Rückwirkende Einschätzung der Entwicklungsstörung eines Kindes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr vom zu VNR 001, mit dem der Antrag vom "auf Familienbeihilfe" für das Kind K (VNR 002) für die Zeiträume Juni 2014 sowie August 2014 bis Mai 2016 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Spruch lautet:
"Ihr Antrag vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes K (VNR 002) wird für den Zeitraum Juni 2014 zurückgewiesen und für den Zeitraum August 2014 bis Mai 2016 abgewiesen."
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin bezieht für ihren Sohn seit dessen Geburt im Jahr 2005 den Grundbetrag an Familienbeihilfe.
Im Jahr 2011 wurde ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes gestellt. Im daraufhin vom Finanzamt eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumservice) vom wurde festgestellt, dass das Kind damals an Neurodermitis (Richtsatzposition , Grad der Behinderung 40%) und einer Sprachentwicklungsverzögerung (Richtsatzposition , Grad der Behinderung 30 %) litt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50 %, rückwirkend ab festgestellt. Der Beschwerdeführerin wurde daher der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe rückwirkend ab Juli 2007 gewährt.
Im Zuge der im Jahr 2014 durchgeführten Nachuntersuchung des Kindes durch das Sozialministeriumservice wurde im Gutachten vom von Dr. A, Arzt für Allgemeinmedizin, festgestellt:
Anamnese:
Es handelt sich um eine Überprüfung des laufenden Bezuges, Letztuntersuchung erfolgte 2011. K ist zur Zeit 9 Jahre alt. Zur Zeit ist die Haut gebessert, der Patient reagiert z.B. nach dem Schwimmen auf Chlorwasser, immer wieder Exazerbationen. Weiters bestehen auch diverse Allergien - Gräser, Birke, Hausstaub. Hat die 3. Klasse VS, normale Klasse besucht und kommt jetzt in die 4. Klasse.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien Frequenz):
Zaditen, Aerius bei Bedarf bei Allergieexposition, Salben bei Bedarf
Untersuchungsbefund:
9 jähriger Bub, 132 cm, 28 kg, guter AEZ. Interner Status unauffällig. Herztöne leise, rein, rhythmisch, keine vitiumtypischen Geräusche. Die Lunge zeigt einen sonoren Klopfschall und VA, die Lungenbasen sind gut verschieblich. Abdomen im Thoraxniveau, keine pathologische Resistenz. Gliedmaßen sind frei beweglich. Haut: es zeigt sich zur Zeit ein völlig normaler Hautbefund, es zeigen sich keine neurodermitischen Veränderungen.
Status psychicus / Entwicklungsstand:
K kann gut Blickkontakt aufnehmen, diesen auch halten, ist ruhig, freundlich, keine Sprachentwicklungsverzögerung, kognitiv, intellektuell zeigt sich eine gut durchschnittliche Leistungsfähigkeit mit normale abstrakt-logischen Denkvermögen und normaler Aufmerksamkeitsleistung. Der Muskeltonus normoton, der Einbeinstand kann länger als 10 Sekunden bds. gehalten werden, Zehenballen- und Hakengang sind unauffällig, das Hüpfen auf der Stelle normal, Seithüpfen und Grätsche in flüssiger Bewegungsabfolge möglich.
Relevante vorgelegte Befunde:
keine
Diagnose(n):
Z.n. Neurodermitis, diverse Allergien
Richtsatzposition: 010101 Gdb: 010% ICD: L20.8
Rahmensatzbegründung:
10 % aufgrund von leichten fallweisen Restbeschwerden nach Neurodermitis, Bedarfsmedikation bei Allergieexposition
Gesamtgrad der Behinderung:
10 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend
Die Neurodermitis ist praktisch ausgeheilt, tritt nur fallweise nach dem Schwimmen auf, Allergien können medikamentös behandelt werden, es besteht anamnestisch kein Asthma bronchiale.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Daraufhin wurde vom Finanzamt die Auszahlung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe eingestellt.
Die Beschwerdeführerin reichte mit Formblatt Beih 3, unterfertigt am , eingelangt am , neuerlich einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für ihren Sohn „ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der Behinderung, den der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung“ ein. Das Kind leide an atypischem Autismus - soziale Kommunikationsstörung, Tickstörung und ADS.
