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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2019, RV/3100157/2017

Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO mangels Nachweises der Gläubigergleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Be­schwerde­sache Bf, Adr, als ehemaliger Ge­schäfts­führer der P-GmbH, vertreten durch V., Rechts­anwalt , Adr1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 22. Au­gust 2016, zu St.-Nr. ********, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO,

zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Haftung auf folgende Abgabenbeträge eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
08/2014
€ 2.801,85
Lohnsteuer
09/2014
€ 4.210,79
Dienstgeberbeitrag
09/2014
€ 1.407,46
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
09/2014
€ 134,49
Summe:
 
€ 8.554,58

Gegenüberstellung:


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bisher (laut Beschwerdevorentscheidung)
€ 9.555,07
neu
€ 8.554,58
Gutschrift
€ 1.000,49

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 9 BAO zur Haftung für die in einer Beilage zum Bescheid näher bezeichneten Ab­ga­ben­schuldig­keiten der P-GmbH in Höhe von insgesamt € 41.623.80 heran. Der Beschwerdeführer hätte dafür Sorge zu tragen gehabt, dass diese Abgabenschuldigkeiten entrichtet werden. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass diese gesetzliche Verpflichtung schuldhaft verletzt worden sei. Die Abgaben seien bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Im vorausgegangenen Vorhalteverfahren brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom vor, dass keine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vor­liege und er nicht sorglos gehandelt habe. Er habe durch die im maß­geb­lichen Zeitraum noch geleisteten Zahlungen von € 18.552,63 entsprechende Erlöse erzielen können, was zum Ergebnis geführt habe, dass bei angemeldeten Forderungen von € 1.022.342,55 überhaupt eine Quote aus­ge­schüttet werden konnte. Wenn die angeführten Zahlungen nicht geleistet worden wären, wäre auf das Finanzamt ein Verteilungserlös von € 2.673,72 entfallen. Bei einem Ver­teilungserlös von € 1.524,53 greife die Haftung letztlich nur hin­sicht­lich des Dif­ferenz­be­trages von € 1.149,19.

In Bezug auf eine persönliche Billigkeit wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer derzeit als Taxi­fahrer tätig sei und lediglich ein monatliches Entgelt von € 1.470,28 beziehe. Auch eine Haftung in Höhe von nur € 1.149,19 würde ihn äußerst hart tref­fen .

Gegen den Haftungsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 22. Sep­tem­ber 2016 das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde.

Er rügte die Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Im Haf­tungs­be­scheid werde auf die Stellungnahme vom mit keinem Wort Bezug genommen. Außerdem enthalte der Bescheid keine Feststellungen zu den Eckdaten des Insolvenzverfahrens, die Höhe der an Dritte vor Insolvenzeröffnung geleisteten Zahlungen und den Betrag, den das Finanzamt erhalten hätte, wenn der Be­schwer­de­führer im maßgeblichen Zeitraum die zur Verfügung stehenden bzw. geleisteten Mittel auf alle Gläubiger verteilt hätte. Schließlich sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom schränkte das Finanzamt die Haftung auf jene Abgaben ein, deren Fälligkeit in den Zeitraum der Ge­schäfts­füh­rungs­tätig­keit durch den Beschwerdeführer fiel:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
08/2014
€ 3.129,53
Lohnsteuer
09/2014
€ 4.703,25
Dienstgeberbeitrag
09/2014
€ 1.572,07
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
09/2014
€ 150,22
Summe:
 
 
€ 9.555,07

Im Übrigen wurde die Beschwerde jedoch als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom gewährte das Bundesfinanzgericht dem Be­schwer­de­führer nochmals die Möglichkeit, die Gleichbehandlung aller Gläubiger unter Berück­sichti­gung der im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich fälligen Verbindlichkeiten und ver­füg­baren liquiden Mittel nachzuweisen. Eine Beantwortung des Vorhaltes erfolgte nicht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer war bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am alleiniger Geschäftsführer der P-GmbH. Mit Be­schluss  des Landesgerichtes Innsbruck vom wurde über das Vermögen der Gesell­schaft das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom nach Schluss­ver­teilung wieder aufgehoben. Auf die Gläubiger entfiel eine Quote von rund 4,54%. Im Rahmen einer Nachtragsverteilung wurden dem Finanzamt am insgesamt weitere € 2.021,23 über­wie­sen .

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretenen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihren Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Inanspruchnahme als Haftender setzt daher die Stellung als Vertreter, das Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit, die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter, das Verschulden des Vertreters und die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus

Im Beschwerdefall sind die Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter, das Bestehen einer Abgabenforderung und die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten unstrittig. Strittig ist die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter sowie Umfang und Höhe der Haftungsschuld.

