Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2019, RV/7104475/2014

Doppelte Haushaltsführung mit teils positiven und teils negativen Einkünften am Familienwohnsitz

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2012 zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

In der am elektronisch beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 (belangte Behörde) eingelangten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 machte der Beschwerdeführer unter anderem Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von € 3.900 und für Familienheimfahrten in Höhe von € 5.765,76 geltend.

Am verfasste die belangte Behörde ein Ersuchen um Ergänzung betreffend der Arbeitnehmerveranlagung 2012 und forderte den Beschwerdeführer auf, die Unterlagen zu den geltend gemachten Aufwendungen vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer nachgekommen und hat die geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushaltsführung durch einen Mitvertrag am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten durch Angabe der Entfernung zum Familienwohnsitz nachgewiesen.

Im Einkommensteuerbescheid vom wurden diese Kosten von der belangten Behörde nicht anerkannt. Die Begründung dafür lautet:
"Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Ort des Familienwohnsitzes eine Erwerbstätigkeit ausübt. Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so können Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Als vorübergehend wird bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen werden können. Da in Ihrem Fall die Voraussetzungen nicht zutreffen, konnten die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
"

In der am eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass Werbungskosten in Höhe von € 5.765,76 wegen doppelter Haushaltsführung im Einkommensteuerbescheid 2012 nicht berücksichtigt wurden. Handschriftlich ergänzte der Beschwerdeführer, dass die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten sehr wohl beruflich bedingt wären.

Berufungsvorentscheidung

Am erließ die belangte Behörde eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Die Begründung lautet wie folgt:
" Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten sind dann Werbungskosten, wenn der Beschäftigungsort des Pflichtigen so weit vom Familienwohnsitz entfernt ist, dass eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann.           
Die Wohnsitzverlegung gilt dann als unzumutbar, wenn der Partner am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte aus einer aktiven Tätigkeit von mehr als 2.200.- € jährlich erzielt.                                              
Die steuerlich relevanten Einkünfte Ihrer Lebensgefährtin liegen in den Jahren 2010 und 2011 (für 2012 liegen noch keine Daten auf) unter 2.200.-€. Somit war die Wohnsitzverlegung an Ihren Arbeitsort zumutbar und die Ausgaben für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten sind nicht absetzbar. Die Berufung ist daher als unbegründet abzuweisen.
"

Vorlageantrag

Am langte bei der belangte Behörde folgender Vorlageantrag ein:
"Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz

Bedingung die bisher zur Ablehnung meines Antrages führte:
Die Wohnsitzverlegung gilt dann als unzumutbar, wenn der Partner am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte aus einer aktiven Tätigkeit von mehr als 2.200.- jährlich erzielt.

Gründe für die fälschliche Ablehnung des Antrages:
Meine Lebenspartnerin ist selbständig und hat daher keine Löhne/Gehälter bezogen, die die obige Mindestgrenze überschreiten.

Meine Lebenspartnerin hat aus Ihrer selbständigen Tätigkeit auch keine Einkommen erzielt, da Sie noch Darlehen abzuzahlen hat, die sie für die Firmengründung aufgenommen hat.

Hier nun die Gründe wieso die Ablehnung des Antrages dennoch falsch ist:
Da meine Lebenspartnerin zwei Kleinbetriebe leitet (ein Geschäft_1 und ein Geschäft_2) und dort je nach Saison zwischen 2 und 3 Beschäftigte angestellt hat, die natürlich auch Löhne beziehen, kann jemand mit klarem Menschenverstand eine Wohnsitzverlegung wohl kaum als zumutbar erachten. Zudem wird meine Lebenspartnerin in Zukunft natürlich auch selbst versteuerbare Einkommen erzielen, wenn die Darlehen abbezahlt sind.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die 1. Instanz bisher von den Zahlen der Jahre 2010 u. 2011 ausgehen musste, da die Jahresabschlüsse von 2012 der Betriebe meiner Partnerin noch nicht vorliegen. Die Zahlen für 2012 werden voraussichtlich aber den Zahlen von 2011 entsprechen.

Falls das Fehlen der exakten Zahlen ein Grund für die neuerliche Ablehnung ist, möchte ich hiermit meine Arbeitnehmerveranlagung zurückziehen um diese bei Vorliegen der Jahresabschlüsse erneut einzubringen.

Ich denke aber, dass diese Erklärung zur Einsicht der Behörde beitragen wird und hoffe in diesem Sinne auf eine positive Erledigung meines Antrages.  

Die Situation:

Dass wir durch die doppelte Haushaltsführung (zwei Mal Miete mit Nebenkosten, zwei Mal Auto udgl. mehr) finanziell stark belastet sind möchte ich hier nicht breittreten, aber doch kurz erwähnen. Meine Lebenspartnerin schätzt sich glücklich, dass Sie im nördlichsten Waldviertel durch ihre Selbständigkeit überhaupt Arbeit hat und ich musste auf Grund meines Berufes (Softwareentwickler) vor einigen Jahren nach Wien gehen, da es im Waldviertel in dieser Branche einfach NICHTS gibt.

Ich denke nicht, dass man einer Person die im nördl. Waldviertel zwei Kleinbetriebe leitet und 2-3 Personen beschäftigt (wodurch ja auch Lohnsteuer udgl. generiert wird) zumuten kann, dass Sie zusperrt und nach Wien geht.

