Antrag gemäß § 17 GrEStG 1987 wegen einvernehmlicher Auflösung des Kaufvertrages ist im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Isolde Zellinger in der Beschwerdesache GmbH in Liquidation, Adr, vertreten durch den Masseverwalter MV, Adr2, über die Beschwerde vom gegen zwei Bescheide der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr, StNr, betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide werden dahingehend geändert, dass der Spruch nunmehr zu lauten hat:
Dem Antrag gemäß § 17 GrEStG auf Aufhebung der mit Bescheid vom vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer wird stattgegeben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Die Ehegatten Verkäufer waren Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ XY. Mit Kaufvertrag vom hat die GmbH, nunmehrige Beschwerdeführerin, =Bf., aus dieser Liegenschaft das neu herausgemessene Grundstück Nr. 1 im Ausmaß von 7.785 m² um insgesamt 525.000 € gekauft. Laut Kaufvertrag ist die Übergabe des Kaufobjektes lastenfrei am Tag der Vertragsunterfertigung erfolgt. In Punkt XII., allgemeine Bestimmungen, vereinbaren die Parteien "wechselseitig ein einseitig auszuübendes Rücktrittsrecht von diesem Kaufvertrag."
Der Schriftenverfasser, RA, hat den Kaufvertrag zu ErfNr beim Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel (GVG) angezeigt.
In der Folge hat das GVG mit Bescheiden je vom für zwei Erwerbsvorgänge gemäß § 200 Abs. 1 BAO die Grunderwerbsteuer (GrESt) vorläufig vorgeschrieben. Je Verkäufer hat das GVG die GrESt von der halben Gegenleistung in Höhe von 262.500 € mit jeweils 9.187,50 € festgesetzt.
Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde der Bf. vom im Wesentlichen mit der Begründung, die Bf. beabsichtige den Weiterverkauf der Grundstücke in bebautem Zustand. Aufgrund dessen hätten die Parteien die Bezahlung des Kaufpreises von einem Treuhandkonto entsprechend dem Kaufpreiseingang von den jeweiligen Drittkäufern vereinbart. Außerdem hätten die Parteien bis zum Weiterverkauf wechselseitig ein Rücktrittsrecht vom besagten Kaufvertrag vereinbart. Daraus gehe hervor, dass der Kaufvertrag erst seine volle Wirkung entfalte, sobald die Bf. die Grundstücke weiterverkaufe. Somit sei der Kaufvertrag aufschiebend bedingt. Da die Bedingung aber noch nicht eingetreten sei, sei noch keine Steuerschuld gem. § 8 Abs. 2 GrEStG entstanden.
Das GVG hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, weil ein steuerpflichtiger Erwerbsvorgang bereits durch das Verpflichtungsgeschäft verwirklicht werde, in der Kaufurkunde keine aufschiebende Bedingung enthalten sei und die Vereinbarung des Rücktrittsrechtes eine auflösende Bedingung darstelle, welche auf die Entstehung der Steuerschuld keine Auswirkung habe.
Daraufhin hat die Bf. den gegenständlichen Vorlageantrag vom gestellt, worin sie vor allem auf die Entscheidung des , verweist, wonach nicht am genauen Wortlaut des Kaufvertrages festgehalten werden müsse, sondern vielmehr auf die Gesamtheit des Kaufvertrages und auf den Parteiwillen Acht zu geben sei. Weiters beantragte die Bf. die Aussetzung der Einhebung, welchen Antrag das GVG am bewilligt hat.
Am hat das GVG die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.
Im Zuge von Erhebungen des BFG im Firmenbuch ist hervorgekommen, dass das LG Wels mit Beschluss vom über die Bf. den Konkurs eröffnet hat. Als Masseverwalter wurde MV eingesetzt. Über Vorhalt des BFG hat der Masseverwalter am bekannt gegeben, dass er nunmehr erstmals Kenntnis vom gegenständlichen Verfahren erlangt und sich bemüht habe, die folgenden Informationen einzuholen: "Da der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin (GS) nunmehr beruflich in Deutschland aufhältig ist und darüber hinaus gegen ihn ein Strafverfahren behängt, sind Auskünfte durch den Masseverwalter nur noch sehr zögerlich zu erhalten. Der Masseverwalter hat den damaligen Schriftenverfasser und Treuhänder um Übermittlung der bezughabenden Aktenteile sowie um Mitteilung der Vertragsgrundlagen und Treuhandbedingungen (insbesondere auch Höhe des Kaufpreises und Finanzierung des Kaufpreises) ersucht. Die Stellungnahme des Kollegen RA vom liegt diesem Schreiben samt Beilagen bei."