Die noch mit dem angefochtenen Bescheid in die Haftung einbezogenen Abgaben­schuldig­keiten mit einem Fälligkeitstermin nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 6. No­vem­ber 2014 sind mangels Vertreterstellung des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt aus der Haftungsinanspruchnahme auszuscheiden. Es verbleiben somit noch die oben angeführten Abgaben mit dem Fälligkeitstermin , deren Nicht­ent­rich­tung der Beschwerdeführer zu verantworten hat. Bei diesen Abgaben ist allerdings noch die Konkursquote von 4,542509 % (vom Finanzamt wurden Forderungen in Höhe von € 34.094,94 angemeldet) sowie der sich aus der Nachtragsverteilung ergebende anteilige Betrag von € 2.021,23 (Quote insgesamt 10,470732%) in Abzug zu bringen:


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Abgabenart
laut BVE
Abzug
Haftung
Umsatzsteuer 08/2014
€ 3.129,53
€ 327,68
€ 2.801,85
Lohnsteuer 09/2014
€ 4.703,25
€ 492,46
€ 4.210,79
Dienstgeberbeitrag 09/2014
€ 1.572,07
€ 164,61
€ 1.407,46
Zuschlag zum Dienstgebebeitrag 09/2014
€ 150,22
€ 15,73
€ 134,49
 
€ 9.555,07
€ 1.000,49
€ 8.554,58

Stehen Vertreterstellung und Uneinbringlichkeit fest, trifft den zur Haftung heran­ge­zogenen Geschäftsführer einer Gesellschaft die Obliegenheit, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. ; ). Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechts­widrig­keits­zusammen­hang (vgl. , ).

Zu den Pflichten eines Vertreters gehört die termingerechte Entrichtung der Abgaben nach Maßgabe der vorhandenen Mittel. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl. zB ).

Die vom Beschwerdeführer in seiner Vorhaltsbeantwortung vom angestellte Berechnung, wonach der Abgabengläubiger unter Berücksichtigung der Quote im Insolvenzverfahren höchstens für einen Betrag von € 1.149,19 zur Haftung herangezogen werden könne, geht schon deshalb ins Leere, weil für eine derartige Berechnung nicht die im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen (darin sind beispielsweise auch aufgrund des Konkurse fällig gestellte Kredite und Ver­bind­lich­keiten  mit späteren Fälligkeitsterminen enthalten) herangezogen werden können, sondern die Quote anhand der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben gleichzeitig fälligen Verbindlichkeiten zu berechnen ist. Die vorgelegte Berechnung berücksichtigt auch nicht, dass die Lohnsteuer als Abzugsabgabe vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen ist. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Die Lohnsteuer wäre daher jedenfalls abzuführen gewesen.

Mit der Bezahlung anderer Gläubiger in Höhe von insgesamt € 18.552,63, und seien es auch nur Zug-um-Zug-Geschäfte gewesen, hat der Beschwerdeführer zweifelslos gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Eine Quote unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Kriterien wurde vom Beschwerdeführer trotz schriftlicher Aufforderung nicht berechnet. Mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers konnte die Abgabenbehörde im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtsprechung die Haftung in voller Höhe - mit Ausnahme der Verminderung durch die Konkursquote - aussprechen (vgl zB ; ; ).                  

Im Übrigen weisen sowohl das Bankkonto als auch das Kassenkonto zum Insolvenz­zeit­punkt einen Soll-Saldo aus, der die Haftungssumme übersteigt.

Es ist daher von einer schuldhaften Verletzung  abgabenrechtlicher Pflichten und der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Abgabenausfall auszugehen.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich in­ner­halb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Er­mes­sens­kriterium darstellt. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Pri­mär­schuldner uneinbringlich ist.

Der Beschwerdeführer war die einzige zur Vertretung der Gesellschaft berufene Person und damit der einzige Betracht kommende Haftungspflichtige. Er hat aus den oben dargelegten Gründen die Abgabenzahlungspflicht schuldhaft verletzt und dadurch den Abgabenausfall herbeigeführt. Das geltend gemachte geringe Einkommen vermag eine persönliche Billigkeit nicht darzutun, zumal das Einkommen durch den geltenden unpfändbaren Freibetrag geschützt ist, eine Existenzgefährdung selbst im Falle einer drohenden ab­gaben­behörd­lichen Vollstreckungsmaßnahme (Lohnpfändung) daher nicht vorliegt.

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der ständigen Rechtsprechung des Ver­waltungs­gerichts­hofes nicht abgewichen. Tatsachenfragen sind einer Revision grundsätzlich nicht zugänglich. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at