Kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn die Tochter der Bf. als subsidiär Schutzberechtigte Leistungen aus der Grundversorgung bezieht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom , betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für Tochter P. für den Zeitraum Mai bis Dezember 2016, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Das Finanzamt erließ am einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Mai bis Dezember 2016, der wie folgt begründet wurde:
"Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, wird nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde."
Dieser Bescheid wurde mit folgender Begründung angefochten:
"Die Finanzbehörde begründet die Rückforderung im angefochtenen Bescheid damit, dass Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, nur dann Familienbeihilfe gewährt werde, wenn weder der Antragsteller noch ein anderes Familienmitglied einen Anspruch auf Leistungen aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch bestehe auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
Eine weitere Begründung findet sich im angefochtenen Bescheid nicht, daher ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Behörde davon ausgeht, die BF habe im streitgegenständlichen Zeitraum die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen. Die Behörde dürfte übersehen haben, dass nur dem Kind der BF, P., nicht aber der BF selbst der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
Die BF verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum (Mai 2016 bis Dezember 2016) über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus", welcher am auf drei Jahre - bis verlängert wurde (vgl. beiliegende Kopien der Aufenthaltstitel). Die BF verfugt somit über einen Aufenthaltstitel nach § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
Gem § 3 Abs 1 FLAG idgF haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBI. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBI. I Nr. 100/2005 idF BGBI. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich in aufhalten.
Für diese Personengruppe ist der Umstand, dass sie nicht erwerbstätig sind oder Leistungen aus der Grundversorgung beziehen, nicht schädlich für den Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die BF hält sich rechtmäßig nach § 8 NAG idgF in Österreich auf, daher hat sie Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Tochter P., selbst wenn sie nicht unselbständig oder selbständig erwerbstätig ist und Leistungen aus der Grundversorgung bezieht.
Die Tochter der BF, P., ist nicht nach dem NAG aufenthaltsberechtigt, sondern ihr wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Gem § 3 Abs 4 FLAG idgF besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Bei den Kindern ist - wie aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht - nicht ebenfalls Voraussetzung, dass diese erwerbstätig sein müssen oder dass die Kinder keinen Anspruch auf Grundversorgung haben dürfen.
Das Bundesfinanzgericht geht beispielsweise davon aus, dass der Bezug von Leistungen der Grundversorgung durch ein Familienmitglied dem Anspruch auf Familienbeihilfe nicht entgegensteht, solange die antragstellende Person - welche im konkreten Fall subsidiär schutzberechtigt war - selbst keine Leistungen der Grundversorgung bezieht (vgl. zB Bundesfinanzgericht vom , GZ. RV/7105499/2014 mit Verweis auf Aigner/Wanke in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 3 Rz 272 m.w.N.), nicht notwendig ist somit, dass auch das subsidiär schutzberechtigte Kind keine Leistungen aus der Grundversorgung beziehen darf.
Im gegenständlichen Fall ist aber die BF selbst gar nicht subsidiär schutzberechtigt sondern verfügt über einen Aufenthaltstitel nach § 8 NAG und ist somit der Umstand, dass sie nicht erwerbstätig ist und/oder Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, nicht schädlich für den Anspruch der BF auf Familienbeihilfe.
Für die BF bedeutet dies, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum (Mai 2016 bis Dezember 2016) Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ihr Kind ... hatte und die Rückforderung der bezogenen Beträge in Höhe von insgesamt EUR 1.361,60 rechtswidrig ist.
Die BF stellt daher die
ANTRÄGE
dieser Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid zu beheben..."
Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung:
"Entsprechend den vorgelegten Unterlagen verfügten Sie im Beschwerdezeitraum über einen aufrechten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte plus", der Sie gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 zu einem Bezug der Familienbeihilfe dem Grunde nach berechtigt.
Ihre Tochter P. hatte den Status „Subsidiär Schutzberechtigte ", der ihr mit Bescheid des BFA bis befristet zuerkannt worden ist. Ebenso liegt eine Bestätigung vor, dass für P., seit ihrer Geburt, laufend Grundversorgungsleistungen gewährt werden.
Laut ständiger VwGH Judikatur besteht, gemäß § 3 Abs.4 FLAG, für ein subsidiär schutzberechtigtes Kind kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn für dieses Kind Leistungen aus der Grundversorgung bezogen (Geld- oder Sachleistungen) werden, da die typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand gedeckt sind."
Die Bf. stellte ohne nähere Begründung einen Vorlageantrag.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungenund Beweiswürdigung
Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist unstrittig. Es steht fest, dass die Bf. selbst im Streitzeitraum über einen aufrechten Aufenthaltstitel „rot-weiß-rot Karte plus“ verfügt hat, ihrer Tochter aber der Status „Subsidiär Schutzberechtigte" zugekommen ist und sie auch Leistungen aus der Grundversorgung bezogen hat.
