Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2019, RV/7200088/2015

Vorgetäuschte, nicht ordnungsgemäße Beendigung des Versandverfahrens. Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde-
sache Bf, Adresse1, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin V, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt vom , Zahl: xxxx, betreffend Eingangsabgaben nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Mit dem im Spruch näher bezeichneten Bescheid hat das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt gegenüber der Zollspedition A, Inhaber B, Adresse3, für Knoblauch der Warennummer 0703200000 KN, der im Zeitraum vom bis zum bei der Abgangsstelle Z ollstelle Wiener Neudorf, hinsichtlich der in Anlage I, die einen Bestandteil des Spruches des bekämpften Bescheides bildet, angeführten Movement Reference Numbers (MRN) in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführt und in weiterer Folge der zollamtlichen Überwachung entzogen wurde, gemäß Art. 203 Abs. 1, erster Anstrich und Art. 203 Abs. 3, vierter Anstrich Zollkodex (nachfolgend: ZK), sowie gemäß § 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (nachfolgend: ZollR-DG) eine Eingangsabgabenschuld Zoll (A00) im Betrage von insgesamt € 2.061.407,75 und Einfuhrumsatzsteuer (B00) im Betrag von insgesamt € 297.953,09 festgesetzt.
Als Folge der Entstehung der Eingangsabgabenschuld wurde gemäß § 108 ZollR-DG eine Abgabenerhöhungen (1ZN) im Betrag von insgesamt € 678.263,74 ausgemessen, der Gesamtbetrag in der Höhe von € 3.037.624,58 gemäß Art. 220 Abs. 1 buchmäßig erfasst und gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK der Zollspedition A m itgeteilt und vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob die steuerlich vertretene Zollspedition A in offener Frist mit Schriftsatz vom  den Rechtsbehelf der Berufung, der nach der geltenden Rechtslage als Beschwerde zu werten ist. 

Der Bescheid wurde von der damaligen Beschwerdeführerin (kurz: Bf) Bf vollumfänglich angefochten und von ihr der Antrag gestellt, in Stattgebung der Berufung den angefochtenen Bescheid des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt vom , Zahl: xxxx, ersatzlos aufzuheben, in eventu dahingehend abzuändern, dass die Abgabenvorschreibung auf € 0,00 reduziert wird.
Die damalige Bf wendet zunächst Verjährung ein, weil die sechsundsiebzig Versandscheine in den Jahren 2005 bis 2006, damit vor weitaus mehr als drei Jahren vor der Erlassung des strittigen bekämpften Bescheides ausgestellt worden seien. Der Bescheid sei wegen des Überschreitens der Dreijahresfrist schon allein deswegen aufzuheben. 
Danach wendet die damalige Bf im Wesentlichen ein, im Bescheid sei ausgeführt, sämtliche Versandverfahren seien bei der Bestimmungsstelle beendet und davon die Abgangsstelle jeweils auf elektronischem Weg in Kenntnis gesetzt worden. Tatsächlich würden die Versandscheine eine Original-Empfangsbestätigung der slowakischen Bestimmungsstelle tragen. Ein Versandverfahren sei beendet und die Verpflichtungen des Inhabers des Versandverfahrens seien erfüllt, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Dokumente entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zellstelle gestellt werden. Nicht das tatsächliche Verbringen sei entscheidend, sondern nur die Gestellungs-Mitteilung.
Daraus, dass die slowakischen Zollbehörden eine Bestätigung an die Abgangszollstelle gesendet haben, dass die Versandverfahren jeweils beendet worden sind und dadurch, dass auf jedem der bescheidgegenständlichen Versandscheine ein Original, d.h. ein echter (nicht gefälschter) Zollstempel der Bestimmungsstelle vorhanden sei, ergebe sich, dass tatsächlich eine Gestellung an der Bestimmungsstelle vorliegt. Allein deswegen sei davon auszugehen, dass es in den vorliegenden Fällen tatsächlich zu einer Gestellung der Waren gekommen sei, daher die Verpflichtungen des Verfahrensinhabers erloschen seien und dass daher auch keine Abgabenvorschreibung nach Art. 203 ZK an die Zollspedition A erfolgen könne.
Nicht nachvollziehbar sei auch die Berechnung der Höhe der Eingangsabgaben.
Die Vorschreibung der Abgabenerhöhung sei unzulässig (vgl. VwGH 2012/16/0090). Jedenfalls unzulässig sei es, eine Abgabenerhöhung für die Zeit vor Fälligkeit der ursprünglichen Zollschuld vorzuschreiben. Eine Vorschreibung einer Abgabenerhöhung für solche Zeiträume sei nämlich unverhältnismäßig im Sinn des EuGH-Urteils C-91/02 vom (vgl. VwGH 2003/16/0479).

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt wies die Berufung (Beschwerde) mit Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE) vom als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes, der Beschwerdevorbringen und der zur Anwendung gekommen wesentlichsten gesetzlichen Bestimmungen stütz das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt seine Erwägungen zu den vorgebrachten Beschwerdepunkten auf den von ihm als erwiesen angenommen Sachverhalt. Im Einzelnen entgegnet das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt den Einwendungen der damaligen Bf zur Beendigung der Versandverfahren, zur Berechnung der Eingangsabgaben, zur Abgabenerhöhung und zur Verjährung. 

In dem in offener Frist eingebrachten Vorlageantrag vom wiederholt die damalige Bf ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, äußert sich zum bisherigen Verfahrensgang um danach im Wesentlichen die Vorbringen in der Beschwerde zu wiederholen und zu beantragen, das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) möge den bekämpften Bescheid ersatzlos aufheben, in enventu dahingehend abändern, dass die Abgabenvorschreibung auf € 0,00 reduziert werde.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt hat dem BFG die Beschwerde und die Abgabenakten mit Vorlagebericht vom vorgelegt.

Über Ersuchen des BFG hat das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt dem BFG am eine Ordner mit insgesamt sechsundsiebzig Suchanzeigen mit Erledigungsvermerken des Zollamtes Vysne Nemecke vorgelegt. 
Dazu wurde der damaligen Bf mit Schreiben des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt vom , Zahl: yyyy, das Parteiengehör gegeben.

