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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2019, RV/7102078/2017

Haftung gemäß § 9 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , 09 2*** betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin Bf. (in der Folge kurz Bf. genannt) als Geschäftsführerin der Fa. X-Limited, FN 3***, als Haftungspflichtige gemäß § 9 i.V.m. § 80 Bundesabgabenordnung (BAO) für aushaftende Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von € 7.127,53 in Anspruch genommen.

Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
12/2012
1.121,92
Umsatzsteuer
02/2013
1.671,17
Umsatzsteuer
04/2013
565,42
Umsatzsteuer
10/2013
138,66
Umsatzsteuer
01/2014
33,97
Umsatzsteuer
02/2014
110,13
Umsatzsteuer
03/2014
131,05
Lohnsteuer
2012
390,92
Lohnsteuer
2013
476,48
Lohnsteuer
02/2013
367,05
Lohnsteuer
03/2013
60,02
Lohnsteuer
05/2013
7,90
Dienstgeberbeitrag
2012
79,96
Dienstgeberbeitrag
2013
386,70
Dienstgeberbeitrag
01/2013
297,90
Dienstgeberbeitrag
02/2013
360,68
Dienstgeberbeitrag
03/2013
335,76
Dienstgeberbeitrag
05/2013
76,26
Dienstgeberzuschlag
2012
7,11
Dienstgeberzuschlag
2013
34,37
Dienstgeberzuschlag
01/2013
26,48
Dienstgeberzuschlag
02/2013
32,06
Dienstgeberzuschlag
03/2013
29,84
Dienstgeberzuschlag
05/2013
6,78
Vollstreckungsgebühren
2013
92,14
Vollstreckungsgebühren
2014
64,77
Barauslagenersatz
2013
0,62
Barauslagenersatz
2014
15,62
Stundungszinsen
2013
146,92
1. Säumniszuschlag
2013
58,87
 
 
Summe:
7.127,53

Zur Begründung wurde nach Zitierung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen ausgeführt, die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten seien nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Die Bescheide der im Rückstand angeführten, festgesetzten Abgaben seien der Bf. bereits im Haftungsvorverfahren zur Kenntnis gebracht worden. Bei den übrigen angeführten Abgaben handle es sich um selbst gemeldete Selbstbemessungsabgaben.

Durch die Selbstbemessung seien die Rechtswirkungen der Abgabenfestsetzung geschaffen worden ().

Der Rückstand bestehe infolge Nichtentrichtung der zwischen dem und fällig gewordenen Abgaben.

Die Bf. sei laut Firmenbuch vom Datum4 bis Datum3 zum vertretungsbefugten Organ bestellt und daher gemäß § 107 Abs.2 GmbH Gesetz (GmbHG) zur Vertretung der Gesellschaft berufen worden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1, AZ 1***, sei das am Datum2 über das Vermögen der Gesellschaft eröffnete Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben worden. Am Datum3 sei die Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch erfolgt. Der Rückstand sei daher beim Primärschuldner uneinbringlich.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des§ 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen habe.

Der Unternehmer habe eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Daraus folge: Die zu den Selbstbemessungsabgaben zählende Umsatzsteuer sei vom Abfuhrpflichtigen selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit, wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung, abgewartet werden dürfe.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftenden Lohnabgaben sei Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 sei der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG habe der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten gewesen sei, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gelte auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Werde in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. ).

Mit Schreiben vom , Steuernummer: 2***, sei die Bf. aufgefordert worden darzulegen, dass Sie ohne Ihr Verschulden gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen. Die Bf. sei dieser Aufforderung - sohin ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu ihrer Entlastung darzutun - nicht ausreichend - nachgekommen. Die höchstgerichtliche Judikatur gehe davon aus, dass der Vertreter, der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen habe, diesen ihm obliegenden Pflichten aber nicht nachkomme, einer besonderen Darlegungspflicht unterliege. Es treffe sie die Beweislast, nämlich die besondere Verpflichtung, "darzutun“, aus welchen Gründen ihr die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden dürfe, sie wäre seinen Pflichten schuldhafterweise nicht nachgekommen (vgl. und ). Nachweise einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung (für das Fehlen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung) hätte die Bf. im Zuge des Haftungsvorverfahrens nicht erbracht. Es stehe somit fest, dass die Bf. ihrer Verpflichtung, als gesetzlicher Vertreterin der Gesellschaft, für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben zu sorgen, zumindest leicht fahrlässig und damit schuldhaft im Sinne des § 9 BAO nicht nachgekommen sei.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd. § 20 BAO sei innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium sei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls.

