Keine Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht oder ungenügend gelesen und beachtet wird.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den R. in der Beschwerdesache A.B., Adresse1, vertreten durch die Lackner & Hausmann Rechtsanwälte OG, Probstengasse 1/1, 7000 Eisenstadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages (§ 308 BAO) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit an Herrn A.B. sowie an des BG X. gerichteten Bescheiden vom pfändete das Finanzamt zur Hereinbringung der Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers (Bf.) in der Höhe von € 3.168,16 die Forderungen des Bf. gegen A.B. aus der Schlussrechnung der Zwangsverwaltung vor dem BG X., Zl. Zl1111, in unbekannter Höhe gemäß § 65 AbgEO.
Am langte beim Finanzamt eine mit datierte Beschwerde des Bf. gegen den Pfändungsbescheid vom ein, die mit Beschwerdevorentscheidung vom als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde.
Dagegen brachte der Bf. mit Eingabe vom einen Vorlageantrag sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 208 BAO ein.
Im Wiedereinetzungsantrag wurde ausgeführt, dass der Einschreiter durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen sei, die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangenen Bescheid des Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom rechtzeitig einzubringen.
Vorsichtshalber werde in diesem Zusammenhang aber auch vorgebracht, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides - wie in der Beschwerdevorentscheidung
angeführt — mit spätestens nicht nachgewiesen sei. Alleine die Formulierung in der Beschwerdevorentscheidung, dass die Ausfertigungen an den Abgabenschuldner
ebenso spätestens am zugestellt worden seien und diesem bekannt geworden
seien, mache evident, dass die zuständige Behörde die Bescheidzustellung nicht eindeutig
objektivieren könne. Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung werde daher auch aus Gründen der Vorsicht gestellt, gleichzeitig aber auch vorgebracht, dass die
Beschwerdefrist nicht abgelaufen sei.
Wie der Einschreiter bereits in seiner Beschwerde und seinem Einspruch vom - diese werde in der Beilage nochmals vorgelegt - dargetan habe, habe er aufgrund der Textierung des zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangenen Bescheides des
Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom angenommen, dass er diesbezügliche Einsprüche und Beschwerden bei den Drittschuldnern einzureichen habe und diese sodann an das zuständige Finanzamt weitergeleitet würden.
Der Einschreiter sei daher insoweit einem Rechtsirrtum und Versehen unterlegen, was
alleine darauf zurückzuführen sei, dass es sich einerseits beim Einschreiter um eine
rechtsunkundige Person handle und andererseits die gegenständliche Angelegenheit als
durchaus komplex zu betrachten sei. Einer rechtsunkundigen Person habe aufgrund der
Tatsache, dass der anzufechtende Bescheid ja nicht direkt an den Einschreiter erlassen
worden sei, nicht eindeutig klar sein können, welche Rechtsmittelmöglichkeiten gegen den gegenständlichen Bescheid tatsächlich zur Verfügung stünden und wo ein entsprechendes Rechtsmittel einzubringen sei.
Sollte die Abgabenbehörde in diesem Versehen des Einschreiters daher überhaupt ein
Verschulden erblicken, so handle es sich lediglich um ein Versehen minderen Grades.
Festzuhalten sei an dieser Stelle, dass der Einschreiter ja innerhalb der Frist tätig geworden sei, aufgrund eines Versehens allerdings seine Beschwerde nicht an die zuständige Behörde gerichtet habe.
Nach Ansicht des Einschreiters lägen daher alle Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. So dem Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt würde, würde er den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Rechtshandlung erleiden, was für ihn mit erheblichen finanziellen Schäden verbunden wäre.
In der gegenständlichen Rechtssache wiederhole der Einschreiter unter einem nunmehr
auch seine Beschwerde bzw. erhebe der Einschreiter nunmehr Beschwerde gegen den zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangenen Bescheid des Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom und führe diese aus wie folgt:
Der angefochtene Bescheid sei inhaltlich unrichtig und materiell rechtswidrig.
Der zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangene Bescheid des Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom sei inhaltlich rechtswidrig. Der Einschreiter verweise zunächst hiezu nochmals auf seine Beschwerde und seinen Einspruch vom und führe auch nunmehr aus, dass er wegen einer missverständlichen Textierung in den Bescheiden - Verfügungsverbot vom und Bescheid über die Pfändung einer Geldforderung vom - die Beschwerde irrtümlich zunächst lediglich an die Drittschuldner in der Meinung gerichtet habe, diese müssten den Einspruch und die Beschwerde an das Finanzamt weiterleiten.
