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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.02.2019, RV/5100046/2019

Bescheidaufhenung bei Gewissheit der Rechtswidrigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin A in der Beschwerdesache B , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Grieskirchen Wels vom , betreffend Aufhebung § 299 BAO / Haftungsbescheide 01.2012 bis 12.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die nunmehrige Bf  brachte am Beschwerde ein  gegen den Zurückweisungsbescheid  des zuständigen Finanzamtes vom hinsichtlich des Antrags auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist betreffend die Bescheide /Haftung zur Abfuhr der Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Festsetzung des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag – alle für die Zeiträume 2012 bis 2015.

Nachdem die oa Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid mit Erkenntnis des als unbegründet abgewiesen wurde, wies das zuständige Finanzamt den am eingebrachten Antrag auf Aufhebung der Bescheide/ Haftung zur Abfuhr der Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Festsetzung des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag – alle für die Zeiträume 2012 bis 2015 - mit Bescheid vom ab. In einer dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei und wurde im Wesentlichen  ausgeführt, dass die verfahrensgegenständlichen Bescheide auf eine im Mai 2017 abgeschlossene Betriebsprüfung zurückzuführen seien. Die Antragstellung sei erfolgt, weil die Festsetzung der Lohnabgaben rein willkürlich mittels einer höchst befremdlichen, gesetzwidrigen Berechnungsmethodik, bei der die Nettobeträge aus Eingangsrechnungen von Drittunternehmen aufwandseitig aberkannt und hiervon 50% als fiktive Lohnabgabenbemessungsgrundlagen herangezogen wurden, erfolgt sei. Zum einen sei diese Vorgangsweise auf die zu § 162 BAO ergangene Judikatur (Empfängerbenennung) gestützt worden. Die Empfänger der bezahlten Eingangsrechnungsbeträge seien der Abgabenbehörde aber bekannt gewesen und handle es sich dabei um anerkannte und steuerlich zur KöSt und USt veranlagte, im Firmenbuch eingetragene Unternehmen. Dies sei der Abgabenbehörde allein schon deshalb bekannt, weil diese Unternehmen auch geschäftliche Kontakte zu anderen Auftraggebern gehabt hätten. Weiters sei von der Abgabenbehörde der Normzweck des § 184 BAO als Schätzungsgrundlage völlig verkannt worden, da Schätzungen iSd § 184 BAO nicht mit Willkür gleichzusetzen seien. Die Bf sei  ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen und bestünden keine Formmängel oder sachliche Mängel der Bücher und Aufzeichnungen. Wenn die Abgabenbehörde Drittunternehmen als „Scheinunternehmen“ abqualifiziere, sei dies eine falsche Behauptung, da die Drittunternehmen nach Kenntnis der Abgabenbehörde Dienstnehmer beschäftigten, Lohnabgaben bezahlten und also am Wirtschaftsleben aktiv teilnahmen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab und führte ua im Wesentlichen aus, dass das Beschwerdevorbringen, wonach von Drittunternehmen weiterverrechnete Löhne für erbrachte Arbeitsleistungen der Bf in einem Betrag von 50% der in Rechnung gestellten Arbeitsleistungen zugerechnet und idFauch bei der Bf die entsprechenden Lohnabgaben vorgeschrieben  wurden, keine Rechtswidrigkeit der Bescheide aufzeige, da oa Sachverhalt das Ergebnis einer  abgabenbehördlichen Außenprüfung war und der Spruch der erlassenen Bescheide nicht rechtswidrig sei.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag wurde auf die Beschwerdeschrift verwiesen und weiters im Wesentlichen ausgeführt, dass Berechnungsbasis für Lohnabgaben entgegen der absurden Rechtsansicht der Behörde nicht ein willkürlich gewählter Bruchteil von Eingangsrechnungen sondern das lohnsteuerpflichtige Entgelt der Dienstnehmer sei. Die betreffenden Dienstnehmer seien amtsbekannt bei Drittunternehmen  zur Sozialversicherung gemeldet und seien sowohl SV-Beiträge als auch Lohnabgaben abgeführt worden. Lohnabgaben seien nur einmal abzuführen, die nochmalige Vorschreibung mittels willkürlicher Teilbetriebsfiktion und Erfindung von Sachverhalten sei schlicht strafgesetzwidrig. Die belangte Behörde sei an die rechtskräftigen Abgabenbescheide der Drittunternehmen gebunden. Phantasiegebilde von Betriebsprüfern seien keine Sachverhalte. Sachverhalte seien anhand von Beweisaufnahmen und deren Würdigung zu ermitteln.

