Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.04.2019, RV/5100172/2019

Haftung des Geschäftsführers für Lohnsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA, Steuernummer, vom , mit dem gemäß § 9 iVm § 80 BAO die Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Firma GmbH in Höhe von insgesamt 9.440,14 € geltend gemacht wurde, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verwaltungsablauf
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer, Herr Bf, zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma GmbH iHv 9.440,14 € herangezogen. Die Haftungssumme wurde wie folgt aufgeschlüsselt:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
fällig am
Lohnsteuer
01/2017
2.365,86
Lohnsteuer
02/2017
2.219,90
Lohnsteuer
04/2017
2.578,08
Lohnsteuer
05/2017
2.276,30
Summe
 
9.440,14
 

Begründend wurde nach Wiedergabe der gesetzlichen Grundlagen ausgeführt, dass der Abgabenrückstand mit 80 % als uneinbringlich anzusehen sei. Dies würde sich zweifelsfrei daraus ergeben, dass über das Vermögen der Firma GmbH am das Sanierungsverfahren eröffnet worden sei. Mit Beschluss vom sei der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt worden, die Insolvenzgläubiger würden eine Quote von 20 % erhalten.
Laut Firmenbuch sei der Beschwerdeführer seit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma GmbH bestellt. Der Geschäftsführer einer GmbH würde gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern, den Gläubigern und auch gegenüber den Behörden haften.
Als handelsrechtlicher Geschäftsführer hätte der Beschwerdeführer alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen. Da die Lohnsteuer 01/2017 iHv 2.957,33 €, die Lohnsteuer 02/2017 iHv 2.774,88 €, die Lohnsteuer 04/2017 iHv 3.222,60 € und die Lohnsteuer 05/2017 iHv 2.845,37 € während seiner Vertretungsperiode fällig geworden und nicht entrichtet worden wären, müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die ihm aufgetragenen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Vom haftungsrelevanten Betrag in Höhe von 11.800,18 € sei die Quote von 20 % in Höhe von 2.360,04 € in Abzug gebracht worden. Der Haftungsbetrag betrage daher 9.440,14 €.
Hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme betreffend Lohnsteuer wurde auf Rechtslage und Judikatur verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass aufgrund der Aktenlage nicht davon auszugehen, dass das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt worden sei, sodass von einer umfassenden Haftungsinanspruchnahme Abstand genommen werde.
Dem Haftungsbescheid angeschlossen wurden der Bescheid die Primärschuldnerin betreffend Haftung hinsichtlich Lohnabgaben für Mai 2017 vom sowie die Niederschrift über die Nachschau gemäß § 144 BAO vom jeweils in Kopie.

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter gegen den Haftungsbescheid vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Der Bescheid werde seinem gesamten Inhalt nach wegen unvollständiger Sachverhaltsermittlung und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Richtig führe die Abgabenbehörde aus, dass durch das eingeleitete Insolvenzverfahren alle Gläubiger eine Quote von 20 % erhalten hätten. Weiters werde ausgeführt, dass der geschäftsführende Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern, den Gläubigern und auch gegenüber der Behörde hafte. Diese Ausführung bzw. Rechtsauslegung sei unrichtig. Die Haftung setze schuldhaftes Handeln des Geschäftsführers voraus, es müssten Gläubiger bevorzugt bzw. andere Gläubiger benachteiligt worden sein, um den Haftungstatbestand auszulösen.
Im gegenständlichen Fall würde kein schuldhaftes Handeln des Geschäftsführers vorliegen, Gläubiger seien nicht bevorzugt behandelt worden.
Die Abgabenbehörde führe aus, "die Haftungsinanspruchnahme in Hinblick auf die Lohnsteuer ist jedenfalls vorzunehmen" und es werde auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin sei von schuldhafter Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen.
Nach dieser Rechtsauslegung werde ohne Sachverhaltsermittlung, Beweiswürdigung und richtig rechtlicher Beurteilung ein Tatbestand als erfüllt angenommen, um den Haftungstatbestand als gegeben anzunehmen. Die Abgabenbehörde hätte bei einer vollständigen und richtigen Sachverhaltsermittlung feststellen müssen, dass dem Geschäftsführer keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Die Abgabenbehörde stütze ihre Äußerung auf nicht nachvollziehbare oder begründete Sachverhaltsermittlungen.
Wie aus den Bankunterlagen ersichtlich sei, seien für die einzelnen Haftungszeiträume keine bzw. nur teilweise Löhne an die Dienstnehmer ausbezahlt worden. Der Geschäftsführer habe die Lohnabgaben ordnungsgemäß und rechtzeitig der Abgabenbehörde gemeldet.
Der Abgabenbehörde sei auch bekannt, dass die Löhne nicht oder nur zum Teil ausbezahlt worden seien, weshalb die Haftung für die Lohnsteuer nicht gegeben sei. Die Bank habe für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume keine bzw. nur zum Teil Lohnzahlungen und auch keine Lohnsteuerzahlungen durchgeführt.

Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde vom als unbegründet ab. Bei der Haftung für Lohnsteuer, bei der die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten darstelle, komme der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen.
Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer gehe über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 würde sich vielmehr die Verpflichtung ergeben, dass die Lohnsteuer jeweils zur Gänze zu entrichten sei. Jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stelle, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen würden, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten mit den Haftungsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar.
Die Lohn- bzw. Gehaltszahlungen seien vor Insolvenzeröffnung bis einschließlich erfolgt (sh. Beilage - Niederschrift über die Nachschau gem. § 144 BAO, Tz. 3). Die Lohnsteuer wäre somit bei Fälligkeit grundsätzlich zur Gänze abzuführen gewesen und unterliege nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz aller Gläubiger.

Im Vorlageantrag vom führte der steuerliche Vertreter aus, dass den Ausführungen der Abgabenbehörde nicht gefolgt werden könne. Es sei zu prüfen, ob die Löhne fristgerecht ausbezahlt worden seien. Die Lohnsteuer sei am 15. des Folgemonates fällig. Die Meldung sei fristgerecht erfolgt und dadurch werde auch die Fälligkeit ausgelöst. Wenn die Löhne verspätet ausbezahlt würden, könnte dies eine Gläubigerbegünstigung darstellen. Ebenso wäre dann auch die Lohnsteuernachzahlung für einen bereits fälligen Betrag eine Gläubigerbegünstigung und würde dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen.
Wenn die Abgabenbehörde ausführen würde, dass die Lohnsteuer unabhängig vom Gleichbehandlungsgebot aller Gläubiger bevorzugt sei, sei das unrichtig. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 würde sich die Verpflichtung ergeben, dass die Lohnsteuer jeweils zur Gänze zu entrichten sei, wenn die Löhne zur Gänze entrichtet würden. Nach Rechtsauslegung der Abgabenbehörde würde das Einkommensteuergesetz gegen insolvenzrechtliche Bestimmungen verstoßen, in dem Gläubiger (in diesem Fall die Abgabenbehörde) bevorzugt behandelt würden. Wie der Abgabenbehörde bekannt seien die Löhne nicht zum Fälligkeitszeitpunkt ausbezahlt worden. Die Lohnauszahlung sei zu einem verspäteten Zeitpunkt erfolgt, hier wäre es Aufgabe des Sanierungsverwalters zu prüfen, ob eine Gläubigerbegünstigung stattgefunden habe. Lohnsteuerzahlungen, die Monate nach dem Fälligkeitszeitpunkt stattfinden würden, würden jedenfalls eine Gläubigerbegünstigung darstellen. Da der Beschwerdeführer nicht ausreichende Mittel zur fristgerechten Zahlung der Löhne und der Lohnabgaben gehabt hätte, könne eine Haftung nur dann eintreten, wenn schuldhaftes Verhalten vorliege. Im Insolvenzverfahren sei beim Beschwerdeführer keine schuldhafte Verletzung von Vorschriften betreffend der verspäteten Zahlung oder Nichtzahlung von Verbindlichkeiten festgestellt worden. Der Maßstab einer schuldhaften Verletzung beziehe sich auch auf die abgabenrechtlichen Pflichten und folglich auch auf die Haftungsfolgen im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO. Im konkreten Fall wäre es so, dass der Beschwerdeführer die Lohnzahlungen und auch die Lohnsteuerzahlungen in das Überweisungssystem zur Abbuchung eingestellt habe. Die finanzierende Bank habe weder die Löhne noch die Lohnabgaben zum Fälligkeitsdatum abgebucht.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, dass der Beschwerdeführer bis zur Insolvenzeröffnung am Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei. Mit Beschluss vom sei der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt worden, die Insolvenzgläubiger würden eine Quote von 20 % erhalten. Damit sei der Abgabenrückstand mit 80 % als uneinbringlich anzusehen. Mit Haftungsbescheid vom sei der Beschwerdeführer zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80ff BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten (Lohnsteuer) im Ausmaß von 9.440,14 € in Anspruch genommen worden. Laut Niederschrift vom seien Lohn- bzw. Gehaltszahlungen bis einschließlich 05/2017 erfolgt (entsprechende Lohnkonten seien dem Prüfer in elektronischer Form vorgelegt worden). Der Haftungsbescheid sei aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes in Bezug auf die schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers dementsprechend begründet.