Aufgrund dieses Antrages holte das Finanzamt eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice ein. Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde nach der von Dr. A, Arzt für Allgemeinmedizin, am durchgeführten Begutachtung festgestellt:
Anamnese:
Neuantrag, Letztuntersuchung erfolgte 08/2014, Z. n. Neurodermitis, diverse Allergien, GdB 10 %. Es besteht nun eine emotionale Störung des Kindesalters mit Angst und Traurigkeit, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung.
Derzeitige Beschwerden:
Immer wieder Augenzwinkern oder Geräusche. Er ist introvertiert, hat eine verminderte Kommunikationsmöglichkeit, zieht sich eher zurück. Konzentrationsvermögen wird mit Strattera besser.
Behandlungen / Medikamente / Hilfsmittel:
Strattera 40 mg 1 morgens, keine Therapien
Sozialanamnese:
11 jähriger Bub, besucht die 1. Klasse Gymnasium in der F-Straße, musste diese Klasse wiederholen und hat vorher 4 Klassen Volksschule besucht.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Barmh. Brüder vom : emotionale Störung des Kindesalters mit Angst und Traurigkeit, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung
Barmh. Brüder vom : atypischer Autismus im Sinne einer sozialen Kommunikationsstörung, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung, durchschnittliche Intelligenz
Barmh. Brüder vom : atypischer Autismus, motorische Tic-Störung; Strattera Dosiserhöhung auf 40 mg
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: gut Größe: 147,00 cm Gewicht: 43,00 kg
Status (Kopf/ Fußschema) - Fachstatus: Interner Status unauffällig. Herztöne leise, rein, rhythmisch, keine vitiumtypischen Geräusche. Die Lunge zeigt einen sonoren Klopfschall und VA, die Lungenbasen sind gut verschieblich. Abdomen im Thoraxniveau, keine pathologische Resistenz. Gliedmaßen sind frei beweglich. Die Haut ist unauffällig. Die Wirbelsäule ist im Lot, zeigt keinen Haltungsmangel, keine Beinachsenfehlstellung, das Becken ist gerade.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Der motorische Status ist altersgemäß unauffällig. Das Gangbild unauffällig.
Psycho(patho)logischer Status:
Der Bub ist deutlich introvertiert, nimmt kaum Blickkontakt auf - extrem flüchtig, zeigt eine deutlich verkürzte Aufmerksamkeitsspanne, schnell abgelenkt und kann sich kaum auf eine Sache einlassen, kognitiv, intellektuell gute Leistungsfähigkeit.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Asperger Syndrom, atypischer Autismus, motorische Tic-Störung, 50 % aufgrund des doch deutlich erhöhten Betreuungsaufwandes inkl. notwendiger Stratteratherapie mit 40 mg
Gesamtgrad der Behinderung: 50 %
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Z.n. Neurodermitis, diverse Allergien.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Aufgrund des neuen Leidens. Z.n. Neurodermitis, diverse Allergien wurden nicht mehr berücksichtigt, da lt. Letztgutachten nur mehr 10 %‚ es wurden keine Beschwerden mehr angegeben.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern.
GdB liegt vor seit: 06/2016
Nachuntersuchung: in 3 Jahren, Verlaufskontrolle
Daraufhin gewährte das Finanzamt mit Mitteilung vom den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe rückwirkend ab Juni 2016 und zahlte diesen an die Beschwerdeführerin aus. In dieser Mitteilung wird zum verfahrensgegenständlichen Sohn der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass bis Juni 2014 die erhöhte Familienbeihilfe gewährt worden war, für den Zeitraum "Juli 2014 - Mai 2016" die "nicht erhöhte" Familienbeihilfe und für den Zeitraum "Juni 2016 - Apr. 2020" die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird.
Mit formlosem Antrag vom begehrte die Beschwerdeführerin die Gewährung des Erhöhungsbetrages „ab Juni 2014“, da es sich bei der festgestellten Behinderung ihres Sohnes um eine angeborene Behinderung handle. Lediglich der Befund über diese Behinderung sei erst im Juni 2016 ausgestellt worden (Anm.: die Beschwerdeführerin bezieht sich damit offenkundig auf den entwicklungsdiagnostischen Befund des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz, der auch im Gutachten vom zitiert wird).