Aus dem beigelegten Mail- und Schriftverkehr (RA, FA, in Zusammenhang mit ImmoESt) geht letztlich hervor, dass der Kaufvertrag aufgehoben wurde und kein Zahlungsfluss stattgefunden hat. Im Jahr 2018 wurde die Liegenschaft an die IGmbH (Gesellschafter und Geschäftsführer RA) verkauft.
Am hat daher MV einen Antrag gemäß § 17 GrEStG gestellt. "Soweit mir als Masseverwalter bekannt, wurde der gegenständliche Kaufvertrag auf
Grund eines Vertragsrücktritts durch den Verkäufer aufgehoben, dementsprechend
beantrage ich als Masseverwalter der damaligen Käuferin die Nichtfestsetzung der auf Grund des Kaufvertrages vom festgesetzten Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG."
Über Vorhalt des BFG hat sodann die Verkäuferseite die Urkunde über die Vertragsauflösung vom vorgelegt. Es handelt sich dabei um die Kopie der ersten Seite des Kaufvertrages, worauf umseitig festgehalten und von beiden Vertragsseiten unterfertigt ist "Vertrag wurde am beidseitig aufgelöst".
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist aufgrund des gesamten Akteninhaltes und insbesondere der vorliegenden Urkunde über die beidseitige Vertragsauflösung erwiesen.
Rechtslage
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründet, der Grunderwerbsteuer.
Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder durch Ausübung eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird.
Nach § 17 Abs. 4 GrEStG 1987 ist, wenn die Steuer bereits festgesetzt ist, die Festsetzung auf Antrag entsprechend abzuändern.
Nach § 17 Abs. 5 GrEStG 1987 sind Anträge nach Abs. 1 bis 4 bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist.
Erwägungen
Der Bf. hat die gegenständlichen Steuervorschreibung mit der Begründung bekämpft, dass gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG die Steuerschuld erst mit dem Eintritt einer Bedingung, von der die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges abhängt, entsteht.
Die bloße Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes ist nicht geeignet, die Entstehung eines Übereignungsanspruches auszuschließen ().
Allerdings haben die Vertragsparteien den Kaufvertrag vom , ohne dass bis dahin ein Kaufpreis geflossen wäre, am tatsächlich einvernehmlich wieder aufgelöst.
Aus diesem Grund hat am MV als Masseverwalter der Bf. gemäß § 17 GrEStG die Nichtfestsetzung der GrESt beantragt.
Ein Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbssteuer iSd. § 17 GrEStG kann auch während des Rechtsmittelverfahrens hinsichtlich der bereits festgesetzten Steuer gestellt werden und ist von der Rechtsmittelbehörde in diesem Verfahren zu beachten.
§ 17 GrEStG verfügt die grundsätzliche Steuerfreiheit rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge. Das entspricht der materiellen Zielsetzung des Grunderwerbsteuergesetzes, den Grundstücksverkehr und nicht bloß (zu Verträgen verdichtete) Absichten zu besteuern.
Die Anwendung des § 17 GrEStG hat nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung, welche zwischen denselben Vertragspartnern abgeschlossen werden muss, zwischen denen der seinerzeitige Erwerbsvorgang vereinbart worden ist (). "Rückgängig gemacht" in diesem Sinn ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragsparteien derart aus ihren vertraglichen Bedingungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräusserer seine ursprüngliche Rechtsstellung erlangt.
Ein Rücktritt vom Vertrag bedarf keines besonderen Formerfordernisses. Voraussetzung der Nichtfestsetzung der Steuer ist aber die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges auf Grund eines Rechtsanspruches eines daran Beteiligten, zB auf Grund einer frei vereinbarten Vertragsbestimmung.
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Kaufvertrag vom wurde zu keiner Zeit erfüllt, da die Käuferin zahlungsunfähig geworden ist. Aus diesem Grund wurde der Vertrag im Sinne des in Punkt XII. des Kaufvertrages vereinbarten Rücktrittsrechtes im Jahr 2016 beidseitig aufgelöst. In der Folge hat der Verkäufer im Jahr 2018 das Grundstück an einen Dritten (IGmbH) verkauft.
Auch die Fristen wurden eingehalten. Der Erwerbsvorgang vom wurde innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld am rückgängig gemacht. Der Masseverwalter hat den Antrag gemäß § 17 GrEStG vom innerhalb der fünfjährigen Frist seit der Vertragsaufhebung vom gestellt.
Somit sind im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Aufhebung der mit den bekämpften Bescheiden vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 4 GrEStG gegeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen Judikatur des VwGH erfolgt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101251.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at