Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2019, RV/5102157/2016

Krankheitskosten: Diätverpflegung ohne Selbstbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. NN in der Beschwerdesache BF, vertreten durch EUROCON Wirtschaftstreuhand Steuerberatungsges.m.b.H., Raiffeisenweg 3, 4770 Andorf, über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid der belangten Behörde XYZ vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung, StNr. 123) 2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2014
Einkommen
34.222,11 €
Einkommensteuer
9.021,89 €
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabenschuld)
9.022,00 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Erkenntnisspruches bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt/Verfahren

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2014

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung des pauschalen Freibetrages für Diätverpflegung wegen „Zuckerkrankheit, Tuberkulose, Zöliakie, Aids“ als außergewöhnliche Belastungen bei eigener Behinderung und gab den Grad der Behinderung mit 30 % an.

In Beantwortung des Vorhaltes vom legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Sozialministeriums vor, nach dem die Voraussetzungen für einen Behindertenpass nicht vorlägen, da laut Sachverständigengutachten vom lediglich eine 30 %ige Behinderung gegeben sei.

Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Diätkosten in Höhe von 840 € als außergewöhnliche Belastungen, die jedoch aufgrund eines Selbstbehaltes von 4.915,09 € steuerlich nicht zum Tragen kamen (Bescheid vom ).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte, den Pauschalbetrag für Diätverpflegung in Höhe von 840 € ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen. Auf die näheren Ausführungen in der Beschwerdeschrift und das vorgelegte Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen über die Begutachtung am wird verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab; auf die Begründung wird verwiesen.

Mit Vorlageantrag vom innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist beantragte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Auf die nähere Begründung und die vorgelegten Unterlagen Blg. A) bis D) (Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen über die Begutachtung am , Behindertenpass ausgestellt am , Schreiben des SMS vom , Mail vom ) wird verwiesen. Weiters wurde die Vorlage einer Bescheinigung, seit wann die Notwendigkeit der Einhaltung einer Krankendiätverpflegung bestehe, in Aussicht gestellt.

In weiterer Folge legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Am erfolgte die Vorlage der oben erwähnten Bescheinigung über die Notwendigkeit einer Krankendiätverpflegung.

Festgestellter Sachverhalt

Beim Beschwerdeführer liegt im beschwerdegegenständlichen Jahr Diabetes mellitus II (insulinpflichtige Diabetes) vor. Der Grad der Behinderung aus diesem Krankheitsbild beträgt 30 %.

Die Notwendigkeit einer Krankendiätverpflegung ist gegeben.

Beweiswürdigung

Laut Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen über die Begutachtung am , in dem ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % bescheinigt wird, leidet der Beschwerdeführer ua. – unverändert zum Vorgutachten – an "Diabetes mellitus, Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage" (Grad der Behinderung 30 %). Die Notwendigkeit einer Krankendiätverpflegung wird dort nicht bescheinigt.

Laut Vorgutachten vom liegt aufgrund der Zuckerkrankheit ein Grad der Behinderung von 30 % vor.

Auf die näheren Details beider Gutachten wird verwiesen.

Der vorgelegten ärztlichen Bestätigung von Dr. B, Arzt für Allgemeinmedizin, vom ist Folgendes zu entnehmen:

"Herr W leidet seit 2004 an DM II. Seit dem Jahr 2010 wird laufend eine Medikamentation eingenommen. Seit 2013 ist Herr W. auf Insulin eingestellt.

Diagnosen: insulinpfl. DM II

Medikamente: Velmetia 50/1000mg, Insulin Levemir 100 IE.

Es wird bestätigt, dass mein Patient W, geb. am ZZ.ZZ.ZZZZ, wohnh. In A, an einem DM II leidet und er daher zur Einhaltung einer entsprechenden Krankendiät einen erhöhten finanziellen Aufwand hat."

Obwohl erst 2015 eine 30 %ige aufgrund der Zuckerkrankheit durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen festgestellt wurde, ist durch die ärztliche Bestätigung des langjährigen Arztes des Beschwerdeführers erwiesen, dass die Zuckerkrankheit bereits 10 Jahre vor dem beschwerdegegenständlichen Jahr 2014 aufgetreten ist. Eine Insulineinstellung erfolgte bereits 2013, sodass 2014 von einem Grad der Behinderung von zumindest 30 % ausgegangen werden kann.

Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).

Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (Abs. 6):

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (BudBG 2011, BGBl I 111/2010).

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 idF BudBG 2011, BGB  I 111/2010, steht dem Steuerpflichtigen jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, und er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält.

Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 wird jährlich bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % bis 34 % ein Freibetrag von 75 Euro gewährt.

Aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung BGBl 303/1996 (VO).

Gemäß § 1 Abs. 1 VO idF BGBl II 430/2010 sind die in den §§ 2 bis 4 genannten Mehraufwendungen, die der Steuerpflichtige durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt (Abs. 2).

Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen (Abs. 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 VO sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen.

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25 % sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen (Abs. 2).

Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob die Diätverpflegung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden kann.

Gemäß § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen ist für die Berücksichtigung von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei – wie im gegenständlichen Fall beantragt – Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids – ein auf diese Krankheit zurückzuführender Grad der Behinderung von mindestens 25 % Voraussetzung. Der Pauschbetrag kann auch bei einem Grad der Behinderung von weniger als 25 % ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten in Anspruch genommen werden, diesfalls aber nur mit Selbstbehalt (§ 2 Abs. 2; ; ). Ein Selbstbehalt ist dann auch bei Nachweis höherer tatsächlicher Kosten der Diätverpflegung abzuziehen (Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 35 Rz 23).

Die Erwerbsminderung des Beschwerdeführers von zunächst 30 % (Zuckerkrankheit, Begutachtung ) und später von 60 % (Zuckerkrankheit 30 %, Begutachtung ) wurde durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) festgestellt.

Der Beschwerdeführer leidet bereits seit 2004 an Diabetes mellitus (DM II) und nimmt seit 2010 laufend eine Medikamentation ein; seit 2013 ist er auf Insulin eingestellt. Nach Auskunft des Bundessozialamtes vom ist in solchen Fällen der Grad der Behinderung von 25 % bis 30 % realistisch. Die darauf folgende Begutachtung des Beschwerdeführers durch das SMS erfolgte daher erst aufgrund des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom .

Es ist jedoch davon auszugehen, dass im beschwerdegegenständlichen Jahr 2014 DM II beim Beschwerdeführer vorgelegen ist, was einen Grad der Behinderung von über 25 % bedeutet.

Im verfahrensgegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids beantragt.

Das Erfordernis einer Einnahme von Diät (Vorliegen von Mehraufwendungen dem Grunde nach) ist auf geeignete Weise nachzuweisen (-F/11). Der Nachweis der Notwendigkeit zur Einhaltung einer Diätverpflegung kann durch die Bescheinigung eines Arztes oder durch eine Bescheinigung des Bundessozialamtes erfolgen (Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG11 § 35 Rz 42). Eine Eintragung im Behindertenpass ist nicht erforderlich.

Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Diätverpflegung liegt eine Bestätigung des behandelnden Arztes vor, sodass der pauschale Freibetrag für Diätverpflegung wegen Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig ist.

Da dem Beschwerdebegehren vollinhaltlich stattgegeben wurde, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über geltend gemachte Kosten aus eigener Behinderung abgesprochen. Zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5102157.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at