Rechtmäßigkeit einer Aufhebung des (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheides aufgrund eines gem. § 295 Abs. 4 BAO gestellten Antrages
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2892/2019 anhängig. Mit Erk. v. aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/5100462/2020 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA FA vom , betreffend Stattgabe des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang / festgestellter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf) erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 neben weiteren Einkünften auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer aufgrund von Beteiligungen (Kommanditist)
Die Beteiligungen setzten sich wie folgt zusammen
A-KGBeteiligung A
B-KG Beteiligung B
C-KG Beteiligung C
Höhe der erklärten Einkünfte der Beteiligungen
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Beteiligung A | 48.515,00 ATS | 3.525,72 Euro |
Beteiligung B | 8.747,00 ATS | 635,67 Euro |
Beteiligung C | -1.676.677,00 ATS | -121.848,87 Euro |
Mit Bescheid vom veranlagte das Finanzamt den Bf zur Einkommensteuer für 1999 zunächst erklärungsgemäß.
Aufgrund von abweichenden Mitteilungen des für die Einkünftefeststellung gem. § 188 BAO der Beteiligung A und der Beteiligung C vom erließ das Finanzamt am einen gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 und setzte darin dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb neu lediglich mit der Beteiligung B fest. Aufgrund einer weiteren Mitteilung setzte das damals auch für die einheitliche und gesonderte Einkünftefeststellung der Beteiligung B K(E)G zuständig gewesene Finanzamt Gänserndorf Mistelbach das Wohnsitzfinanzamt des Bf davon in Kenntnis, dass im Feststellungsverfahren dieser Personengesellschaft am ebenfalls ua Erledigungen betreffend das Unterbleiben von Einkünftefeststellungen für die beteiligten Kommanditisten für die Jahre 1998-2001 ausgefertigt worden sind.
Folglich dieser Mitteilung änderte das belangte Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 1999 des Bf am erneut gem. § 295 Abs. 1 BAO dahingehend ab, dass in diesem nunmehr Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv ATS 0,00 angesetzt wurden. Dieser abgeleitete Einkommensteuerbescheid 1999 vom erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Im Dezember 2006 legte die Beteiligung B KEG ua Berufungen gegen die an sie adressierten "Bescheide" des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Einkünftefeststellung gem. § 188 BAO für die Jahre 1988 - 2001 sowie gegen die an sie und an die Kommanditisten adressierten "Bescheide" des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Unterbleiben der Feststellungen von Einkünften in Bezug auf die Kommanditisten für den Zeitraum 1998 - 2001 ein.
Mit Berufungsentscheidung vom , GZ RV/0102-K/08, wies der Unabhängige Finanzsenat (UFS) ua diese Berufungen unter Verweis auf das einschlägige Erkenntnis des , jeweils mit der Begründung als unzulässig zurück, dass es sich bei den angefochtenen, als Feststellungsbescheide iSd § 188 BAO bzw. Nichtfeststellungsbescheide für die Jahre 1998 - 2001 intendierten Erledigungen wegen Verstoß gegen das für Grundlagenbescheide iSd § 188 BAO geltende Einheitlichkeitsgebot insgesamt um Nichtbescheide handelt.
Mit schriftlichem Anbringen vom , eingelangt beim Finanzamt am , beantragte die steuerliche Vertreterin des Bf ua den Einkommensteuerbescheid 1999 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben, weil diesem auf Grundlage des § 295 Abs. 1 BAO ergangenen Einkommensteuerbescheid laut Berufungsentscheidung des RV/0102-K/08 (betreffend Beteiligung KEG), ein Nichtbescheid mit Folge seiner Rechtswidrigkeit zugrunde liege, und somit die Anspruchsvoraussetzungen iSd § 295 Abs. 4 BAO erfüllt seien.
Für den Fall einer abschlägigen Erledigung dieses Aufhebungsantrages wurde in derselben Eingabe weiters der Eventualantrag gestellt, das Einkommensteuerverfahren des Bf für das Jahr 1999 abgeschlossen durch den Einkommensteuerbescheid vom gem. § 303 BAO wegen neu hervorgekommener Tatsachen iSd Absatzes 1 lit b leg. cit und zwar konkret wegen des Umstandes der Nichterlassung eines wirksamen Grundlagenbescheides im Feststellungsverfahren der Beteiligung B KEG für das Jahr 1999 wiederaufzunehmen.
