§ 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011: Antrag auf Nichtfestsetzung der entstandenen Steuerschuld nur in der ersten Abgabenerklärung zulässig; keine Unionsrechtswidrigkeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache N.N., Adresse1, vertreten durch Z.Z. Steuerberatungsgesellschaft, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Umgebung vom betreffend Einkommensteuer 2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) brachte am die Einkommensteuererklärung für 2008 beim Finanzamt elektronisch ein. Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid für 2008 erklärungsgemäß.
Mit Schreiben gem. § 139 BAO vom wurde um amtswegige Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2008 ersucht. Dies deshalb, da festgestellt wurde, dass man dem Finanzamt am irrtümlich eine unvollständige Einkommensteuererklärung über Finanz-Online übermittelt habe. Die Berichtigung betreffe die Kennzahlen 802 (Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen iHv 183.342,07 Euro) und 806 (Antrag gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988). Da im Zuge der Nacherklärung des Veräußerungsgewinnes aus der Wegzugbesteuerung diese berichtigte Steuererklärung die erstmalige Möglichkeit biete, einen Antrag gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG zu stellen, möge das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2008 entsprechend abändern.
In Folge erließ das Finanzamt am einen Bescheid gem. § 299 Abs. 1 BAO. Der neue Sachescheid wurde gem. § 200 Abs 1 BAO vorläufig erlassen und damit begründet, dass aufgrund der Verluste aus Vermietung und Verpachtung die weitere Einkünfteentwicklung beobachtet werden müsse. Bezüglich des eingebrachten Antrags vom enthält der Bescheid keine Ausführungen.
Mit Bescheid vom wurde das Verfahren betr. Einkommensteuer 2008 mit der Begründung wiederaufgenommen, dass ein berichtigter oder neuer Lohnzettel übermittelt wurde und ein neuer Einkommensteuerbescheid 2008 mit vorläufiger Festsetzung gem. § 200 Abs. 1 BAO erlassen.
Nach einer Außenprüfung betr. den Zeitraum 2008 bis 2010 wurde im Bricht gem. § 150 BAO vom in der Tz 1 "Prüfungsjahr 2008-2010" festgehalten, dass die bisher ergangenen Erstbescheide mit vorläufiger Festsetzung nunmehr endgültig erklärt würden.
Weiters finden sich in der Tz 2 "Abweisungsbescheid vom " folgende Ausführungen:
"Vor Beginn der Betriebsprüfung am wurde dem steuerlichem Vertreter ein Abweisungsbescheid betreffend dem seinerzeitigen Antrag von Herrn N.N., Adresse1, vom auf Berichtigung der Einkommensteuererklärung 2008 gem. § 139 BAO überreicht. Aufgrund dieses Abweisungsbescheides erfolgt nunmehr die steuerliche Festsetzung der 'Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen in Höhe von € 183.342,07' (Kennzahl 802) im endgültigen Einkommensteuerbescheid 2008."
Im genannten Bescheid, datiert mit , wurde die Abweisung im Wesentlichen damit begründet, dass ein Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld nicht nachgeholt werden könne, wenn in der Steuererklärung die Einkünfte aus Veräußerung einer Beteiligung gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG nicht erklärt würden. In § 31 Abs. 2, Z 2 EStG 1988 (idF vor BudBG 2011) werde ausgeführt, dass „ ... auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nichtfestzusetzen ist“. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei durch das BGBl dahingehend geändert worden, dass im zweiten Satz an die Stelle der Wortfolge "auf Antrag" die Wortfolge "auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages" getreten sei. Die Gesetzesmaterialien (EB zur Regierungsvorlage, 848 BlgNR XXII. GP, zum BGBL I 2005/34) führten dazu u.a. aus: „Eine Steuererklärung ist auch eine Erklärung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung (L1).“ Der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld könne nur in der das Wegzugsjahr betreffenden Steuererklärung gestellt werden, die vor Ergehen des Einkommensteuerbescheides eingebracht wurde. Wurde in dieser Steuererklärung kein Antrag gestellt, könne ein solcher in einer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides eingereichten Steuererklärung nicht nachgeholt werden. Die vom steuerlichen Vertreter abweichende Ansicht begründe sich u.a. auf den , in dem ausgeführt werde, dass die Willensmängel betreffenden Normen des Zivilrechts (z.B. § 871 ABGB) auch für Prozesshandlungen der Parteien im Anwendungsbereich der BAO gelte. In diesem Erlass werde allerdings nur geregelt, dass in jenen Fällen, in denen der Abgabepflichtige von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend einen unwiderruflichen Antrag gestellt hat (hier § 37 Abs. 9 EStG), ein Willensmangel vorliege, der nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu berücksichtigen sei und eine Korrektur vor formeller Rechtskraft zulasse, die im Sinne des § 871 ABGB als "rechtzeitig" erachtet werde. Da es sich beim vorliegenden Sachverhalt nicht um einen Rechtsirrtum handle, könne dieser Argumentation nicht gefolgt werden.
