Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2019, RV/7100106/2014

Aufhebung eines nach § 295 BAO abgeänderten Bescheides, der auf einem Nichtbescheid beruht; keine Heilung durch nachträglich ergangenen Grundlagenbescheid.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, vertreten durch KPMG Niederösterreich GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Bahnhofplatz 1A/Stiege1/3 Stock, 2340 Mödling, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2008 ua Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Mitunternehmerschaft sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus verschiedenen Miteigentümerschaften als auch einer im Alleineigentum stehenden Liegenschaft.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2008 mit EUR 40.597,01 fest. Dabei berücksichtigte sie jene aus der Mitunternehmerschaft resultierenden Verluste iHv EUR -142.916,26, die dem Beschwerdeführer mit Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 der Mitunternehmerschaft vom zugewiesen wurden. 

Das Verfahren hinsichtlich des Feststellungsbescheides für das Jahr 2008 der Mitunternehmerschaft wurde mit als Bescheid intendierter Erledigung vom  infolge einer abgabenbehördlichen Prüfung wiederaufgenommen. Die geänderte Zuweisung von Verlusten iHv EUR -10.462,60 an den Beschwerdeführer erfolgte dabei mit als Bescheid intendierter Erledigung vom selben Tag. Das gegen diese Erledigung gerichtete Rechtsmittel wies das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , Gz RV/2100482/2014 mangels Bescheidqualität zurück. Mit neuerlicher als Bescheid intendierter Erledigung vom wurde das Verfahren betreffend den Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 wiederaufgenommen und mit als Bescheid intendierter Erledigung vom selben Tag dem Beschwerdeführer Verluste iHv EUR -10.462,60 zugewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , Gz RV/2101822/2014 mangels Bescheidqualität zurück. Am erfolgte daraufhin die Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens für das Jahr 2008 sowie auch die Einkünftezuweisung an den Beschwerdeführer iHv EUR -10.462,60.

In Folge der Änderung der zugewiesenen Verluste aus der Mitunternehmerschaft mit der als Bescheid intendierten Erledigung vom änderte die belangte Behörde mit Bescheid vom die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2008 gemäß § 295 Abs. 1 BAO ab. Dabei wurde auch eine Korrektur der Verlustzuweisung aus Vermietung und Verpachtung einer Miteigentümerschaft vorgenommen, welcher der Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 vom zugrunde lag.

Dagegen richtete sich die Beschwerde vom , die aufgrund der Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde. Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO, weil die als Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 intendierte Erledigung der betreffenden Mitunternehmerschaft mit Beschluss vom zurückgewiesen worden sei. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 nach § 295 Abs. 4 BAO vom brachte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit E-Mail vom zur Kenntnis.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I (Aufhebung)

1. Feststellungen

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von aus der Mitunternehmerschaft resultierenden Verlusten iHv EUR -142.916,26 als gewerbliche Einkünfte. Des weiteren erklärte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einer im Beschwerdefall maßgebenden Miteigentümerschaft iHv EUR -36.373,74. Die Veranlagung dieser Einkünfte erfolgte mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom erklärungsgemäß.

Jene aus der Mitunternehmerschaft zugewiesenen Verluste gründeten auf dem Bescheid vom über die Feststellung von Einkünften für das Jahr 2008 gemäß § 188 BAO der betreffenden Mitunternehmerschaft. Verluste aus Vermietung und Verpachtung der im Beschwerdefall maßgebenden Miteigentümerschaft wurden dem Beschwerdeführer mit Feststellungsbescheid vom für das Jahr 2008 gemäß § 188 BAO der betreffenden Miteigentümerschaft iHv EUR -36.468,31 zugewiesen. Eine nachträgliche Änderung dieses Bescheides ergibt sich aus den Verwaltungsakten nicht. Damit besteht eine Divergenz iHv EUR -94,57 zwischen erklärungsgemäßer Veranlagung und jenen aus der Miteigentümerschaft zugewiesenen Verlusten, die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom unberücksichtigt blieb.

Hinsichtlich des Feststellungsverfahrens der Mitunternehmerschaft für das Jahr 2008 erfolgte mit als Bescheid intendierter Erledigung vom  infolge einer abgabenbehördlichen Prüfung die Wiederaufnahme. Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom selben Tag wurden die dem Beschwerdeführer zugewiesenen Verluste auf EUR -10.462,60 reduziert. Da Adressat der Erledigung eine im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits aufgelöste Personenvereinigung war, stellte das Bundesfinanzgericht die fehlende Bescheidqualität dieser Erledigung fest und wies das dagegen gerichtete Rechtsmittel mit Beschluss vom , Gz RV/2100482/2014 zurück.

Infolge der mit als Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 der Mitunternehmerschaft intendierten Erledigung vom wurde - wie sich aus der Bescheidbegründung ergibt - der Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 2008 am abgeändert. Die gewerblichen Verluste aus der Mitunternehmerschaft iHv EUR -142.916,26 reduzierten sich dabei auf jene unstrittig aus einem Nichtbescheid abgeleiteten Verluste iHv EUR -10.462,60.