Das  GZ. zzzz, die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde bis zur Erledigung der von der Zollspedition A gegen das Erkenntnis des  aaaa, in offener Frist beim BFG eingebrachten Revision durch den Verwaltungsgerichtshof auszusetzen.

Aus der dem BFG vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt am vorgelegten Sterbeurkunde des Standesamtes Wien-Innere Stadt, Zahl: bbbb, ergibt sich, dass B am verstorben ist.

Die Bf als nunmehrige Bf wird durch die Verlassenschaftskuratorin V, Adresse2, vertreten. 

Der VwGH hat die ao Revision des Revisionswerbers Zollspedition  A in Adresse4 gegen das Erkenntnis des GZ. cccc, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung mit Beschluss vom , Ra 2017/16/0081-5, zurückgewiesen.

Mit E-Mail vom hat das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt dem BFG das rechtskräftig gewordene Urteil (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , Az. dddd, übersendet.

In der mündlichen Verhandlung wird von der Verlassenschaftskuratorin zunächst eine Kopie des Beschlusses des BG Josefstadt vom , Az. eeee, vorgelegt, wonach Frau V persönlich zur Verlassenschaftskuratorin in der Verlassenschaftssache nach B bestellt wurde. Partei des Verfahrens und damit Bf ist die Bf, Adresse1.

Das Urteil (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , Az. dddd, wurde inhaltlich erörtert und eine Kopie an V übergeben.

V konnte in den Ordner Suchanzeigen Einsicht nehmen. 

Mit Vorhalt vom und vom  wurde dem damaligen Bf das Parteiengehör zu den Ergebnissen von OLAF gegeben; er konnte sich zu diesem Ergebnis und insbesondere auch dazu, dass die Waren das Zollgebiet der Europäischen Union über möglicherweise andere Zollämter verlassen haben, äußern.
Der damalige Bf hat sich zum Vorhalt vom mit Schreiben vom  geäußert. 
Dem Zollamt und der Verlassenschaftskuratorin ist nicht bekannt, ob bzw. dass die Ware das Zollgebiet der Europäischen Union über möglicherweise andere Zollämter verlassen hat.  

Es wurde darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt in Art. 215 Abs. 1 ZK geregelt ist.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt erinnert an das E-Mail vom an die Slowakische Zollbehörde Vysne Nemecke. Dabei ging es um die Frage, ob die LKW nach der Polizei- und Zollkontrolle beim Zollamt Vysne Nemecke theoretisch umkehren hätten können oder ob die Waren danach dort entladen hätten werden können. Die Anfrage wurde noch am selben Tag verneinend beantwortet.
Die Verlassenschaftskuratorin konnte in diese Schreiben Einsicht nehmen.

Seitens der Verlassenschaftskuratorin wird auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Von ihr werden die Vorbringen zur Verjährung, dass die Versandverfahren ordnungsgemäß beendet wurden, zur Höhe der Eingangsabgaben und zur Abgabenerhöhung aufrecht erhalten. Sie beantragt, der Beschwerde stattzugeben.

Seitens des Zollamtes wird die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Rechtslage:

Die wesentlichen zur Anwendung gekommen Rechtsvorschriften sind:

Art. 203 ZK:
(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
(3) Zollschuldner sind:
- die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat;
- die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen;
- die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war; gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabepflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben.

Art. 215 ZK:
(1) Die Zollschuld entsteht
- an dem Ort, an dem der Tatbestand eintritt, der die Zollschuld entstehen lässt;
- oder, wenn dieser Ort nicht bestimmt werden kann, an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen;
- oder, wenn die Ware in ein noch nicht erledigtes Zollverfahren übergeführt worden ist und der Ort innerhalb einer gegebenenfalls nach dem Ausschlussverfahren festgelegten Frist weder nach dem ersten noch nach dem zweiten Gedankenstrich bestimmt werden kann, an dem Ort, an dem die Ware in das betreffende Verfahren übergeführt oder im Rahmen dieses Verfahrens in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden ist.
(2) Können die Zollbehörden aus ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld bereits entstanden war, als sich die Ware noch an einem anderen Ort befand, so gilt die Zollschuld als an dem Ort entstanden, an dem sich die Ware aufgrund der Feststellung zu dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt, für das Bestehen der Zollschuld nachgewiesen werden kann, befand.

Art. 92 ZK:
(1) Das externe Versandverfahren endet und die Verpflichtungen des Inhabers sind erfüllt, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Dokumente entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle gestellt werden.
(2) Die Zollbehörden erledigen das externe Versandverfahren, wenn sie auf der Grundlage eines Vergleichs der der Abgangszollstelle zur Verfügung stehenden Angaben mit den der Bestimmungsstelle zur Verfügung stehenden Angaben ersichtlich ist, dass das Verfahren ordnungsgemäß beendet ist.

Art. 96 ZK:
(1) Der Hauptverpflichtete ist der Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens. Er hat
a) die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungsstelle zu gestellen;
b) die Vorschriften über das gemeinschaftliche Versandverfahren einzuhalten.
(2) Unbeschadet der Pflichten des Hauptverpflichteten nach Absatz 1 ist ein Warenführer oder Warenempfänger, der die Waren annimmt und weiß, dass sie dem gemeinschaftlichen Versandverfahren unterliegen, auch verpflichtet, sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungsstelle zu gestellen.

Art. 4, Punkt 13 ZK:
Zollamtliche Überwachung: allgemeine Maßnahmen der Zollbehörden, um die Einhaltung des Zollrechts und gegebenenfalls der sonstigen für Waren unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften zu gewährleisten.

Art. 37 ZK:
(1) Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht Zollkontrollen unterzogen werden.
(2) Sie bleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wieder ausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.

§ 2 Abs. 1 ZollR-DG:
Danach gelten das im § 1 ZollR-DG genannte gemeinschaftliche Zollrecht, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex), sowie weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Art. 221 ZK (auszugsweise):
(1) Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.
[...]

(4) Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen.

§ 74 Abs. 2 ZollR-DG:
Die Verjährungsfrist beträgt bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangabgaben zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde. 