Im gem. § 200 Abs. 2 BAO endgültig erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2008 vom wurden die Beteiligungseinkünfte erstmals steuerlich erfasst und wurde die Steuerschuld auch diesbezüglich festgesetzt. In der Bescheidbegründung wurde auf die Prüfungsfeststellungen verwiesen.
Der steuerliche Vertreter des Bf. brachte nach erfolgter Fristverlängerung mit Schreiben vom sowohl gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend den Antrag vom , als auch gegen den endgültigen Einkommensteuerbescheid vom Berufungen [nunmehr: Beschwerden] ein. Zum erstgenannten Rechtsmittel erging das BFG-Erkenntnis vom , GZ RV/2100746/2012, in welchem der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben wurde.
In der Berufungsbegründung btr. Einkommensteuerbescheid 2008 vom wird auf die Berufungsbegründung hinsichtlich des Abweisungsbescheids vom verwiesen und diese als "integrierenden Bestandteil der vorliegenden Berufung" bezeichnet. In der genannten Begründung wird unter "Hauptbegehren: Rechtswidrigkeit der Abweisung" ausgeführt:
Unbestritten sei, dass seit dem BGBl I 34/2005 ab der Veranlagung 2005 ein Antrag auf Nichtfestsetzung von Einkommensteuer gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG nur mehr im Rahmen einer Steuererklärung gestellt werden könne. Wenn die Abgabenbehörde nun – unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zum BGBl I 34/2005 – ausführe, dass im gegenständlichen Fall die Stellung eines entsprechenden Antrags im Zuge einer Nacherklärung von Einkünften gemäß § 31 EStG unzulässig sei, verkenne sie damit aber den Willen des Steuergesetzgebers und den Zweck der Gesetzesänderung. Denn aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum BGBl I 34/2005, auf die sich die Abgabenbehörde berufe, gehe eindeutig hervor, dass vom Steuergesetzgeber mit der Ergänzung des § 31 Abs. 2 Z 2 EStG lediglich bezweckt wurde, dass vom Steuerpflichtigen auch für ursprünglich vorsätzlich nicht erklärte und erst nachträglich im Rahmen einer Betriebsprüfung festgesetzte Einkünfte gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG ein Nichtfestsetzungsantrag gestellt werde. Wörtlich heiße es nämlich in Z 4 der Erläuternden Bemerkungen: „Eine spätere Nachholung des Antrags (insbesondere in einer Berufung gegen einen im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheid) ist damit nicht zulässig.“ Diesem Nachholverbot wohne also gewissermaßen ein Pönalcharakter inne.
Der berufungsgegenständliche Fall stelle jedoch keinen derartigen verpönten „Nachholfall“ einer Antragstellung im Zusammenhang mit (vorsätzlich) nichterklärten Veräußerungsgewinn gemäß § 31 EStG dar. Vielmehr habe von Seiten des Steuerpflichtigen immer die Absicht bestanden, den betreffenden Veräußerungsgewinn aus der Anteilsschenkung zu erklären. Es sei lediglich durch ein Kanzleiversehen am auf elektronischem Wege eine unfertige Einkommensteuererklärung 2008 übermittelt worden, in der die betreffenden Einkünfte gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG noch nicht erfasst gewesen seien. Weil ein "Zurückrufen" der unvollständigen Erklärung via FinanzOnline nicht möglich gewesen sei und bereits am Tag nach der elektronischen Übermittlung der betreffende Einkommensteuerbescheid 2008 erlassen wurde, sei eine Sanierung dieses Versehens nicht mehr möglich gewesen. Dazu komme, dass ein Antrag wegen der Unvollständigkeit in der eingereichten Erklärung gar nicht gestellt werden konnte; eine Angabe in KZ 806 sei nämlich gar nicht möglich, soweit nicht in der KZ 802 ein Betrag eingegeben werde. Werde – wie im berufungsgegenständlichen Fall – wegen einer unvollständigen Erklärung der Anzeigepflicht gemäß § 139 BAO nachgekommen und gleichzeitig gemäß § 299 BAO ein Antrag auf amtswegige Bescheidberichtigung gestellt, so ergebe sich überhaupt erst in diesem Verfahrensstadium die erstmalige Möglichkeit, einen Antrag gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG zu stellen, zumal dann in der berichtigten Steuererklärung erstmals die Bezug habenden Einkünfte berücksichtigt würden. Zur Erklärung des betreffenden Veräußerungsgewinns iHV EUR 183.342,07 und der Stellung des Nichtfestsetzungsantrages sei daher die gegenständliche Vorgehensweise eines Antrags auf amtswegige Bescheidberichtigung gewählt worden. Es liege also im berufungsgegenständlichen Fall keiner jener verpönten Fälle einer nachträglichen – erst durch eine Feststellung der Abgabenbehörden bedingten – Antragsstellung vor, die der Steuergesetzgeber offensichtlich vor Augen hatte, als er im Jahr 2005 § 31 Abs. 2 Z 2 EStG entsprechend