Daraufhin forderte das Finanzamt neuerlich eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice an und wies dabei darauf hin, dass es sich bei der Erkrankung des Kindes nach den Angaben der Beschwerdeführerin um eine angeborene Behinderung handle und lediglich der Befund erst im Juni 2016 ausgestellt worden sei.
Im Sachverständigengutachten vom wurde von Dr. W, Ärztin für Allgemeinmedizin, aufgrund der am in Anwesenheit des Kindesvaters durchgeführten Untersuchung festgestellt:
Anamnese:
Vorgutachten 7/2007 mit GdB: 50% wegen ND (40% ) und EWR (30 %)
Vorgutachten 8/2014 mit GdB: 10% wegen ND, EWR konnte aufgeholt werden, keine Befundnachweise.
Vorgutachten 2/2017 mit GdB: 50% ab 6/2016 wegen atypischer Autismus im Sinne einer sozialen Kommunikationsstörung, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung, durchschnittliche Intelligenz.
Seither keine Operationen. Es werden keine Zeugnisse mitgebracht.
Derzeitige Beschwerden:
Er geht in die 1. Klasse Gymnasium, die er gerade wiederholt. Er hat Kommunikationsproblem in der Schule, kann nicht fokussieren, er macht vieles anders oder setzt vieles anders um als andere Kinder oder Lehrer es erwarten würden. In der Gruppe versteht er Gesagtes nicht. Geht oft verkehrt, setzt die Zehenspitzen zuerst auf den Boden auf, dann erst die Ferse. Kann sich mit Strattera besser konzentrieren. In der Volksschule war alles noch besser. Tics in Form von Schnalzgeräuschen. Ist insgesamt etwas anders als andere.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Strattera 40 mg, Allergodil, Antihistaminika
Sozialanamnese:
4 Geschwister.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Kinderneurolog. Bef. 12/2015: V.a. Aufmerksamkeitsstörung, fragl. Asperger SY., fragl. Tic Störung, fragl. Absencen.
Dr. Z 4/2015: Zeichen von Absencen, V. a. Asperger Sy. ad Abkl.
Klin. psych. Testung: 1/2014, deutl. überdurchschnittl. Intelligenz, gut sozial integriert, keine Hinweise f. ADS,
3/2015 Kikli: Pathologien im Langzeit EEG, Normbefund im Schlafentzugs- EEG.
2/2017 BHSL V.a. Absenceepilepsie, juv. Migräne, Pollenallergie
klin. psych. Testung 7/2015: deutl. Leistungs- und Prüfungsängste und Schulangst, gute Ausdauer und Konzentration.
Barmh. Brüder vom : atypischer Autismus im Sinne einer sozialen Kommunikationsstörung, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung, durchschnittliche Intelligenz.
Barmh. Brüder vom : emotionale Störung des Kindesalters mit Angst und Traurigkeit, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Größe: 152,00 cm Gewicht: 46,00 kg Blutdruck: normal
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Kopf / Hals: Brille
int. Status: unauffällig, C/P: frei.
Haut: o. B., keine Elloreszenzen
WS und Gelenke : altersgemäß beweglich
neuromot. EW in der Altersnorm, Sprache: o.B.
Gesamtmobilität - Gangbild: frei
Psycho(patho)logischer Status:
freundlich, kooperativ, im R. d. Untersuchung keine Tic's. Wirkt ruhig und introvertiert, guter Intellekt.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Atypischer Autismus mit ADHS Symptomatik. Wegen der im letzten Jahr zunehmenden Verschlechterung der sozialen Integrierbarkeit mit Schwierigkeiten in der Kommunikation begleitet von ADHS Symptomatik und motorischen Tic's bei sonst getesteten durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen intellektuellen Leistungen.