Die Geltendmachung der Haftung stelle im vorliegenden Fall die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, zumal der haftungsgegenständliche Rückstand bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden könne. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei (vgl. ). Letzteres stehe hier fest.

Gegen diesen Haftungsbescheid richtet sich die frist- und formgerechte Beschwerde der Bf. vom .

Die Bf. bringt vor, sie habe, wie bereits im letzten Schreiben mitgeteilt, mit der Fa. X-Limited seit August 2013 nichts mehr zu tun.

Sie habe Ende August 2013 das Unternehmen verlassen und per Oktober 2013 sei sie laut Fr. A auch aus dem Firmenbuch draußen gewesen.

Sie sei einzig unterschriftenberechtigter Geschäftsführer in der Zeit von März bis August 2013 gewesen und habe keinerlei Einsichten in die finanziellen Dinge des Unternehmens gehabt.

Nach ihrer Kündigung in der Fa. X-Limited sei auch der Kontakt zwischen Herrn B und Frau A so gut wie nicht mehr vorhanden gewesen.

Auch sei sie nicht am Konkurs beteiligt gewesen, dies habe sie zufällig im Nachhinein erfahren.

Und wenn ein Konkurs bei einer Firma gewesen, dieser seit über einem Jahr abgeschlossen sei, müssten doch auch alle Schulden, die eine Firma gehabt habe, mit Ende des Konkurses abgeschlossen sein.

Wie gesagt, habe die Bf. mit dem Unternehmen nichts mehr zu tun gehabt und Frau A habe ihr mehrmals versichert, dass sie aus diesem Unternehmen gestrichen worden sei und sie habe niemals eine Einsicht auf die Buchhaltung oder sonstige finanzielle Dinge gehabt.

Die Bf. sei alleinstehende Mutter, habe 3 Kinder (2 würden bei ihr wohnen), übe einen Teilzeitjob aus und könne sich auch nicht leisten, über € 7000,00 zu bezahlen. Sie besitze kein Eigentum außer ihr altes Auto, das sie verkaufen könnte, um diese Summe aufzutreiben und sie verstehe auch nicht warum man hier nach einem abgeschlossenen Konkurs an sie herantrete.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Bf. vom gegen den Haftungsbescheid vom ab.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Bf. sei seit Datum4 bis zur Löschung im Firmenbuch am Datum3 zum vertretungsbefugten Organ der Fa. X-Limited bestellt und daher gemäß § 107 Abs. 2 GmbH-Gesetz (GmbHG) zur Vertretung der Gesellschaft berufen (vgl. offenes Firmenbuch, FN 3***) gewesen.

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin stehe auf Grund der Aufhebung des Konkurses mangels Kostendeckung mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1 fest. Die Uneinbringlichkeit folge insbesondere aus dem Umstand, dass die Primärschuldnerin infolge Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG am Datum3 im Firmenbuch amtswegig gelöscht worden sei.

Zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme habe der Rückstand € 7.127,53 betragen. Die Aufgliederung nach Abgabenart und Jahr sei im Haftungsbescheid detailliert dargestellt worden. Seitdem hätten sich keine Änderungen mehr am Abgabenkonto des Unternehmens ergeben.

Die Inanspruchnahme der Bf. mittels Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO sei daher zu Recht erfolgt.

Mit Schriftsatz vom bekämpfte die Bf. die Beschwerdevorentscheidung und brachte vor, sie verstehe noch immer nicht, warum sie nicht, wenn sie doch im Firmenbuch eingetragen gewesen sei, als Gesellschafter nicht in den Konkurs involviert worden sei.

Sie habe nicht gewusst, dass sie noch eingetragen sei, da ihr Frau A und Herr B per Messenger schriftlich versichert hätten, dass sie per Oktober 2013 gestrichen worden sei.