ergänzte. Entgegen der Rechtsansicht der Abgabenbehörde erweise sich daher die Abweisung des Antrags auf Bescheidberichtigung als nicht durch den Gesetzeszweck und den offensichtlichen Willen des Gesetzgebers und damit nicht durch § 31 Abs. 2 Z 2 EStG idF vor dem BBG 2011 gedeckt. Die von der Abgabenbehörde in der Bescheidbegründung angeführten Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen zum BGBl I 34/2005 zum grundsätzlichen Nachholverbot der Antragsstellung im Rechtsmittelverfahren, würden sich daher im berufungsgegenständlichen Fall als gar nicht einschlägig erweisen. Vielmehr sei auf Grund der besonderen Umstände eine erstmalige Antragsstellung gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG auf Nichtfestsetzung überhaupt erst im Zuge der Berichtigung der Steuererklärung möglich gewesen, sodass gar kein Fall einer nachträglichen Antragstellung vorliege.
Die dadurch bedingte Nichtstattgabe des Nichtfestsetzungsantrages erweise sich vielmehr als unbillig und überschießend, da der Steuerpflichtige nachweislich zu keiner Zeit die Absicht gehabt habe, den betreffenden Veräußerungsgewinn nicht zu erklären. Der berufungsgegenständliche Bescheid sei ist daher mit Rechtswidrigkeit belastet.
Weiters wurde in der Berufung in einem Eventualantrag die Unionsrechtswidrigkeit der Abweisung gerügt. Zwar sei § 31 Abs. 2 Z 2 EStG zumindest dem Wortlaut nach mit den Vorgaben des Unionsrechts bzw. der Rechtsprechung des EuGH vereinbar, allerdings erweise sich die von der Abgabenbehörde im berufungsgegenständlichen Fall aus den einschlägigen Ausführungen des Steuergesetzgebers in den Erläuternden Bemerkungen zum BGBl I 34/2005 zu § 31 Abs. 2 Z 2 EStG abgeleitete Schlussfolgerung, wonach die nachträgliche Stellung eines Nichtfestsetzungsantrages nach Erlass des Einkommensteuerbescheides des Wegzugsjahres per se unzulässig sei, als überschießend und mit dem Unionsrecht unvereinbar. Dies gelte für die derzeitige allgemeine Praxis der Finanzverwaltung (Rz 6683c EStR) gleichermaßen. Durch ein derartiges generelles "Nachholverbot" der Antragsstellung werde nämlich der Anwendungsbereich des in § 31 Abs. 2 Z 2 EStG enthaltenen allgemeinen Wahlrechts substantiell eingeschränkt und konterkariert. Die unionsrechtlich gebotene und in § 31 Abs. 2 EStG innerstaatlich umgesetzte Möglichkeit des Steuerpflichtigen, einen Besteuerungsaufschub zu beantragen, laufe daher in vielen Fällen ins Leere. Vielmehr komme es zu einer zwingenden Sofortbesteuerung im Wegzugsjahr und damit zu einem unionsrechtlich verpönten Liquiditätsnachteil des wegziehenden Steuerpflichtigen. Dadurch werde die vom EuGH in ständiger Rechtsprechung geforderte Wahlfreiheit des Steuerpflichtigen zwischen Sofortbesteuerung und Steuerstundung in erheblichem Maße unterlaufen. Darin sei eine unzulässige Beschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit zu sehen. Diese Beschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit könne auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, konkret eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten, die Vermeidung der Steuerfluchtgefahren, die Gewährleistung der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen, gerechtfertigt werden. Denn diese Rechtfertigungsgründe seien nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen und spiele das Kriterium der Verhältnismäßigkeit bei der Rechtfertigungsprüfung des EuGH eine entscheidende Rolle. Mitgliedsstaaten dürfen zum Schutz zwingender Gründe des Allgemeininteresses Maßnahmen, die die EU-Niederlassungsfreiheit beschränken, nur insoweit ergreifen, als sie verhältnismäßig seien. Vor diesem Hintergrund könne das sowohl von der Abgabenbehörde im gegenständlichen Fall als auch von der herrschenden Praxis der Finanzverwaltung aus den Gesetzesmaterialien zum BGBl I 34/2005 abgeleitete generelle „Nachholverbot“ nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Denn die konkreten Umstände des Einzelfalls blieben dabei vollkommen unberücksichtigt und es werde insbesondere nicht danach differenziert, ob die Nichterklärung fiktiver Veräußerungsgewinne gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG und damit auch die Unterlassung der Stellung eines Nichtfestsetzungsantrages durch den Steuerpflichtigen vorsätzlich oder - wie im berufungsgegenständlichen Fall - nicht vorsätzlich erfolge. Eine derartige allgemeine und undifferenzierte Versagung der Möglichkeit einer nachträglichen Antragsstellung auf Besteuerungsaufschub erweise sich somit als unverhältnismäßig, da dadurch auch Fallkonstellationen wie der berufungsgegenständliche erfasst würden, in denen die Nichterklärung von fiktiven Veräußerungsgewinnen iSd § 31 Abs. 2 Z 2 EStG bzw. die Nichtstellung eines Nichtfestsetzungsantrages nicht vorsätzlich erfolgt seien, sondern lediglich auf einem entschuldbaren Kanzleiversehen beruhten. Die dadurch bewirkte Einschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit stelle daher nicht das gelindeste Mittel zur Erreichung der denkbaren Rechtfertigungsgründe dar, weshalb eine derartige - auch im berufungsgegenständlichen Fall angewandte - Verwaltungspraxis gegen das Unionsrecht verstoße.