Einschätzung: GdB 50 %, Pos.Nr.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
fragliche Absencen - ohne Therapie, die Abklärungen brachten keine eindeutigen Ergebnisse, Pollenallergie, ausgeheilte Neurodermitis.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Das Vorgutachten ist schlüssig und korrekt, es wurde entsprechend der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der atypische Autismus wird zwar als angeboren eingestuft, allerdings hat sich die Beeinträchtigung erst in den letzten Jahren verschlechtert, (wurde deshalb auch erst 6/2016 abgeklärt und diagnostiziert), bis hin zu einem Zustand, den man ab 6/2016 als eine 50 % ige Behinderung bezeichnen kann. Dies bestätigt auch das Vorgutachten 8/2014, in dem keine psychosozialen Probleme beschrieben werden oder derartige Verdachtsdiagnosen geäußert werden.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern.
GdB liegt vor seit: 06/2016
Nachuntersuchung in 3 Jahren
Aufgrund dieses Gutachtens wies das Finanzamt mit Bescheid vom den „Antrag vom auf Familienbeihilfe“ für den Sohn der Beschwerdeführerin für die Zeiträume „Juni 2014 – Juni 2014“ und „Aug. 2014 – Mai 2016“ ab. In der Begründung verwies das Finanzamt auf die Bestimmungen der §§ 10 Abs. 4 und 8 Abs. 5 FLAG und führte aus, dass für Juni 2014 die erhöhte Familienbeihilfe bereits ausbezahlt worden sei. Im Zeitraum von 8/2014 bis 5/2016 sei der Grad der Behinderung mit 10 % festgestellt worden. Eine Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe sei daher (für diesen Zeitraum) nicht möglich gewesen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Darin wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass ab Juni 2016 erhöhte Familienbeihilfe gewährt werde, nicht dagegen für den Zeitraum „Juli 2014 – Mai 2016“, obwohl es sich bei Autismus und ADHS um angeborene Erkrankungen handle. Es wäre höchst unlogisch, den Zeitraum „August 2014 – Mai 2016“ auszunehmen.
In einer diese Beschwerde ergänzenden Eingabe vom führte die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten vom aus, dass sehr wohl bereits im Kindergarten- und Volksschulalter die gleiche Ausprägung (der Erkrankung) bestanden habe, sie hätte allerdings erst nach eineinhalbjähriger Wartezeit im Juni 2016 den Untersuchungstermin bekommen. Bereits im Babyalter habe sie bei jeder Mutter-Kind-Pass Untersuchung die normabweichende Entwicklung ihres Sohnes zur Sprache gebrachte. Dieser habe keine sprachliche Entwicklung gehabt und sei bereits fast zwei Jahre alt gewesen, als er endlich gelaufen sei. Dies sei jedoch erst ab dem dritten Geburtstag als Entwicklungsverzögerung eingestuft worden. Nach einem ersten Besuch bei Prof. Dr. S sei ein jahrelanger Marathon von Arztbesuchen und Psychologenterminen erfolgt. Im Jahr 2014 habe sie ihre neue Kinderärztin Dr. H an die Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Z (Befund 4/2015) überwiesen. Es sei eine sofortige Anmeldung im Autismuskompetenzzentrum im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz erfolgt. Nach eineinhalbjähriger Wartezeit habe im im Juni 2016 einen vorgezogenen Termin erhalten. Zwischenzeitlich habe es einen Termin bei Dr. Q (Neurologe) gegeben, der ihre bisherigen Erkenntnisse bestätigt habe. Erst Frau Dr. Z „stellte die anfänglich bezeichnete Entwicklungsverzögerung mit Sprachentwicklungsstörung die Diagnose atypischer Autismus, ADS und Tickstörung.“ Die bereits im Babyalter festgestellte Neurodermitis habe sich durch glutenfreie Ernährung lediglich gebessert, sei aber nicht ausgeheilt, da Neurodermitis ein Leben lang bestehe. Auch der Heuschnupfen mit sehr starker Ausprägung begleite ihren Sohn jahreszeitlich bedingt von Frühling bis Herbst und müsse medikamentös behandelt werden, ebenso die Tic-Störung.
Schließlich wurde am eine ärztliche Bestätigung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom nachgereicht, derzufolge dort beim Sohn der Beschwerdeführerin eine Autismusspektrumsstörung im Sinn eines atypischen Autismus mit ADHS-Symptomatik und motorischer Tic-Störung, multiplen Allergien diagnostiziert worden sei. Diese tiefgreifende Entwicklungsstörung werde zu den neurodevelopmental disorders gerechnet und sei als angeboren anzusehen. Die Eltern wären immer wieder bei Untersuchungen gewesen. Die Diagnose eines atypischen Autismus sei oft erst zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung definitiv zu stellen.
