Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.05.2019, RV/7103349/2016

Säumniszuschlag, grobes Verschulden bei Steuerberatungskanzlei, Einwand der wiederholten Änderung der Vorsteuerabzugsfähigkeit im Fall der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , Steuernummer N-1, betreffend Säumniszuschlag gemäß § 217 Abs. 7 BAO zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt einen Säumniszuschlag in Höhe von € 550,98 fest, da die Umsatzsteuer 01-12/2014 mit einem Betrag von € 27.549,22 nicht bis zum Fälligkeitstag, dem entrichtet worden sei.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte die Beschwerdeführerin (Bf.) ein, dass sich die Umsatzsteuernachzahlung aus dem Überrechnungsantrag betreffend den Kaufpreis des Kanzleibetriebes von P-1 im September 2013 begründe. Da die entsprechende Eingangsrechnung mit dem System der Soll-Besteuerung erfasst worden sei, sei im Geschäftsjahr 2013/2014 ein zu hoher Vorsteuerbetrag geltend gemacht worden (Details laut Selbstanzeige vom ).

Es sei zu beachten, dass sich die Rechtslage zu Überrechnungsanträgen im Bereich der Ist-Besteuerung des Öfteren geändert habe (zuerst möglich, ab nicht mehr möglich, jetzt wieder möglich, keine Richtlinien / Richtlinienmeinung zum Zeitpunkt der Überrechnung im September 2013).

Ein grobes Verschulden könne ihrer Ansicht nach ausgeschlossen werden.

Weiters weise sie darauf hin, dass alle Steuern und Abgaben seit Betriebsgründung stets fristgerecht abgeführt worden seien und es nie einen fälligen Rückstand gegeben habe.

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Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab und führte nach Zitierung der Bezug habenden Bestimmungen der §§ 217 BAO und 21 UStG aus, dass die selbstberechnete und am in Höhe von € 27.549,22 fällige Umsatzsteuernachforderung 2014 nicht bis zum Fälligkeitszeitpunkt, sondern erst am entrichtet worden sei, weshalb für diese Abgabe zwingend ein erster Säumniszuschlag vorzuschreiben gewesen sei.

Die Vorschreibung von Säumniszuschlägen sei eine objektive Rechtsfolge. Die Verwirkung eines Säumniszuschlages setze kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus, weshalb auch die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt hätten, grundsätzlich unbeachtlich seien.

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Die Bf. beantragte am rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und wies darauf hin, dass die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO negiert worden sei, obwohl in der Beschwerde ein entsprechender Antrag eingebracht worden sei, da sie aufgrund der mehrmals geänderten Rechtslage kein grobes Verschulden erkennen könne.

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Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht vor und führte ergänzend aus, dass Säumniszuschläge zwar gemäß § 217 Abs. 7 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen seien, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe. Jedoch sei diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es sich beim Abgabepflichtigen um einen Steuerberater handle, dem die Rechtslage in Bezug auf Überrechnungen habe bekannt sein müssen. Gerade dann, wenn sich – wie im Vorlageantrag ausgeführt werde – die Rechtslage häufig ändere, sei besondere Aufmerksamkeit geboten, die einem Steuerberater jedenfalls zumutbar sei.

Da bereits andere Säumnisse vorlägen (Umsatzsteuer 05/2014, Körperschaftsteuer 10-12/2014, Körperschaftsteuer 07-09/2015), könne auch § 217 Abs. 5 BAO nicht angewandt werden.

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Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurden Altakten wie das gegenständliche Beschwerdeverfahren innerhalb des Bundesfinanzgerichtes neu verteilt und die nunmehrige Gerichtsabteilung mit Wirksamkeit vom dafür erstmals zuständig.

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Dem Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom kam die Bf. am nach und legte die in der Beschwerde genannte Selbstanzeige vom vor:

„Sachverhalt und Offenlegung der Umstände

Die Bf. ermittelt die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten. Bei der Kaufrechnung des Einzelunternehmens P-1 (Beilage ./1), welche dem Finanzamt bereits mit Ergänzungsersuchen vom übermittelt wurde, erfolgte irrtümlich eine Versteuerung nach SOLL-Besteuerung. Dies ist im Zuge der Bilanzierung für das Jahr 2014 aufgefallen und wurde umgehend berichtigt.