§ 108 Abs. 1 ZollR-DG:
Entsteht außer in den Fällen des § 108 Abs. 2 ZollR-DG eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205, 210 oder 211 ZK, oder ist eine Zollschuld nach Art. 220 ZK nach zu erheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung nach Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nach zu erhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Verwaltungsabgaben nach § 105 ZollR-DG bleibt unberührt.

An dieser Stelle ist noch auf die - hier nicht wiedergegebenen - in der bekämpften Beschwerdevorentscheidung angeführten Rechtsvorschriften des ZK und der ZK-DVO hinzuweisen. 

Erwägungen:

A) Dem Abgabenverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde

Im Zeitraum vom bis zum  wurden - jeweils auf Antrag der Zollspedition A - mit insgesamt sechsundsiebzig Versandanmeldungen externe gemeinschaftliches Versandverfahren im EDV-gestützten Verfahren NCTS (New Computerised Transit System) zur Beförderung von jeweils eingangsabgabepflichtigem Knoblauch vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt, Zollstelle Wiener Neudorf, als Abgangsstelle zu dem in der Slowakei gelegenen Zollamt Vysne Nemecke als Bestimmungsstelle eröffnet.
Di e sechsundsiebzig Versandanmeldungen sind in der Anlage 1 zum Erstbescheid als Movement Reference Numbers (MRN) aufgelistet.
Insgesamt wurden 218.073 Packstücke Knoblauch in einer Rohmasse von 1.794.612 kg befördert.
Das Zollamt Vysne Nemecke liegt an der Grenze zwischen der Slowakei und der Ukraine.

Als Empfänger der Waren wurden in den beigebrachten Unterlagen diverse - vor allem in den Versandscheinen jeweils näher bezeichnete  Unternehmen genannt.  

Die Zollspedition A trat in den sechsundsiebzig Verfahren als zugelassene Versenderin gemäß Art. 398 ZK-DVO und als Hauptverpflichtete gemäß Art. 96 Abs. 1 ZK auf.

Beim Knoblauch handelte es sich um frischen Knoblauch.

Die verfahrensgegenständlichen sechsundsiebzig Versandverfahren erfolgten immer nach dem gleichen Schema. Die Hauptverpflichtete nahm in allen Fällen als Sicherheitsleistung jeweils Gesamtbürgschaft (Code 1 im Feld 52) in Anspruch. Zollverschlüsse als Nämlichkeitssicherung wurden nicht angelegt. Im Feld 18 der Versandanmeldungen waren entgegen den Bestimmungen des Art. 353 ZK-DVO und Anhang 37 ZK-DVO keine Kennzeichen der Beförderungsmittels eingetragen.

Im Zeitraum vom bis zum  wurden die angemeldeten Waren der Hauptverpflichteten vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt, Zollstelle Wiener Neudorf, antragskonform überlassen. Vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt, Zollstelle Wiener Neudorf, wurden Fristen für die Gestellung festgesetzt.

Die in den Versandscheinen vorgesehene Bestimmungsstelle, das slowakische Zollamt Vysne Nemecke, übermittelte in der Folge diesbezüglich je eine Ankunftsanzeige als auch eine Kontrollergebnisnachricht über die Ankunft der Waren im NCTS-Verfahren. Die Versandverfahren wurden im elektronischen System ordnungsgemäß beendet. Davon wurde die Abgangsstelle im elektronischen Weg jeweils mit der Nachricht IE006 (Information-Exchange - Ankunftsanzeige) und IE018 (Kontrollergebnisnachricht) in Kenntnis gesetzt. 

Im Jänner 2010 erfolgte über Veranlassung der Europäischen Kommission eine Gemeinschaftsmission des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Mitgliedstaat Slowakei. Gegenstand der Gemeinschaftsmission war die zollrechtliche Überprüfung von Versandscheinsendungen im Zusammenhang mit dem Entzug von frischem Knoblauch aus dem NCTS Verfahren. Die Kommissionserhebungen bei der Zollstelle Vysne Nemecke ergaben, dass Warensendungen, u.a. auch die im Spruch genannten Sendungen, nicht bei der slowakischen Zollstelle Vysne Nemecke angekommen bzw. dort gestellt worden sind.

Mit Schreiben vom richtete das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt gemäß Art. 314a ZK-DVO (TC21) ein Nachprüfungsersuchen an die slowakische Zollverwaltung zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Beendigung der sechsundsiebzig Versandverfahren. Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt hat um Bestätigung der ordnungsgemäßen Beendigung der Versandverfahren ersucht und die erbetene Nachprüfung insbesondere auf den dringenden Verdacht, es könnte beim slowakischen Zollamt Vysne Nemecke zu einer nicht korrekten lediglich manipulativen Beendigung der Versandverfahren im System des NCTS gekommen sein, gestützt.

Die slowakische Zollverwaltung hat dazu mit Schreiben vom am  berichtet, es hätten die Nachprüfungen ergeben, dass es in den gegenständlichen sechsundsiebzig Fällen bei der Bestimmungsstelle Zollamt Vysne Nemecke zu nicht gesetzeskonformen unkorrekten Beendigung der Versandverfahren gekommen war, sodass die elektronischen Nachrichten an die Abgangsstelle über die Ankunft der Waren an der Bestimmungsstelle als unrichtig zu betrachten sind.
Die Versandverfahren seien im elektronischen System nicht ordnungsgemäß beendet worden. Die an die Abgangsstelle im elektronischen Weg gerichtete Ankunftsanzeige jeweils mit der Nachricht IE006 und die Kontrollergebnisnachricht IE018 seien insoweit falsch, weil das jeweilige Versandgut eben nicht körperlich bei der Bestimmungsstelle angekommen ist.

Aus der Mitteilung der ukrainischen Zollverwaltung (Zollamt Uzhgorod - dieses ist das dem slowakischen Zollamt Vysne Nemecke gegenüber liegende Zollamt in der Ukraine) vom an die slowakische Zollverwaltung geht hervor, dass es im Jahr 2007 keine Einfuhren von frischem Knoblauch in das ukrainische Zollgebiet, die mit den gegenständlichen Versandverfahren in Bezug gebracht werden könnten, gegeben hat.

