Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2019, RV/7102617/2018

Haftung eines Geschäftsführers

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch die A-GmbH, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , Steuernummer 11111, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Steuernummer 11111, wurde der Beschwerdeführer (Bf.) vom Finanzamt Wien 1/23 als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der B-GmbH in Anspruch genommen und aufgefordert den Betrag von € 322.621,85 zu entrichten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. in der Zeit von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma B-GmbH gewesen sei. Der Abgabenrückstand bestehe infolge Nichtentrichtung von Umsatzsteuer und Lohnabgaben im Zeitraum bis . Mit Beschluss des Landesgerichtes *** vom X. 2014 sei über das Vermögen der Firma B-GmbH das Sanierungsverfahren eröffnet worden, welches mit Beschluss vom X. 2014 auf ein Konkursverfahren geändert wurde. Das Konkursverfahren sei mit Beschluss vom X. 2017 nach der Schlussverteilung aufgehoben worden. Der Bf. habe keine Nachweise einer Gläubigergleichbehandlung erbracht. Die Heranziehung des Bf. im Rahmen des § 224 BAO sei zwecks Vermeidung eines Abgabenausfalls ermessenskonform, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Gegen diesen Bescheid hat der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nachforderung von Lohnabgaben durch eine Außenprüfung nach Einleitung des Sanierungsverfahrens begründet worden sei. Dem Bf. sei zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gehälter in keinster Weise bekannt gewesen, dass es zu einer Abgabenverkürzung gekommen ist. Die Verkürzung der Lohnabgaben basiere auf Fehlern in der Lohnverrechnung, die bei einem Betrieb dieser Größenordnung vorkommen können. Dem Geschäftsführer sei dabei kein Verschulden zuzuschreiben, da bei bisherigen GPLA-Prüfungen keine Feststellungen getroffen wurden. Die Nachforderung an Umsatzsteuer für das Jahr 2012 beruhe im Wesentlichen aus der doppelt abgezogenen Vorsteuer einer Schlussrechnung der Firma C-GmbH vom . Die betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen seien von eigenen Mitarbeitern der Gesellschaft, einem routinierten Team von 5 Mitarbeitern (Finanzleiter und 4 Buchhalterinnen) erstellt worden, die jahrelang ohne abgabenrechtliche Beanstandungen für die Gesellschaft tätig waren. Die Umsatzsteuervoranmeldungen würden auf Basis der im SAP generierten Umsatzsteuerverprobung erstellt. Der Bf. konnte nicht erkennen, dass sich durch die doppelte Verbuchung die Zahllast rückwirkend ändern werde, da die Zahllast zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Umsatzsteuervoranmeldung der Zahllast laut SAP entsprochen habe. Der Fehler sei erst im Juli 2014 bei der Überprüfung des Umsatzsteuerbescheides 2012 erkannt worden, woraufhin eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht wurde. Die Fälligkeit der Nachforderung sei dabei mit festgesetzt worden, ein Zeitpunkt zu dem die Gesellschaft über keine Geldmittel mehr verfügte.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Umsatzsteuer bereits mit dem 15. des auf den Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Monats fällig gewesen sei. Zudem habe der Bf. zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom mit Anbringen vom und um Fristverlängerung angesucht und folglich die berichtigte Umsatzsteuererklärung 2012 im Rahmen der Beschwerde erst am eingebracht. Dem Bf. sei daher vorzuwerfen, nicht bereits vor der Sperre der Geschäftskonten der Gesellschaft am X. 2014 die bereits fällige Umsatzsteuerschuld beglichen zu haben. Hinsichtlich der nicht entrichteten Lohnabgaben, seien die Zeitpunkte ihrer Fälligkeiten und nicht die durch die Bescheide vom ausgelösten Zahlungsfristen maßgebend. Fehler, die gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen (leichte Fahrlässigkeit) würden zur Haftungsinanspruchnahme ausreichen. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf., die Nichtentrichtung der Abgaben zum Fälligkeitspunkt sei kausal für den Abgabenausfall. Dem öffentlichen Interesse an der Abgabeneinbringung sei dabei der Vorzug gegenüber den Interessen des Bf. einzuräumen gewesen.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung hat der Bf. mit Eingabe vom binnen offener Frist einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Risikozusammenhang zwischen der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten und dem Zahlungsausfall bestehe, da der eingetretene Erfolg, die Insolvenz mit nachfolgendem Zahlungsausfall, so ferne lag, dass er nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht in Betracht gezogen werden konnte. Hinsichtlich der Umsatzsteuer sei zu bemerken, dass die Prüfung des Bescheides in den Sommermonaten und die Abstimmung zwischen Buchhaltung Geschäftsführung und Steuerberater beträchtliche Zeit in Anspruch nahm. Zudem habe das Unternehmen bereits mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekämpft, weshalb der Fokus der Tätigkeit der Geschäftsführung auf der Sanierung des Unternehmens lag. Hinsichtlich der Lohnabgaben hätte für jede Abgabe, für die eine Nachzahlung festgestellt worden ist, eine eigene Prüfung des Verschuldens des Bf. durchgeführt werden müssen. Gerade in jenen Fällen, in denen die abgabenrechtliche Pflichtverletzung zwar subjektiv vorwerfbar ist, der Grad des Verschuldens sich jedoch als so gering erweist, wäre das der Behörde eingeräumte Ermessen so zu üben, dass sich die Haftungsinanspruchnahme als unbillig erweist.

