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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2019, RV/5100893/2018

Wiederaufnahme des Verfahrens - hinreichende Begründung notwendig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde vom und (St.Nr. xxx), hinsichtlich Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 und 2015, Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie Festsetzung von Anspruchszinsen 2015

I) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochenten Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 20015 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Vewaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-VErfassungesgesetz (B-BG) nicht zulässig.

II) beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

 
Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2014 und 2015 bei der Firma A C KG, deren Geschäftszweig laut Firmenbuch in Innen- und Außenputzarbeiten bestand, als Arbeiter beschäftigt.

Anlässlich einer Hausdurchsuchung am bei der Firma A C KG wurden Unterlagen sichergestellt, aus denen hervorging, dass in den Jahren 2014 und 2015 unter anderem auch an den Beschwerdeführer Schwarzzahlungen für geleistete „Übermeter“ geflossen waren. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers war bei seiner Vernehmung voll geständig und gab zu, diese Zahlungen nicht über das Lohnkonto abgerechnet zu haben. In der Anklageschrift vom erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Hinterziehung von Lohnabgaben durch Schwarzzahlungen für „Übermeter“. Im Urteil vom Dat1 folgte das Gericht der Anklage und erkannte den steuerlich verantwortlichen Geschäftsführer der A C KG der Abgabenhinterziehung für schuldig, indem er unter anderem eine Verkürzung von Lohnabgaben für die Zeiträume 1/2012 bis 12/2015 in der Höhe von insgesamt 263.834,99 € bewirkt hatte.

Aufgrund des rechtskräftig gewordenen Strafurteils stand somit fest, dass dem Beschwerdeführer im Jahr 2014 ein Geldbetrag in Höhe von 2.047,33 € und im Jahr 2015 in Höhe von 10.855,34 € zugeflossen waren.

Das Finanzamt erstellte in der Folge zusätzliche Lohnzettel für die Zeiträume 2014 und 2015 und erfasste diese Beträge als Bezüge gemäß § 25 EStG 1988 (KZ 210 und 245).

Nach Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 wurden die Einkommensteuern unter Berücksichtigung von weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neu festgesetzt.
Angefochtene Bescheide:
 < Wiederaufnahme Einkommensteuer 2014 und 2015 ( und )
 < Einkommensteuer 2014 und 2015 ( und )
 < Anspruchszinsen 2015 ()
Im Rahmen einer Hausdurchsuchung beim ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers seien Belege über Barauszahlungen gefunden worden, welche nicht über das Lohnkonto des Beschwerdeführers abgerechnet worden seien. Nunmehr sei dieses Einkommen hinzugerechnet worden.

Die Wiederaufnahmebescheide betreffend die Jahre 2014 und 2015 enthielten folgende Begründung:
„Das Verfahren war gemäß § 303 (1) BAO wiederaufzunehmen, weil dem Finanzamt auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) erst nachträglich Umstände bekannt wurden, die im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent waren und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt. Zur näheren Begründung wird auf die Begründung des im wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheid verwiesen.“

Die im wiederaufgenommenen Verfahren neuen Sachbescheide wiesen gegenüber den Erstbescheiden im Ausmaß der oben genannten Beträge höhere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus. In der Begründung der Bescheide finden sich hinsichtlich der Erfassung dieser Bezüge keine Ausführungen, sondern lediglich zum anzuwendenden Progressionsvorbehalt.

Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen oben genannte Bescheide eingereicht.
Begründend wurde ausgeführt, dass die lohnsteuerprüfende Behörde den wesentlichen verfahrensrechtlichen Grundsatz des Parteiengehörs iSd § 115 Abs. 2 BAO missachtet hätte, da dem Beschwerdeführer keinerlei Recht zur Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen gewährt worden sei, wonach für Außenputzarbeiten in den oben genannten Zeiträumen zusätzlicher Arbeitslohn „schwarz“ ausbezahlt worden sei. Das Recht zu diesem Sachverhalt gehört zu werden, sei weder im Rahmen der Niederschrift noch durch eine förmliche Mitteilung verwirklicht worden.
Aus der Sicht des Beschwerdeführers seien diese Behauptungen jedoch unrichtig bzw. seien die seitens der Abgabenbehörde bzw. Prüfungsbehörde festgesetzten zusätzlichen Bruttobezüge jedenfalls überhöht.
Ausgehend von dem an das Finanzamt übermittelten Jahreslohnzettel seien für die Vollzeitbeschäftigung für den Zeitraum 03-10/2015 26.649,31 € brutto verdient worden und für annähernd den gleichen Zeitraum 04-10/2015 ein Betrag von 10.855,34 € „schwarz“ ausbezahlt worden. Ein Bruttobezug für den gesamten Zeitraum 03-12/2015 iHv gesamt 37.504,65 € für Verputz- und Estricharbeiten würde jedoch jeglicher Lebenserfahrung widersprechen.
Darüber hinaus wäre die Einhaltung eines derartigen Arbeitspensums um diesen Verdienst zu rechtfertigen für diesen Zeitraum schlicht undenkbar.
Infolge der Verletzung des Verfahrensgrundsatzes auf Parteiengehör und aufgrund der oben stehenden Ausführungen würde die Einkommenssteuernachforderung zu Unrecht bestehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, anlässlich einer Hausdurchsuchung am bei der A C KG Belege über Barauszahlungen an den Beschwerdeführer gefunden worden seien. Auf Grund dieser Belege und der Angaben des ehemaligen Arbeitgebers seien die Barauszahlungen, die nicht über das Lohnkonto abgerechnet worden seien, als steuerpflichtiger Lohn nachverrechnet worden.
Als zwingende Folge der Abweisung der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid sei auch die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen abzuweisen gewesen.

