützung seiner Familie hinsichtlich der Kindererziehung angewiesen war und diese nicht in fremde Obhut geben wollte).

Im vorliegenden Fall erzielte die Ehegattin des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahr in Polen Einkünfte iHv 5.034,15 PLN (entspricht weniger als 1.200,- Euro). Diese Einkünfte sind im Verhältnis zum Familieneinkommen als vernachlässigbar anzusehen und liegen unter der von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verlangten Grenze von 10% des Gesamtfamilieneinkommens (VwGH, , 2003/13/0154). Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer auch keine besonderen Gründe, die über allgemeine Schwierigkeiten eines Wohnsitzwechsel hinausgehen würden, anführen, warum eine Verlegung des Familienwohnsitzes im vorliegenden Einzelfall unzumutbar wäre (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom , 2003/13/0154 und , 2007/15/0297 die Rechtsfrage, wann die Verlegung des Familienwohnsitzes zumutbar ist, hinreichend geklärt. Darüber hinaus lagen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101213.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at