Die in dem zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangenen Bescheid des Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom ausgewiesene Forderung in Höhe von € 3.168,16 bestehe nicht zu Recht, zumal mit dem zuständigen Finanzamt bereits vormals eine Abschlagszahlung in Höhe von gesamt € 10.000,00 vereinbart worden sei und diese Abschlagszahlung fristgerecht und vereinbarungsgemäß bedient und bezahlt worden sei. Der Einschreiter lege in der Beilage auch die getroffene Vereinbarung mit dem zuständigen Finanzamt vom vor.
Eine Überzahlung sei ausschließlich deswegen zustande gekommen, weil weder das Finanzamt noch der Zwangsverwalter Auskunft über die Höhe des durch die Zwangsverwaltung angesparten Betrages Auskunft geben konnten. Eine „neue“ Zahlungsvereinbarung nach der ursprünglichen Vereinbarung vom sei wirksam nicht getroffen worden. Auch aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes X. vom Datum1 zur GZ Zl1111 - 23 habe der Einschreiter davon ausgehen dürfen, dass der Restbetrag an ihn zur Ausfolgung gelange.
Der zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangene Bescheid des Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom sei daher inhaltlich unrichtig und materiell rechtswidrig.
Der Einschreiter stelle daher die Anträge, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangenen Bescheid des Finanzamtes über die Pfändung einer Geldforderung vom stattzugeben und der Beschwerde Folge zu geben und damit den zur Abgabenkontonummer 111/1111 ergangenen Bescheid über die Pfändung einer Geldforderung vom zur Gänze und
ersatzlos aufzuheben und den zu viel eingehobenen Betrag in Höhe von € 3.168,16
auf das in der Beschwerde bekannt gegebene Konto des Einschreiters zu bringen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung ab, dass es nicht nachvollziehbar sei, worin das wiedereinsetzungsbegründende unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis liegen solle, welches den Steuerschuldner daran gehindert habe, seine Beschwerde rechtzeitig bei der zuständigen Behörde einzubringen.
Im bisherigen bereits jahrelangen Einbringungsverfahren habe der Schuldner seine Eingaben immer an die Finanzbehörde gerichtet. Aus den angesprochenen Pfändungsbescheiden - u.a. auch das an ihn persönlich gerichtete Verfügungsverbot - gehe eindeutig hervor, wer diesen Bescheid ausgefertigt habe. Zusätzlich führe die Rechtmittelbelehrung unzweifelhaft aus, wo die Beschwerde einzubringen sei:
"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung beim oben angeführten Amt der Rechtsbehelf der Beschwerde eingebracht werden. Die Beschwerde ist zu begründen.“
Der Einwand der Rechtsunkundigkeit gehe ins Leere. Der Verwaltungsgerichtshof () stelle in seiner ständigen Rechtsprechung deutlich klar, dass Unkenntnis des Gesetzes oder Rechtsirrtum für sich allein kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstelle, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (Hinweis B vom , 2013/16/0116). Da der Bf. anführe, dass es sich wohl doch um einen komplexen Sachverhalt handeln würde, wäre es dem Einschreiter ja jederzeit freigestanden, fachlichen Rat zu suchen, auch ein Anruf bei der zuständigen Behörde wäre ja möglich gewesen.
Der weitere Einwand, dass die Zustellung mit spätestens nicht nachgewiesen sei und seitens der Behörde nicht objektiviert werden könne, sei schlicht falsch. Genau aus den vom Einschreiter übermitteiten Unterlagen gehe nämlich eindeutig und unzweifelhaft hervor, dass er die Bescheide spätestens am erhalten und somit Kenntnis von der Pfändung erlangt habe. Er habe die Eingaben an die Drittschuldner nämlich mit , handschriftlich ausgebessert auf datiert. Das Datum der Fax- Übermittlung sei in keinem Fall der Beweisführung zugänglich, da dieses auf laute.
In der dagegen mit Eingabe vom eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass der Einschreiter zunächst auf seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vom sowie auf seine Beschwerde / seinen
Vorlageantrag vom verweise.
Der Einschreiter sei - und darauf werde nochmals hingewiesen - einem tatsächlichen Irrtum, aber auch einem Rechtsirrtum unterlegen an welchen ihn auch keine grobe Fahrlässigkeit treffe, sondern wenn überhaupt, lediglich ein minderer Grad des Versehens.