Mit offenkundig versehentlich als "Aufhebungsbescheid gem. § 299 BAO" übertiteltem Sammelbescheid vom hob das belangte Finanzamt ua den Einkommensteuerbescheid 1999 vom nach eindeutigem Bescheidspruch und damit im Einklang stehender Begründung wie beantragt auf Grundlage des § 295 Abs. 4 BAO auf. Nach Darstellung der Entscheidungsgründe führte das Finanzamt im besagten Bescheid noch ergänzend an, dass infolge der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom wieder der diesem vorangegangene Einkommensteuerbescheid 1999 vom rechtswirksam, und über den Eventualantrag auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1999 aufgrund stattgebender Erledigung des Primärantrages iSd § 295 Abs. 4 BAO nicht abzusprechen sei.
Mit Schreiben vom erhob die steuerliche Vertreterin des Bf ua gegen den Aufhebungsbescheid vom betreffend Einkommensteuer 1999 vom Berufung (nunmehr Bescheidbeschwerde), die vom Finanzamt Mitte Mai 2013 unmittelbar dem UFS als damals zuständiger Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt wurde.
In diesem Schreiben vom stellte der Bf für den Fall einer dem konkreten Rechtsmittelbegehren nicht Rechnung tragenden Berufungserledigung wiederum einen Eventualantrag und zwar auf Aufhebung des diesfalls rechtswirksamen Einkommensteuerbescheides 1999 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO. Außerdem beantragte sie, Einkommensteuer 1999 im Betrag von 59.159,32 Euro auszusetzen.
Durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde mit Wirksamkeit ab unter anderem das BFG neu eingerichtet und gleichzeitig der UFS aufgelöst.
Mit der Übergangsbestimmung des § 323 Abs. 38 BAO hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die am beim UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom BFG als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind und solche Verfahren betreffende Anbringen mit auch gegenüber dem BFG wirken.
Da die gegenständliche Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides des Bf für das Jahr 1999 vom mit Ablauf des Jahres 2013 beim UFS unerledigt war, ist sie daher aufgrund der oben dargestellten Rechtslage nun vom BFG als Bescheidbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG zu erledigen.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung 6030 gemäß § 9 Abs. 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung 6023 neu zugeteilt.
Strittig ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO vom des gem. § 295 BAO abgeleiteten Einkommensteuerbescheides vom vom Finanzamt FA.
Rechtliche Würdigung
Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das in Form und Inhalt eines
- Feststellungsbescheides (§ 188 BAO), oder eines
- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument keine Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 4 BAO auf Antrag der Partei aufzuheben.
Der Antragt ist vor Ablauf der für den Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen.
Gem. § 304 BAO BGBl. Nr. 194/1961 idF BGBl. I Nr. 57/2004 (gültig bis ) ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein
a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder
b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides
eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.
1. Rechtzeitigkeit des Antrages gem. § 295 Abs. 4 BAO vom
Im Beschwerdefall wurden der Antrag auf Bescheidaufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1999 vom am (eingelangt am ) eingebracht. Dieser Zeitpunkt liegt außerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 BAO und außerhalb der absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs 3 BAO. Die absolute Verjährung hinsichtlich Einkommensteuer 1999 ist mit eingetreten.
§ 304 BAO in der hier anzuwendenden Fassung normiert eine eigene Antragsfrist für - kraft Verweisung im Abs 4 des § 295 BAO - für Anträge auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs 4 BAO. Die Frist des § 304 lit a BAO ist mit abgelaufen. Das Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer 1999 wurde durch den (gemäß § 295 Abs 1 BAO abgeänderten) Bescheid vom , welcher unter Annahme eines üblichen Postlaufes von drei Tagen und Einbeziehung von Samstag und Sonntag) am in Rechtskraft erwachsen ist, abschließend erledigt.
Die Frist des § 304 lit b BAO wäre somit am abgelaufen.
Der Antrag auf Bescheidaufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO war im Zeitpunkt der Antragstellung somit rechtzeitig.
Nach dzt Rechtslage § 304 BAO BGBl 194/1961 idF BGBl. I. Nr. 104/2018 wäre der Antrag verfristet, da ein Antrag nach Eintritt der Verjährung nur zulässig ist, wenn derer innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt wird (Ablauf der Frist im konkreten Fall wäre der ).
Eine Änderung verfahrensrechtlicher Bestimmungen führt (wenn nichts anderes gesetzlich vorgesehen ist) dazu, dass ab Inkrafttreten die neue Rechtslage für offene Verfahren anzuwenden ist.
Die Änderung der Rechtslage (Verjährungsfristen) wird jedoch in verfassungskonformer Interpretation des § 323 Abs. 56 BAO nicht dazu führen, dass ein damals rechtzeitig gestellter Antrag nun als verspätet zu beurteilen ist.