Außerdem liege auch ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip vor. Das aus dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art 5 Abs 3 AEUV abgeleitete Effektivitätsprinzip gelte als Konkretisierung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts, der zusammen mit dem Grundsatz der einheitlichen Wirkung des Unionsrechts das tragende Prinzip des Unionsrechts bilde. Das Effektivitätsprinzip normiere ein Vereitelungsverbot. Das nationale (Verfahrens-)Recht sei so auszugestalten und anzuwenden, dass die Verwirklichung unionsrechtlicher Vorgaben (konkret die EU-Niederlassungsfreiheit) nicht ver- oder behindert werde. Genau dazu führe allerdings das von der Finanzverwaltung allgemein und undifferenziert praktizierte Verbot der nachträglichen Stellung eines Nichtfestsetzungsantrages. Dadurch werde nämlich in Fällen wie dem berufungsgegenständlichen, in denen die Nichtbeantragung eines Besteuerungsaufschubes im Rahmen der eingereichten Steuererklärung wegen der nicht vorsätzlichen Nichterklärung fiktiver Veräußerungsgewinne erfolge, die innerstaatliche Durchsetzung und Wirksamkeit des Unionsrechts erheblich erschwert. Konkret werde es dem Steuerpflichtigen unmöglich gemacht, seine ihm durch die EU-Niederlassungsfreiheit verliehenen Rechte auszuüben, nämlich das in § 31 Abs 2 Z 2 EStG normierte Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen Sofortbesteuerung und Steueraufschub.
Im Ergebnis sei daher festzuhalten, dass die mit angefochtenem Bescheid verfügte Versagung einer amtswegigen Berichtigung der Einkommensteuererklärung 2008 sowie die Nichtstattgabe eines Nichtfestsetzungsantrages nicht nur einen nicht rechtfertigbaren Verstoß gegen die EU-Niederlassungsfreiheit iSd Art 49 AEUV darstelle, sondern auch gegen das Effektivitätsprinzip verstoße. Soweit diese Vorgehensweise der Abgabenbehörde im berufungsgegenständlichen Fall tatsächlich vom Willen des Steuergesetzgebers gedeckt sein sollte, stünden die entsprechenden Ausführungen in den Gesetzmaterialien, auf die sich die Abgabenbehörde stützt, ebenfalls im Widerspruch zum Unionsrecht.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom abgewiesen. Dem Wortlaut des § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (idF vor BudBG 2011) sei zu entnehmen, dass „... auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zu tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen ist.“ Mit BGBI I 2005/34 sei die Bestimmung dahingehend verändert worden, dass es nunmehr statt „auf Antrag“ „auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages“ heiße. Die zu Regierungsvorlage (848 BlgNR XXII.GP) zum BGBL I 2005/34 führten weiter aus: „Eine Steuererklärung ist auch eine Erklärung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung.“ Das Gesetz beinhalte hier eine Fallfrist, die nicht an die Veranlagung, sondern an die Abgabe einer Steuererklärung knüpfe. Unter Abgabenerklärung sei jedenfalls die erste erfolgte Erklärung und nicht eine spätere berichtigende Erklärung zu verstehen. Den Ausführungen des steuerlichen Vertreters kann seitens der Finanzverwaltung nicht beigetreten werden, da es in den erläuternden Bemerkungen nicht nur „Eine spätere Nachholung des Antrages (insbesondere in einer Berufung gegen einen im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheid) ist damit nicht zulässig“ sondern auch „ Eine Steuererklärung ist auch eine Erklärung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung (L 1)“ heiße. Damit sei aus Sicht der Finanzverwaltung klargestellt, dass unabhängig eines Verschuldens und der Veranlagungsform — die Arbeitnehmerveranlagung böte nicht einmal die Möglichkeit eines derartigen Eintrags — eine Nachholung der Antragstellung ausscheide. Bereits durch die Abgabe einer L1-Erklärung sei die Möglichkeit der nachfolgenden Antragstellung in der Einkommensteuererklärung verwirkt. Ein Offenhalten einer späteren Erklärungsmöglichkeit begünstige jene Abgabepflichtige, die Einkünfte in der Ersterklärung nicht erfasst haben, unabhängig vom Beweggrund.
