Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2019, RV/3100255/2017

Besteuerungsrecht Österreichs an einer gemäß § 22 Nr 5 Satz 2 lit a sublit bb dEStG ausbezahlten Rente (§ 19 Abs 2 DBA-D)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache des Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2010 bis 2013 und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2009 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger. Sein Lebensmittelpunkt befand sich in den Streitjahren in Österreich. Für seine ehemalige Tätigkeit bei den Berliner Verkehrsbetrieben, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, bezog der Beschwerdeführer in den Streitjahren eine Altersrente von der deutschen Rentenversicherung, eine Witwerrente sowie eine monatliche Versichertenrente von den Berliner Verkehrsbetrieben - BVG - Anstalt des öffentlichen Rechts (im folgenden: Berliner Verkehrsbetriebe).

Der Beschwerdeführer reichte am die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2009 bis 2013 beim Finanzamt ein. In diesen Erklärungen gab er im Formular L1i an, dass er jeweils Pensionsbezüge ohne Lohnsteuerabzug erhalten habe. Daneben habe er jeweils unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite ausländische Pensionsbezüge erhalten.

Das Finanzamt erließ am Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2013, denen es jeweils die vom Beschwerdeführer erklärten Bemessungsgrundlagen zugrunde legte. Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 auf Basis derselben Bemessungsgrundlagen wie im Jahr 2010.

Der Beschwerdeführer beantragte am die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum , was das Finanzamt mit Bescheid vom gewährte. Am erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2013 und brachte vor, dass nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Österreich - Deutschland Ruhegehälter, welche von einem Vertragsstaat, einer seiner Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts für diesem Staat, einer seiner Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleistete Dienste gezahlt werden, als Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst unter Art 19 Abs 2 DBA Österreich - Deutschland zu subsumieren seien.

Die Deutsche Rentenversicherung sei ein Teil der gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland. Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung fielen unter Art 18 Abs 2 DBA Österreich - Deutschland. Die Rente von den Berliner Verkehrsbetrieben sei daher ebenso wie jene aus der Deutschen Rentenversicherung in Österreich unter Progressionsvorbehalt freizustellen. Beantragt werde daher die Festsetzung der Einkommensteuer mit Null.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte aus, dass die Leibrente von den Berliner Verkehrsbetrieben nach der Rechtsauffassung des Finanzamtes Neubrandenburg und der österreichischen Steuerverwaltung der Besteuerung in Österreich unterliege, da es sich um eine Rente gemäß § 22 Nr 5 Satz 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des deutschen Einkommensteuergesetzes bzw. Art 18 Abs 1 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich - Deutschland handle.

Aus einer Bestätigung der Deutschen Rentenversicherung Bund geht hervor, dass der Beschwerdeführer ab monatliche Leistungen aus einer "großen Witwerrente" erhielt. Aus einer Bestätigung der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd geht hervor, dass der Beschwerdeführer ab dem eine "Altersrente für schwerbehinderte Menschen" erhielt. Aus einer Bestätigung der Berliner Verkehrsbetriebe geht hervor, dass der Beschwerdeführer eine monatliche Versichertenrente bezog.

Aus den Begründungen der vorgelegten deutschen Steuerbescheide für die Jahre 2009-2011 geht hervor, dass das uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Renten aus der deutschen Sozialversicherung gemäß Art 18 Abs 2 DBA Deutschland - Österreich Deutschland zukomme. Aus der Aufgliederung der Besteuerungsgrundlagen ist ersichtlich, dass die Witwerrente und die Altersrente für schwerbehinderte Menschen der Besteuerung in Deutschland unterzogen wurden.

Mit E-Mail vom teilte das Finanzamt Neubrandenburg in Deutschland dem Finanzamt mit, dass die Berliner Verkehrsbetriebe dem Finanzamt Neubrandenburg bekanntgegeben habe, dass an den Beschwerdeführer "steuerpflichtige Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag oder einer betrieblichen Altersversorgung" auf Grundlage des § 22 Nr 5 Satz 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des deutschen Einkommensteuergesetzes ausbezahlt wurden. Es handle sich um eine lebenslange Leibrente, welche auch auf eigenen Beitragszahlungen basiere. Daher komme unter Hinweis auf Art 18 Abs 1 DBA Deutschland - Österreich Österreich das Besteuerungsrecht zu.

Das Bundesfinanzgericht forderte den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom auf geeignete Nachweise dafür zu erbringen, in welcher Höhe er eigene Beiträge im Zusammenhang mit der Leibrente der Berliner Verkehrsbetriebe geleistet habe und ob diese Beträge aus versteuertem oder aus unversteuertem Einkommen geleistet worden seien. Der Beschwerdeführer brachte daraufhin vor, dass er keine Lohnabrechnungen aus seiner aktiven Zeit mehr vorlegen könne, er sei seit 27 Jahren im Ruhestand. Er legte jedoch unter anderem den Erlass des Senators für Finanzen vom - III C 111 - S 2220-5/66 vor. Dieser Erlass betrifft die "Einkommen- (Lohn-)steuerliche Behandlung der Leistungen in die BVG-Ruhegeldeinrichtung und der Zahlungen aus dieser Einrichtung" und lautet auszugsweise wie folgt:

"Die ... von den Mitgliedern der BVG-Ruhegeldeinrichtung zu entrichtenden "Arbeitnehmerbeiträge" sind steuerlich - wie bereits ab - als dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Einbehaltung nicht zugeflossene Teile des Arbeitslohns zu behandeln. Arbeitslohn ... ist deshalb nur der Teil des Gehalts oder Lohns, der nach Kürzung um die Arbeitnehmerbeiträge zur BVG-Ruhegeldeinrichtung dem Arbeitnehmer tatsächlich zur Verfügung steht; nur von diesem Betrag sind auch die Steuerabzugsbeträge zu berechnen." (Punkt II. 2. des Erlasses).