Es wurde von dem gesamten Kaufpreis die Vorsteuer für den Monat September 2013 geltend gemacht. Richtigerweise hätte nur für den Betrag die Vorsteuer geltend gemacht werden können, der auch tatsächlich im Monat 09/2013 gezahlt worden ist. Da die Raten lt beiliegender Rechnung erst zu späteren Zeitpunkten tatsächlich gezahlt worden sind, hätte der Vorsteuerabzug erst zu folgenden Umsatzsteuervoranmeldungszeiträumen in folgender Höhe zugestanden: (…)

Steuerliche Beurteilung und Darlegung der Verfehlung

Mit wurde die Bestimmung in § 12 Abs. 1 Z 1 UStG eingeführt, dass die Vorsteuern beim IST-Versteurer erst mit Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden kann. Diese Neuregelung wurde EDV-technisch nicht umgesetzt. (…)“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten. Gemäß Abs. 2 beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind gemäß § 217 Abs. 7 BAO Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt ().

Grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO ist ebenfalls in einem Verhalten zu sehen, wenn das unbeachtet blieb, was im gegebenen Fall jedermann hätte erkennen müssen und bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlichem Maß verletzt wurde. Wesentliches Merkmal der auffallenden Sorglosigkeit ist die Voraussehbarkeit des Schadens. Wenn sich jemand über grundlegende und leicht erkennbare Vorschriften hinwegsetzt und sein Handeln den Eintritt des Schadens nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich erkennen ließ.

Der bloße Hinweis auf einen das grobe Verschulden ausschließenden Sachverhalt genügt nämlich nicht zur Anwendung der die Abgabenpflichtigen begünstigende Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO, da ein eine Begünstigung in Anspruch nehmender Abgabepflichtiger von sich aus einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann ().

Die Qualität des Verschuldens ist lediglich anhand des Parteienvorbringens zu beurteilen, da die vorgenannte Bestimmung einen Begünstigungstatbestand normiert, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht (erhöhte Behauptungs- und Beweislast) des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt (vgl. zB ; ; ). Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (-I/05).

Bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben (wie der gegenständlichen Umsatzsteuer 01-12/2014) ist ein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung auszuschließen, wenn dieser eine vertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt ().

Im gegenständlichen Fall wird die Beschwerde darauf gestützt, dass die Bf. an der nicht rechtzeitigen Entrichtung der gegenständlichen Abgabe kein grobes Verschulden treffe, weil sich die Rechtslage zu Überrechnungsanträgen bzw. der sofortigen vollen Abzugsfähigkeit von Vorsteuern im Bereich der IST-Besteuerung mehrmals geändert habe.

Dazu ist festzustellen, dass gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 seit bis im Wesentlichen unverändert galt, dass der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen kann.

Ab kam dann die Ausnahmebestimmung dazu, dass bei Unternehmern, die ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten besteuern (wie die Bf.), für die Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges die Zahlung der ihnen in Rechnung gestellten Umsatzsteuer vorausgesetzt ist. Da der Kaufpreis für den im September 2013 erfolgten Erwerb der Kanzlei P-1 jedoch nicht zur Gänze in einem Betrag geleistet wurde, sondern als Akontozahlung mit monatlichen Raten für den Restbetrag, hätte ein Teilbetrag der Vorsteuer in Höhe von € 27.549,22, der dem angefochtenen Säumniszuschlag zugrunde liegt, noch nicht im Wirtschaftsjahr 2013/2014 geltend gemacht werden dürfen.

Dem Vorbringen der Bf., dass sich die Rechtslage zu Überrechnungsanträgen wiederholt geändert habe, ist zu entgegnen, dass erst mit Wirksamkeit vom § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG 1994 insofern geändert wurde, als die Leistung der Zahlung im Falle der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten bei stattgefundenen Überrechnungen nicht mehr vorausgesetzt ist.

Im gegenständlichen Fall wurde zwar am die Überrechnung der gesamten Vorsteuer von € 149.152,40 auf das Abgabenkonto des Verkäufers durchgeführt, konnte allerdings auf die Unzulässigkeit der Geltendmachung der gesamten Vorsteuer keine Auswirkung haben, da die erst ab geänderte Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG 1994 noch nicht in Geltung war.

Von einer mehrfach geänderten Rechtslage kann daher keine Rede sein.

Auch liegt im konkreten Fall keine vertretbare Rechtsansicht vor, weil die Bf. lediglich einwandte, dass die Neuregelung EDV-technisch nicht umgesetzt worden sei.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes auf die konkreten Fähigkeiten des jeweiligen Steuerpflichtigen abzustellen, wobei es insbesondere auf seine Rechtskundigkeit in steuerlichen Belangen ankommt.

Da die Bf. die jeweilige Rechtslage zur Geltendmachung von Vorsteuern auch aufgrund ihrer Tätigkeit als Steuerberatungskanzlei kennen musste und trotzdem keine rechtzeitigen Maßnahmen zur EDV-technischen Umsetzung getroffen hat, war ihr grobes Verschulden anzulasten.

Eine Herabsetzung des angefochtenen Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO kommt somit nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103349.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at