Festgestellter Sachverhalt
Mit Erklärung vom wurde die Firma GmbH gegründet und unter der Firmennummer 123 in das Firmenbuch eingetragen. Der am Gebdatum geborene Beschwerdeführer war von Beginn an Geschäftsführer der Primärschuldnerin.
Mit Beschluss des Landesgerichtes LG vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom wieder aufgehoben. Die Sanierungsquote beträgt 20 Prozent.
Die Lohnsteuer für Jänner und Februar 2017 wurde von der Primärschuldnerin am in Höhe von 2.957,33 € bzw. in Höhe von 2.774,88 € dem Finanzamt gemeldet, die Lohnsteuer für April 2017 in Höhe von 3.222,60 € am . Im Rahmen einer Nachschau wurde am  in Zusammenhang mit Dienstnehmer/Lohnabgaben folgende Feststellung getroffen:
"Die Personalverrechnungsunterlagen (Lohnkonten bis Juli 2017) wurden in elektronischer Form vorgelegt. Lohn- bzw. Gehaltszahlungen erfolgten vor Insolvenzeröffnung bis einschließlich . Für den Zeitraum Juni 2017 wurden Lohnabgaben gemeldet bzw. auch entrichtet. Da die Löhne nicht vom Insolvenzunternehmen ausbezahlt wurden, sind die Lohnabgaben für diesen Zeitraum mit null festzusetzen. Für den Zeitraum Mai 2017 wurden bisher keine Lohnabgaben gemeldet bzw. entrichtet. Durch die AP wurden für diesen Zeitraum die Grundlagen ermittelt und werden wie folgt festgesetzt:"


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Lohnsteuer
5/17
2.845,37
Dienstgeberbeitrag
5/17
1.750,67
Zuschlag Dienstgeberbeitrag
5/17
170,80
Gesamt
 
4.766,84

Der Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für Mai 2017 erwuchs in Rechtskraft.
Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin im ursprünglichen Ausmaß aus.
Das Finanzamt wurde gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt.

Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dem Parteienvorbringen, der Niederschrift über die Nachschau gemäß § 144 BAO sowie der Abfrage des Abgabenkontos der Primärschuldnerin.
Aus der Niederschrift über die Nachschau gemäß § 144 BAO vom geht eindeutig hervor, dass die Lohn- und Gehaltszahlungen bis einschließlich erfolgt sind. In Übereinstimmung mit dieser Feststellung sind auch die Meldungen der Primärschuldnerin für die Lohnangaben Jänner, Februar und April 2017 vom bzw. zu sehen. Hinsichtlich der Lohnabgaben für Mai 2017 wurde die Primärschuldnerin rechtskräftig zur Haftung herangezogen.
Das wiederholte Vorbringen des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers, wonach die Löhne nicht bzw. nicht rechtzeitig ausbezahlt worden seien, widerspricht den Feststellungen des Finanzamtes, welche dieses durch Einsichtnahme in die elektronischen Lohnkonten der Primärschuldnerin gewonnen hat, und muss als reine Schutzbehauptungen qualifiziert werden. Hinzu kommt, dass die Primärschuldnerin die Lohnsteuerbeträge für Jänner, Februar und April 2017 jeweils zu einem Zeitpunkt ( bzw. ) dem Finanzamt gemeldet hat, zu dem sie bereits wusste, ob bzw. wie viel an Löhnen jeweils ausbezahlt worden waren.
Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers im Haftungsverfahren bedeutet zwar nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; es entspricht  nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen. Ein derart allgemein gehaltenes Vorbringen, das sich darauf beschränkt, dass die Löhne nicht (rechtzeitig) ausbezahlt worden seien, ist nicht geeignet, eine Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen und sie zur Vornahme bestimmter Beweisaufnahmen zu verhalten.
Es wäre am Beschwerdeführer gelegen Unterlagen vorzulegen, welche die Feststellungen des Finanzamtes entkräftet hätten bzw. zumindest begründete und fundierte Beweisanträge zu stellen. Dies wurde jedoch unterlassen, sodass in freier Beweiswürdigung hinsichtlich des Umstandes, dass die Lohn- bzw. Gehaltszahlungen bis 07/2017 erfolgt seien, den Feststellungen des Finanzamtes zu folgen ist, zumal diese auf der Einsichtnahme in die Unterlagen der Primärschuldnerin basieren, während es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um bloße unbewiesene Behauptungen handelt.