Aus dem Schreiben der Fraktionsübergreifenden Vereinigung von Abgeordneten des Obersten Rates der Ukraine "Kontrabandi-Stop (Stopp dem Schmuggel) vom an den Direktor des Departments für die Kontrolle und Inspektion des Zolldepartements der Slowakischen Republik geht hervor, dass in den Jahren 2007 und 2008 über das Zollamt Uzhgorod kein dem strittigen zuordenbarer Knoblauch importiert worden ist und dass die in den Versandverfahren angegebenen Empfänger des Versandgutes in den meisten Fällen nicht existent waren.

Aus den Ermittlungsberichten der slowakischen und ukrainischen Zollverwaltung ergibt sich zusammengefasst, dass der eingangsabgabepflichtige frische Knoblauch als Ware der externen gemeinschaftlichen Versandverfahren beim slowakischen Zollamt Vysne Nemecke nicht angekommen ist.

Eine Ordner mit insgesamt sechsundsiebzig Suchanzeigen wurde dem BFG vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt am vorgelegt. Den Suchanzeigen lassen sich folgende Feststellungen des Zollamtes Vysne Nemecke vom
- dass die Papiere dort ohne die zugehörige Sendung vorgelegt wurden,
- dass weder die Sendung gestellt, noch die entsprechenden Papiere vorgelegt wurden und dass keine weiteren Angaben verfügbar sind 
entnehmen .

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt hat dem BFG am das Urteil (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , Az. dddd, vorgelegt.

B) Beweiswürdigung

Der angeführte Sachverhalt wird vom BFG in freier Überzeugung als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ergibt sich vor allem aus dem Inhalt der dem BFG vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt vorgelegten äußerst umfangreichen Verwaltungsakten, darunter Rechtshilfeakten und Aktenteile von österreichischen Gerichten. Der Sachverhalt kann außerdem auf die äußert umfangreiche Zusammenarbeit der österreichischen und der slowakischen Zollbehörden, auf die Ergebnisse der Suchverfahren und auf den Inhalt des rechtskräftigen Urteils (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom sowie den Inhalt der mündlichen Verhandlung gestützt werden.

C) Die Vorbringen in der Beschwerde, im Vorlageantrag und in der mündlichen Verhandlung 

1.a.) Das Vorbringen zur Verjährung:

Die damalige und die nunmehrige Bf wenden zur Verjährung im Wesentlichen ein, dass die sechsundsiebzig streitgegenständlichen Versandscheine bereits in den Jahren 2005 bis 2006, damit vor weitaus mehr als drei Jahren vor der Erlassung des strittigen bekämpften Erstbescheides vom ausgestellt worden seien. 
Soweit das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt vermeine von hinterzogenen Eingangsabgaben ausgehen zu können, sei festzuhalten, dass dies weder richtig sei noch dass hierfür im Bescheid irgendwelche stichhaltigen Sachverhaltsfeststellungen enthalten seien. Ein bloßer Verweis auf ein angeblich gerichtsanhängiges Finanzstrafverfahren, ohne dass es gerichtsanhängig sei, also eine Klage noch nicht erhoben wurde, reiche nicht aus. Eine lediglich oberflächliche Beurteilung sei rechtswidrig und der bekämpfte Bescheid wegen des Überschreitens der Dreijahresfrist schon allein deswegen aufzuheben.

1.b.) Entgegnung auf das Vorbringen:

Gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung gemäß Abs. 4 leg. cit. unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Abs. 3 erfolgen.

Gemäß § 74 Abs. 2 ZollR-DG beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangabgaben zehn Jahre, "wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht [...] zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde".

Die Zollschuldtatbestände wurden im Zeitraum vom bis zum verwirklicht. Der bekämpfte Abgabenbescheid stammt vom und wurde der damaligen Bf in offener verlängerter Verjährungsfrist zugestellt. Diese hat gegen den Bescheid die als Beschwerde zu wertende Berufung vom erhoben.

In Anbetracht der Höhe des streitgegenständlichen Abgabenbetrages war und ist im Hinblick auf die sechsundsiebzig Versandfälle mit frischem Knoblauch von einem ausschließlich vor einem Gericht zu verfolgendes Finanzvergehen auszugehen (§ 53 FinStrG).    

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das BFG außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl m Spruch als auch in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 270 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen. Dies gilt sinngemäß für dem BFG durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände. 

Am  hat das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt dem BFG das Urteil (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , Az. dddd, betreffen den Angeklagten C übersendet. Dieser wurde u.a. rechtskräftig schuldig erkannt, im Zeitraum vom bis zum in Wiener Neudorf und anderenorts einhundertacht Containersendungen mit aus der Volksrepublik China stammendem Knoblauch als eingangsabgabepflichtige Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen zu haben, indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren abgesondert verfolgten Personen den am verstorbenen B als Inhaber der Zollspedition A beauftragte, für die angeführten Containersendungen gemeinschaftliche T1 Versandverfahren bei der Abgangsstelle Wiener Neudorf mit dem Bestimmungszollamt Vysne Nemecke zu eröffnen und durch mangelhafte Ausstellung der T1 Versandmeldungen und Versandpapiere die tatsächlichen Empfänger, die tatsächlichen Bestimmungsorte der Waren und die tatsächlichen Transportrouten zu verschleiern, wohingegen die Waren tatsächlich ohne Entrichtung der darauf lastenden Eingangsabgaben in der Republik Ungarn in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union verbracht wurden, und slowakische Zollbeamte die rechtskonforme Beendigung der Versandverfahren in Form des Austrittes der Waren aus dem Zollgebiet der Europäischen Union vortäuschten, sodass er als Mitglied einer Bande von mindestens drei Personen den Schmuggel im Rahmen des von weiteren Personen organisierten Zusammenschlusses von mehreren Personen als Mitglied einer Bande begangen hat. 

Für die verlängerte Verjährungsfrist kommt es nicht darauf an, ob der in Anspruch genommene Zollschuldner die Abgaben selbst hinterzogen hat oder der Zollschuldner der Täter der strafbaren Handlung ist (). Es muss lediglich im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen worden sein.
Die Verjährungsfrist bezieht sich nämlich nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung ().

Durch das rechtskräftige Urteil (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , Az. dddd, ist erwiesen, dass im Zusammenhang mit den gegenständlichen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde. 