Daraufhin veranlasste das Finanzamt die Erstellung eines weiteren Gutachtens durch das Sozialministeriumservice und übermittelt diesem dazu die Eingaben der Beschwerdeführerin.
Im Sachverständigengutachten vom (Aktengutachten) wurde von Dr. A, Arzt für Allgemeinmedizin, festgestellt:
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorgutachten 7/2007 mit GdB: 50% wegen ND (40%) und EWR (30%).
Vorgutachten 8/2014 mit GdB: 10% wegen ND‚ EWR konnte aufgeholt werden, keine Befundnachweise.
Vorgutachten 2/2017 mit GdB: 50% ab 6/2016 wegen atypischer Autismus im Sinne einer sozialen Kommunikationsstörung, ADHS Symptomatik, motorische Tic-Störung, durchschnittliche Intelligenz.
Vorgutachten 06/2017 mit GdB 50 % ab 06/2016 wegen Atypischer Autismus mit ADHS Symptomatik
Barmh. Brüder, lnstitut für Sinnes- und Sprachneurologie vom : Atypischer Autismus, ADHS-Symptomatik, Motorische Tickstörung, Multiple Allergien
Barmh. Brüder, lnstitut für Sinnes- und Sprachneurologie vom : ärztliche Bestätigung: Bei dem nun 12-jährigen K wurde an unserem Institut eine Autismusspektrumsstörung im Sinn eines atypischen Autismus mit ADHS-Symptomatik und motorischer Ticstörung, multiplen Allergien diagnostiziert. Diese tiefgreifende Entwicklungsstörung wird zu den neurodevelopmental disorders gerechnet und ist als angeboren anzusehen. Die Eltern waren immer wieder bei Untersuchungen. Die Diagnose eines atypischen Autismus ist oft erst zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung definitiv zu stellen.
Dr. H, FA für Kinder; und Jugendheilkunde - kein Datum: Bei K besteht ein pathologisches EEG und ein diskret pathologisches Video-EEG. Da die Auffälligkeiten gering sind wird derzeit noch mit keiner antieptileptischen Therapie begonnen.
Behandlungen / Medikamente / Hilfsmittel:
Strattera 40 mg 1 Kapsel morgens
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Atypischer Autismus mit ADHS Symptomatik, 50 % aufgrund der notwendigen medikamentösen Therapie, der Verschlechterung der sozialen lntegrierbarkeit, der ADHS Symptomatik und motorischen Tic's
Gesamtgrad der Behinderung 50 %, Pos.Nr.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: fragliche Absencen ohne Therapie, die Abklärungen brachten keine eindeutigen Ergebnisse; Pollenallergie; ausgeheilte Neurodermitis
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Keine Befundänderung gegenüber der Letztuntersuchung. Die Abklärung des atypischen Autismus erfolgte erst 06/2016, vorher keine Therapie. Somit kann vorher von keinem erhöhten Betreuungsaufwand ausgegangen werden. In dem Gutachten 08/2014 wurde keine psychosozialen Probleme beschrieben und kein erhöhter Betreuungsaufwand angegeben.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern.
GdB liegt vor seit: 06/2016
Nachuntersuchung in 3 Jahren
Daraufhin wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Im neuerlich erstellten Sachverständigengutachten vom sei die Beurteilung des Grades der Behinderung im Gutachten vom bestätigt worden (50 % ab Juni 2016). Der Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familie setze einen Grad der Behinderung von mindestens 50 % voraus. Diese Voraussetzung sei im Zeitraum August 2014 bis Mai 2016 nicht erfüllt.
