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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2019, RV/5100466/2018

Fehlen eines Wiederaufnahmsgrundes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr, StNr vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom (eingelangt am ) gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2012 der belangten Behörde Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs vom , zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am langte die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 beim Finanzamt elektronisch ein.

Der Einkommensteuerbescheid 2012 wurde am erklärungsgemäß veranlagt.

Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf) ersucht, ihre beantragten außergewöhnlichen Belastungen iHv 13.646,00 Euro (Krankheitskosten, Kurkosten, etc) anhand von geeigneten Unterlagen nachzuweisen. Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit Vorhalt vom wurde der Bf erneut eine Frist bis zum gewährt. Der Vorhalt wurde tw mit Schreiben vom 7.9..2016 (eingelangt am ). Ergänzend ersuchte das Finanzamt mit Mail vom um eine Klärung der Summe der außergewöhnlichen Belastungen.

Diesem kam die steuerliche Vertreterin mit Mail vom nach.

Mit erneutem Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt um Stellungnahme zu den Punkten „Jetsetter“ und „Erholungsurlaub“.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom wurde demzufolge das Einkommensteuerverfahren 2012 gem. § 303 BAO wiederaufgenommen und ein neuer Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 erlassen.

Gegen den Wiederaufnahmebescheid 2012 vom und den Einkommensteuerbescheid 2012 vom brachte die steuerlich vertretene Bf nach erfolgter Fristverlängerung am (eingelangt am ) Bescheidbeschwerde ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom , zugestellt am wies das Finanzamt die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet ab und führte zusätzlich in der Begründung den Wiederaufnahmegrund näher aus.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Vorlage vom .

Das Finanzamt legte die Vorlage am dem BFG zur weiteren Bearbeitung vor.

Der steuerliche Vertreter hat mit Schreiben vom den Antrag auf mündliche Verhandlung und Senat betreffend 2012 zurückgezogen.

Festgestellter Sachverhalt

Das Finanzamt nahm am das Einkommensteuerverfahren 2012 gem. § 303 BAO wieder auf.
Im Spruch der Wiederaufnahmebescheide findet sich ein Hinweis auf § 303 Abs. 1 BAO, jedoch wird nicht der konkret maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand angeführt. Die Begründung des Wiederaufnahmebescheides lautet:

Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. In der Begründung wird auf den Sachbescheid (Einkommensteuer 2012 verwiesen).

Im Einkommensteuerbescheid 2012 wird hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens wie folgt begründet:

Da sie den Vorhalt vom (Telefax vom ) nicht beantwortet haben, bleiben die zusätzlichen Kosten für die Behinderung unberücksichtigt (Wiederaufnahmsgrund).

Die fristgerecht eingelangte Bescheidbeschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid und den Einkommensteuerbescheid vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom , zugestellt am abgewiesen.

In der BVE über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2012 wurde der Wiederaufnahmegrund wie folgt näher ausgeführt:

In der Begründung zur Wiederaufnahme wurde auf den Sachbescheid verwiesen. Dort wird ausgeführt, dass sie den Vorhalt vom (Telefax vom ) nicht beantwortet haben und die zusätzlichen Kosten für die Behinderung unberücksichtigt bleiben (Wiederaufnahmsgrund). Der Wiederaufnahmsgrund wird dahingehend näher ausgeführt, dass durch die Nichtbeantwortung des Vorhalts für das Finanzamt neu hervorgekommen ist, dass der Zusammenhang der Kosten für den „Jetsetter" und den „Erholungsurlaub" mit der Behinderung nicht hergestellt werden kann. Auch aus den Ausführungen in der Beschwerde zur Wiederaufnahme ergibt sich, dass der Bescheid unrichtig war, und bei Kenntnis des Umstands, dass die geltende gemachten Kosten (Urlaubsreise, Whirlpool) keine Kosten der Heilbehandlung sind (da keine ärztliche Verordnung bzw. Zeugnis vorliegt), einen anders lautenden Bescheid bewirkt hätte.

Gegen die BVEs wurde fristgerecht ein Vorlageantrag gestellt.

Mit Schreiben vom (eingelangt am ) zog der steuerliche Vertreter den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurück.

Rechtliche Würdigung

Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Beschwerde zugänglich sind. Werden – wie im gegenständlichen Fall – beide Bescheide mit Beschwerde angefochten, ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. (vgl. ).

Die Bestimmungen zur Wiederaufnahme wurden mit dem FVwGG 2012 geändert. Betreffend die amtswegige Wiederaufnahme erfolgte inhaltlich keine Abänderung. Die Judikatur des VwGH zur Rechtslage vor dem FVwGG 2012  kann somit insoweit weiterhin herangezogen werden. (, ).

Gemäß § 303 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens vom Amts wegen unter den Voraussetzungen des § 303 BAO und in allen Fällen zulässig, in denen ua Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der Rechtsprechung und Lehre gehört bereits in den Spruch des Wiederaufnahmebescheides der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand (siehe die bei Ritz, BAO6, § 307 Tz 2 angeführte Judikatur sowie Stoll, BAO-Kommentar, 2957 und Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 307 Anm 2).

Ungeachtet dessen ist die Begründung eines Bescheides jedenfalls als Auslegungsbehelf mitheranzuziehen, wenn und soweit der Spruch eines Bescheides Zweifel an seinem Inhalt aufkommen lässt (vgl zB ). Gerade für diesen Zweck kommt aber der Begründung eines Wiederaufnahmebescheides in derartigen Fällen besondere Bedeutung zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung und Lehre sind die Wiederaufnahmegründe in der Begründung eines Wiederaufnahmebescheides anzuführen (siehe die bei Ritz, BAO6, § 307 Tz 3 angeführte Judikatur). Dies ist deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung des gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie habe lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt demzufolge bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde. (Vgl. Ra 2014//15/0058)

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jenen wesentlichen Sachverhaltselementen, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde. (vgl. , , , ).

Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt ist es, (nur) zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wieder aufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben. (Vgl. , , ). (, ).

Das Finanzamt begründete den Wiederaufnahmebescheid mit der „Nichtbeantwortung des Vorhaltes“.

Ein nicht beantworteter Vorhalt stellt jedoch keine neue Tatsache oder Beweismittel iSd § 303 BAO dar, die das Finanzamt berechtigen würden eine Wiederaufnahme des Verfahrens durchzuführen. Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (). Erst die Tatsache, dass zB keine Ausgaben getätigt wurden, keine Belege vorhanden sind um die Ausgaben zu nachzuweisen, vorgelegte Belege, die den Sachverhalt erläutern, nähere Ausführungen zu den Reisen bzw. Anschaffungen, etc könnten Gründe darstellen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen.

Der Versuch des Finanzamtes die Begründung in der BVE nachzuholen ändert nichts am Ergebnis, kann doch eine fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides auch in der BVE nicht nachgeholt werden (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 303 Anm 4). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für die BVE bestehende Änderungsbefugnis ident ist mit jener für Erkenntnisse. Weiters ist im Beschwerdverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und nicht über jene der BVE zu entscheiden (vgl. Ritz6, § 307 Tz 3)

Da im Wiederaufnahmebescheid kein Wiederaufnahmegrund genannt wurde, ist der Bescheid rechtswidrig und der Bescheidbeschwerde insoweit stattzugeben.

Gemäß § 307 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Das bedeutet, dass durch die Aufhebung des hier angefochtenen Wiederaufnahmebescheides, die Festsetzung von Einkommensteuer für das Jahr 2012 vom wieder auflebt.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben) bzw. wurden sie in der Literatur einhellig beantwortet. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100466.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at