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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.02.2019, RV/5100234/2016

Keine Haftungsinanspruchnahme wenn kein Abgabenausfall bei der Primärschuldnerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Rechtsanwälte, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , Steuernummer, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Parteienvorbringen und Sachverhalt
Am wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin, der Firma Primärschuldnerin,  das Konkursverfahren eröffnet (Beschluss des LG vom ). Über Antrag des Masseverwalters wurde die Schließung des Unternehmens mit Beschluss des Konkursgerichtes vom bewilligt. Die Primärschuldnerin hatte ab Abgabenrückstände, die nur teilweise beglichen wurden. Das Finanzamt meldete Abgabenforderungen in Höhe von 181.939,75 Euro im Konkursverfahren an.

Mit Haftungsbescheid vom machte die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma Primärschuldnerin in Höhe von 18.659,00 € geltend. Die Haftungssumme wurde wie folgt aufgeschlüsselt:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
100 %
20 %
Umsatzsteuer
2009
26.379,76
5.275,95
Umsatzsteuer
08/2012
31.732,51
6.346,50
Umsatzsteuer
09/2012
12.239,83
2.447,97
Lohnsteuer
2010
10.661,52
2.132,30
Lohnsteuer
2011
12.281,40
2.456,28
Summe
 
93.296,02
18.659,00

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die im Spruch angeführten Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien, da über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Die zu erwartende Quote liege bei 70 - 80 %, die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten seien bereits um die maximal zu erwartende Quote von 80 % gekürzt worden. Es sei im gesamten vorangegangenen Verfahren die Gläubigergleichbehandlung nicht dargelegt worden.

Mit Schriftsatz vom wurde durch den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und beantragt, die Haftung in Höhe von 18.659,00 € nicht bzw. in einem geringeren Umfang geltend zu machen und ein mündliche Verhandlung gemäß § 274 BAO anzuberaumen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar formell als Geschäftsführer der Primärschuldnerin fungiert, die Geschäftsführungsfunktion jedoch tatsächlich nicht ausgeübt habe. Mit den steuerlichen und finanziellen Agenden sei der Beschwerdeführer nie befasst gewesen. Eine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers könne nicht angenommen werden. Die faktische Geschäftsführung habe Herr GF ausgeübt. Am sei über Antrag des GF über das Vermögen der Primärschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Davon habe der Beschwerdeführer nichts gewusst. Er habe die Bilanzen ungeprüft unterschrieben und sei aufgrund seiner Ausbildung nicht in der Lage gewesen, die steuerlichen und finanziellen Agenden der Primärschuldnerin wahrzunehmen.
Darüber hinaus stehe der Abgabenausfall noch gar nicht fest. Es bestehe die Möglichkeit, dass kein Abgabenausfall zu erwarten sei.
Aus Sicht des Beschwerdeführers sei von einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger auszugehen, sodass keine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers vorliegen würde. Auch bei Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wäre der geltend gemachte Abgabenausfall eingetreten.
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Lohnsteuer 2010 und 2011 nach Insolvenzeröffnung festgesetzt worden sei und der Beschwerdeführer von diesen Abgabenverbindlichkeiten zuvor keine Kenntnis gehabt hätte.
Zum Beweis für die Richtigkeit der dargelegten Berechnung werde die Einvernahme von Zeugin und von GF (jeweils mit Bekanntgabe der Adresse) beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Haftungssumme auf den Betrag von 11.696,13 € eingeschränkt. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein für die Haftung relevantes Verschulden auch dann vorliege, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nehmen würde, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich mache. In Zusammenhang mit der Höhe des Abgabenausfalles wurde auf die Stellungnahme des Masseverwalters hingewiesen, wonach mit einer maximalen Quote von 70-80 % zu rechnen sei, wenn alle angemeldeten Forderungen anzuerkennen seien. Ausgehend von einer haftungsrelevanten Forderung in Höhe von 93.295,02 € sei mit einem Ausfall in Höhe von zumindest 18.659,00 € zu rechnen.
Den Beschwerdeausführungen sei zu entnehmen, dass die Primärschuldnerin bei Gleichbehandlung aller Gläubiger und unter Berücksichtigung des vorhandenen Kapitals an die Abgabenbehörde 11.696,13 € entrichten hätte müssen.
Hinsichtlich der Selbstbemessungsabgaben wurde darauf hingewiesen, dass maßgebend sei, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend sei daher der Zeitpunkt der Fälligkeit nicht jener der bescheidmäßigen Festsetzung.
Unter Hinweis auf § 78 Abs. 3 EStG 1988 wurde schließlich angemerkt, dass die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen sei.