Wäre die Bf. in diesem Konkurs involviert gewesen, wäre dort festgestellt worden, dass sie keinerlei Besitztum habe und als alleinerziehende Mutter von damals noch 3 bei ihr wohnenden Kindern auch die finanziellen Mittel nicht gehabt habe und auch heute nicht habe.

Sie wohne in dem Haus von ihrem Stiefvater, wo sie jeden Monat den Kredit zurück bezahle, sei als seit 25 Stunden Büroangestellte tätig und habe nach wie vor 2 minderjährige Kinder in ihrem Haushalt.

Sie habe keine Ahnung, wie sie dem Finanzamt diesen Betrag zurückzahlen solle, vor allem wo sie der festen Meinung gewesen sei, nicht mehr als Gesellschafter eingetragen zu sein, da ihr Frau A das eben versichert habe. Diese habe ihr bei der letzten schriftlichen Unterhaltung gesagt, dass sie Konkurs angemeldet hätten und die Bf. damit sowieso nichts mehr zu tun habe.

Selbst als die Bf. in dieser Firma noch angestellt gewesen sei, habe sie keinerlei Einblick auf irgendwelche Dinge, die die Buchhaltung betreffen, gehabt, da sie, soweit sie das wisse, nur als unterschriftsberechtigter Gesellschafter geführt worden sei und das eigentlich nur ein Freundschaftsakt gewesen sei, damit Herr B diese Firma eröffnen könne.

Deshalb bitte die Bf. inständig die Entscheidung nochmal zu überarbeiten und sie nicht in ihren finanziellen Untergang zu befördern.

Am erging seitens des Bundesfinanzgerichtes folgender Vorhalt an die Bf.:

„Sehr geehrte Frau Bf.!

Laut Firmenbuch waren seit der Gründung der Fa. X-Limited, FN 3***, im Zeitraum Datum4 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes X vom Datum2, Zl. 1***, vertretungsbefugtes Organ dieser Limited. Gemeinsam mit Ihnen war A als ständige Vertreterin (und weitere Geschäftsführerin) als gesetzliche Vertreterin im Firmenbuch eingetragen.

Bitte beantworten Sie dazu folgende Fragen ausführlich und genau und legen Sie entsprechende Beweismittel vor:

1.) Wie kam es zur Gründung der Fa. X-Limited, FN 3***, und zur Anmeldung einer inländischen Zweigniederlassung durch Sie und A am (Musterzeichnungen als Zweigniederlassungsvertreterinnen)?

2.) Welche Aufgabenbereich hatten Sie in dieser Firma? Waren Sie auf den Firmenkonten zeichnungsberechtigt? Wer war für die steuerlichen Belange des Unternehmens zuständig und hat diese erledigt?

3.) Gab es eine vereinbarte Geschäftsverteilung zwischen Ihnen und A?

Falls ja, bitte um Vorlage der entsprechenden Unterlagen!

4.) Wann sind Sie aus der Fa. X-Limited ausgeschieden?

In der Beschwerde führen Sie dazu aus, sie hätten Ende August 2013 das Unternehmen verlassen und per Oktober 2013 seien sie, laut Fr. A, aus dem Firmenbuch gelöscht (draußen) gewesen. Sie seien einzig unterschriftenberechtigte Geschäftsführerin in der Zeit von März bis August 2013 gewesen und hätten keinerlei Einsichten in die finanziellen Dinge des Unternehmens gehabt!?

Diesem Vorbringen widerspricht die Aktenlage (Lohnzettel), nach der Sie in der Zeit von bis als Dienstnehmerin der Fa X-Limited beschäftigt waren. Danach folgte ein Dienstverhältnis bei der Fa. Y-GmbH.

Von wann bis wann waren Sie nun tatsächlich im Rahmen der Fa. X-Limited tätig?

5.) Wann und wem gegenüber haben Sie die Beendigung Ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin (vertretungsbefugtes Organ) der Fa. X-Limited bekannt gegeben?

Bitte um Vorlage eines entsprechenden Schriftverkehrs (in Kopie)!