Rechtslage
§ 9 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."
§ 80 Abs. 1 BAO lautet:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."
§ 224 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."
§ 20 BAO lautet:
"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."
§ 78 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
"Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten."

Erwägungen
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass
< eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht,
< die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO gehört,
< eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt und
< die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben steht unbestritten fest. Das Sanierungsverfahren wurde am mit einer Sanierungsquote von 20 Prozent aufgehoben. Daraus ergibt sich, dass 80 % der Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Die Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben liegen zwischen und . Der Beschwerdeführer war ab Gründung der Primärschuldnerin bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens der alleinige Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Daraus ergibt sich, dass die Abgaben in jenem Zeitraum fällig wurden, in welchem er die Primärschuldnerin vertreten hat.

Sind die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten und die Vertreterstellung gegeben, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Vertreters, im Rahmen der ihm obliegenden qualifizierten Mitwirkungspflicht darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ().

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt gegenständlich nicht vor. Der Beschwerdeführer hat keine Gläubiger gegenüber der Finanzverwaltung bevorzugt.

Von der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes ausgenommen ist die Lohnsteuer.
Bereits im Erkennntis vom , 2000/15/0168, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: " Zu den ebenfalls von der Haftung betroffenen Lohnsteuerbeträgen ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinausgeht. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, dass die Lohnsteuer - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten ist."
Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Gläubiger hinaus. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Vertreter vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (). Nach ständiger Rechtsprechung ist die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden. Die Bestimmung stellt nicht auf jene Gründe ab, die dazu geführt haben, dass nicht die volle Lohnsteuer abgeführt wurde.

Insgesamt gesehen gelangte daher das Verwaltungsgericht zur Ansicht, dass die Uneinbringlichkeit der Lohnsteuer 01/2017, 02/2017, 04/2017 und 05/2017 im Gesamtausmaß von 9.440,14 € bei der Primärschuldnerin auf ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen ist. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben ().

Das wiederholte Vorbringen, die volle Entrichtung der Löhne und Lohnsteuer würde eine Gläubigerbegünstigung und damit eine Verletzung insolvenzrechtlicher Bestimmungen darstellen, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die Einhaltung abgabenrechtlicher Pflichten zu überprüfen ist. Dass der Beschwerdeführer abgabenrechtliche Pflichten, nämlich für die rechtzeitige und vollständige Abfuhr der Lohnsteuer zu sorgen, verletzt hat, wurde dargelegt.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt daran, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Insofern das Finanzamt eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Bw getroffen hat, kann ihm nicht entgegengetreten werden, da die Haftungsinanspruchnahme die einzige Möglichkeit darstellt, den Abgabenausfall zu kompensieren. Bei der Primärschuldnerin ist eine Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten zur Gänze ausgeschlossen. Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit beim Haftenden schließt nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (). Der Beschwerdeführer ist 43 Jahre alt, sodass eine Einbringlichkeit bei ihm durchaus möglich ist. Es würde einem Ermessensmissbrauch gleichkommen, die Haftung bei ihm nicht geltend zu machen.

Unzulässigkeit einer Revision
Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100172.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at