Mit Eingabe vom wurde ein Vorlageantrag betreffen oben genannte Bescheide eingereicht.
Die von der belangten Behörde getroffenen Annahmen, die offenbar auf gefundenen Belegen über Barauszahlungen beruhen, seien nicht korrekt. Dem Beschwerdeführer sei auch keine Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Ermittlungsergebnissen zu äußern, sodass auch eine Verletzung des Parteiengehörs vorliegen würde. Mit den Argumenten des Beschwerdeführers hätte sich die belangte Behörde nicht im Geringsten auseinandergesetzt, wodurch der Bescheid ebenfalls mangelhaft sei.

Weiters werde beantragt, dem Beschwerdeführer eine vollständige Kopie jenes Aktes zu übermitteln, den die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht vorlegen würde.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Darin wurde seitens der belangte Behörde beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass im Beschwerdeverfahren des Arbeitgebers die Zuschätzung weder dem Grunde nach, noch der Höhe nach bestritten worden sei.

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung auf schriftlichem Wege zurückgezogen.

ENTSCHEIDUNG

A) Dem Erkenntnis wurde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die belangte Behörde hat in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens, die wesentlichen Sachverhaltselemente, welche Grund für die Wiederaufnahme waren, klar darzustellen.
Aus dem oben dargestellten Verwaltungsgeschehen lässt sich allerdings der genaue Wiederaufnahmegrund nicht klar definieren.

B) Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen sowie aus dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom Dat1.

C) Rechtliche Würdigung:

Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können. Auch hinsichtlich ihrer Behebbarkeit sind sie getrennt zu beurteilen. Sind beide Bescheide mit Beschwerde angefochten, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (Ritz, BAO6, 1207).

Zu den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden

Rechtliche Grundlagen:

§ 303 Abs. 1 BAO idF BGBI. l Nr. 14/2013 lautet:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Als „Tatsachen“ im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich die mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängenden tatsächlichen Umstände gemeint, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. „Beweismittel“ dagegen sind Mittel zur Herbeiführung der Überzeugung vom gegebenen Sein oder Nichtzutreffen von Tatsachen, letztlich zur Herbeiführung eines Urteils über einen rechtsbedeutenden Sachverhalt. Nach § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Als Beweismittel können daher Urkunden, Datenträger, Sachverständigengutachten‚ aber auch Aufzeichnungen, Aktenvermerke und Lohnzettel in Betracht kommen. „Neu hervorgekommene Tatsachen“ und „neu hervorgekommene Beweismittel“ sind zwei eigenständig zu beurteilende, jeweils für sich wirksame, somit für sich völlig selbständige Wiederaufnahmegründe (Stoll, BAO, 2924).

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 Abs. 1 BAO der Abgabenbehörde zu, die den zu ersetzenden Bescheid erlassen hat. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Behörde (vgl. ).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt ist die „Sache“, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid, wie dem der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen, wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. ). Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes bei Entscheidungen über Beschwerden gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat dieses die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid ersatzlos beheben (vgl. ; , 2013/15/0280). Am Finanzamt liegt es dann, ob es etwa andere Wiederaufnahmegründe aufgreift und zu einer (neuerlichen) Wiederaufnahme heranzieht (vgl. ).

Eine Maßnahme nach § 303 BAO ist eine Ermessensentscheidung. Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zwecks der Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis. Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben (Ritz, BAO6‚ 1197).

Ein von Amts wegen erlassener Bescheid hat gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO unter anderem eine Begründung zu enthalten. Die Ermessensübung ist ebenfalls entsprechend zu begründen.