6.) Aus welchen Gründen ist die Entrichtung der im Haftungsbescheid aufgelisteten Abgabenschuldigkeiten unterblieben?“

Diese Fragen wurden seitens der Bf. wie folgt beantwortet:

„1.) Hr. B war ein Freund der mich gebeten hatte diese ltd. mit ihm zu gründen damit er endlich durchstarten könne. Er bot mir an ich kann bei ihm angemeldet arbeiten. Da ich zu der Zeit arbeitslos und bereits alleinstehend mit den 3 Kindern war, dachte ich mir nicht viel dabei und war froh eine Anstellung zu haben. Die Zweigniederlassung - wenn hier gemeint ist in C das Büro - das hat alles Hr. B organisiert. Ich half tagelang bei der Renovierung des Büro's.

2.) Meine Aufgabenbereiche waren Büroarbeiten, Ablage, Telefonannahme. Alle BuchhaItungsangelegenheiten hatte Hr. B über und hätte mir da auch niemals einen Einblick gestattet. Ich habe ab und zu die Unterlagen nach Hinterbrühl zur Steuerberaterin gebracht. Ich hatte keinerlei Einsicht auf irgendwelche finanziellen Angelegenheiten oder auf ein Firmenkonto.

3.) Zwischen Frau A und mir gab es keine Aufgabenteilung. Frau A war die Lebensgefährtin von Hr. B und war so gut wie nie im Büro. Was genau sie gemacht hat weiß ich nicht.

4.) Es tut mir sehr leid, ich dürfte mich mit den Jahreszahlen vertan haben. Ich war, wie auf den Lohnzetteln die Ihnen vorliegen, beschäftigt. Oktober 2012 (muss das dann gewesen sein) wurde ich dann nach einigen Telefonaten endlich aus der Firma gelöscht. Es gab sehr große Differenzen zwischen Hr. B und mir da ich immer weitaus mehr Stunden gearbeitet habe als mir bezahlt wurden und er mich dann noch zusätzlich in den Aussendienst, mit meinem privaten PKW ohne jegliche Zuschläge, für Tele2 Verträge schickte da er nicht genug Arbeit im Büro für mich hatte. Durch Zufall habe ich die Stellung bei der Fa. Y-GmbH dann gefunden und bin aus dem Unternehmen ausgeschieden.

5.) Ich habe Hr. B persönlich und mündlich darüber informiert - in einem Streitgespräch.

6.) Hierzu kann ich leider keine Angaben machen, da ich keinerlei finanzielle Einsicht hatte. Für Hr. B war ich immer die Büroangestellte und ich habe dieses Recht auch nicht  ingefordert da diese Gründung eben nur freundschaftlich war, um ihm zu helfen die Ltd. zu gründen und ich eine Festanstellung hatte um nicht mehr arbeitslos zu sein.

Ich habe leider überhaupt nichts Schriftliches über dieses Unternehmen, ich habe auch weder meine Abmeldung noch ein Zeugnis für die Zeit der Tätigkeit erhalten. Ich habe zwar mehrmals telefonisch bei Hr. B urgiert, jedoch nie erhalten. Da ich eine neue Anstellung hatte, war mir das dann auch nicht so wichtig.

Auch über den Abschluss bzw. der Gründung der Ltd. Habe ich keine Unterlagen, die hatte alle Hr. B in seinen Unterlagen.

Ich weiß, es war sehr blauäugig und naiv von mir da mitzumachen. Ich dachte mir überhaupt nichts Schlimmes dabei, wollte ihm einfach helfen und dachte aufgrund der Nachricht von Fr. A, dass ich mit der Firma nichts mehr in irgendeiner Form zu tun habe das es für mich auch erledigt ist.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Laut Firmenbuch war die Bf. seit der Gründung der Fa. X-Limited, FN 3***, im Zeitraum Datum4 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes X vom Datum2, Zl. 1***, vertretungsbefugtes Organ dieser Limited. Gemeinsam mit der Bf. war A als ständige Vertreterin und somit als gesetzliche Vertreterin der Primärschuldnerin Fa. X-Limited im Firmenbuch eingetragen.

Die Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person, welche gemäß § 9 Abs. 1 BAO, bei Vorliegen der übrigen Haftungsvoraussetzungen, zur Haftung herangezogen werden können.

