Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.06.2019, RV/7105761/2015

Haftung nach § 11 BAO, Wegfall der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen durch Verrechnung mit Gutschriften nach Entscheidung im Beschwerdeverfahren gegen die Jahressteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung für Abgabenschulden der G-1 gemäß § 11 BAO zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 11 BAO für die bei der G-1 in der Höhe von € 9.424,27 aushaftende Umsatzsteuer 02-12/2010 zur Haftung herangezogen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf. laut Straferkenntnis vom wegen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG zu einer Geldstrafe von € 2.800,00 verurteilt worden sei, weil er als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft vorsätzlich die Umsatzsteuer für den Zeitraum 02-12/2010 in Höhe von € 9.424,27 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet habe. Dieses Straferkenntnis sei in Rechtskraft erwachsen. Die genannte Abgabe hafte unberichtigt aus.

Durch das abgeschlossene Konkursverfahren sei der Abgabenrückstand bei der GmbH, die auch bereits im Firmenbuch gelöscht worden sei, uneinbringlich geworden.

Gemäß § 11 BAO hafteten rechtskräftig verurteilte Täter für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt worden seien.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass die Nichtanmeldung der Umsatzsteuer und die noch nicht gelegte Bilanz für 2010 ausschließlich aus finanziellen Gründen (Bezahlung des Steuerberaters) erfolgt seien. Sämtliche Unterlagen seien aufgearbeitet vorhanden, wie ja auch im Zuge der Prüfung vom habe festgestellt werden können.

Das daraus verfügte Straferkenntnis sei mit der entscheidende Grund für den Insolvenzantrag der G-1 gewesen. Seit 2009 sei es ihm als Geschäftsführer der GmbH auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr möglich gewesen, die geforderten Abgaben und ausständigen Zahlungen zu leisten. Er habe seit 2009 auch sein persönliches Gehalt nicht mehr auszahlen können.

Im August 2011 sei diesbezüglich eine Prüfung bei ihm vor Ort durchgeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe es auch eine Erhebung seiner wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse gegeben. Anlässlich der Beantragung einer Steuer- und UID-Nummer sei eine weitere Prüfung durchgeführt worden.

Der Bf. sei seit als Handelsagent tätig gewesen, wobei hier die Einkünfte nicht ausreichten, um seinen Lebensunterhalt zu gewährleisten. Momentan könne er seine Existenz durch das Einkommen seiner Frau und den bescheidenen Einkünften aus seiner Tätigkeit als Handelsagent sichern. Er habe zum Glück keine allzu hohen Wohnkosten (Gemeindewohnung) etc.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde „als unbegründet abgewiesen“ und die Höhe des Haftungsbetrages dem tatsächlich auf dem Abgabenkonto noch bestehenden Rückstand angepasst und mit € 9.352,30 festgesetzt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der nunmehrige Beschwerdeführer mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde I. Instanz vom wegen des Vergehens der vorsätzlichen Abgabenverkürzung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG rechtskräftig verurteilt worden sei. Als hinterzogen sei dabei die Umsatzsteuer für den Zeitraum Februar bis Dezember 2012 in Höhe von € 9.424,27 genannt worden. Dieser Betrag hafte heute noch in Höhe von € 9.352,30 unberichtigt aus.

Das Finanzamt habe daraufhin über den ursprünglichen Betrag einen Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO erlassen, der auf dem Haftungsgrund des § 11 BAO gegründet gewesen sei. In der dagegen erhobenen verfahrensgegenständlichen Beschwerde sei die rechtskräftige Verurteilung selbst nicht in Frage gestellt worden.

Gemäß § 11 BAO hafteten bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig seien, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt worden seien. Es handle sich hierbei um eine unbeschränkte Primärhaftung und keine Ausfallshaftung (wie etwa nach § 9 BAO). Sie knüpfe an die bescheidmäßige oder urteilsmäßige Bestrafung an; der rechtskräftige Bescheid oder das rechtskräftige Urteil habe somit Tatbestandswirkung. Eine vorab eigenständige Beurteilung der Frage der Abgabenhinterziehung durch die Abgabenbehörde wäre unzulässig (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 144).