Dies gründet sich auf die Angaben der Bf. in ihrer Beschwerde sowie auf die vorliegenden Bestätigungen über den Bezug von Grundversorgung.
2. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter näher geregelten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder.
§ 3 Abs. 1 und 4 FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lauten:
"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
...
(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde."
Zu einen völlig gleich gelagerten Fall ist das Erkenntnis des , ergangen, das folgende wesentliche Aussagen trifft:
"Die Materialien (62/A XXIII. GP) zu der zuletzt genannten Bestimmung (Anm.: § 3 Abs. 4 FLAG 1967) lauten auszugsweise:
'Weiters soll künftig auch für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld eingeräumt werden, sofern diese auf Grund ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bereits Leistungen im Rahmen der Grundversorgung nach Maßgabe der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern erhalten und durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen.'
...
Eine ausdrückliche Rechtsprechung zu der von Revisionswerberin aufgeworfenen Frage besteht - soweit ersichtlich - nicht. Lediglich implizit hat der Verwaltungsgerichtshof diese Frage im Erkenntnis vom , 2011/16/0173, verneint.
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
In dem soeben erwähnten Erkenntnis sprach der Verwaltungsgerichtshof - aufbauend auf seine bisherige Rechtsprechung zu Fällen der Leistung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes in den hg. Erkenntnissen vom , 2004/15/0103, und vom , 2007/13/0120 - für ein die Strafhaft verbüßendes Kind aus, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder durch die öffentliche Hand gedeckt ist, kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Dabei wurde auf die Wertungsentscheidung des § 3 Abs. 4 FLAG Bezug genommen, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe von Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, voraussetzt, dass sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten. Es wurde darauf hingewiesen, dass darin der Gesetzgeber ausgedrückt hat, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließt. Damit kam der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis, dass in teleologischer Reduktion des § 2 Abs. 1 lit a und b FLAG bei den genannten Sachverhaltsgestaltungen kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist.
Die Revisionswerberin stützt sich darauf, dass in ihrer Person alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben seien und dass ihr Sohn die Voraussetzung des § 3 Abs. 4 zweiter Satz FLAG erfülle.
Dazu ist klarzustellen, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe einerseits verlangt, dass die Person des Anspruchsberechtigten die im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) gestellten Voraussetzungen - soweit nicht unionsrechtlich verdrängt - erfüllt (z.B. den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet - § 2 Abs. 1 FLAG, die Haushaltszugehörigkeit oder die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten - § 2 Abs. 2 FLAG, den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet - § 2 Abs. 8 FLAG, für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, eine näher festgelegte Aufenthaltsberechtigung - § 3 Abs. 1 und Abs. 3 erster Satz und Abs. 4 erster Satz FLAG).
Zudem muss aber auch das Kind, für welches ein Anspruch auf Familienbeihilfe geltend gemacht wird, die für dieses im FLAG gestellten Voraussetzungen - soweit nicht unionsrechtlich verdrängt - erfüllen (z.B. bei Volljährigen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b bis 1 FLAG, bei Kindern, die nicht österreichische Staatsbürger sind, eine näher festgelegte Aufenthaltsberechtigung - § 3 Abs. 2, Abs. 3 zweiter Satz und eben - wie im Revisionsfall - Abs. 4 zweiter Satz FLAG).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem erwähnten Erkenntnis vom , auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, in teleologischer Reduktion der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. a FLAG über die Voraussetzung für den Anspruch für ein Kind den Anspruch auf Familienbeihilfe verneint, wenn die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche für das Kind durch die öffentliche Hand gedeckt wird. Dies ist auch auf den Sohn der Revisionswerberin anzuwenden, der zwar die Voraussetzung der Aufenthaltsberechtigung des § 3 Abs. 4 zweiter Satz FLAG erfüllt, jedoch nach den unstrittigen Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes selbst Leistungen aus der Grundversorgung (also Mietzinszuschuss, Geldleistungen für Verpflegung und Bekleidung sowie Krankenversicherung) bezieht (zum Umfang der Leistungen aus der Grundversorgung vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0065, VwSlg 8.668/F) und dessen typischer Unterhalt in den wesentlichen Lebensbereichen der Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung und Krankenversicherung somit durch die öffentliche Hand gedeckt wird.
Der Revisionswerberin steht sohin in teleologischer Reduktion des § 3 Abs. 4 zweiter Satz FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe zu."
Da - wie oben erwähnt - der vorliegende Beschwerdefall völlig ident mit dem vom VwGH entschiedenen Fall ist, hat die Bf. für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Tochter P.. Der Rückforderungsbescheid ist daher zu Recht ergangen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die Rechtsfrage durch das oben zitierte Erkenntnis des , bereits gelöst ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 3 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102080.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at