Gegen die Berufungsvorentscheidung wurde mit Schreiben vom der Vorlageantrag eingebracht. Neben der Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufs und der eingebrachten Schriftsätze wird vom Bf. auf die Begründung in der BVE repliziert:
Der Wortlaut des Gesetzes lasse die Frage unbeantwortet , ob es sich bei der „Steuererklärung“ um die erste eingereichte Erklärung handeln müsse. Mangels diesbezüglicher Regelung im Gesetz könne wohl davon ausgegangen werden, dass darunter auch berichtigte Erklärungen zu subsumieren seien. Da die erläuternden Bemerkungen nur aus 3 Sätzen bestehen, sei es ausgeschlossen, dass damit alle möglichen und denkbaren Einzelfälle dem Gesetzeszweck und den unionsrechtlichen Normen entsprechend gelöst werden können. Vielmehr müsse eine daran orientierte Interpretation zum Ergebnis führen, dass unter „Steuererklärung“ jedenfalls eine „richtige Steuererklärung“ zu verstehen sei.
Im vorliegenden Fall handle sich um den erst aus Anlass der Berichtigung der Einkommensteuererklärung möglich gewordenen Antrag. Deshalb sei auch der gegenständliche Sachverhalt mit dem in den erläuternden Bemerkungen beispielhaft angeführten Fall nicht vergleichbar. Vor diesem Hintergrund sei auch der Hinweis in den erläuternden Bemerkungen, dass auch eine Erklärung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung eine Steuererklärung ist, kritisch zu sehen und die Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck und den unionsrechtlichen Normen zu hinterfragen.
Weiters werde darauf verwiesen, dass es sich bei der in Rede stehenden Antragsmöglichkeit um keine Begünstigung handle, sondern vielmehr Ausfluss aus der unionsrechtlich gebotenen Niederlassungsfreiheit sei. Dazu komme, dass der Antrag lediglich zu einem Steueraufschub führe, der später auch zu einer höheren Steuerbelastung als im Jahr des „Wegzugs“ führen könne.
Schließlich sei festzuhalten, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine spätere Nachholung des Antrages gehandelt habe sondern vielmehr um die erstmalige Antragstellung. Eine Nachholung würde vorliegen, wenn in der eingereichten Einkommensteuererklärung trotz Befüllung der Kennzahl 802 in der Kennzahl 806 kein Eintrag erfolgt wäre und dieser Eintrag später nachgeholt werden sollte.
Zudem werde festgehalten, dass auf die unionsrechtlichen Bedenken nicht eingegangen worden sei.
Mit e-Fax vom wurden vom Bf. der Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gem. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO und der Antrag auf Entscheidung durch den Senat gem. § 272 Abs. 2 Z 1 BAO zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gegenständlich ist die Wegzugbesteuerung 2008, welche durch eine lt. Schenkungsvertrag vom erfolgte Schenkung von 10% Aktienanteilen an der Schweizerischen X.Y.Holding AG an den in Italien lebenden Sohn des Bf. ausgelöst wurde. Die Aktien wurden mit gem. Art III UmGrStG wiederum in die österr. A.B.Holding GmbH eingebracht.
Bei der ursprünglich übermittelten Einkommensteuererklärung 2008 vom wurden die Kennzahl 802 – in der Kennzahl werden die Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen eingetragen – und die Kennzahl 806 – in der Kennzahl wird der Antrag gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gestellt – nicht ausgefüllt.