In einem dem Bundesfinanzgericht ebenfalls übermittelten E-Mail einer Mitarbeiterin der Berliner Verkehrsbetriebe gibt diese an: "In den beigefügten alten Unterlagen zur Versteuerung des Ruhegeldes habe ich noch einen handschriftlichen Vermerk gefunden, dass die Arbeitnehmer-RU-Beiträge steuerfrei waren."

An entscheidungswesentlichem Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den aktenkundigen Ermittlungsergebnissen des Finanzamtes, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, dass der Beschwerdeführer in den Streitjahren neben einer "großen Witwerrente" und einer "Altersrente für schwerbehinderte Menschen" eine Rente von den Berliner Verkehrsbetrieben bezogen hat. Diese Rente wurde auf Grundlage des § 22 Nr 5 Satz 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des deutschen Einkommensteuergesetzes ausbezahlt, da diese Rente auch auf eigenen Beitragszahlungen basiert. Sie wurde in den Streitjahren in Deutschland nicht besteuert.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seine (Arbeitnehmer-)Beiträge an die Ruhegeldeinrichtung der Berliner Verkehrsbetriebe aus seinem versteuerten Arbeitslohn entrichtet hätte. Da keine Monatslohnabrechnungen mehr vorliegen, lassen die angeführte Erlassregelung aus dem Jahr 1966 und der Hinweis auf den handschriftlichen Vermerk in den Akten der Berliner Verkehrsbetriebe nur den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer seine Beiträge zwar aus seinem Arbeitslohn, jedoch vor Abzug der Lohnsteuer entrichtet hat.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Beschwerdeführer ist unbestritten in Österreich ansässig, er unterliegt daher mit seinen gesamten Einkünften der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Österreich.

Werden Einkünfte im Ausland erzielt, kann das Besteuerungsrecht durch ein mit dem Quellenstaat der Einkünfte bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt sein. Doppelbesteuerungsabkommen begrenzen dabei die sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht. Ob Steuerpflicht besteht, ist daher zunächst nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl., mwN und ). Die Frage, wie das Besteuerungsrecht in der Folge im Inland ausgeübt wird, richtet sich wiederum ausschließlich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften.

Gemäß § 25 EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) unter anderem Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis (Z 1), Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung (Z 3 lit a) und Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht (lit c). Eine Pension aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung gehört sohin zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn diese einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

Die Freistellung der Witwerrente und der Altersrente für schwerbehinderte Menschen von der Besteuerung in Österreich unter Progressionsvorbehalt ist dem Grunde nach ebenso unstrittig wie hinsichtlich Bemessungsgrundlagen. Strittig ist hingegen die Besteuerung der Rente von den Berliner Verkehrsbetrieben in Österreich.

Gemäß Art 18 Abs 1 und 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002 (im Folgenden: DBA) gilt:

"(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden."

Art 19 Abs 2 des DBA lautet:

"(2) Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat, einer seiner Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates an eine natürliche Person für diesem Staat, einer seiner Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleistete Dienste gezahlt werden, dürfen abweichend von Artikel 18 nur in diesem Staat besteuert werden. Diese Ruhegehälter dürfen jedoch nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn die natürliche Person in diesem Staat ansässig ist und ein Staatsangehöriger dieses Staates ist."

Entscheidungswesentlich dafür, ob Deutschland oder Österreich das Besteuerungsrecht an der Rente von den Berliner Verkehrsbetrieben zukommt, ist daher, ob diese Rente ein Ruhegehalt im Sinn des DBA ist.

Art 3 Abs 2 des DBA lautet:

"(2) Bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat."

Den Angaben des Finanzamtes Neubrandenburg in Deutschland zufolge haben die Berliner Verkehrsbetriebe die Rente gemäß § 22 Nr 5 Satz 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des deutschen Einkommensteuergesetzes ausbezahlt, welcher Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen, Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen regelt. Ein Ruhegehalt im Sinn des § 19 des deutschen Einkommensteuergesetzes liegt demgemäß nicht vor. Daher ist Art 19 Abs 2 des DBA nicht anzuwenden. Das Besteuerungsrecht an dieser Rente kommt Österreich zu.

Gemäß § 25 Abs 1 Z 2 lit b EStG sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) auch "Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (...) Z 2 lit a zweiter Satz ist für Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (...) insoweit anzuwenden, als die Beitragsleistungen an derartige ausländische Pensionskassen (...) die in- oder ausländischen Einkünfte nicht vermindert haben. Dies gilt sinngemäß, wenn die Beitragsleistungen das Einkommen im Ausland nicht vermindert haben." Gemäß § 25 Abs 1 Z 2 lit a sublit aa EStG sieht vor: "Jene Teile der Bezüge und Vorteile, die auf die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beträge entfallen, sind nur mit 25 % zu erfassen..."

Da nicht festgestellt werden konnte, dass die Beitragszahlungen des Beschwerdeführer zur Ruhegeldkasse seine Einkünfte bzw. sein Einkommen nicht vermindert haben, ist die Rente von den Berliner Verkehrsbetrieben in voller Höhe in Österreich zu versteuern.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war im gegenständlichen Erkenntnis nicht zu lösen, da sich die rechtliche Würdigung direkt aus den Gesetzen ergibt. Im übrigen konnte sich das Bundesfinanzgericht an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientieren.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 19 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 25 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100255.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at