Entgegen den Ausführungen des Finanzamtes im nunmehr angefochtenen
Bescheid vom gehe der Einwand der Rechtsunkundigkeit nicht ins Leere. Der
Verwaltungsgerichtshof habe mehrfach ausgesprochen, dass Rechtsunkenntnis und
Rechtsirrtum sehr wohl ein maßgebliches „Ereignis“ im Sinne § 308 BAO sein könnten
(vergleiche Ritz BAO5, § 308 Tz 12, mwN - Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/03/0183; , 2010/15/0001; , Zl. 99/20/0253; Zl 539/2010075; , Zl. 2000/11/0142 und viele mehr). Ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift könne einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei (vergleiche 8 Ob A 2045/96; ).
Auch in der Entscheidung vom , 2001/03/0183, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass als „Ereignis“ jegliches Geschehen, ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt, in Betracht komme. Ein (eine Fristeinhaltung hinderndes) Ereignis sei nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern ein psychischer Vorgang wie vergessen, verschreiben, sich irren ().
Der Einschreiter verweise ansonsten auf seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vom und auf seine Beschwerde sowie seinen Vorlageantrag vom .
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass mit Bescheid vom seitens des Finanzamtes Wien 1/23 ein „Bescheid-Verfügungsverbot“ an den nunmehrigen Beschwerdeführer ergangen sei. Dieses habe einerseits die Mitteilung enthalten, dass eine Forderung, die diesem gegenüber einem Drittschuldner zustehe, gepfändet werde. Über diese Forderung dürfe der Bescheidadressat des Verfügungsverbotes (also der Abgabenschuldner) keine Verfügungen mehr treffen. Die Rechtsmittelbelehrung habe den ausdrücklichen Hinweis, dass gegen dieses nun bescheidmäßig ausgesprochene Verfügungsverbot kein Rechtsmittel zulässig sei, enthalten.
Ein weiterer Hinweis habe den Abgabenschuldner und nunmehrigen Beschwerdeführer
dahingehend belehrt, dass dennoch eine Rechtsmittel-Möglichkeit bestehe, nämlich die, gegen die an die Drittschuldner ergangenen Pfändungsbescheide Beschwerde einzulegen. Auf die jeweiligen Rechtsmittelbelehrungen sei ausdrücklich verwiesen worden. Darin habe es wiederum geheißen: „Gegen diesen Bescheid können sowohl der Drittschuldner als auch der Abgabenschuldner innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem vorbezeichneten Amt das Rechtsmittel der Beschwerde einbringen...“
Mit Eingabe vom habe der Antragsteller „Beschwerde und Einspruch gegen den
Pfändungsbescheid vom ; Abgabenkonto 111/1111erhoben; dieses Rechtsmittel sei mittels Beschwerdevorentscheidung vom als verspätet zurückgewiesen worden (ein Vorlageantrag an das BFG sei am gestellt worden und derzeit offen).
Aus Gründen der Vorsicht, so der Antragsteller, sei mit Schriftsatz vom ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einreichung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Pfändung einer Geldforderung gestellt worden.
Das unvorhergesehene bzw. unabwendbare Ereignis, das ihn daran gehindert habe, die
Beschwerde rechtzeitig einzureichen, läge darin, dass der Einschreiter angenommen habe, er müsse Einsprüche und Beschwerden bei den Drittschuldnern einreichen, welche diese dann an das zuständige Finanzamt weiterzuleiten hätten. Der Einschreiter wäre einem Rechtsirrtum und Versehen unterlegen; es handle sich um eine rechtsunkundige Person, der nicht habe klar gewesen sein können, welche Rechtsmittelmöglichkeiten gegen den gegenständlichen Bescheid tatsächlich zur Verfügung stünden und wo ein entsprechendes Rechtsmittel einzubringen sei.
Sollte ihn dabei ein Verschulden treffen, so handle es sich lediglich um ein Versehen minderen Grades.
Mit Bescheid vom habe das Finanzamt den Antrag als unbegründet abgewiesen. Dagegen richte sich die Beschwerde vom .
Gemäß § 308 Absatz 1 BAO sei gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleide, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liege, hindere die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich
nur um einen minderen Grad des Versehens handle.