Daher kommt für die Festsetzung der gegenständlichen Abgaben nicht die regelmäßige dreijährige, sondern die verlängerte zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 221 Abs. 4 ZK iVm § 74 Abs. 2 ZollR-DG zur Anwendung.

2.a.) Das Vorbringen zu den Pflichten des Inhabers eines Zollverfahrens und zur Heranziehung desselben als Zollschuldner:

Die damalige und die nunmehrige Bf wenden im Wesentlichen ein, die Zollspedition A sei nicht Zollschuldner geworden.
Im Bescheid sei ausgeführt worden, dass sämtliche Versandverfahren bei der Bestimmungsstelle beendet wurden und dass die Abgangsstelle davon jeweils auf elektronischem Weg in Kenntnis gesetzt worden sei.
Nach Art. 92 Abs. 1 ZK sei das Versandverfahren beendet und die Verpflichtungen des Inhabers des Versandverfahrens seien erfüllt, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Dokumente entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zellstelle gestellt werden.
Tatsächlich tragen die Versandscheine eine Original-Empfangsbestätigung der slowakischen Bestimmungsstelle.
Die Nachforschungen der österreichischen bei den slowakischen Abgabenbehörden hätten nicht ergeben, dass die Zollstempel unrichtig seien oder gefälscht worden wären.
Gestellung heiße nach Art. 4 Z 19 ZK die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zellstelle oder einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden.
Die Gestellung von Versandscheinen (und damit die Beendigung der Pflichten des Verfahrensinhabers) setze daher nicht voraus, dass die Bestimmungsstelle die Ware tatsächlich in Empfang nimmt oder der Verzollung zuführt oder in ein anderes Zollverfahren überführt, weil vielmehr die Mitteilung der Ware und der Dokumente an der Bestimmungsstelle ausreiche. Nicht das tatsächliche Verbringen sei entscheidend, sondern nur die Mitteilung.
Weil die slowakischen Zollbehörden eine Bestätigung an die Abgangszollstelle gesendet haben, dass die Versandverfahren jeweils beendet worden sind und dadurch, dass auf jedem der bescheidgegenständlichen Versandschein ein Original, d.h. ein echter (nicht gefälschter) Zollstempel der Bestimmungsstelle vorhanden sei, liege tatsächlich eine Gestellung an der Bestimmungsstelle vor. Denn ohne entsprechende Mitteilung der Ware wäre es nicht möglich gewesen, dass die slowakische Bestimmungsstelle eine entsprechende Bestätigung über die Beendigung des Versandverfahrens an die Abgangszellstelle richte und überdies auch die Versandscheine dann mit entsprechendem Original- (nicht gefälschtem) Stempel empfangsbestätigt werden.
Allein deswegen sei davon auszugehen, dass es in den vorliegenden Fällen tatsächlich zu einer Gestellung der Waren gekommen sei, die Verpflichtungen des Verfahrensinhabers erloschen seien und daher auch keine Abgabenvorschreibung nach Art. 203 ZK an die Zollspedition A erfolgen könne.

2.b.) Entgegnung auf das Vorbringen:

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das BFG außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl m Spruch als auch in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 270 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen. Dies gilt sinngemäß für dem BFG durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände. 

Mit der Beantwortung der sechsundsiebzig Suchanzeigen durch das Zollamt Vysne Nemecke vom ,
- dass die Papiere dort ohne die zugehörige Sendung vorgelegt wurden (Beantwortung der Suchanzeige zur Versandanmeldung T1 Nr. ffff),
- dass weder die Sendung gestellt, noch die entsprechenden Papiere vorgelegt wurden und dass keine weiteren Angaben verfügbar sind ( Beantwortung der Suchanzeige zu allen übrigen Versandanmeldungen), 
ist die Beweisfrage abschließend geklärt.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Erledigungen der Versandscheine von damals im Dienst befindlichen, aber korrupten Beamten stammen, dass die Stempel und Unterschriften aber „echt„ sind.

Aus der Beantwortung der Suchanzeigen ergibt sich diesbezüglich zusammengefasst, dass die eingangsabgabepflichtigen Waren der externen gemeinschaftlichen Versandverfahren in keinem einzigen der gegenständlichen Fälle beim slowakischen Zollamt Vysne Nemecke gestellt wurden. Die Versandverfahren sind demnach gemäß Art. 92 ZK nicht beendet worden.

Aus dem erwähnten Urteil (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom geht hervor, dass  slowakische Zollbeamte die rechtskonforme Beendigung der Versandverfahren in Form des Austrittes der Waren aus dem Zollgebiet der Europäischen Union vorgetäuscht haben.

Unbestritten hat die damalige Bf in allen Fällen das Versandverfahren beantragt; ebenso ist unbestritten, dass ihr die Waren vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt gemäß Art. 73 ZK überlassen wurden. Die Zollspedition A trat in den sechsundsiebzig Verfahren als zugelassene Versenderin gemäß Art. 398 ZK-DVO und als Hauptverpflichtete gemäß Art. 96 Abs. 1 ZK auf.

Der Hauptverpflichtete ist Inhaber des externen Versandverfahrens und hat die mit diesem Zollverfahren verbundenen Pflichten, wie u.a. die fristgerechte Gestellung der Waren bei der Bestimmungsstelle, zu erfüllen. Er hat dabei eine ganz besondere Garantenstellung und trägt das ihm bekannte Geschäftsrisiko, dass seine Geschäftspartner, die ihn beauftragten, diese Garantenstellung für sie zu übernehmen, Zollbestimmungen missachten könnten, wodurch sich für ihn zollschuldrechtliche Folgen ergeben ().  

Die damalige Bf wurde als Hauptverpflichtete gemäß Art. 203 Abs. 3 vierter Anstrich ZK zur Zollschuldnerin. Das Entziehen von Waren stellt einen Realakt, eine reine Tathandlung dar. Steht fest, dass Waren - wie im gegenständlichen Fall - im Versandverfahren nicht gestellt worden sind, kommt einer fälschlicherweise und bewusst falsch ausgestellten Bestätigung der Bestimmungsstelle über die ordnungsgemäße Gestellung keine Bedeutung zu (vgl. Witte, ZK6, Art. 203, Rz 3, ).