Das bedeutet für den Beschwerdefall:

Die Begründung der angefochtenen Wiederaufnahmebescheide erschöpft sich im Verweis auf das Einlangen „eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, etc.)“, auf Grund dessen dem Finanzamt "erst nachträglich Umstände bekannt wurden, die im betreffenden Veranlagungsjahr bereits existent waren und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung" ergab.
Nicht angeführt wurde hingegen, dass es sich dabei um zusätzliche Bezüge der „A C KG in Liqu“ gehandelt hatte. Zur näheren Begründung verwies das Finanzamt ausdrücklich auf die Begründung der neu erlassenen Einkommensteuerbescheide. Diese im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide wiesen gegenüber den Erstbescheiden im Ausmaß der oben genannten Beträge höhere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus, wobei als zusätzliche bezugsauszahlende Stelle die „A C KG in Liqu" angeführt wurde. In der Begründung der neuen Sachbescheide finden sich hinsichtlich der Erfassung dieser Bezüge keine Ausführungen, sondern lediglich zum anzuwendenden Progressionsvorbehalt.

Weder aus den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden noch aus den Sachbescheiden ergaben sich somit weitere Informationen darüber, welche Umstände oder Tatsachen zur Erstellung und Erfassung der Lohnzettel der bezugsauszahlende Stelle „A C KG in Liqu“ nach Erlassung der Einkommensteuer(erst)bescheide 2014 und 2015 geführt hatten.

Entscheidend ist, welche Wiederaufnahmegründe vom zuständigen Finanzamt herangezogen wurden. Dies deshalb, weil das Bundesfinanzgericht lediglich darüber zu entscheiden hat, ob die von der Behörde angeführten Gründe tatsächlich eine Wiederaufnahme rechtfertigen, nicht aber, ob andere (neue) Wiederaufnahmegründe vorliegen.

Einziger Wiederaufnahmegrund der Behörde war der Hinweis auf einen neuen oder berichtigten Lohnzettel bzw. die Erfassung zusätzlicher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit durch die „A C KG in Liqu" in den Sachbescheiden. Welche konkreten Sachverhaltsmomente bzw. Tatsachen, die neu hervorgekommen wären, tatsächlich dafür bestimmend waren, ergab sich weder aus den Wiederaufnahme- noch aus den Sachbescheiden.

Eine Wiederaufnahme ist jedoch nur zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind. Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existente Tatsachen oder Beweismittel, die erst später hervorkommen und im abgeschlossenen Verfahren nicht bekannt waren (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) bilden hingegen keinen Wiederaufnahmegrund (vgl. ). lst eine Tatsache als solche nicht bekannt gewesen, vermag aber hierüber ein nachträglich zu Stande gekommenes Beweismittel erstmals die erforderliche Sachkenntnis zu verschaffen, so ist das Beweismittel, das den Wiederaufnahmegrund abgeben soll, ungeachtet der neu hervorgekommenen Tatsache nicht neu hervorgekommen und kann nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grund des neu hervorgekommenen Beweismittels führen, weil das Beweismittel nicht während des Verfahrens existent war. Entsteht ein Beweismittel neu und vermag es über Tatsachen einen Beweis zu erbringen, die zum Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens gehören, aber vor Bescheiderlassung nicht bekannt waren, dann sind es die durch das neue Beweismittel hervorgekommenen (alten) Tatsachen, die den Wiederaufnahmegrund abgeben können (Stoll, BAO, 2923ff).

Der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 303 BAO mit der Anführung der „neu hervorgekommenen Tatsachen“ und „neu hervorgekommenen Beweismitteln“ zwei eigenständig nebeneinander stehende Wiederaufnahmegründe festgelegt hat, impliziert, dass aus der sich aus dem Sachbescheid ergebenden Änderung der Bemessungsgrundlagen (hier: höhere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) nicht automatisch eine aus dem Wiederaufnahmegrund des Beweismittels ableitbare neu entstandene Tatsachen abgeleitet werden kann. Würde man dies unterstellen, dann würde jedes als Wiederaufnahmegrund herangezogene Beweismittel automatisch auch eine als Wiederaufnahmegrund zu wertende Tatsache in Form der Änderung der Bemessungsgrundlagen darstellen. Die Heranziehung eines eigenen Wiederaufnahmegrundes „neu hervorgekommene Beweismittel" wäre diesfalls obsolet und kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er dem Wiederaufnahmetatbestand des neu hervorgekommenen Beweismittels keine eigenständige Bedeutung zugewiesen hätte. Schon allein auf Grund dieser Überlegungen kann die sich aus dem Sachbescheid ergebende Änderung der Bemessungsgrundlagen nicht als ausreichende Beschreibung einer Tatsache, die neu hervorgekommen ist, erachtet werden. Vielmehr müsste sich aus der Begründung der Wiederaufnahme eine Beschreibung jener Tatsache(n) ergeben, die von der Abgabenbehörde als maßgeblich für die Erhöhung der Bemessungsgrundlage und somit als Wiederaufnahmegrund herangezogen wurden (vgl. ).