Im Zuge des (vermeintlich) nunmehr wieder unerledigten Einkommensteuerverfahrens des Jahres 2008 korrigierte die belangte Behörde auch jene aus der Miteigentümerschaft zugewiesenen Verluste aus Vermietung und Verpachtung von EUR -36.373,74 auf EUR -36.468,31 entsprechend dem Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 vom der Miteigentümerschaft. Anhaltspunkte, dass diese geänderte Verlustzuweisung die Grundlage für die Abänderung nach § 295 BAO dargestellt hätte, finden sich auch in der Bescheidbegründung des nach § 295 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 keine.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Aus der Begründung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 vom ergibt sich, dass die Änderung gemäß § 295 BAO aufgrund der als Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 intendierten Erledigung der betreffenden Mitunternehmerschaft erfolgt ist. Diese Erledigung ist nach dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , Gz RV/2100482/2014 als Nichtbescheid anzusehen, sodass im Zeitpunkt der Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 gemäß § 295 BAO kein geänderter Feststellungsbescheid für das betreffende Jahr der Mitunternehmerschaft vorgelegen ist.

Der Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 der Miteigentümerschaft vom  war im Zeitpunkt der Erlassung des (erstmaligen) Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 am bereits ergangen. Eine nachträgliche Änderung dieses Feststellungsbescheides erfolgte nicht. Vielmehr erfolgte die Korrektur der Verlustzuweisung iHv EUR -94,57 aufgrund des durch die (vermeintlich) geänderte Einkünftefeststellung aus der Mitunternehmerschaft unerledigten Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2008.

In Zusammenschau mit dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom ergibt sich somit, dass im Zeitpunkt der Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 am gemäß § 295 BAO kein nachträglich geänderter oder erlassener für die Einkünfteermittlung des Beschwerdeführes maßgebender Feststellungsbescheid vorgelegen hat.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, ist er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist. Änderungen von Bescheiden nach § 295 BAO haben jedoch zwingend zu erfolgen (vgl , mwN).

§ 295 Abs. 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide - hier der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 - dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht die grundsätzliche Funktion der genannten Vorschrift darin, abgeleitete Bescheide mit den aktuellen Inhalten der zu Grunde liegenden Feststellungsbescheide in Einklang zu bringen. Eine Abänderung  nach § 295 Abs. 1 BAO setzt aber voraus, dass nachträglich (nach Erlassung des "abgeleiteten" Bescheides) ein Feststellungsbescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird (vgl , mwN sowie Ritz, BAO6  § 295 Tz 3).

Im Beschwerdefall stützt sich der gemäß § 295 BAO abgeänderte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 auf einen Nichtbescheid, weil dieser an eine im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits aufgelöste Personenvereinigung ergangen war. Dass die als Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 der Mitunternehmerschaft intendierte Erledigung als Nichtbescheid anzusehen ist, ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , Gz RV/2100482/2014 mit welchem das dagegen gerichtete Rechtsmittel zurückgewiesen wurde. Liegt eine rechtskräftige Entscheidung des zuständigen Gerichts vor, ist auch das Bundesfinanzgericht daran gebunden. Die Bindungswirkung ist Ausfluss der Rechtskraft der betreffenden Entscheidung . Eine solche Bindung besteht unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (vgl Ritz, BAO6, § 116 Tz 5 sowie die darin zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nach § 295 BAO lag somit kein nachträglich geänderter, aufgehobener oder erlassener wirksamer Feststellungsbescheid der Mitunternehmerschaft vor, auf den sich die Abänderung stützen konnte.

Der Feststellungsbescheid für das Jahr 2008 vom , welcher dem Beschwerdeführer Verluste aus Vermietung und Verpachtung iHv EUR -36.468,31 zuwies, war im Zeitpunkt der Erlassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides des Jahres 2008 vom bereits bekannt. Die Korrektur der zugewiesenen Verluste aus Vermietung und Verpachtung erfolgte somit nicht aufgrund eines abgeänderten Feststellungsbescheides für das betreffende Jahr der Miteigentümerschaft. Vielmehr ging die belangte Behörde von einer vermeintlich nach § 295 BAO wieder nicht (voll-)rechtskräftig erledigten Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2008 aus, die eine Berücksichtigung ermöglicht hätte. Im Beschwerdefall lag somit aber zum Zeitpunkt der Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2008 am  gemäß § 295 BAO auch kein anderer nachträglich geänderter, aufgehobener oder erlassener wirksamer Feststellungsbescheid der Miteigentümerschaft vor, auf den sich die Abänderung hätte stützen können (vgl ). Die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2008 gemäß § 295 BAO mit Bescheid vom erweist sich sohin als rechtswidrig (vgl ).

Die zwischenzeitlich erfolgte Erlassung eines (wirksamen) Grundlagenbescheides ändert dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nichts an der Unzulässigkeit der Abänderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 vom  (vgl sowie vom , 2011/13/0061). Es kann daher im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die im wiederaufgenommenen Feststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft für das Jahr 2008 vom erfolgte Verlustzuweisung an den Beschwerdeführer iHv EUR -10.462,60 wirksam erfolgt ist.

Da somit die belangte Behörde im Beschwerdefall die Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 vom auf keinen geänderten, aufgehobenen oder erlassenen Feststellungsbescheid zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung stützen konnte (vgl nochmals sowie vom , 93/14/0203), erfolgte diese rechtswidrig, weswegen der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.

Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass eine Bescheidabänderung nach § 295 Abs. 1 BAO die nachträgliche (nach Erlassung des "abgeleiteten" Bescheides) Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides voraussetzt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl , mwN sowie Ritz, BAO6  § 295 Tz 3, mwN). Eine nach dem Zeitpunkt der Bescheidabänderung gemäß § 295 erfolgte Erlassung eines (wirksamen) Grundlagenbescheides vermag dabei nach der ständigen Rechtsprechung die Rechtswidrigkeit des nach § 295 BAO abgeänderten Bescheides nicht zu heilen (vgl sowie vom , 2011/13/0061).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961



§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100106.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at