Am wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht in der Rechtssache des zweiten handelsrechtlichen Geschäftsführers der Firma B-GmbH, D.E., betreffend die Haftungsinanspruchnahme als Gesamtschuldner zur ungeteilten Hand mit dem Bf. durchgeführt. Dabei wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Lohnbuchhaltung von einem bestimmten Mitarbeiter durchgeführt worden sei, dem die Fehler bei der Lohnsteuerabfuhr nicht aufgefallen sind. Bei drei vorangegangenen Lohnsteuerprüfungen seien keine Feststellungen getroffen worden. Hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2012 seien D.E. und der Bf. von einem Mitarbeiter, Herrn F.G., aufmerksam gemacht worden, dass mit dem Bescheid etwas nicht stimmen könne. Der Bf. und D.E. seien daraufhin Ende Juli 2014 zur steuerlichen Vertretung A-GmbH gegangen, um das Problem zu klären. Es wären ausreichend liquide Mittel zur Begleichung der Umsatzsteuerschuld zur Verfügung gestanden, doch hätten zur Aufklärung des Fehlers viele Rechnungen überprüft werden müssen und seien viele Personen involviert gewesen. Der steuerliche Vertreter verwies darauf, dass es ein normaler Prozess sei, um Fristverlängerung anzusuchen, da schon Zeit vergehe, bis die Gesellschaft den Bescheid in den Händen hält. Der eingetretene Fehler wurde damit erklärt, dass die zuständige Sachbearbeiterin  eine Überprüfung der OP-Liste durchgeführt und dabei festgestellt habe, dass ein Betrag nicht ausgeziffert war. Das habe sie nachgeholt. Das sei im Zuge der Vorbereitung der Saldenbestätigung für die Abschlussprüfung gewesen. Diese Listen würden an die Lieferanten zur Bestätigung übermittelt und in weiterer Folge an die Wirtschaftsprüfer. Die Unterlagen zur Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 seien im Zeitraum Februar/März 2014 an die A-GmbH weitergeleitet worden, diese habe in der Folge die Umsatzsteuererklärung 2012 und Körperschaftsteuererklärung 2012 erstellt. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht aufgefallen, dass die Vorsteuer irrtümlich doppelt geltend gemacht wurde. Die Umsatzsteuer 2012 sei antragsgemäß veranlagt worden. Der Bescheid wurde von der Steuerberatungskanzlei an die B-GmbH übermittelt, die dann festgestellt habe, dass für dieses Jahr noch ein offener Saldo ausgewiesen ist. Die Prüfung um den Fehler zu erkennen, habe in Folge der Urlaubszeit etwas länger gedauert.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Beschwerde des D.E. Folge gegeben und der angefochtene Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass D.E. weder hinsichtlich der Lohnabgaben, noch im Zusammenhang mit der Umsatzsteuervoranmeldung September 2012 oder der Jahresumsatzsteuererklärung 2012 ein persönliches Verschulden bzw. ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden, das zumindest als fahrlässige Vorgangsweise im Sinne des § 9 BAO einzustufen wäre, angelastet werden kann, sodass mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 BAO der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Sachverhalt:

Der Bf. war gemeinsam mit D.E. vom bis zur Insol venzeröffnung Geschäftsführer der Firma B-GmbH. Am X. 2014 wurde mit Beschluss des Landesgerichtes ****, AZ. 22222, über die Firma B-GmbH ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes ***** vom X. 2014 wurde das Sanierungsverfahren in ein Konkursverfahren abgeändert, welches mit Beschluss des Landesgerichtes **** vom X. 2017 nach Schlussverteilung gemäß § 139 Insolvenzordnung (IO) aufgehoben wurde. Die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist aufgrund der Sperre des Bankkontos bereits mit X. 2014 eingetreten. Aufgrund eines Nachtragsverteilungsentwurfes des Insolvenzverwalters entfiel auf das Finanzamt Wien 1/23 eine Quote von  4,54 %.