lm Beschwerdefall sah das Finanzamt offenbar im zusätzlichen Lohnzettel (bzw. Mitteilung oder Meldung) als Beweismittel bezüglich der Höhe der Einkünfte einen tauglichen Wiederaufnahmegrund. Die maßgeblichen Lohnzettel wurden allerdings erst auf Grund der Ergebnisse der Hausdurchsuchung am und der Feststellungen der bei der A C KG im Mai 2016 durchgeführten Außenprüfung erstellt, somit also zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Einkommensteuer(erst)bescheide 2014 und 2015 schon längst ergangen und in Rechtskraft erwachsen waren. Es handelte sich dabei unbestritten um nachträglich entstandene, nicht aber um neu hervorgekommene Beweismittel. Mit dem Verweis auf die gegenständlichen Lohnzetteln bzw. Mitteilungen bezog sich das Finanzamt somit auf einen untauglichen Wiederaufnahmegrund.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht nachholbar. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1 BAO) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3 BAO). Außerdem ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden (Ritz, BAO6, 1206). Die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung vom vermochte daher die entsprechende Feststellung in den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden nicht ersetzen.

Wiederholte Wiederaufnahmen eines Verfahrens sind zulässig (Ritz, BAO6, 1205).
Dem Finanzamt bleibt es daher unbenommen, andere Wiederaufnahmegründe aufzugreifen und eine neuerliche Wiederaufnahme zu verfügen. So würden Ausführungen im Tatsachenbereich, insbesondere zur Zahlung von Schwarzgeldern durch den Arbeitgeber und die dadurch bedingte Erstellung zusätzlicher Lohnzetteln bzw. Mitteilungen „neu hervorgekommene Tatsachen“ und somit einen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015

Gesetzliche Grundlagen:

§ 261 Abs. 2 BAO lautet:
Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist gemäß § 307 Abs. 1 BAO unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren nach § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

Das bedeutet für den Beschwerdefall:

Da der Beschwerde gegen die die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheide entsprochen wurde und durch die Aufhebung der die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide das Verfahren gemäß § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurückgetreten ist, in der es sich vor der Wiederaufnahme befunden hat, war die gegen die Sachentscheidungen (Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015) gerichtete Beschwerde gemäß § 261 Abs. 2 BAO mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären.

Zur Festsetzung von Anspruchszinsen 2015

Rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013, sind Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz.
Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid gemäß § 252 Abs. 1 BAO nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt Abs. 1 sinngemäß, wenn einem Bescheid Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Abgabenbescheid getroffen worden sind.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) erfasst § 252 Abs. 2 BAO Fälle, in denen ein Abgabenbescheid die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Grundlage für einen davon abzuleitenden anderen Abgabenbescheid abgibt. Dazu gehören auch die Anspruchszinsen, welche zur festgesetzten Abgabe (hier: Einkommensteuer) formell akzessorisch sind. Sie sind insoweit von der festgesetzten Abgabe zu berechnen, als ihre Bemessungsgrundlage von der Höhe der festgesetzten Abgabe abhängt. ln dieser Hinsicht sind Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Spruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden. Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist selbständig anfechtbar. lm Hinblick auf die Bindungswirkung kann jedoch eine Anfechtung mit der Begründung, der maßgebliche Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig, von vornherein nicht zum Erfolg führen. Ändert sich die Bemessungsgrundlage von Anspruchszinsen mit der Höhe der festgesetzten Abgabe, bietet eine verfahrensrechtliche Handhabung zur Anpassung der Anspruchszinsenfestsetzung § 295 Abs. 3 BAO.

Wird daher der Abgabenbescheid abgeändert, so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid gebundenen neuen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es hat von Amts wegen ein weiterer Zinsenbescheid zu ergehen, ohne dass eine Abänderung des ursprünglichen - wirkungslos gewordenen - Zinsenbescheides zu erfolgen hat (vgl. ).

Das bedeutet für den Beschwerdefall:

lm gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom auch den Bescheid vom , betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2015 bekämpft.

Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Bescheidspruch des Stammabgabenbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden sind. Wegen dieser Bindung ist der Zinsenbescheid nicht mit Aussicht auf Erfolg mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

lm Lichte der oben dargestellten Rechtslage und der dazu vorliegenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte der Beschwerde betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2015 kein Erfolg beschieden sein.

D) Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen, ist auf Ebene der Beweiswürdigung im Einzelfall zu klären. Das gegenständliche Erkenntnis war nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 166 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 305 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 3 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100893.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at