Ein Ereignis sei jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, sich irren usw (vgl. Ritz, BAO5‚ § 308, Tz 8 ff). Unvorhergesehen sei ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet habe und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten habe können. Unabwendbar sei ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern habe können, auch wenn sie dessen Eintritt vorausgesehen habe.
Keine Wiedereinsetzungsgründe seien nach der Rechtsprechung mangelnde deutsche
Sprachkenntnis, Arbeitsüberlastung und familiäre Probleme, Rechtsunkenntnis oder
Rechtsirrtum. Nach Fink (Wiedereinsetzung, 86) stelle ein Irrtum über Rechtsvorschriften oder deren Unkenntnis nur dann keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn den
Wiedereinsetzungswerber hieran zumindest grobes Verschulden treffe.
Nach Ansicht des OGH könne ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei.
Prinzipiell habe der Wiedereinsetzungswerber den Umstand glaubhaft zu machen, dass er durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis tatsächlich gehindert worden sei, die versäumte Frist auch tatsächlich wahrzunehmen.
In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich angeführt, dass eine Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand nur möglich sei, wenn die angesprochene Frist tatsächlich versäumt
worden sei. Die Äußerungen des Antragstellers in seinem Antrag seien in dieser Hinsicht jedoch widersprüchlich: Er behaupte nämlich selbst, dass die Beschwerdefrist gar nicht
abgelaufen sei. In diesem Falle wäre der verfahrensgegenständliche
Wiedereinsetzungsantrag wohl zurückzuweisen!
In Behandlung dieser Frage als Vorfrage gehe die gefertigte Abgabenbehörde jedoch
davon aus, dass - wie schon in der BVE vom angeführt - die Frist zur
Stellung von Beschwerden gegen die Forderungspfändung mit Ablauf des 3. August
2015 geendet habe.
Die zwar mit Datum versehene und per FAX eingegangene Beschwerde
(gerichtet an das FA 1/23) weise folgende begleitende Daten auf:
"Von: xxxxxxx
An: Post, FAOQ-A'SOZ
Thema: Erhalten von xxxxxxx
Datum: Donnerstag, 13:55:17
Anlagen: IMAGE000.PDF "
Demnach sei die Beschwerde gegen die Forderungspfändung erst am
beim Finanzamt Wien 1/23 eingelangt, also mit 10-tägiger Verspätung. Daraus folge
allerdings auch, dass die Beschwerdefrist tatsächlich versäumt worden und ein
entsprechender Wiedreinsetzungsantrag zulässig sei.
Der Wiedereinsetzungswerber gründe seinen Antrag wörtlich auf einen „tatsächlichen Irrtum oder aber auch einen Rechtsirrtum“, sowie auf Rechtsunkenntnis. Beim Einschreiter handle es sich um eine rechtsunkundige Person, der nicht klar gewesen sei, welche Rechtsmittel tatsächlich zur Verfügung gestanden seien. Wegen „einer missverständlichen Textierung“ im Bescheid habe er die Einsprüche an die Drittschuldner gerichtet in der Meinung, diese müssten „meinen Einspruch und Beschwerde an das FA weiterleiten“.
Diesen Ausführungen komme schon deswegen keine Glaubwürdigkeit zu, da die
Rechtsmittelbelehrungen sämtlicher Bescheide ausdrücklich davon ausgegangen seien, dass allfällige Rechtsmittel an die ausstellende Behörde zu richten seien. Diese Behörde sei in sämtlichen Bescheiden mit der üblichen Bezeichnung samt Adresse angeführt; ebenso genannt worden seien Namen und Telefonnummer des Sachbearbeiters, sodass bei allfälligen Unklarheiten entsprechende Rückfragen durchaus möglich gewesen wären. Der Spruch sämtlicher Bescheide sei klar und eindeutig. Das Verfügungsverbot richtete sich ausdrücklich an den nunmehrigen Beschwerdeführer einschließlich des Hinweises, dass gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel
zulässig wäre. Die an die Drittschuldner ergangenen Bescheide seien ebenso klar formuliert. Es habe nicht den geringsten Zweifel gegeben, wer Bescheidadressat dieser Bescheide gewesen sei. Die Rechtsmittelbelehrungen seien klar definiert und hätten den Hinweis enthalten, dass sowohl Drittschuldner (Bescheidadressat) als auch Abgabenschuldner rechtsmittelberechtigt wären.