Eine Einfuhrzollschuld entsteht dann, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird (Art. 203 Abs. 1 ZK). Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird (Art. 203 Abs. 2 ZK). Zollschuldner sind - die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat; - die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen; - die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war; gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabepflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben (Art. 203 Abs. 3 ZK).

Liegt ein Entziehen aus einem Zollverfahren vor, wird gemäß Art. 203 Abs. 3 dritter Anstrich ZK zusätzlich derjenige Zollschuldner, der die Verpflichtungen daraus einzuhalten hat. "Gegebenenfalls" beinhaltet kein Rangverhältnis innerhalb der Gesamtschuldner. Für diese Zollschuldnerschaft kommt es weder auf ein Verschulden des Pflichteninhabers an noch auf das Wissen oder Wissenmüssen um das Entziehen. Ausreichend ist allein die Verfahrensinhaberschaft. Da es nicht um Strafbarkeit, sondern um Verantwortlichkeiten geht, kann jemand auch ohne persönlich Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden. Er hat dafür einzustehen, dass Waren, die sich in seinem Verantwortungsbereich befanden, in den unmittelbaren Wirtschaftskreislauf eingegangen sind ( vgl. Witte, ZK6, Art. 203, Rz 20).

Im Hinblick auf die Zollschuldnerschaft des Verfahrensinhabers - hier die Zollspedition A - ist auf die Rechtsprechung des Finanzgerichtes Baden-Württemberg, auf das Urteil vom , GZ. 2003 11 K 200/00, zu verweisen. In diesem Urteil bringt das Gericht zum Ausdruck, dass es dahingestellt sein kann, ob andere Personen ebenfalls Zollschuldner geworden sind, da eine Heranziehung des Hauptverpflichteten als Zollschuldner bereits auf Grund der - sich aus dem eröffneten Versandverfahren für den Hauptverpflichteten ergebenden - besonderen Garantenstellung gerechtfertigt ist. Aus dieser Garantenstellung ergibt sich sogar, dass einem Bescheid der Zollbehörde keine Rechtswidrigkeit anzulasten ist, wenn sie es möglicherweise verabsäumt hat, die Zollschuldnerschaft weiterer Personen festzustellen (ZfZ 2004 Nr. 8, S 273 f).

Die Geltendmachung einer Abgabenschuld bei Vorliegen von Gesamtschuldverhältnissen stellt eine Ermessensentscheidung dar. Sie ist daher gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse insbesondere an der Einhebung der Abgaben beizumessen ().

Unter dem Billigkeitsaspekt ist im externen Versandverfahren zunächst die besonders starke Stellung des Hauptverpflichteten als Verfahrensinhaber und sein im Vergleich zum Warenführer stärkerer wirtschaftlicher Bezug zum Beförderungsvorgang zu beachten. Der Hauptverpflichtete ist der Verfahrensinhaber, dem die Beförderung der Waren unter zollamtlicher Überwachung anvertraut ist und der damit die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens übernimmt, einschließlich des damit verbundenen Risikos, als Abgabenschuldner auch für fremdes Fehlverhalten einstehen zu müssen. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des Art. 96 ZK, in welcher zunächst die Verpflichtung des Hauptverpflichteten geregelt wird und in Abs. 2 lediglich "unbeschadet der Pflichten des Hauptverpflichteten nach Abs. 1" unter bestimmten Voraussetzungen "auch" andere Zollschuldner in Anspruch genommen werden. Aus einer gewerbsmäßigen Tätigkeit als Hauptverpflichteter im externen Versandverfahren übernimmt der Hauptverpflichtete in jedem Fall das ihm bekannte Risiko, als Abgabenschuldner für fremdes Verhalten einstehen zu müssen. Zur Minderung seines Risikos kann er die im Geschäftsleben üblichen Sicherungsmaßnahmen ergreifen und seine Ansprüche letztlich im Zivilrechtsweg durchzusetzen.

Die Geltendmachung der Zollschuld beim Verfahrensinhaber ist wegen der besonderen Garantenstellung für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens  ermessengerecht und geradezu vorgeprägt. Wird der Hauptverpflichtete als einer von mehreren Gesamtschuldnern wegen des Entziehens von Waren aus dem Versandverfahren in Anspruch genommen, bedarf es wegen seiner besonderen Garantenstellung für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens grundsätzlich keiner näheren Begründung ( und BFH , VII R 65/96).

Im Zusammenhang mit Versandverfahren ist Art. 203 Abs. 1 ZK ein geradezu typischer Zollschuldentstehungstatbestand. In Fällen nicht erledigter gemeinschaftlicher Versandverfahren, in denen der Verbleib der Waren nicht geklärt werden kann, entsteht die Zollschuld wegen des Entziehens der Waren aus der zollamtlichen Überwachung (vgl. Witte, ZK6, Art. 203, Rz 8 und 8d sowie die dort zitierte Judikatur). 

Das weitere Vorbringen der damaligen Bf war im Wesentlichen auch schon Inhalt der Beschwerdesache cccc.

Aus dem diesbezüglichen Revisionsbeschluss des , ergibt sich,
- dass gemäß Art. 4 Nr. 19 ZK die Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form ist, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden. Nach Art. 92 ZK endet das externe Versandverfahren, wenn die Waren und das dazugehörige Dokument entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle gestellt werden;
- dass bei einer nicht ordnungsgemäßen Beendigung eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens - wie etwa unter Beteiligung von Zollbeamten an Straftaten - die  Zollschuld in der Person des Hauptverpflichteten nach Art. 203 ZK entsteht;
- dass es mit den EU-rechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, von Treu und Glauben und der Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist, dass ein Hauptverpflichteter, der die Warenbeförderung selbst nicht organisiert hat, nachträglich zur Haftung für die Eingangsabgaben herangezogen wird, auch wenn die Abgabenbehörden eines EU-Mitgliedstaates durch korrupte Zollbeamte die ordnungsgemäße Beendigung des Versandverfahrens durch Ankunftsanzeige und Kontrollergebnisnachricht im NCTS-Verfahren bestätigten.