Der Bf. übermittelte mit eine Anzeige gem. § 139 BAO, in welcher er den Antrag gem. § 31 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 stellte.
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1. Zum Hauptbegehren der Rechtswidrigkeit der Abweisung und dem Zeitpunkt für die Antragstellung auf Nichtfestsetzung gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 |
§ 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in der hier anzuwendenden Fassung vor BudBG 2011 lautete [Hervorhebung nicht im Original]:
„Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Anteiles im Sinne des Abs. 1 führen. Bei Wegzug
– in einen Staat der Europäischen Union oder
– in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, sofern eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich besteht, istauf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen. Als Wegzug gelten alle Umstände im Sinne des ersten Satzes. Ein späterer Wegzug
– in einen Staat, der nicht der Europäischen Union angehört oder
– in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich nicht besteht,
gilt als Veräußerung. Die Veräußerung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. Zwischen Wegzug und Veräußerung eingetretene Wertminderungen sind höchstens im Umfang der Bemessungsgrundlage bei Wegzug zu berücksichtigen, soweit diese nicht in einem anderen Staat berücksichtigt werden. § 205 der Bundesabgabenordnung ist nicht anzuwenden."
Für die Verfahrensparteien ist unstrittig, dass seit dem BGBl I 34/2005 ab der Veranlagung 2005 ein Antrag auf Nichtfestsetzung von Einkommensteuer gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nur mehr im Rahmen einer Steuererklärung gestellt werden kann.
Strittig ist nunmehr, ob der in der angezeigten Berichtigung gem. § 139 BAO vom gestellte Antrag gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 zulässig oder unzulässig ist. Während die belangte Behörde die Meinung vertritt, dass aufgrund der erläuternden Bemerkungen die Stellung eines entsprechenden Antrags im Zuge einer Nacherklärung von Einkünften gemäß § 31 EStG 1988 nicht möglich sei, vertritt der Bf. die Ansicht, dass der Wortlaut des Gesetzes die Frage unbeantwortet lasse, ob es sich bei der "Steuererklärung" um die erste eingereichte Erklärung handeln müsse. Mangels diesbezüglicher Regelung im Gesetz könne wohl davon ausgegangen werden, dass darunter auch berichtigte Erklärungen zu subsumieren sei.
Die ausdrückliche gesetzliche Verankerung, dass der Antrag auf Nichtfestsetzung der entstandenen Steuerschuld in der Steuererklärung zu stellen ist, erfolgte mit BGBl I 34/2005 mit Wirkung ab der Veranlagung 2005. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus (848 der Beilagen XXII. GP - Regierungsvorlage – Materialien, S. 4):
„Es wird präzisiert,dass der Antrag auf Nichtfestsetzung der entstandenen Steuerschuld nur in der Steuererklärung des betreffenden Jahres gestellt werden kann. Eine spätere Nachholung des Antrages (insbesondere in einer Berufung gegen einen im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheid) ist damit nicht zulässig. Eine Steuererklärung ist auch eine Erklärung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung (L 1).“
Die vom Bf. in der Beschwerde vom herangezogene Argumentation, dem Nachholverbot wohne „gewissermaßen ein Pönalcharakter“ inne, bzw. wollte der Gesetzgeber damit „verpönten Nachholfälle“ (d.h., Antragstellungen gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG im Zusammenhang mit vorsätzlich nichterklärten Veräußerungsgewinnen) sanktionieren, lässt sich aus dieser Formulierung, aber auch aus der legistischen Entstehung des Nichtfestsetzungskonzepts durch das AbgÄG 2004, BGBl I 180/2004, nicht ableiten.
Vielmehr wird sowohl aus der Diktion „Es wird präzisiert …“ als auch der in der Regierungsvorlage bereits unter den allgemeinen Zielsetzungen (848 der Beilagen XXII. GP - Regierungsvorlage – Materialien, S. 3) einleitenden Erläuterung „Der Antrag auf Nichtfestsetzung der entstandenen Steuerschuld (gemäß § 6 Z 6 und § 31) soll nur in der Steuererklärung des betreffenden Jahres gestellt werden können“ verdeutlicht, dass durch die Gesetzesänderung eine Präzisierung und Klarstellung des Nichtfestsetzungskonszepts, welches durch das AbgÄG 2004, BGBl I 180/2004, im EStG eingeführt wurden, erfolgen sollte (vgl. „Kleinere Reparaturen im EStG“, ARD 5580/2/2005, Heft 5580 vom und ARD 5597/2/2005, Heft 5597 vom ).