Ad. Umsatzsteuer 2012

Betreffend die Schlussrechnung der Firma C-GmbH vom wurden Vorsteuern in Höhe von € 320.000,00 bereits aufgrund von Abschlagsrechnungen nach Maßgabe der jeweiligen Zahlung in den Umsatzsteuervoranmeldungen 10/2010, 06/2011 und 10/2011 sowie fälschlicherweise auch im Zeitpunkt der Verbuchung der Schlussrechnung (September 2012) abgezogen. Die Schlussrechnung wurde am mit dem Belegdatum gebucht. Die Gesellschaft hat die Umsatzsteuervoranmeldung für September 2012 fristgerecht abgegeben.

Die betreffende Umsatzsteuervoranmeldung wurde durch eigene Mitarbeiter der B-GmbH erstellt. Die zuständige langjährige Mitarbeiterin, die Leiterin der Buchhaltung, schied mit aus der Gesellschaft aus und war davor bereits drei Monate in Krankenstand. Erst mit konnte ein neuer Leiter der Buchhaltung eingestellt werden. Im Zeitraum vom September 2012 bis Jänner 2013 mussten daher zwei Sachbearbeiterinnen die Arbeit ihrer Vorgesetzten miterledigen.

Im Zeitpunkt der Verbuchung der Schlussrechnung wurde irrtümlicherweise keine Verrechnung der Schlussrechnung mit den bereits gebuchten Anzahlungsrechnungen durchgeführt. Diese Verrechnung erfolgte daher erst einige Zeit später und löste die Korrektur der in den Anzahlungen enthaltenen Vorsteuer aus. Im SAP-System ist die Korrektur der Vorsteuer nicht nach Maßgabe des Datums der Verbuchung der Schlussrechnung erfolgt, sondern mit dem Belegdatum . Im konkreten Fall führte dies zu einer rückwirkenden Änderung der Umsatzsteuerverprobung für September 2012. Beide Sachbearbeiterinnen kannten jedoch den vorgegebenen Prozess der Buchhaltungssoftware SAP, dass durch einen Ausgleich der Anzahlungspositionen eine Änderung in der Umsatzsteuerverprobung ausgelöst wird, nicht. Somit war ihnen auch nicht bewusst, dass für den Monat September 2012 eine neue Umsatzsteuerverprobung durch eine manuelle Eingabe aufzubereiten gewesen wäre. Die Buchungsperiode September war im Zeitpunkt des Ausgleichs der Anzahlungspositionen bereits geschlossen. Vom SAP vorgegeben, erfolgte der Ausgleich der Anzahlungspositionen in der Buchungsperiode 9 (September) mit Buchungszeitpunkt , was eine Umsatzsteuerbuchung auslöste, die allerdings im Jänner 2013 nicht erkannt und auch vom SAP-System nicht angezeigt wurde.

Betreffend die Schlussrechnung der Firma H-GmbH vom wurden Vorsteuern in Höhe von € 72.000,00 bereits aufgrund von Abschlagsrechnungen nach Maßgabe der jeweiligen Zahlung in den Umsatzsteuervoranmeldungen 05/2011 und 10/2011 sowie fälschlicherweise auch im Zeitpunkt der Verbuchung der Schlussrechnung (August 2012) abgezogen.

Folgende Umsatzsteuervoranmeldungen erweisen sich somit wie folgt als unrichtig:

August 2012: Gemeldete Vorsteuer € 212.830,21, tatsächliche Vorsteuer € 140.830,21, Differenz € 72.000,00

September 2012: Gemeldete Vorsteuer € 129.873,70, tatsächliche Vorsteuer € -190.126,30, Differenz € 320.000,00

Die Unterlagen zur Erstellung der Umsatzsteuererklärung 2012 wurden an die steuerliche Vertretung im Zeitraum Februar/März 2014 weitergeleitet und diese hat dann die Umsatzsteuererklärung und die Körperschaftsteuererklärung 2012 erstellt. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht aufgefallen, dass die Vorsteuer irrtümlich doppelt geltend gemacht wurde.