Dagegen richtet sich der mit zwei Eingaben vom eingebrachte Vorlageantrag. Darin wurde das bisherige Vorbringen wiederholt und insbesondere auf die langen Wartezeiten am Institut für Sprach- und Sinnesneurologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder verwiesen, die ursächlich für die späte Diagnose erst im Jahr 2016 gewesen sei. Schon in den historischen Arbeiten zum Autismus von Kanner (1943) und Asperger (1944) sei die Auffassung vertreten worden, es handele sich bei den von ihnen beschriebenen Erkrankungen wahrscheinlich um angeborene Syndrome. Mittlerweile gelte als wissenschaftlich gesichert, dass der Autismus von allen kinderpsychiatrischen Erkrankungen die Störung mit dem stärksten genetischen Einfluss ist. Für die Erblichkeit des idiopathischen Autismus sprächen in erster Linie Erkenntnisse aus umfangreichen verhaltensgenetischen Untersuchungen. Alle bekannten Studien belegten, dass es sich beim Autismus um ein komplexes genetisches Geschehen mit hoher Erblichkeit handle. Die Autismus-Diagnostik sei aufwendig und komplex. Die Diagnosekriterien seien stark abstrahiert. Sie nennten keine konkreten Merkmale wie "mit den Händen flattern", denn kein einzelnes Merkmal finde sich bei allen autistischen Menschen. Die Auffälligkeiten hätte sie bei ihrem Sohn schon seit seiner Geburt bemerkt und als ersten Ansprechpartner den zuständigen Kinderarzt einbezogen. Kinderärzte und Allgemeinärzte seien aber nur in seltenen Fällen in der Lage, eine Autismus-Diagnose zu stellen, so auch in diesem Fall. Erst 2015 habe sie eine Kinderärztin mit der Verdachtsdiagnose an Frau Dr. Z verwiesen, die sie an das Institut für Sprach und Sinnesneurologie weitervermittelt habe. Die Wartezeiten am Fachinstitut lägen leider bei 12-18 Monaten, so dass sie dort erst im Juni 2016 ihren Sohn vorstellen durfte. Am hätte sie zwischenzeitlich in der Ordination von Dr. Q, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Kinderneurologie, einen Termin wahrnehmen könne. Auch er habe empfohlen, auf den Termin im Institut zu warten, denn dort müssten aufwändige und nur in diesem Institut mögliche Untersuchungen durchgeführt werden. Entgegen dem Gutachten vom möchte sie darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine Verschlechterung der Beeinträchtigungen gehandelt habe, sondern um einen gleichbleibenden und weiterhin anhaltenden Zustand seit der Geburt ihres Sohnes. Dass die Diagnose zu einem so späten Zeitpunkt gestellt wurde, sei ursächlich dem Ärztemarathon und vor allem den extrem langen Wartezeiten geschuldet. Die Beurteilung des Grades der Behinderung von Juli 2007 bis Juli 2014 sei noch nicht der endgültigen Diagnose ihres Sohnes geschuldet gewesen, sondern lediglich seinen zum Begutachtungszeitpunkt gezeigten Beeinträchtigungen. Dass der Grad der Behinderung von August 2014 bis Mai 2016 auf 10 Prozent gesenkt wurde, sei der in diesem Zeitraum fehlenden endgültigen Diagnose geschuldet. Autisten hätten bis einschließlich 2010 mit einem GdB (Grad der Behinderung) zwischen 50 und 100 gegolten. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHG) im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht Teil 2 SGB IX sei bei autistischen Kindern bis zum 16. Lebensjahr Hilflosigkeit angenommen worden, ggf. auch darüber hinaus. Die neue Fassung kopple eine Behinderung explizit an eine Teilhabe-Beeinträchtigung. Der Grad der Schwerbehinderung bei Autismus/Asperger-Syndrom werde dort wie folgt festgelegt:
Bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen
• ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten betrage der GdS 10 - 20,
• mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten betrage der GdS 30 - 40,
• mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten betrage der GdS 50 - 70,
• mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten betrage der GdS 80 -100.