In der mündlichen Verhandlung wurde im Wesentlichen der bisherige Akteninhalt vorgetragen und das Beschwerdevorbringen erläutert.

Wie sich aus dem Akteninhalt – speziell aus der Niederschrift  zur  Schlussbesprechung der  Betriebsprüfung am ergibt, ist die Bf  Personalgestellerin und war im beschwerdegegenständlichen  Zeitraum für namhafte Firmen tätig. Bei Betriebseröffnung 02/2012 waren 2 Dienstnehmer beschäftigt: der Vater des nunmehrigen Geschäftsführers teilzeitbeschäftigt mit 30 Stunden, der zweite Dienstnehmer geringfügig beschäftigt.Ende 2012 betrug die Anzahl der Dienstnehmer 200.

Auf dem Konto „Fremdleistungen“ der Bf sind im beschwerdegegenständlichen  Zeitraum hohe Aufwendungen für zusätzliche Personalgestellung diverser Firmen. Diese Firmen befinden sich lt.den Ermittlungen der BP im Dunstkreis des nunmehrigen Geschäftsführers der Bf und seines Vaters und wurden ausschließlich konstruiert, um Personal auszulagern: die Gesellschafter und Geschäftsführer der fakturierenden Firmen sind nicht greifbar (zT nicht in Österreich gemeldet oder bereits in Vorjahren verstorben), die fakturierenden Firmen werden über einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten,  hohe Ausgangsrechnungen erstellt und anfallende Steuern auch entrichtet. Nach einer gewissen Zeit werden die Abgaben nicht mehr abgeführt, die Firmen liquidiert und sämtliche Arbeitnehmer abgemeldet. (Dabei kommt es auch zu erheblichen Abfuhrdifferenzen bei den Lohnabgaben, da die Arbeitnehmer mit geringen Löhnen angestellt sind, einen Teil des Lohns „schwarz“ erhalten und so für die gleiche Arbeit insgesamt mehr Lohn erhalten.)

 Nach oa Liquidierung einer Firma werden deren Arbeitnehmer in einer neu gegründeten Firma angestellt: sie bleiben operativ an der jeweiligen Baustelle, an der sie vorher arbeiteten, weiter  tätig, für sie ergibt sich in der Praxis keine Änderung.

Der festgestellte bestehende Dunstkreis des nunmehrigen Geschäftsführers der Bf und seines Vaters zu den fakturierenden Firmen erhärtet sich durch beispielsweise angeführte folgende Fakten : Der Gatte der alleinigen Gesellschafterin einer fakturierenden Firma ist hauptwohnsitzig an der Adresse der Bf (die auch die Wohnadresse des Geschäftsführers der Bf ist) gemeldet. Er war bereits ab 2007 als Arbeitnehmer bei der Vorgängerfirma der Bf gemeldet und ist seit April 2013 bei der Bf beschäftigt; er ist Sektionsleiter-Stellvertreter bei einem Fußballverein, dessen Obmann der Vater des nunmehrigen Geschäftsführers der Bf ist. – Die oa alleinige Gesellschafterin bestellte die Buchhalterin der Vorgängerfirma der Bf zur Geschäftsführerin der oa fakturierenden Firma. Nach Sitzverlegung wurde ein der deutschen Sprache nicht mächtiger alleiniger Geschäftsführer (der auch weder Tätigkeit noch Wohnsitz in Österreich hat) bestellt und ihm sämtliche Geschäftsanteile gratis abgetreten.