Mit Schreiben vom beantragte der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung. Von einem Ausfall vom 20 % könne jedenfalls ausgegangen werden. Eine höhere Quote sei auch laut Ausführungen des Masseverwalters nicht zu erwarten. Mit der Haftung von 11.696,13 € würden ohnehin nur 6,5 % des zum Insolvenzverfahren angemeldeten Betrages von 181.939,75 € beansprucht. Es müsste eine Quote von 93,5 % zur Ausschüttung gelangen, damit die gesamte Forderung des Finanzamtes abgedeckt werden könnte.

Mit Beschluss des LG vom wurde der Sanierungsplan der Primärschuldnerin mit folgendem Inhalt bestätigt:
"Die Insolvenzgläubiger erhalten auf ihre Forderung eine 90 %-ige Quote, zahlbar binnen 14 Tagen ab Annahme des Sanierungsplanes, nicht jedoch vor rechtskräftiger Aufhebung des Konkursverfahrens. Zusätzlich zu dieser angebotenen 90 %igen Quote erhalten die Insolvenzgläubiger den Verwertungserlös aus der von der Schuldnerin
a) im Konkursverfahren GmbH (Aktenzeichen1) zu ON 80 angemeldeten und mit Euro 2.049.316,69 festgestellten Forderung sowie
b) der im Konkursverfahren natürlichePerson (Aktenzeichen2) zu ON 6 angemeldeten und mit einem Betrag von Euro 1.272.091,47 festgestellten Forderung bis zu ihrer vollständigen Befriedigung von maximal 100 %
.
Zu diesem Zweck übergibt die Schuldnerin Dr. Rechtsanwalt, als Treuhänder der Gläubiger gemäß § 157i IO mit Rechtskraft der Bestätigung des Sanierungsplanes diesen Teil ihres Vermögens zur Verwertung und räumt dem Treuhänder die umfassende unwiderrufliche Ermächtigung zur Verwaltung und Verwertung dieser Ansprüche ein.
Der Treuhänder hat die Ansprüche geltend zu machen und den erzielten Erlös binnen zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplans zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Auszahlung zu bringen.
Die Ausschüttung der gesamten Quote gegenüber den bislang angemeldeten Gläubigern erfolgt durch den Masseverwalter nach insolvenzrechtlichen Grundsätze
."

Mit Beschluss des LG vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.

Am wurde der Betrag von 126.325,08 € an das Finanzamt überwiesen.

Am gab der abgabenbehördliche Vertreter bekannt, dass sämtliche im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben im Konkursverfahren der Primärschuldnerin angemeldet worden seien. Der bereits überwiesene Teil der Quote sei auf die Haftungsschuld verrechnet worden. Damit seien sämtliche im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben getilgt.

Mit Schreiben vom  wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Fall einer stattgebenden Erledigung zurückgezogen.

Beweiswürdigung
Soweit der Sachverhalt entscheidungsrelevant ist, ergibt er sich unbestritten aus den vorliegenden Unterlagen, vor allem aus dem Beschluss des LG vom .

Rechtslage
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Erwägungen
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. ). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht von der Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen hat (vgl. zB. ).

Es ist daher zu beurteilen, ob die vom Haftungsbescheid umfassten Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Dem Beschluss des LG vom ist zu entnehmen, dass die Insolvenzgläubiger der Primärschuldnerin eine Quote vom 90 % erhalten und darüber hinaus die Verwertungserlöse aus den Konkursverfahren GmbH und natürlichePerson im Ausmaß vom 2.049.316,69 € bzw. 1,272.091,47 €.
Der Betrag von 126.325,08 € wurde bereits an das Finanzamt überwiesen und damit sämtliche im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben getilgt. Das bedeutet, die vom Haftungsbescheid erfassten Abgabenschulden der Primärschuldnerin waren bei dieser nicht uneinbringlich. Damit ist einem Haftungsbescheid der rechtliche Boden entzogen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Haftung iSd der §§ 9, 80 BAO nur geltend zu machen ist, wenn Abgaben bei der Primärschulderin uneinbringlich sind, sodass gegenständlich keine Rechtsfrage vorliegt, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100234.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at