Der Umsatzsteuerbescheid 2012 wurde am antragsgemäß erlassen und hat zu keiner Nachzahlung geführt. Erst nach Einlangen des Umsatzsteuerbescheides 2012 bei der B-GmbH informierte Herr F.G. die beiden Geschäftsführer und teilte ihnen mit, dass offensichtlich ein Fehler vorliege und er sich das nicht erklären könne. Beide Geschäftsführer informierten die steuerliche Vertretung, die routinemäßig mit Anbringen vom und eine Fristverlängerung zur Einbringung einer Beschwerde beantragte. Nach Klärung des Sachverhaltes, dass Vorsteuern in der Höhe von EUR 392.000,00 irrtümlicherweise doppelt abgezogen wurden, wurde im Rahmen der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2012 am eine korrigierte Umsatzsteuererklärung 2012 erstellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde die Umsatzsteuer 2012 mit € -1.220.273,73 (Gutschrift) festgesetzt. Die Abgabennachforderung aufgrund dieses Bescheides wurde infolge geringfügiger weiterer Korrekturen mit € 390.406,84 errechnet. Von diesem Betrag haften € 303.319,52 als uneinbringlich aus.

Ad. Lohnabgaben:

Nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens wurde vom Finanzamt Wien 1/23 eine Außenprüfung gemäß § 150 BAO betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils von bis durchgeführt. Eine Nachforderung an Lohnabgaben wurde aufgrund folgender Fehler in der Lohnverrechnung festgestellt:

  • 2009 bis 2011: Goldmünzen zu Dienstjubiläen von Dienstnehmern wurden als Vorteil aus dem Dienstverhältnis als „sonstige Bezüge“ gemäß § 67 Abs.1 EStG nachversteuert.

  • 2010: Betriebsausflug und Schitag überschreiten zusammen den  Freibetrag von € 365,00.

  • 2012: Berichtigung Jahressechstel eines Dienstnehmers

  • 2012: Pauschale Reisekostenvergütungen (€ 600,00 pro Monat) stellen einen steuerpflichtigen Bezug dar

  • 2013: Wegfall des Pendlerpauschales bei privater Nutzung des Dienstwagens

  • 2013 bis 2014: Pauschale Nächtigungsvergütungen (€ 2.850,00 monatlich) stellen einen steuerpflichtigen Bezug dar

  • 2014: Anpassung der Sachbezugswerte für die Privatnutzung des PKW der Geschäftsführer von € 600,00 auf € 720,00 monatlich

Mit Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG des Finanzamtes Wien 1/23 vom und wurde der Masseverwalter der B-GmbH für die Lohnsteuer 2009 in Höhe von € 854,64, für die Lohnsteuer 2010 in Höhe von € 1.762,54, für die Lohnsteuer 2011 in Höhe von € 7.246,01, für die Lohnsteuer 2013 in Höhe von € 4.882,08 und für die Lohnsteuer 2014 in Höhe von € 2.814,66 in Anspruch genommen. Mit Bescheiden des Finanzamtes 1/23 vom wurden vom Masseverwalter der B-GmbH ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2009 in Höhe von € 89,35, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2009 in Höhe von € 8,14, ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 in Höhe von € 151,07, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 in Höhe von € 13,43, ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von € 518,02, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von € 46,05, ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2012 in Höhe von € 216,00, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2012 in Höhe von € 19,20, ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2013 in Höhe von € 280,37, ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2013 in Höhe von € 24,92, ein Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2014 in Höhe von € 345,17 und ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2014 in Höhe von € 30,68 nachgefordert.

Diese Abgabenschuldigkeiten sind zur Gänze uneinbringlich. Dem Bf. war zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gehälter nicht bekannt, dass es zu einer Abgabenverkürzung kommt. Die Lohnabgaben wurden zuvor stets ordnungsgemäß errechnet und abgeführt. Frühere GPLA-Prüfungen sind ohne Feststellungen geblieben.

Beweiswürdigung:

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt Klagenfurt Villach vorgelegten Verwaltungsakten, die Stellungnahme von D.E. vom und die Niederschrift über die durchgeführte mündliche Verhandlung des Bundesfinanzgerichtes in der Rechtssache D.E. vom . Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 224 Abs.1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs.1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Nach der Abwicklung des Konkurses und der Schlussverteilung steht fest, dass die verfahrensgegenständlichen Abgaben uneinbringlich sind.