Eine weitere fakturierende Firma hatte einen Gesellschafter und Geschäftsführer und einen gewerberechtlichen Geschäftsführer, die Brüder waren. Sie waren als  Leasingarbeiter in einem Zementwerk eingesetzt; die Arbeitsleistung des Gesellschafters  und Geschäftsführers wurde nicht über die Firma, in der er Gesellschafter und Geschäftsführer war, abgerechnet, sondern über eine andere fakturierende Firma. Dieser  Gesellschafter und Geschäftsführer ist lt. eigener Aussage ein guter Bekannter des  nunmehrigen Geschäftsführers der Bf und stellte ihm dieser öfters seinen Audi-A6 unentgeltlich zur Verfügung. Bei Prüfungsankündigung wurde dem steuerlichen Vertreter die Vollmacht gekündigt, die Unterlagen abgeholt und verlangt, dass alle elektronischen Daten umgehend gelöscht werden, Buchhaltungsunterlagen seien angeblich einem neuen Geschäftsführer (Ausländer, nicht auffindbar) übergeben worden.

Eine andere (in Niederösterreich ansässige) fakturierende Firma bezahlte die Lohnabgaben 01 und 02/2015 für eine in der Steiermark ansässige  fakturierende Firma.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gem. § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Lt Ritz, BAO 5, § 299 TZ 9, 10 und 13 gestattet § 299 Aufhebungen, wenn der Inhalt eines Bescheides nicht richtig ist. Das ist dann der Fall, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, was bei Aufhebung wegen inhaltlicher  Rechtswidrigkeit die Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts voraussetzt. ().

Gemäß § 115 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind (Abs. 1).
Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (Abs. 2).
Gemäß § 119 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen (Abs. 1).
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Lt. bedeutet wahrheitsgemäß offenlegen, der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen. Was dazu gehört, hat der Abgabepflichtige nach der äußersten, ihm nach seinen Verhältnissen zumutbaren Sorgfalt zu beurteilen. Die Vollständigkeit setzt objektiv die Offenlegung aller für eine ordnungsgemäße Feststellung des Sachverhaltes notwendigen Tatsachen voraus (). : Angewendet auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt ist nun primär festzuhalten, dass sich aus dem Akteninhalt kein Hinweis ergibt, wonach die erschöpfende, wahrheitsgemäße Darstellung des beschwerderelevanten  Sachverhalts durch die Bf. Bzw. ihre Organe die nach ihren Verhältnissen zumutbare Sorgfalt übersteigen würden. Zu sämtlichen in diesem Beschwerdeverfahren vorgebrachten Anträgen ist festzustellen, dass sie weder begründet, noch nachvollziehbar sind. Es gelingt der Bf nicht, die Ergebnisse der Betriebsprüfung und die daraus erhellenden Schlüsse zu widerlegen.

Es ist in der Folge bei Durchführen der freien Beweiswürdigung der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen ausschlaggebend (). Dazu genügt es, von mehreren Möglichkeiten die als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt ():Das führt zu dem Ergebnis, dass  bei Beachtung der  Aktenlage die Feststellungen der Betriebsprüfung als durchaus der inneren Wahrheit der durchgeführten Beweisaufnahmen entsprechend zu qualifizieren sind, während die Beschwerdevorbringen sich in vom tatsächlichen Geschehen nicht gedeckten Behauptungen erschöpfen. Es  ist idF davon auszugehen, dass die von  der Betriebsprüfung durchgeführte Subsumierung des beschwerdegegenständlichen Sachverhalts unter die entsprechenden abgabenrechtlichen Bestimmungen sowie die Anwendung der verfahrensrechtlichen Normen zu Recht erfolgte.

Da lt oa VwGH-Judikatur und die Aufhebung gem. § 299 BAO die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraussetzt, war idF der beschwerdegegenständlichen Sachverhalt nicht unter § 299 BAO zu subsumieren und war spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.

Die gegenständliche Entscheidung gründet auf der Rechtsprechung des VwGH zum Vorliegen der Gewissheit der Rechtswidrigkeit bei Bescheidaufhebungen.  Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 162 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Bescheidaufhebung
Gewissheit der Rechtswidrigkeit
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100046.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at