Ihr Sohn zeige mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten und falle damit in den dritten Bereich. Leider habe diese Einstufung mangels fehlender und schwieriger Diagnosemöglichkeiten erst zu einem so späten Zeitpunkt durch ein Fachinstitut erfolgen können. Die Einstufung als GdS 10 im betreffenden Zeitraum sei daher als falsch anzunehmen. Gerne könne das Finanzamt hierzu auch Kontakt zum Fachinstitut aufnehmen. Auf Anfrage würden die zuständigen Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden. Abschließend regte die Beschwerdeführerin (in der ersten Eingabe vom ) eine neuerliche Untersuchung ihres Kindes durch einen sachverständigen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Entwicklungsneurologie an.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Rechtslage und Erwägungen
1) Sache des Beschwerdeverfahrens
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht (außer in den Fällen des § 278) immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabebehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Diese Bestimmung entspricht inhaltlich dem bis zum FVwGG 2012 für Berufungsentscheidungen in Geltung gestandenen § 289 Abs. 2 BAO aF. Die Änderungsbefugnis ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (Ritz, BAO-Kommentar, 6. Auflage, § 279 Tz 10 mit Hinweis auf ; und ). Im Spruch des angefochtenen Bescheides hat das Finanzamt über die Zeiträume Juni 2014 sowie August 2014 bis Mai 2016 abgesprochen. Damit ist auch die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes auf diese Zeiträume beschränkt. Eine Entscheidung auch über den Zeitraum Juli 2014 wäre rechtswidrig, da damit die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt würde (vgl. ).
Hinsichtlich des Zeitraumes Juni 2014 wird der verfahrensgegenständliche Antrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen, da für diese Zeitraum der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ohnehin bereits gewährt und ausbezahlt wurde, und eine neuerliche Antragstellung hinsichtlich desselben Zeitraumes nicht zulässig ist. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wurde dahingehend abgeändert.
Hinsichtlich des Zeitraumes Juli 2014 ist eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes nicht zulässig, da dieser vom Spruch des Erstbescheides nicht umfasst ist. Ob für diesen Zeitraum der Erhöhungsbetrag gewährt wurde (und daher der Antrag vom insoweit zurückzuweisen wäre), oder dies nicht der Fall war (und der Antrag vom insoweit abzuweisen wäre), wird vom Finanzamt noch festzustellen sein. In der Mitteilung vom wird ausgeführt, dass für Juli 2014 nur die "nicht erhöhte" Familienbeihilfe gewährt wird, in der Beihilfendatenbank ist dagegen ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bis einschließlich Juli 2014 angemerkt.
Schließlich war der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern zu präzisieren, als nicht der „Antrag auf Familienbeihilfe“, sondern der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe abzuweisen war. Der Grundbetrag steht der Beschwerdeführerin im beschwerdegegenständlichen Zeitraum unbestritten zu. Dass sich die bescheidmäßige Erledigung des Finanzamtes nur auf den Erhöhungsbetrag bezogen hat, ergibt sich auch aus der Begründung des Bescheides vom , die im Zweifel zur Auslegung des Spruches heranzuziehen ist (Ritz, a.a.O., § 93 Tz 17 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
2) Entscheidung in der Sache
Gemäß § 8 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt sich der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
§ 8 Abs. 2 und 3 FLAG regeln die Höhe des Grundbetrages, § 8 Abs. 4 FLAG die Höhe des Erhöhungsbetrages für ein Kind, das erheblich behindert ist.
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG).
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen (§ 8 Abs. 6 FLAG).
Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG hat der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (z.B. mwN). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung der Beihilfenbehörden an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden (bzw. des Bundesfinanzgerichtes) hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig anzusehen sind (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 mwN; ebenso z.B. ; ; ; ).
Der Sohn der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2017 insgesamt drei Mal durch das Sozialministeriumservice begutachtet. In allen drei Gutachten wurde eine Einschätzung der Behinderung unter Punkt der Anlage zur Einschätzungsverordnung vorgenommen. Allein diese ist im vorliegenden Fall anzuwenden, nicht die im Vorlageantrag ins Treffen geführten „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHG) im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht Teil 2 SGB IX“.
Punkt 03.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:
03.02 Entwicklungseinschränkung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
Erfasst werden umschriebene Entwicklungseinschränkungen des Sprechens und der Sprache, des Kommunikationsvermögens, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungseinschränkungen und typische Begleiterscheinungen wie emotionale Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung).