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Argumente beträfen ausschließlich die näheren wirtschaftlichen und sonstigen Umstände, die zu jenem Versäumnis geführt hätten, für das der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt worden sei. Weder dieses Erkenntnis selbst noch der Eintritt deren Rechtskraft sei angezweifelt worden.

Somit sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen, da die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens die einzige Tatbestandsvoraussetzung für einen auf § 11 BAO gegründeten Haftungsbescheid darstelle. Lediglich die Höhe des Haftungsbescheides sei dem gegenwärtig bestehenden Rückstand anzupassen gewesen.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, auch gegen die Strafverfügung am schriftlich Einspruch erhoben zu haben. Beim persönlichen Gespräch sei ihm nahegelegt worden, den Einspruch nicht weiter zu betreiben, da es dann eventuell noch teurer werden würde. Der Bf. sei dem Ratschlag gefolgt und habe seine Strafe mit familiärer Hilfe auch bezahlen können.

Die weiteren Umstände der Insolvenzgründe und der persönlichen Umstände habe er ausführlich in den Schreiben vom und an das Finanzamt ausführlich dargelegt.

Leider sei es ihm finanziell nicht möglich, einen Rechtsbeistand zu nehmen, sodass er seine Darlegungen und Erklärungen eben nur in laienhafter Weise abgeben könne. Auf diesbezügliches Verständnis vertrauend stehe er selbstverständlich auch für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

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Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurden Altakten wie das gegenständliche Beschwerdeverfahren innerhalb des Bundesfinanzgerichtes neu verteilt und die nunmehrige Gerichtsabteilung mit Wirksamkeit vom dafür erstmals zuständig.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen (…) rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Der Abgabenhinterziehung macht sich gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Einzige Tatbestandsvoraussetzung der Haftungsbestimmung des § 11 BAO ist die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor seiner Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein (; ).

Im gegenständlichen Fall wurde der Bf. mit Straferkenntnis des Finanzamtes Wien 1/23 als Finanzstrafbehörde I. Instanz vom zu einer Geldstrafe von € 2.800,00 sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Uneinbringlichkeit von 7 Tagen verurteilt, da er als verantwortlicher Geschäftsführer der G-1 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) für den Zeitraum 02-12/2010 in Höhe von € 9.424,27 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen hat.

Die Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 11 BAO ist daher – vorbehaltlich der untenstehenden Ausführungen – erfüllt, da der Bf. im Beschwerdefall unstrittig vor Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides hinsichtlich vorsätzlicher Finanzvergehen rechtskräftig schuldig gesprochen wurde und sich der Haftungsbescheid bei der Höhe des Haftungsausspruches an den von der Finanzstrafbehörde festgestellten verkürzten Betrag hielt.

Die finanzstrafbehördliche Verurteilung und deren Rechtskraft stehen ohnehin nicht in Streit. Der Bf. zieht auch die Höhe des Haftungsbetrages nicht in Zweifel.

Allerdings setzt die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen als Einhebungsmaßnahme unter anderem voraus, dass nach dem Grundsatz der materiellen Akzessorietät eine Abgabenschuld entstanden, aber noch nicht erloschen ist (, 0440), worauf auch noch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen ist ().

Dazu wird festgestellt, dass sich mit Stichtag u.a. sowohl die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen 02-12/2010 von € 9.424,27 als auch die mit Bescheid vom in Höhe von € 28.655,49 festgesetzte Nachforderung an Jahresumsatzsteuer 2010 im Rückstand befanden, jedoch am aufgrund der Berufungsvorentscheidung betreffend Umsatzsteuer 2010, die mit € 9.352,30 festgesetzt wurde, weshalb sich eine Gutschrift von € 28.727,46 ergab, die zur Gänze mit den Umsatzsteuervorauszahlungen 02-12/2010 von € 9.424,27 und zum Teil mit der Umsatzsteuer 2010 von € 28.655,49 verrechnet wurde, lediglich die in Höhe von € 9.352,30 festgesetzte Umsatzsteuer 2010 im Rückstand verblieb, nicht aber die haftungsgegenständliche Abgabe.

Die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO für nicht mehr im Rückstand befindliche Abgabenschuldigkeiten der G-1 erfolgte somit nicht zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105761.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at