Dies habe der nunmehrige Beschwerdeführer auch völlig richtig erfasst, was sich schon dadurch zeigt, dass er tatsächlich Beschwerden erhoben hat.
Von einem allfälligen Einbringen-Müssen bei den Drittschuldnern, die diese Rechtsbehelfe an das Finanzamt (!) weiterzuleiten hätten, finde sich in den Bescheiden nichts. Zwar habe sich der Antragsteller möglicherweise tatsächlich an die Drittschuldner gewendet und diesen einen Textentwurf einer einzubringenden Beschwerde übermittelt; diese beiden Noten seien jedoch nicht an die Finanzverwaltung gerichtet worden und hätten auch keine Bitte zur Weiterleitung enthalten. Damit komme dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung von Rechtsmitteln gehindert worden, keinerlei Glaubwürdigkeit zu.
Aber selbst wenn man von einem tatsächlichen oder Rechtsirrtum ausginge, so wäre dem
Begehren des Antragstellers wegen dessen Verschuldens kein Erfolg beschieden.
Einem sorgfältig agierenden Durchschnittsmenschen sei es nämlich zuzumuten, ihn in
irgendwelcher Weise tangierende behördliche Erledigungen sorgfältig durchzulesen, noch dazu, wenn sie ihm einschließlich einer in einfachen Worten gehaltenen Rechtsmittelbelehrung zugestellt würden. Die dem Beschwerdeführer zugestellten Bescheidausfertigungen seien in einfachem Deutsch gehalten, würden ein Übermaß an Fremdwörtern vermeiden und durchaus nicht komplexe Strukturen aufweisen. Es habe sich um die in solchen Fällen üblicherweise gesetzten Maßnahmen gehandelt, die im allgemeinen auch problemlos so verstanden würden. Für den Fall allfälliger Unklarheiten wäre der Sachbearbeiter direkt erreichbar gewesen und hätte (kostengünstig) die notwendige Auskunft erteilt. Selbstverständlich sei es dem Beschwerdeführer auch freigestanden, sich der Dienste eines berufsmäßigen Parteienvertreters zu bedienen - was er schließlich auch getan habe. Das bei einem tatsächlichen Irrtum anzunehmende Verschulden bestehe also darin, sich die Bescheide nicht sorgfältig genug
durchgelesen bzw. es unterlassen zu haben, sich rechtzeitig über das Wesen dieser Bescheide zu erkunden und sich allfällige Rechtsmittelmöglichkeiten ernsthaft zu überlegen. Denn ein solcher Irrtum (wie behauptet) sei auch bei einem nur unterdurchschnittlich Rechtskundigen, aber mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit, Verständnis und Vernunft ausgestatteten Abgabepflichtigen nicht nachvollziehbar und somit unentschuldbar.
Dagegen brachte der steuerliche Vertreter mit Eingabe vom einen Vorlageantrag ein, ohne die bisherigen Vorbringen zu ergänzen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 308 Abs. 1 BAO lautet: Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Mit Beschluss vom heutigen Tag, GZ.RV/7104840/2015, hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Bf. vom gegen den Pfändungsbescheid vom als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Ziel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat. (vgl. Stoll, BAO, Seite 2983; Ritz, BAO6, § 308 Tz 8 ff, und die dort zitierte VwGH-Judikatur; ).
Im vorliegenden Fall führt der Bf. zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages aus, dass er einem Rechtsirrtum unterlegen sei und angenommen habe, dass er die Beschwerden bei den Drittschuldnern einzureichen habe, die diese an das Finanzamt weiterleiten würden.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluss vom , B 2916/95, zu einem Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung, dass eine beim VfGH einzubringende Beschwerde infolge Rechtsunkenntnis beim VwGH eingebracht wurde, ausgeführt:
"Die Beschwerde zu B 272/95 richtet sich gegen einen Bescheid, der dem Einschreiter am zugestellt worden war, sie wäre daher gemäß § 82 Abs. 1 VerfGG binnen sechs Wochen - gerechnet vom an - beim Verfassungsgerichtshof einzubringen gewesen. Dass der Beschwerdeführer - von seiner Rechtsunkenntnis bezüglich der Nichtzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes abgesehen - ab diesem Zeitpunkt durch bestimmte Umstände daran gehindert gewesen wäre, die Beschwerde fristgerecht einzubringen, wird weder von ihm selbst dargetan noch ergeben sich sonst dafür sprechende Anhaltspunkte. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat, bildet ein Rechtsirrtum über das Bestehen einer Beschwerdemöglichkeit, dem ein Beschwerdeführer unterlegen ist, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das nach den §§ 33 und 35 Abs. 1 VerfGG iVm § 146 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde (vgl. VfSlg. 7674/1975; mwN, VfSlg. 12614/1991)."