Da der Antrag 2012 rechtzeitig gestellt wurde, ist dieser auch 2019 noch als rechtzeitig gestellt anzusehen und ist nicht als verspätet zurückzuweisen.
2. Bescheid vom - Bescheidbezeichnung
Mit Bescheid vom gab die Abgabenbehörde dem Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom statt und hob den Einkommensteuerbescheid 1999 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO auf.
Der Bescheid wurde als Aufhebungsbescheid gem. § 299 BAO bezeichnet. In der Begründung wurde jedoch ausschließlich auf § 295 Abs. 4 BAO Bezug genommen.
In der Beschwerde vom wird die Erlassung des den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid iSv § 299 Abs. 2 BAO beantragt, da der in Rechtskraft befindliche Bescheid vom nicht die für das Veranlagungsjahr rechtmäßigen Ergebnistangenten enthalte.
Bei dem angefochtenen Bescheid vom handelt es sich jedoch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht um einen Aufhebungsbescheid gem. § 299 BAO im Sinne der Bescheidbezeichnung, sondern um einen antragsgemäßen Aufhebungsbescheid gem. § 295 Abs. 4 BAO.
Bereits im Bescheidspruch wird ausschließlich und mehrfach nur auf § 295 Abs. 4 BAO Bezug genommen. Darüber hinaus wird in der beigegebenen Bescheidbegründung nur § 295 Abs. 4 BAO zitiert (und nicht jener des § 299 BAO).
Auch bei dem Antrag der beschwerdeführenden Partei handelte es sich um einen Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO und auch die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Abgabenbehörde erfolgte nach den maßgeblichen Bestimmungen der BAO im Hinblick auf § 295 Abs. 4 BAO.
Die Anführung des § 299 BAO in der dem Bescheidspruch vorangestellten Überschrift und in der "Formularkennzeichnung" kommt keinerlei normativen Wirkung zu und beruht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts aufgrund des eindeutigen Bescheidinhaltes offenkundig auf einem Versehen der belangten Behörde.
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass - würde es sich bei dem angefochtenen Bescheid um eine Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO handeln - der Beschwerde insofern stattgegeben werden müsste, als die Bescheidaufhebung mangels Rechtzeitigkeit des Antrages (gem. § 302 BAO ein Jahr ab Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides) ersatzlos aufzuheben wäre.
3. Rechtmäßigkeit der Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO
Mit Bescheid vom erließ die Abgabenbehörde einen gem. § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999. Geändert wurde der erklärungsgemäß veranlagte Einkommensteuerbescheid 1999 vom .
Mit Bescheid vom erließ die Abgabenbehörde einen gem. § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999. Die Änderung erfolgte aufgrund der bescheidmäßigen Feststellung des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach zu StNr 351/8653 (Beteiligung B) vom . Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am (eingelangt am ) stellte die beschwerdeführende Partei einen Antrag auf Bescheidaufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO für den Einkommensteuerbescheid 1999 vom .
Die Aufhebungen nach § 295 Abs. 4 BAO setzt voraus
die Zurückweisung einer Bescheidbeschwerde (als unzulässig) gegen einen "Nichtbescheid" (somit gegen eine Erledigung, die als Feststellungsbescheid iSd § 188 oder als "Nichtfeststellungsbescheid" beabsichtigt war),
einen auf § 295 Abs 1 gestützten Abgaben-(bzw Feststellungs-)bescheid, der erlassen wurde, weil der Nichtbescheid zu Unrecht als Grundlagenbescheid qualifiziert wurde,
einen Antrag der Partei im "abgeleiteten" Verfahren, der vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge maßgeblichen Frist des § 304 gestellt wird.
Mit Bescheid vom wies der UFS die Berufung gegen die Erledigungen betreffend Nichtfeststellung 1998-2005 betreffend die Beteiligung B - mitdem Hinweis, es handle sich um Nichtbescheide - zurück.
Somit liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO vor.
Der Antrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO und unterliegt der Entscheidungspflicht (vgl. Ritz, BAO6, § 295 Tz 21f). Die Aufhebung eines Änderungsbescheides gemäß § 295 Abs. 4 BAO liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde.
Bei Aufhebungen iSd § 295 Abs. 4 BAO kommt ein Ersatzbescheid ex lege nicht Betracht. Aufgehoben kann allerdings lediglich der Bescheid werden, der sich in Rechtsbestand findet.
Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom aufgrund des Antrages vom gem. § 295 Abs. 4 BAO erfolgte daher nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zu Recht. Aufgrund der Aufhebung befindet sich der Einkommensteuerbescheid 1999 vom wieder in Rechtsbestand.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu den Eventualanträgen des Bf bleibt abschließend Folgendes festzuhalten:
Das Wesen eines Eventualantrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primär(Haupt-)antrag erfolglos bleibt.