Die Änderung der Wegzugsbesteuerung – als Folge des , Hughes de Lasteyrie du Saillant – erfolgte mit dem AbgÄG 2004, BGBl I 180/2004, und wurde damit die Möglichkeit eines Besteuerungsaufschubs bis zur tatsächlichen Realisierung der im Wegzugszeitpunkt bestehenden Wertsteigerung eingeführt. In den Gesetzesmaterien wird dazu erklärt (686 der Beilagen XXII. GP - Regierungsvorlage – Materialien, S. 5 und S. 13): „Die Wegzugsbesteuerung soll hinsichtlich von Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen an die Erfordernisse der Rechtsprechung des EuGH angepasst werden“, und weiter „… soll im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH … bei Wegzug in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld auf Antrag des Steuerpflichtigen bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festgesetzt werden …“.
Ziel der Regelung war es somit eine unionsrechtskonforme Gesetzeslage zu schaffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung auch eine Pönalisierung bezweckte, lassen sich aus den Materialien hingegen nicht erkennen.
Allerdings enthielt § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF AbgÄG 2004, BGBl I 180/2004, lediglich die Wortfolge „… ist auf Antrag über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen …“ und erwies sich diese Formulierung als zu unpräzise, weshalb mit BGBl I 34/2005 die Klarstellung „... ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen ..." erfolgte.
Der Verwaltungsgerichtshof judiziert, dass sich zeitliche Grenzen für eine Berücksichtigung von Parteienanbringen aus Befristungen von Antragsrechten oder daraus ergeben können, dass bestimmte Begünstigungen bereits in einer Abgabenerklärung oder in ihr beigelegten Verzeichnissen geltend zu machen sind ().
Nach § 133 Abs. 1 BAO bestimmen die Abgabenvorschriften, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet ist.
Gem. § 139 BAO ist der Abgabepflichtige, wenn er nachträglich, aber vor dem Ablauf der Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209a) erkennt, dass er in einer Abgabenerklärung oder in einem sonstigen Anbringen der ihm gem. § 119 obliegenden Pflicht nicht oder nicht voll entsprochen hat und dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat oder führen kann, verpflichtet, hierüber unverzüglich der zuständigen Abgabenbehörde Anzeige zu erstatten.
Wie Ritz, BAO6, § 133 Tz 5 mit Verweis auf die VwGH-Judikatur ( 666/65) ausführt, sind Anzeigen gem. § 139 BAO keine Abgabenerklärungen gem. § 133 BAO. Als Abgabenerklärung ist nur die erste Erklärung und nicht auch eine diese später berichtigende Eingabe zu verstehen (Ritz, a.a.O., § 133 Tz 6, mit Verweis auf ; ; ; ).
Ebenso konkretisiert Zorn, dass als Abgabenerklärung nur die erste für das betreffende Jahr eingereichte Erklärung und nicht auch eine diese später berichtigende Eingabe zu verstehen ist (Zorn in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, Tz 32 zu § 6 Z 6 EStG - § 6 Z 6 lit b idF BGBl I 34/2005 spricht gleichlautend zu § 31 Abs. 2 Z 2 idF BGBl I 34/2005 von auf "Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages“).
Da eine Anzeige gem. § 139 BAO keine Abgabenerklärung gem. § 133 BAO darstellt, ist im beschwerdegegenständlichen Fall das vom Bf. der belangten Behörde übermittelte Schreiben vom aufgrund dessen der Einkommensteuerbescheid 2008 vom abzuändern wäre, keine Abgabenerklärung iSd § 133 BAO. Als Abgabenerklärung ist nur die Einkommensteuererklärung 2008 vom zu definieren, die dem Einkommensteuerbescheid 2008 vom zugrunde liegt.
§ 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 enthält die Wortfolge „in der Steuererklärung“ und manifestiert sich dadurch der zeitliche Rahmen zur Antragstellung, welcher mit der Einreichung der Steuererklärung endet. Die Abgabe einer weiteren (berichtigenden) Einkommensteuererklärung ändert am bereits eingetretenen Fristenablauf nichts (vgl. zu § 4 Abs. 10 Z 3 lit b EStG idF 1. StabG 2012, zu § 10 Abs. 3 Z 1 KStG idF vor dem 2. AbgÄG 2014 und abermals Ritz, a.a.O., § 133 Tz 6).
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass nach der zitierten höchstgerichtlicher Judikatur und Literatur unter Steuererklärung iSd. § 133 BAO nur die erste Erklärung – dh, jene vom – und nicht die aufgrund der Anzeige gemäß § 139 BAO berichtigende Eingabe vom zu verstehen ist.