Mit den Feststellungen des Zollamtes Vysne Nemecke in der Beantwortung der sechsundsiebzig Suchanzeigen, dass dort in einem Fall die Papiere ohne die zugehörige Sendung vorgelegt wurden und dass dort in den übrigen Fällen weder die Sendung gestellt, noch die entsprechenden Papiere vorgelegt wurden und dass keine weiteren Angaben verfügbar sind, ist erwiesen, dass eine gesetzlich geforderte Gestellung in keinem einzigen Fall vorgelegen hat.

Vom BFG darf an dieser Stelle auf den Inhalt und die Begründung des beim VwGH bekämpften Erkenntnisses des cccc, und auf den weiteren Inhalt des diesbezüglichen Revisionsbeschluss verwiesen werden. Im dort betroffenen Abgabenverfahren ging es ebenfalls um die Inanspruchnahme der Zollspedition A als Hauptverpflichtete im Zusammenhang mit einer vorgetäuschten nicht ordnungsgemäßen Beendigung eines Versandverfahrens betreffend frischen Knoblauch aus der Volksrepublik China.

Es ist nach höchstgerichtlicher Judikatur zulässig, auf die Begründung einer anderen Entscheidung zu verweisen, wenn sie der Partei inhaltlich bekannt ist (z.B. ).

3.a.) Das Vorbringen zum Zollwert als Grundlage für die Berechnung der Höhe der Abgaben:

Die damalige und nunmehrige Bf bringen im Wesentlichen vor, die Berechnung der Eingangsabgaben sei nicht nachvollziehbar, es sei zur Berechnung der Höhe der Abgaben nämlich festzustellen, welche Ware tatsächlich bei jedem einzelnen Versandschein mit tatsächlich welchem konkreten Wert befördert worden ist. Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt gehe offenbar davon aus, dass jeweils Knoblauch befördert worden ist. Hierbei handle es sich um saisonales Gemüse und würden indes entsprechend auch die Preise saisonal schwanken. Ohne konkrete Nachforschungen und darauf gestützte Feststellungen hinsichtlich der jeweiligen Warenwerte könne daher keine korrekte, gesetzeskonforme Berechnung der Höhe der Abgaben vorgenommen werden.

3.b.) Entgegnung auf das Vorbringen:

Dass es sich um frischen Knoblauch gehandelt hat, ergibt sich aus dem Antwortschreiben der niederländischen Zollbehörden auf ein Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt (Zahl: gggg). Die niederländischen Zollbehörden haben Vorpapiere zu den betreffenden Versandverfahren übersendet. Die Warennummer in den Vorpapieren, in den Seefrachtbriefen, in den CMR-Frachtriefen und in den Dokumenten der Kühlhäuser, in denen der Knoblauch zwischengelagert wurde, sind eindeutige und zweifelsfreie Nachweise, dass es sich bei der streitverfangenen Ware immer um frischen Knoblauch gehandelt hat.

Beispiele wurden vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt in der BVE angeführt. Auf diese wird verwiesen. 

Damit steht mit ausreichender Sicherheit fest, dass es sich bei dem Versandgut jeweils um frischen Knoblauch gehandelt hat. Solcher Knoblauch ist in die Warennummer 07032000 der Kombinierten Nomenklatur (Kurz: KN) einzureihen.

Wenn eine Zollschuldermittlung nach Art. 29 und Art. 30 ZK nicht möglich ist, ist der Zollwert nach Maßgabe des Art. 31 Abs. 1 ZK zu ermitteln. Diese Methode wird deshalb auch als Auffang- oder Schlussmethode bezeichnet.

Grundlage für die Anwendung dieser Methode müssen einerseits in der EU verfügbare Daten sein. Andererseits muss die Methode zweckmäßig sein. Dabei sind zunächst die Bewertungsmethoden des Art. 29 und des Art. 30 ZK mit einer angemessenen Flexibilität heranzuziehen. Führt auch der Versuch, den Zollwert nach der modifizierten Methoden festzustellen zu keinem Ergebnis, bleibt als letzte Möglichkeit die Schätzung des Zollwertes (siehe Witte, ZK6, Art. 31 Rz 1 ff).  

Ziel einer Schätzung ist es, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen. Es sind immer die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Jeder Schätzung ist aber eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungenauigkeit hinnehmen (vgl.Ritz, BAO6, § 184, Rz 3 ff und die dort zitierte Judikatur des VwGH).

Bei den gegenständlichen Versandverfahren sind Rechnungen vorhanden. Weil es sich dabei aber um Fälschungen handelt, können sie die echten Kaufgeschäfte weder abbilden noch ausreichend dokumentieren und sind daher für die Abgabenberechnung nicht heranzuziehen.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt leitet die Rechnungsfälschungen zu Recht daraus ab, dass es zu den verfahrensgegenständlichen Versandgütern keine Einfuhren in die Ukraine gegeben hat und dass die im NCTS und in den Rechnungen genannten Empfänger der Waren den Knoblauch nicht bekommen haben konnten und daher nicht die echten Käufer gewesen sein konnten.

In solchen Fällen sieht der Zollkodex als letzte Möglichkeit eine Schätzung des Wertes der Waren (des Knoblauchs) nach Art. 31 Abs. 1 ZK vor.

Als Basis für diese Art der Zollwertermittlung hat das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt zu Recht die Daten der Österreichischen Zollverwaltung mit den Zollwerten einer gleichartigen Ware, also Knoblauch frisch oder gekühlt der Unterposition 070320 HS herangezogen. Es hat die Preise je Kilogramm über die Jahre 2006, 2007 und 2008 analysiert und konnte keine wiederkehrenden Preisschwankungen feststellen, aus denen die Erntesaison einen Einfluss auf die Importpreise ausgeübt hätte. Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt hat es rechtsrichtig für zweckmäßig erachtet, den Zeitraum von Jänner bis Dezember, also ein Kalenderjahr als Beobachtungszeitraum heranzuziehen. Die sechsundsiebzig Versandverfahren erfolgten in den Jahren 2006, 2007 und 2008. Für jedes Jahr analysierte das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt den niedrigsten Wert je Kilogramm für in Österreich in den zollrechtlich freien Verkehr überführten frischen Knoblauch. Für die Zollwertschätzungen nach Art. 31 ZK erfolgte eine chronologische Aufstellung der Anmeldungen. Die Eigenmassen der Anmeldungen wurden mit dem niedrigsten Wert je Kilogramm im selben Kalenderjahr zur Berechnung des Zollwertes multipliziert. Die Schätzung des jeweiligen Wertes des Knoblauchs nach Art. 31 Abs. 1 ZK ergab einen niedrigeren Wert als auf den gefälschten Rechnungen.