Zur Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO müssen zudem die Verletzung von Pflichten, ein Verschulden des Vertreters und die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit gegeben sein.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Vertreters zählen insbesondere die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte und richtige Einreichung von Abgabenerklärungen, die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht und die Entrichtung der Abgaben (siehe Ritz, Bundesabgabenordnung, § 9 Rz. 12 mit angeführter Rechtsprechung). Bei Betrauung Dritter (zB Angestellter) mit den abgabenrechtlichen Pflichten besteht die Haftung vor allem bei Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten (; , 95/13/0261; , 2000/14/0106). Der Vertreter hat das Personal in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten, verborgen bleiben (; , 2000/14/0106; , 2007/15/0164). Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme.

Ad. Lohnabgaben:

Gemäß § 78 Abs.1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs.1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.

Nach § 78 Abs.3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. Zl. 2001/15/0187).

Die Lohnverrechnung erfolgte über die hauseigene Buchhaltung. Die Fehler sind von bis dahin fehlerfrei agierenden Mitarbeitern begangen und als Fehler nicht erkannt worden. Die Vorprüfungen der Abgabenbehörde ergaben keine Beanstandungen, sodass keine Veranlassung bestand, die firmeneigenen Buchhalterinnen und Buchhalter einer zusätzlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein persönliches Verschulden, als Geschäftsführer abgabenrechtliche Pflichten verletzt zu haben bzw. ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Geschäftsführers, das eine diesbezügliche Haftung auslösen hätte können, ist nicht zu ersehen, sodass der Beschwerde insoweit stattzugeben war.

Ad.  Umsatzsteuer:

Gemäß § 21 Abs.1 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG) hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs.1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Als Voranmeldung gilt auch eine berichtigte Voranmeldung, sofern sie bis zu dem im ersten Satz angegebenen Tag eingereicht wird. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Die Vorauszahlungen und der Überschuss sind Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung. Ein vorangemeldeter Überschuss ist gutzuschreiben, sofern nicht Abs.3 zur Anwendung gelangt. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück.

Gemäß § 21 Abs.3 UStG hat, wenn der Unternehmer die Einreichung der Voranmeldung pflichtwidrig unterlässt oder wenn sich die Voranmeldung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist, das Finanzamt die Steuer festzusetzen. Eine Festsetzung kann nur solange erfolgen, als nicht ein den Voranmeldungszeitraum beinhaltender Veranlagungsbescheid erlassen wurde. Eine festgesetzte Vorauszahlung hat den im Abs.1 genannten Fälligkeitstag. Die Gutschrift eines festgesetzten Überschusses wirkt bis zur Höhe des vorangemeldeten Überschussbetrages auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück. Führt eine Festsetzung zur Verminderung eines Überschusses, so gilt als Fälligkeitstag der Nachforderung der Zeitpunkt, in dem die Gutschrift des Überschusses wirksam war.

Gemäß § 21 Abs.5 UStG wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung keine von Abs.1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet.

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (; Ritz, Bundesabgabenordnung § 9 Rz. 10).

Die Fälligkeit von Abgaben ist in den einschlägigen Abgabenvorschriften geregelt. Gemäß der hier zur Anwendung kommenden Bestimmung des § 21 Abs.5 UStG wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung keine von Abs.1 und 3 leg. cit. abweichende Fälligkeit begründet.

Im Zuge der Überprüfung des Umsatzsteuerbescheides 2012 wurde festgestellt, dass Vorsteuern irrtümlicherweise doppelt abgezogen wurden. Die aushaftende Verbindlichkeit von EUR 303.319,52 resultiert im Wesentlichen aus der doppelt abgezogenen Vorsteuer aus der Schlussrechnung der Firma C-GmbH vom . Die Vorsteuern wurden zunächst aufgrund der Abschlagsrechnungen nach Maßgabe der jeweiligen Zahlung in den Umsatzsteuervoranmeldungen 10/2010, 06/2011 und 10/2011 abgezogen sowie irrtümlicherweise auch im Zeitpunkt der Verbuchung der Schlussrechnung. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob dem Bf. an der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung September 2012 ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist.