Da somit der Antrag gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 nicht in der Steuererklärung iSd. § 133 BAO gestellt und nach der in § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 normierten Frist eingebracht wurde, ändert die Abgabe der Berichtigung am bereits eingetretenen Fristenablauf nichts und war der Antrag daher nicht zulässig.
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2. Zum Eventualantrag der Unionsrechtswidrigkeit |
Hinsichtlich der vorgebrachten Argumente der Unionsrechtswidrigkeit (Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeit-, und Effektivitätsprinzip) der nationalen Gesetzeslage bzgl. Unzulässigkeit eines Nichtfestsetzungsantrages nach Erlass des Einkommensteuerbescheides ist auszuführen:
Der VwGH judiziert zur Verhältnismäßigkeit eines gesetzlichen Eingriffs in Hinblick auf die Unionsrechtskonformität, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH Sache jedes Mitgliedstaats ist, „zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind“ (, unter Zitierung C- 46/08, Carmen Media Group, Rn. 46).
Bezüglich des Effektivitätsprinzips ist festzuhalten, dass die nationalen Verfahrensvorschriften nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass innerstaatliche Bestimmungen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Berger/Toifl/Wakouning, Allgemeine und unionsrechtsspezifische Rechtsgrundsätze, in Ecker/Epply/Rößler/Schwab, Mehrwertsteuersystemrichtlinie: Kommentar, Nov. 2017, Tz 55 mit Verweis auf , Farkas, Rn. 50).
Im Zusammenhang mit Verfahrensrechten ist auch auf den Grundsatz der Verfahrensautonomie zu verweisen, wonach das Unionsrecht grundsätzlich keine spezifischen Regelungen für die Verfahrensmodalitäten vorsieht und daher nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten gilt ( C- 691/17, PORR, Rn. 39; , Reemtsma, Rn. 40). Danach obliegt es den Mitgliedstaaten, das für die Vollziehung des Unionsrechts innerstaatlich anzuwendende Verfahren und die zuständigen Vollzugsorgane (Verwaltungsbehörden und Gerichte) zu bestimmen (Berger/Toifl/Wakouning, a.a.O., Tz 51 mwH), so nicht das Unionsrecht selbst die für seinen Vollzug zuständigen Behörden bestimmt oder Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens zu seiner Durchsetzung setzt ( , mit Verweis auf , Surgicare, Rn 26).
Unter Heranziehung dieser Prinzipien kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen, dass die innerstaatliche Norm des § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 gegen die genannten unionsrechtlichen Vorgaben verstößt. Wie der Bf. ausführt wurde durch ein, nach Ansicht der steuerlichen Vertretung, entschuldbares Kanzleiversehen eine unvollständige Abgabenerklärung übermittelt. Nach Erkennen „dieses Versehens“ wurde eine berichtigte — und wie oben unter Pkt. 1 ausgeführt verspätet eingereichte — Steuererklärung übermittelt, in welcher erstmals der Antrag nach § 31 Abs 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 gestellt wurde.
Nach Judikatur des EuGH hat die wegzugsbedingt erforderliche Abgabe von Steuererklärungen zur Erreichung einer Steuerstundung zwar eine behindernde Wirkung und macht den Wegzug weniger attraktiv, allerdings ist diese formale Verpflichtung – im Vergleich zu dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten – nicht als unverhältnismäßig zu qualifizieren ( C- 470/04 , N, Rn. 49f und , National Grid Indus, Rn. 52). Zudem gilt die in § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 festgesetzte Frist unterschiedslos für alle vergleichbaren Sachverhalte. Dass durch das in § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 normierte Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung durch den Steuerpflichtigen, welcher die Nichtfestsetzung in Anspruch nehmen möchte, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird, ist nicht zu erkennen, zumal der Effektivitätsgrundsatz insbesondere nicht verlangt, „dass die Ausübung der Rechte 'einfach' ist oder besonders begünstigt wird. Andernfalls würde der Begriff der Verfahrensautonomie seiner praktischen Wirkung beraubt" (GA Wahl, SchlA, , C‑482/12, Macinský-Eva Macinská, Rn. 77).
In der Unzulässigkeit einer nachträgliche Stellung eines Nichtfestsetzungsantrages gem. § 31 Abs 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 ist damit auch kein Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtsrechtlichen Prinzipien des Verhältnismäßigkeit-, und Effektivitätsprinzips zu sehen, weshalb dem vom Bf gestellten Eventualantrag nicht zu entsprechen war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Entscheidung auf den Gesetzestext des § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 bzw. der §§ 133 iVm 139 BAO und die im Entscheidungstext angeführte
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützt, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor, weshalb auszusprechen war, dass die Revision unzulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 133 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 139 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100886.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at