Solange der Primärantrag nicht rechtskräftig abschlägig erledigt (Ab- oder Zurückweisung) bwz. auch nicht zurückgezogen worden ist, entsteht somit keine Entscheidungspflicht der Behörde über den Eventualantrag.
Wird bereits dem Hauptantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos (, , 2010/22/0168; , 2009/21/0214; , 2008/12/0224).
Da dem Primärantrag des Bf vom auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO mit dem hier angefochtenen, infolge Abweisung der Beschwerde nunmehr rechtskräftigen Aufhebungsbescheid gem. § 295 Abs. 4 BAO vom Folge gegeben wurde, ist daher über den dadurch gegenstandslos gewordenen "Eventualantrag vom auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1999 gem. § 303 BAO" nicht (mehr) abzusprechen.
Der im Beschwerdeschriftsatz vom für den Fall, dass dem konkreten Beschwerdebegehren kein Erfolg bescheiden sein und damit infolge ersatzloser Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 7.12.20107 wieder der davor ergangene Einkommensteuerbescheid 1999 vom im Rechtsbestand sein sollte, gestellte Eventualantrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom gem. § 295 Abs. 4 BAOist jedoch noch offen.
Der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom wurde im Beschwerdeschriftsatz vom mehr als 6 Jahre nach dem das Verfahren abschließenden Bescheid gestellt.
§ 304 BAO lautete in der bis gültigen Fassung:
"Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein
a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder
b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides
eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt."
Trotz Eintritts der Verjährung erklärt § 304 eine Wiederaufnahme ausnahmsweise für zulässig, wenn ihr ein Antrag zugrunde liegt, der innerhalb einer von zwei Fristen eingebracht wurde. Die in § 304 BAO verwendeten Begriffe "innerhalb eines Zeitraumes" und "vor Ablauf einer Frist" bringen dabei dasselbe zum Ausdruck. Ist der Zeitraum überschritten oder die Frist verstrichen, entfaltet ein solcher Antrag keine Wirkungen mehr.
§ 304 lit. a BAO sieht eine Grenze vor, die sich nach den Regeln für die Verjährung richtet, abweichend davon aber eine Verjährungsfrist von sieben Jahren unterstellt. Dabei ist die absolute Verjährung zu beachten (vgl. Ritz, BAO6, § 304 Tz 5 unter Hinweis auf ).
Die Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO beginnt mit der Rechtskraft zu laufen. Darunter ist die formelle Rechtskraft zu verstehen, die eintritt, wenn ein Bescheid durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht oder nicht mehr angefochten werden kann (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 304 Anm 5). Diese Frist ist vor allem dann bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit. a BAO - wie hier - bereits abgelaufen ist (vgl. unter Hinweis auf Ritz).
Im Antrag wird sinngemäß argumentiert, dass beim "das Verfahren abschließenden Bescheid" iSd § 304 lit. b BAO könne es sich nur um die Berufungsentscheidung handeln, mit der ausgesprochen worden sei, dass es sich beim vermeintlichen Feststellungsbescheid tatsächlich um einen "Nichtbescheid" gehandelt habe.
Allerding wird darauf hingewiesen, dass - entgegen der Ansicht des Bf - zur Frage der Rechtzeitigkeit des Antrages bei dem "das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO" nicht um den Bescheid über die Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO sondern um den Einkommensteuerbescheid handelt.
Wortlaut und Sinnzusammenhang des § 295 Abs. 4 BAO lassen keinen Zweifel daran, dass sich die zuletzt wiedergegebene Wendung auf den in § 304 BAO festgelegten Ablauf der Frist für Wiederaufnahmen im Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer bezieht. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, mit dem § 295 Abs. 4 BAO eingeführt wurde, soweit dort als eines der mit der Änderung verfolgten Ziele die Vermeidung aufwändiger Wiederaufnahmsverfahren in Einkommen- oder Körperschaftsteuerverfahren genannt ist (1212 BlgNR 24. GP 30).
Auf das Feststellungsverfahren kann sich der Verweis auf die in § 304 BAO getroffenen Regelungen für Wiederaufnahmen "nach Eintritt der Verjährung" auch schon deshalb nicht beziehen, weil solche Verfahren keiner Verjährung unterliegen (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz, BAO6, § 207 Tz 8; ).
Der Antrag wäre daher nach Ansicht des BFG als verspätet zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | RV/0102-K/08 |
Zitiert/besprochen in | Knechtl in AVR 2020, 144 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100452.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at