Die Schlussrechnung wurde am mit dem Belegdatum gebucht. Die Gesellschaft hat die Umsatzsteuervoranmeldung für September 2012 fristgerecht abgegeben. Im Zeitpunkt der Verbuchung der Schlussrechnung wurde irrtümlicherweise keine Verrechnung der Schlussrechnung mit den bereits gebuchten Anzahlungsrechnungen durchgeführt. Diese Verrechnung erfolgte daher erst einige Zeit später und löste die Korrektur der in den Anzahlung enthaltenen Vorsteuer aus. Diese Korrektur wurde jedoch nicht im November 2012, sondern, nach Maßgabe des Belegdatums, mit in der Buchhaltungssoftware SAP erfasst.

Am hat die zuständige Sachbearbeiterin  im Zuge der Vorbereitung der Saldenbestätigung für die Abschlussprüfung eine Überprüfung der OP-Liste durchgeführt und dabei festgestellt, dass ein Betrag nicht ausgeziffert war. Das hat sie nachgeholt. Diese Listen werden an die Lieferanten zur Bestätigung übermittelt und in weiterer Folge an die Wirtschaftsprüfer. Zu diesem Zeitpunkt war die Geschäftsführung noch nicht informiert oder involviert gewesen.

Beide Sachbearbeiterinnen kannten jedoch den vorgegebenen Prozess der Buchhaltungssoftware SAP, dass durch einen Ausgleich der Anzahlungspositionen eine Änderung in der Umsatzsteuerverprobung ausgelöst wird, nicht. Somit war ihnen auch nicht bewusst, dass für den Monat September 2012 eine neue Umsatzsteuerverprobung durch eine manuelle Eingabe aufzubereiten gewesen wäre. Die Buchungsperiode September war im Zeitpunkt des Ausgleichs der Anzahlungspositionen bereits geschlossen. Vom SAP vorgegeben erfolgte der Ausgleich der Anzahlungspositionen in der Buchungsperiode 9 (September) mit Buchungszeitpunkt , was eine Umsatzsteuerbuchung auslöste, die allerdings im Jänner 2013 nicht erkannt und auch vom SAP-System nicht angezeigt wurde.

Daraus kann nur abgeleitet werden, dass sich der Bf. innerhalb des Unternehmens auf Mitarbeiter verlassen hat, die dieses Tätigkeit jahrelang korrekt durchgeführt haben und dadurch für ihn keine Veranlassung bestand, weitere Nachprüfungen zu dem bestehenden internen Kontrollsystem zu veranlassen. Ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden, das als fahrlässige Vorgangsweise zum Zeitpunkt der Fälligkeit der ursprünglichen Umsatzsteuervorauszahlung 9/2012 im Sinne des § 9 BAO einzustufen wäre, kann darin nicht gesehen werden.

Die Unterlagen zur Erstellung der Umsatzsteuererklärung 2012 wurden an die steuerliche Vertretung im Zeitraum Februar/März 2014 weitergeleitet und diese hat dann die Umsatzsteuererklärung 2012 und die Körperschaftsteuererklärung 2012 erstellt. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht nicht aufgefallen, dass die Vorsteuer irrtümlich doppelt geltend gemacht wurde. Der Umsatzsteuerbescheid 2012 wurde am antragsgemäß ausgestellt und hat zu keiner Nachzahlung geführt. Erst nach Zustellung des Umsatzsteuerbescheides 2012 informierte Herr F.G. den Bf. und D.E. und teilte ihnen mit, dass offensichtlich ein Fehler vorliege, den er sich nicht erklären könne. Beide Geschäftsführer kontaktierten die steuerliche Vertretung, um das Problem zu klären.

Laut Aussage des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom ist es im Zusammenhang mit einer umfangreichen Fehlersuche ein normaler Prozess, um Fristverlängerung bei der Abgabenbehörde anzusuchen, da schon Zeit vergeht, bis die GmbH überhaupt den Bescheid in den Händen hält. Der Vertreter verwies auf die Involvierung zahlreicher Personen und die umfangreiche Prüfung von Rechnungen, um den Fehler zu entdecken. D.E. ergänzte, dass die Geschäftsführung damals noch nicht gewusst hat, worin der Fehler gelegen ist, es hätte auch ein Fehler der Buchhaltung sein können.

Zusammengefasst kann daher festgestellt werden, dass auch im Zusammenhang mit der Jahresumsatzsteuer 2012 dem Bf. weder ein persönliches Verschulden noch ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden, das zumindest als fahrlässige Vorgangsweise im Sinne des § 9 BAO einzustufen wäre, angelastet werden kann, sodass mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 BAO der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102617.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at