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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2019, RV/6100628/2017

Beschwerde wegen Haftungsinanspruchnahme gem. den §§ 9 und 80 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde der A, in B, vertreten durch C, Rechtsanwalt, D, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch E, vom betreffend Haftungsinanspruchnahme gem. § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:
 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerdeführerin gem. den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung im Ausmaß von € 42.096,25 herangezogen wird.

Die Umsatzsteuer 03/2015 verringerte sich auf € 5.715,92. Im Übrigen bleiben die haftungsgegenständlichen Abgaben unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf) A gem. den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der Fa. F GmbH (kurz GmbH), FN YZ, im Ausmaß von
€ 44.348,84, siehe Aufgliederung im Haftungsbescheid (überwiegend Selbstbemessungsabgaben, USt samt Nebengebühren) herangezogen.

In der Begründung wurde ausgehend von § 9 BAO im Wesentlichen auf die Bestimmung nach § 80 BAO und die aufgrund der ständigen Rechtsprechung geltenden Beweislastumkehr hingewiesen. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Vertreters gehöre es jedenfalls, dafür zu sorgen, dass die Abgaben ordnungsgemäß und rechtzeitig (Erg. aus den Mitteln die er verwaltet) entrichtet werden. Die Bf sei als Geschäftsführerin seit YW allein verantwortlich gewesen.

Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ergebe sich durch die vom Masseverwalter im Insolvenzverfahren der GmbH (Aktenzeichen AZ) angezeigte Masseunzulänglichkeit.

Festgestellt wurde auch, dass der an die Bf übermittelte Geschäftsführer-Vorhalt vom unbeantwortet blieb (neben Ausführungen zur Beweislastumkehr und Gleichbehandlungsgebot wurde in diesem Vorhalt auch auf die Haftung als Liquidatorin hingewiesen).

Auf die im Haftungsbescheid zu treffende Ermessensentscheidung (welche zu Ungunsten des Bf getroffen wurde) wird verwiesen.

Die der Haftung zugrunde liegenden – auf bescheidmäßiger Vorschreibungen beruhenden Abgaben - Abgabenbescheide waren beigelegt.

Gegen den Haftungsbescheid brachte die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter mit Anbringen vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
Darin wurden neben dem Haftungsbescheid auch die zugrundeliegenden Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide bekämpft.

Betreffend Abgabenhöhe wurde ausgeführt, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer/n auf völlig unrealistischen Annahmen aufgrund einer Außenprüfung basiere. Dies erschließe sich schon daraus, dass die Umsätze in den vorhergehenden nicht verfahrensgegenständlichen Monaten signifikant unter den von der Abgabenbehörde angenommen Umsätzen lagen.

Auf die weiteren Ausführungen betreffend die Darstellung von allenfalls kumulierten Umsätzen wird verwiesen.

Grundsätzlich wurde eine schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten bestritten.
Tatsächlich sei das Finanzamt bei Verteilung der vorhandenen Mittel der GmbH nicht schlechter als andere Gläubiger behandelt worden. Dies deshalb, da überhaupt keine liquiden Mittel zur Verteilung vorhanden gewesen wären. Dies ergebe sich auch aus dem Umstand, dass mittels Beschluss des LG Salzburg vom XZ der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben wurde.

Da sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen von Mitteln ergeben, wäre die Behörde von ihrer Mitwirkungspflicht nicht entbunden gewesen. Konkret wär für die Behörde eine Einsicht in den Insolvenzakt geboten gewesen.

Es werde daher die ersatzlos Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt.

Diese Beschwerde wurde seitens des Finanzamtes mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ständige Judikatur des VwGH eine ziffern – und zeitraummäßige Aufstellung als Nachweis der Gläubigergleichbehandlung verlangt. (Anm. Eine solche wurde nicht vorgelegt).

Zur Ermittlungspflicht der Behörde wurde ausgeführt, dass diese nur dann in Frage kommt, wenn der Vertreter das nötige an Behauptungen und Beweisanboten zur seiner Entlastung dartut. Ein Hinweis auf den Insolvenzakt erfülle diese Qualifikation nicht. Dazu wurde auf Rechtsprechung des VwGH zB. vom , 2007/15/0039, verwiesen.
Auf das weitere Vorbringen, wonach auch der Verweis auf die Aufhebung des Konkurses vom XW mangels Masse ebenfalls nicht haftungsbefreiend sei, wird verwiesen.

Daraufhin stellte die Bf durch ihren ausgewiesenen Vertreter mit Anbringen vom einen Vorlageantrag gem. § 264 BAO.
Als Begründung wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen, eine weitere Begründung erfolgte nicht.

Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen:

Aus dem Abgabenkonto der Bf (aktuelle Rückstandsaufgliederung) ist zu ersehen, dass sich der Umsatzsteuerbetrag für 03/15 auf € 5.715.92 verringert hat.

Aus einer aktuellen Meldeabfrage ist ersichtlich, dass die Bf nach wie vor an der oben, in der Entscheidung angeführten Adresse, aufrecht gemeldet ist.

Aus dem Firmenbuch ist zu ersehen, dass die Bf ab XY als Liquidatorin bestellt wurde und seitdem selbständig vertritt.

Aus dem Abgabenkonto der Bf ist zu entnehmen, dass seit der steuerlichen Erfassung der GmbH (Ende Dez. 2014) keine einzige Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht wurde.

Aus einem Kontoauszug der GmbH vom ist ersichtlich, dass von der Primärschuldnerin im Mai 2015 Miete in Höhe von € 3.512,40 bezahlt wurde und der Kontostand mit € 489,34 betrug.
Weitere Kontoausdrucke der Bank wurden seitens der Bf nicht vorgelegt.