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 1709/55, zu einem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG (diese Bestimmung ist mit § 308 Abs. 1 BAO im Wesentlichen inhaltsgleich), ausgeführt:
"Der Umstand, dass eine Rechtsmittelbelehrung nicht oder nicht genügend beachtet wird, stellt ein Verschulden dar, welches gemäß § 71 Abs 1 lit. a AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt."
Soferne der Bf. ausführt, dass der Irrtum durch die Textierung im Bescheid - Verfügungsverbot verursacht wurde, ist dem entgegenzuhalten, dass diese folgenden Hinweis enthält:
"Der in der Rechtsmittelbelehrung genannte Rechtsmittelausschluss bezieht sich lediglich auf das mit diesem Bescheid ausgesprochene Verfügungsverbot. Als Abgabenschuldnerin steht Ihnen das Recht zu, gegen die gleichzeitig an den jeweiligen Drittschuldner (die jeweilige Drittschuldnerin) ergangenen Pfändungsbescheide Beschwerde einzulegen. Siehe auch Rechtsmittelbelehrung der Pfändungsbescheide."
Der Bescheid über die Pfändung einer Geldforderung vom weist folgende Rechtsmittelbelehrung auf:
"Gegen diesen Bescheid können sowohl der Drittschuldner als auch der Abgabenschuldner innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem vorbezeichneten Amt das Rechtsmittel der Beschwerde einbringen...“
Im Erkenntnis vom , 2004/17/0152, führt der VwGH aus:
"Im Übrigen ist der belangten Behörde aber auch insofern nicht entgegen zu treten, als sie die Auffassung vertrat, der behauptete Rechtsirrtum der Beschwerdeführer über die Art des zu erhebenden Rechtsmittels wäre diesen im Hinblick auf die in der Berufungsvorentscheidung vom enthaltene Rechtsbelehrung als ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last zu legen. Dieser Rechtsirrtum in Ansehung der Art des zu ergreifenden Rechtsmittels wäre nämlich - wie die belangte Behörde zu Recht darlegt - schon durch eine vollständige Lektüre der Rechtsbelehrung zu vermeiden gewesen."
Im gegenständlichen Fall liegt daher bereits aufgrund der zitierten Judikatur kein Wiedereinsetzungsgrund vor.
Abgesehen davon, dass die Rechtsmittelbelehrung zweifelsfrei Auskunft darüber gibt, wo ein Rechtsmittel einzubringen ist, ist aus dem Wiedereinsetzungsantrag weiters nicht erkennbar, dass der Bf. gehindert gewesen wäre, sich über den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung Klarheit zu verschaffen.
Soferne der Bf. ausführt, er habe angenommen, dass die Drittschuldner die Beschwerden an das Finanzamt weiterleiten würden, lässt auch der Umstand, dass er es nicht nur unterlassen hat, sich bei diesen rechtzeitig dahingehend zu informieren, ob diese Weiterleitung tatsächlich erfolgt ist, keinen Zweifel dahingehend offen, dass nicht nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt, sondern der Bf. geradezu auffallend sorglos gehandelt hat.
Aufgrund der vorgelegten mit datierten, jedoch erst am mit Fax übermittelten und an das Finanzamt adressierten Beschwerde ergibt sich, dass der Bf. bereits zu diesem Zeitpunkt () Zweifel an seiner dargestellten Rechtsansicht hatte.
Der war jedoch der letzte Tag der Beschwerdefrist (vgl. dazu auch den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom heutigen Tag, GZ.RV/7104840/2015). Der Bf. hat nicht dargetan, weshalb er trotz - im Hinblick auf die Rechtsmittelfrist - rechtzeitigen Erkennens des Irrtumes die Beschwerde nicht am an das Finanzamt übermittelt hat. Somit ist davon auszugehen, dass kein unabwendbares Ereignis vorliegt.
Demzufolge hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) VwGH- und VfGH - Rechtsprechung beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat oder ob ein Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt ist, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7106119.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at