4.a.) Das Vorbringen zur Vorschreibung einer Abgabenerhöhung:

Die damalige und nunmehrige Bf bringen vor, die Vorschreibung der Abgabenerhöhung sei unzulässig und verweist diesbezüglich auf die Entscheidung des VwGH zu Zahl: 2012/16/0090.
Jedenfalls unzulässig sei es, eine Abgabenerhöhung für die Zeit vor Fälligkeit der ursprünglichen Zollschuld vorzuschreiben. Eine Vorschreibung einer Abgabenerhöhung für solche Zeiträume sei nämlich unverhältnismäßig im Sinn des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-91/02 bzw. in der Entscheidung des VwGH zu Zahl: 2003/16/0479.

4.b.) Entgegnung auf das Vorbringen:

§ 108 Abs. 1 ZollR-DG in der Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2015 - AbgÄG 2015, BGBl I Nr. 163/2015, lautet:

"Entsteht außer den Fällen des Abs. 2 eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Zollbehörde selbst ein überwiegendes Verschulden an der Entstehung der Zollschuld oder an der Nacherhebung oder am entstandenen Nebenanspruch trifft. § 80 Abs. 1 ist sinngemäß anwendbar. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Verwaltungsabgaben nach § 105 bleibt unberührt."

Die Festsetzung und Erhebung der Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG soll die Gleichbehandlung von jenen Fällen, in denen die Entstehung einer Zollschuld zunächst unentdeckt blieb oder einer Zollschuld, die zunächst in unrichtiger Höhe vorgeschrieben wurde, für den Zeitraum bis zur buchmäßigen Erfassung bzw. der buchmäßigen Erfassung in richtiger Höhe zu jenen Zollschuldnern, die nach Vorschreibung der Zollschuld für die Säumigkeit gemäß § 80 ZollR-DG Säumniszinsen zu entrichten haben, gewährleisten. Eine entsprechende Säumnissanktion erscheint daher schon im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz geboten.

Die damalige und auch nunmehrige Bf sind insofern im Recht, dass der Anspruch auf die Abgabenerhöhung erst durch die Festsetzung derselben und nicht schon durch deren buchmäßige Erfassung entsteht.

Der österreichischen Zollverwaltung war es vor dem Einlangen der Nachprüfungsersuchen TC21 am nicht möglich, die Abgaben buchmäßig in der richtigen Höhe zu erfassen. Daher wurde eine Abgabenerhöhung je gegenständlichem Versandfall für den Zeitraum der Entziehung der diesbezüglichen Ware aus der zollamtlichen Überwachung bis zum Einlangen der TC21 festgesetzt. 

Die Abgabenerhöhung nach § 108 ZollR-DG knüpft unmittelbar an die kraft Gesetzes in richtiger Höhe entstandene Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld an, die zum Entstehungszeitpunkt nicht oder in unrichtiger Höhe entrichtet wurde. Der dadurch zwischen dem Entstehen der Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld und der möglich gewordenen Festsetzung entstandene Zinsenverlust für die Abgabenbehörde wird durch die Abgabenerhöhung ausgeglichen. 

Der VwGH hat im Erkenntnis vom , Ra 2017/16/0098, festgehalten, dass die Bestimmungen des § 108 Abs. 1 ZollR-DG betreffend die Abgabenerhöhung für vor dem verwirklichte Sachverhalte ihre Maßgeblichkeit behalten.  

Zum Vorbringen der damaligen und nunmehrigen Bf, die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG sei rechtswidrig, ist noch festzustellen, dass der EuGH die Zulässigkeit der Erhebung der Abgabenerhöhung nach § 108 ZollR-DG dem Grunde nach mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar erachtet.
Danach hat die Fest­setzung einer Abgabenerhöhung nur dann nicht zu erfolgen, wenn eine Abgabenerhöhung stattfindet, obwohl die Verantwortlichkeit für die verspätete Erhebung der Zollschuld ausschließlich der Zollverwaltung zuzurechnen ist, die Zoll­behörde selbst ein überwiegendes Verschulden an der Entstehung der Zollschuld oder an der Nacherhebung oder am ent­stan­de­nen Nebenanspruch trifft.
Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH gelangt eine Abgabenerhöhung sohin nur dann zur Vorschreibung, wenn ein Verstoß sei­tens des Wirtschaftsbeteiligten vorliegt.

Das BFG kann zusammengefasst festhalten, dass das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt die Bestimmung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG zu Recht zur Anwendung gebracht hat.  

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

D) Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des BFG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach dem oben festgestellten Sachverhalt liegt eine nicht ordnungsgemäß erfolgte Beendigung des Versandverfahrens vor, die Rechtsfolgen ergeben sich eindeutig aus den gesetzlichen Vorschriften. Eine einheitliche Rechtsprechung der Höchstgerichte liegt vor. Ein sachgleiches Abgabenverfahren war bereits Gegenstand eine Revision vor dem VwGH(B eschluss vom , Ra 2017/16/0081). Sache war (ebenfalls) die Inanspruchnahme der Zollspedition A als Hauptverpflichtete im Zusammenhang mit einer vorgetäuschten nicht ordnungsgemäßen Beendigung eines Versandverfahrens betreffend frischen Knoblauch.

Die ordentliche Revision ist daher unzulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 203 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 215 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 92 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 96 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
§ 74 Abs. 2 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 108 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Schlagworte
Versandverfahren
Hauptverpflichteter
verlängerte Verjährungsfrist
Zollwert Schätzung
Abgabenerhöhung
Berechnung der Abgaben
Verweise
VwGH, 2012/16/0090
EuGH, C-91/02
VwGH, 2003/16/0479






ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7200088.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at