Rechtslage und Erwägungen

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Ver­treter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Ver­tretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie ver­walten, entrichtet werden.

§ 80 Abs. 2 BAO lautet:

Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass sich der Betrag für Umsatzsteuer 03/15 um € 2.252,59 auf € 5.715,92 verringert hat, weshalb der Beschwerde teilweise stattzugeben und die Haftung auf € 42.096,25 einzuschränken ist.

Im Übrigen kommt der Beschwerde keine Berechtigung zu.

Vorweg ist zur im Haftungsbescheid (in der Begründung) gegenüber einer Verlassenschaft der ehemaligen Geschäftsführerin ausgesprochenen Haftung darauf hinzuweisen, dass die Bf nach wie vor aufrecht gemeldet ist.

Unbestritten blieb, dass die Bf im Haftungszeitraum (vom bis ; Fälligkeitstage) Geschäftsführerin bzw. Liquidatorin der GmbH bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens (am YX) war und die nunmehr aushaftenden Abgaben bei dieser nicht eingebracht werden können. Dazu ist auf die Löschung der Firma wegen Vermögenlosigkeit am WY zu verweisen.

Wie unbestritten blieb, sind Liquidatoren gem. § 80 Abs. 2 als Vertreter im Sinne des Abs. 1 leg. cit. anzusehen, die die Pflichten, hier einer GmbH (gem.
§ 90 GmbHG) zu erfüllen haben. Siehe dazu auch in „Ritz“ Kommentar zur BAO, 6 Aufl., Rz. 8, sowie in der VwGH Entscheidung vom , Ra 2016/16/0085.

Bestritten wurde der Umstand, dass keine Mittel vorhanden gewesen wären, sodass das Finanzamt nicht schlechter behandelt worden wäre.
Dem ist, wie aus den Feststellungen zum Akteninhalt ersichtlich, entgegenzuhalten, dass Ende Mai 2015 – somit im Haftungszeitraum gelegen – Mittel bei der GmbH vorhanden waren. Zudem ist aufgrund der Festsetzungen von Umsatzsteuern durch das Finanzamt vom Vorhandensein von Mitteln auszugehen (siehe zum Beispiel Festsetzung für USt 05/15, die auf Feststellungen einer abgabebehördlichen Prüfung verweist). Weiters wird seitens der Bf selbst im Teil der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen nicht behauptet, dass keine Umsätze (was ohnedies nicht glaubhaft wäre) erzielt wurden. Vielmehr wurde vorgebracht, dass die vom Finanzamt der Haftung zugrunde gelegten Umsatzsteuerbeträge nicht realistisch seien, da die Umsätze in den vorhergehenden, nicht verfahrensgegenständlichen Monaten, signifikant unter den von der Abgabenbehörde angenommen Umsätzen liegen.
Ohnedies sagt der Beschluss des LG Salzburg vom XZ über die Aufhebung des Konkurses mangels Kostendeckung nichts über Vorhandene Mittel im Haftungszeitraum (Mai 2015 bis Februar 2016) aus.

Zu verweisen ist auch auf die ständige Rechtsprechung des VwGH, wonach Einwendungen gegen die Richtigkeit (Höhe) der Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern nur im Rechtsmittelverfahren betreffend den/die Bescheid/e über den Abgabenanspruch mit Aussicht auf Erfolg vorgebracht werden können (). Das BFG ist daher im Haftungsverfahren an die bis jetzt rechtskräftigen Abgabenbescheide – hier - Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide gebunden.

Die Bf wurde in dem dem Haftungsbescheid des Finanzamtes vorangegangen Vorhalt sowie im Haftungsbescheid selbst und in der BVE auf die geltende Beweislastumkehr hingewiesen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist die Gründe darzulegen, die ihn an der Entrichtung der Abgaben gehindert haben (siehe dazu zB. ). Andernfalls vom schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers ausgegangen werden kann.
Wie zudem vom Finanzamt ausgeführt wurde, trifft die Nachweispflicht, dass die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt wurden, den Vertreter. Auf ihm lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (siehe ).
Diese Nachweispflicht erstreckt sich neben den einzeln angeführten Haftungszeitpunkten auch auf den Haftungszeitraum vom bis zum .

Dieser Nachweispflicht (konkrete ziffern – und zeitraumäßige Aufstellung) ist die Bf in keiner Weise nachgekommen. Eine Ermittlungspflicht (Mitwirkungspflicht) der Behörde, wie in der Beschwerde unter Hinweis auf VwGH Rechtsprechung angezogen wurde, besteht daher nicht. Eben so wenig ist eine Einsicht in den Insolvenzakt vorzunehmen, da daraus ohnedies nicht ersichtlich ist, welche Zahlungen vor Konkurseröffnung an verschiedene Gläubiger vorgenommen wurden oder nicht.
Zudem wurde die Bf vom Finanzamt auf die nach ständiger Rechtsprechung des VwGH geltende Beweisvorsorgepflicht hingewiesen.
Dabei ist auch zu beachten, dass im Vorlageantrag den Ausführungen in der BVE nicht entgegengetreten wurde.

Da somit eine Gleichbehandlung der Gläubiger im Sinne der Beweislastumkehr seitens des Bf nicht nachgewiesen wurde, ist vom Verschulden des Bf auszugehen, welches kausal für die Nichtentrichtung der Abgaben anzusehen ist.

Insofern das Finanzamt eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Bf getroffen hat, ist diesem zu folgen, da die Haftungsinanspruchnahme die einzige Möglichkeit darstellt, den Abgabenausfall zu kompensieren.

Der Beschwerde kommt daher nur teilweise Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Revision an den VwGH ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (der Beweislastumkehr wurde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht nachgekommen; siehe z.B. und die weitere in diesem Erkenntnis dargestellte VwGH-Judikatur), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100628.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at