Mit Beschluss des Landesgerichtes X vom Datum1, Zl. 1***, wurde der Konkurs über das Vermögen der Primärschuldnerin mangels Kostendeckung aufgehoben. Am Datum3 wurde die Fa. X-Limited gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Die unbestrittene Uneinbringlichkeit der nach wie vor uneinbringlich aushaftenden haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht somit zweifelsfrei fest.

Der Kernpunkt des Beschwerdevorbringens der Bf. liegt darin, dass die Bf. mit Ende August 2012 ihr Dienstverhältnis gegenüber der Fa. X-Limited beendet und sie ihre Geschäftsführerfunktion, die nach ihrem Beschwerdevorbringen tatsächlich nie von ihr ausgeübt wurde, somit zurückgelegt habe. Seitens der zweiten Geschäftsführerin Frau A sei ihr in Telefonaten (Oktober 2012) bestätigt worden, dass ihre Löschung im Firmenbuch durchgeführt worden sei. Dieses Vorbringen der Bf. erscheint dem Bundesfinanzgericht auch insofern plausibel und glaubhaft, weil die Bf. sofort im Anschluss an ihre Kündigung bei der Primärschuldnerin ab ein Dienstverhältnis bei der Fa. Y-GmbH begann.

Der Rücktritt des Geschäftsführers einer GmbH ist - wenn auch im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt - als einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers der Gesellschaft gegenüber möglich ().

Eine einseitige Niederlegung der Vertretungsbefugnis ist, wie dem Geschäftsführer einer GmbH, auch dem Vorstandsmitglied einer AG möglich. Als empfangsbedürftige Willenserklärung erlangt die Rücktrittserklärung eines wie immer bestellten Vorstandsmitglieds verbandsrechtliche Geltung, sobald sie der Gesellschaft in rechtsgültiger Weise zugekommen ist ().

Mangels dagegen sprechender Umstände geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Bf. mit als Geschäftsführerin der Fa. X-Limited zurückgetreten ist. Zwar ist der Bf. vorzuwerfen, dass sie nicht eigenständig ihre Löschung im Firmenbuch, welcher nur deklarative Bedeutung zukommt,  veranlasst und auf die diesbezüglichen Zusagen der weiteren Geschäftsführerin vertraut hat, jedoch stellt dies keine abgabenrechtliche Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO dar.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. z.B. ).

Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen, lohnabhängigen Abgaben (L, DB, DZ), Vollstreckungsgebühren, Barauslagenersätze, Stundungszinsen und Säumniszuschläge sind allesamt nach Beendigung der Geschäftsführerfunktion der Bf. fällig und fielen damit nicht (mehr) in ihren Zuständigkeitsbereich. Eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kann daher der Bf. nicht angelastet werden.

Mit Bescheiden vom wurden nach Durchführung einer Außenprüfung (GPLA-Prüfungsbericht vom ) während des aufrechten Konkursverfahrens Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2012 festgesetzt, wobei die Meldung und Abfuhr der lohnabhängigen Abgaben bis Juli 2012 (fällig am ) noch zu den Geschäftsführerpflichten der Bf. gehört hat. Nach den Feststellungen im Rahmen der Außenprüfung erfolgte für den Zeitraum ab - mangels Vorlage von Aufzeichnungen - eine pauschale Hinzurechnung eines Sachbezuges PKW für die Privatnutzung des Firmenkraftfahrzeuges durch die Geschäftsführerin. Da einerseits nur mehr die Monate Juni und Juli 2012 in den Zuständigkeitsbereich der Bf. als Geschäftsführerin fielen und diese Beträge sich (anteilig) als geringfügig darstellen sowie anderseits eine genaue Zuordnung zu den einzelnen Monaten nach der Aktenlage nicht getroffen werden kann, war auch die Beschwerde in diesem (geringfügigen) Teilaspekt Folge zu geben. Dies auch aus der Erwägung heraus, dass der Bf. insoweit nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, zu einer konkretisierten, monatlich zugeordneten Höhe der lohnabhängigen Abgaben Stellung zu nehmen. 

Da somit der Bf. keine abgabenrechtlichen Pflichtverletzungen in Bezug auf die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten und Nebengebühren anzulasten sind, war der Beschwerde insgesamt Folge zu geben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102078.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at