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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.02.2019, RV/5101044/2018

Jugendprojekt zur Entwicklung beruflicher Perspektiven - Berufsausbildung iSd FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , zu VNR000, betreffend die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) für das Kind ****, VNR001, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 1.647,60 Euro zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihre Tochter im Zeitraum November 2014 bis Juni 2015 bezogen hatte.
Die Tochter der Bf. habe sich im erwähnten Zeitraum in keiner Berufsausbildung befunden.

Das Finanzamt wies in der Folge die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom  als unbegründet ab.
Dies sinngemäß mit der Begründung, dass die Tochter der Bf. in der Zeit von Oktober 2014 bis Juni 2015 einen Kurs im Rahmen des Jugendprojekts „ ***" besucht habe. Dabei handle es sich jedoch um keine Berufsausbildung im Sinne der Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967.

Die Bf. stellte daraufhin einen Vorlageantrag, wodurch die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt gilt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die volljährige Tochter der Bf. belegte im hier maßgeblichen Zeitraum von November 2014 bis Juni 2015, in dem die Bf. für sie Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezog, einen Kursplatz im Jugendprojekt „ ***" der *****. Sie erhielt in dieser Zeit eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes vom Arbeitsmarktservice Oberösterreich als finanzielle Absicherung.
Auf der Homepage http://**** ist das Jugendprojekt wie folgt beschrieben:
*** ist ein Jugendprojekt für 15 Jugendliche aus dem Großraum ******. Der Einstieg ist jederzeit möglich, sofern ein Kursplatz frei ist. Für die Dauer des Kurses kann die Behilfe „Deckung des Lebensunterhalts" vom AMS bezogen werden.
Die ganzheitliche Betreuungsform umfasst Arbeitstraining in Küche und Service, Bewerbungstraining und Coaching, sowie Workshops und Einzelbegleitung. Die Stärkung des Selbstvertrauens sowie die Förderung sozialer Kompetenzen stehen im Mittelpunkt, um mit den Jugendlichen eine realistische berufliche Perspektive zu entwickeln.
"

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie den Angaben auf der erwähnten Homepage.

Gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 26/2009 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Das Vorliegen einer Berufsfortbildung in einer Fachschule wurde weder behauptet noch festgestellt. Es ist daher zu prüfen, ob im Rückforderungszeitraum eine Berufsausbildung vorlag. Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in ständiger Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, um das Vorliegen einer Berufsausbildung annehmen zu können. Ziel einer Berufsausbildung ist es demnach, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dabei muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Jede Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 35 mit Judikaturnachweisen).

Nach den Informationen auf der Homepage bietet das Projekt „ ***" Jugendlichen ein ganzheitliches Betreuungs- und Bildungsangebot, um realistische berufliche Perspektiven zu entwickeln. Das Ziel des Projekts besteht demnach aber nicht in der Vermittlung spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten für die Ausübung eines bestimmten Berufes. Es dient vielmehr der Berufsorientierung und insbesondere der Vermittlung von sozialen und beruflichen Basisfertigkeiten (z.B. Förderung sozialer Kompetenzen, Bewerbungstraining, Persönlichkeitsentwicklung), die für eine Vielzahl von Berufen nützlich sein können.

Die dargestellten, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 wurden daher durch die Teilnahme an diesem Projekt nicht erfüllt, weil dessen Inhalt nicht das Erreichen eines konkreten Berufszieles ist (wie dies z.B. auf eine Lehre zutrifft). Im Rahmen dieses Jugendprojekts sind auch keine Prüfungen zur Evaluierung eines bestimmten Ausbildungserfolges abzulegen.

Aus diesen Gründen kann für den Streitzeitraum November 2014 bis Juni 2015 ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gestützt werden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG Kommentar, § 26 Rz 3 mit Hinweis auf ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe kein Ermessensspielraum bleibt. Wenn die Bf. daher im Vorlageantrag vorbringt, sie habe die Auskunft erhalten, dass alle Kursteilnehmerinnen der letzten Jahre Familienbeihilfe erhalten hätten und das Finanzamt dies noch nie beanstandet hätte, so ändert dies nichts daran, dass die Rückforderung mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen dennoch zu Recht erfolgte.

Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 angenommen werden kann, ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, sodass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101044.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at