Entwicklungsstörung leichten Grades, 10 – 40 %
10 - 20 %: Ohne wesentliche soziale Beeinträchtigung, (Familie, Schule, Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie & Schule)
Kein zusätzlicher Unterstützungsbedarf beim Lernen
30 – 40 %: Leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen, beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten
in Teilbereichen Unterstützungsbedarf beim Lernen
Entwicklungsstörung mittleren Grades, 50 – 80 %
Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in 1 bis 2 Bereichen
Globaler Unterstützungsbedarf beim Lernen
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung
50 -60%: alleinige kognitive Beeinträchtigung
70 -80%: Zusätzliche motorische Defizite
Ein wesentliches Kriterium für die Einschätzung des Grades der Behinderung ist demnach das Ausmaß der durch die Entwicklungseinschränkung begründeten sozialen Beeinträchtigung. In den Gutachten des Sozialministeriumservice wird keineswegs in Abrede gestellt, dass atypischer Autismus als angeboren anzusehen ist, sondern ausgeführt, dass sich die (soziale) Beeinträchtigung erst in den letzten Jahren „verschlechtert“ habe (Gutachten vom ). So wird in diesem Gutachten zu den "derzeitigen Beschwerden", die offenkundig von dem das Kind zur Untersuchung begleitenden Kindesvater geschilderten wurden, festgehalten: "In der Volksschule war alles noch besser." Begründet wurde der Grad der Behinderung mit "der im letzten Jahr zunehmenden Verschlechterung der sozialen Integrierbarkeit mit Schwierigkeiten in der Kommunikation". Zutreffend und schlüssig wird in diesem Gutachten und im gleichen Sinne auch im Gutachten vom festgehalten, dass im Vorgutachten aus dem Jahr 2014 keine psychosozialen Probleme beschrieben oder derartige Verdachtsprognosen geäußert worden waren. Im Einklang damit stehen auch die im Gutachten vom erwähnten Befunde. In der klinisch-psychologischen Testung aus dem Jahr 2014 wurden noch eine gute soziale Integration festgehalten und keine Hinweise auf „ADS“ gefunden. Im Befund der Dr. Z vom wird zwar festgehalten, dass sich das Kind in der Schule in den Pausen „eher zurückzieht und liest; es gibt nur einen Freund in der Klasse, mit dem er sich gut versteht“. Wenn dies aber von den untersuchenden Ärzten des Sozialministeriumservice noch nicht als ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung im Sinne des Punktes , sondern nur eine leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung im Sinne des Punktes gewertet wurde, ist dies nicht unschlüssig. Gleiches gilt für den ärztlichen Befundbericht des Dr. Q vom , wonach das Kind in der Schule als „etwas anders“ erlebt werde, „wenig Freunde“ habe und „sozial wenig“ integriert sei und als Außenseiter wahrgenommen werde.
Aus dem Einwand im Vorlageantrag, dass der Sohn der Beschwerdeführerin „mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten“ zeige, ist für das gegenständliche Verfahren insofern nichts zu gewinnen, als eine leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung noch unter Punkt fallen würde, und erst eine ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen unter Punkt einzuordnen ist.
Als nicht unschlüssig erweist sich weiters die Feststellung der untersuchenden Ärzte des Sozialministeriumservice, dass mangels Therapie vor Juni 2016 in diesem Zeitraum auch von keinem erhöhten Betreuungsaufwand ausgegangen werden konnte, der allenfalls eine rückwirkend höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt hätte.
Zur Anregung der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag, eine neuerliche Untersuchung ihres Kindes durch einen sachverständigen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Entwicklungsneurologie zu veranlassen, wird nochmals darauf hingewiesen, dass ihr Sohn im Jahr 2017 insgesamt drei Mal von Ärzten des Sozialministeriumservice begutachtet worden war und dies als ausreichend angesehen wird. Im Übrigen fordert § 8 Abs. 6 FLAG lediglich ein „ärztliches“ und kein „fachärztliches“ Sachverständigengutachten, und kann das Ausmaß der sozialen Beeinträchtigung und des Unterstützungsbedarfes eines Kindes durchaus auch durch einen Allgemeinmediziner ausreichend festgestellt werden.
Insgesamt gesehen liegen daher übereinstimmende und schlüssige Gutachten des Sozialministeriumservice vor, die nach der aufgezeigten Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für das Beihilfenverfahren bindend sind, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100121.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at