Mit Bitte um positive Erledigung"

Vorlagebericht 

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen. Weiters wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Einkünfte der Partnerin des Beschwerdeführers für das Jahr 2012 nun vorliegen würden und auch diese negativ wären und somit unter dem Grenzbetrag von € 2.200 liegen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Beschwerde der Gerichtsabteilung 1059 zugewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist als Softwareentwickler in Wien tätig und erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 37.943,59. Er hat in Wien eine Wohnung im Ausmaß von 20,40m² zu einer Miete in Höhe von € 325,25 pro Monat angemietet.

Die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers führte im nördlichen Waldviertel zwei Gewerbebetriebe, nämlich ein Geschäft_1 und einen Geschäft_2_Laden, beschäftigte im Jahr 2012 acht Personen und erwirtschaftete einen beträchtlichen Umsatz. Im Jahr 2012 erzielte sie nur aus dem Geschäft_1 einen Gewinn. Dieser Gewinn war höher als 10 % der Einkünfte des Beschwerdeführers. Auf Grund des Verlustes des Geschäft_2 ergab sich bei ihr ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte. Bereits im Jahr 2013 erzielte die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers mit jedem ihrer Gewerbebetriebe einen Gewinn.

Die Entfernung zwischen dem Familienwohnsitz in Ort_Waldviertel und dem Arbeitsplatz in Wien beträgt 132 km, wobei nur ein kleiner Teil der Strecke über Autobahnen/ Schnellstraßen führt. Diese Entfernung legte der Beschwerdeführer mit seinem PKW zurück.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass bezüglich der geltend gemachten Aufwendungen für Computer ein Zusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Einkünften des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem bekämpften Einkommensteuerbescheid, dem der Lohnzettel seines Arbeitgebers zu Grunde gelegt wurde. Im Lohnzettel sind steuerpflichtige Bezüge (Kennzahl 245) in Höhe von € 37.943,59 ausgewiesen.
Die Feststellungen zur Wohnung am Beschäftigungsort ergeben sich einerseits aus dem vorgelegten Mietvertrag, der zwischen dem Beschwerdeführer und dem "Zuwanderer Fonds" abgeschlossen wurde. In diesem Mietvertrag ist die angemietete Wohnung als "Heimraum" bestehend aus einem Zimmer, Kochnische, Vorraum und Bad/WC im Ausmaß von 20,40 m² beschrieben. Die Monatsmiete in Höhe von € 325,25 wurde vom Girokonto des Beschwerdeführers abgezogen; dies ist aus dem vorgelegten Kontoauszug für Jänner 2012 ersichtlich.

Die Feststellungen zu den Einkünften der Lebenspartnerin ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers, den im Zuge der Beschwerdevorlage vorgelegten Unterlagen und aus einer Einsicht in den elektronisch geführten Steuerakt. Daraus ist auch ersichtlich, dass die Lebenspartnerin im beschwerdegegenständlichen Jahr mit zwei Gewerbebetrieben Umsatzerlöse in Höhe von rund 200.000 € erzielte und mehrere Mitarbeiter beschäftigte, was aus den an die Finanzverwaltung übermittelten Lohnzetteln hervorgeht ist.

Aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer sowohl im beschwerdegegenständlichen Zeitraum - wie auch in den Zeiträumen davor und danach - in Ort_Waldviertel bei seiner Lebensgefährtin gemeldet war.

Die Feststellung zur Entfernung zwischen dem Arbeitsplatz und dem Wohnsitz im Waldviertel gründet sich auf den Angaben des Beschwerdeführers, die mit dem Ergebnis einer Abfrage eines Internet-Routenplaners übereinstimmen. Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom hat der Beschwerdeführer auch den Zulassungsschein für das auf ihn zugelassene KFZ vorgelegt. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass (wöchentliche) Fahrten zum Familienwohnsitz, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur schwer erreichbar ist, mit dem eigenen PKW zurückgelegt werden.

Im Zuge der Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung wurde vom Beschwerdeführer einerseits eine Aufstellung seiner Ausgaben und andererseits Belegkopien vorgelegt. In der Aufstellung sind unter dem Titel "Computerzubehör" die Kosten für einen gebrauchten "Dell Optiplex Rechner für POC der Testautomatisierung" in Höhe von € 185 und die Kosten für ein Tablet in Höhe von € 300 enthalten. Aus den ebenfalls vorgelegten Rechnungen geht hervor, dass am in einem Elektronikfachmarkt ein Tablet "ASUS Nexus 7 32GB" um € 299 erworben wurde. Als Rechnungsadresse ist angeführt: "Firma Lebensgefährtin_Geschäft2 Adr_Geschäft2". Sowohl der Erwerbszeitpunkt in der Vorweihnachtszeit als auch das ausdrücklich Anführen der Lebensgefährtin als Rechnungsempfänger sprechen dafür, dass diese Ausgabe nicht mit den Einkünften des Beschwerdeführers in Zusammenhang stehen.
Für den zweiten, gebrauchten, Computer wurden überhaupt keine Belege vorgelegt. Insofern war in freier Beweiswürdigung nicht davon auszugehen, dass ein Zusammenhang mit der Einkunftsquelle vorliegt.

Rechtsgrundlagen

§ 16 Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 111/2010 lautet auszugsweise:

Werbungskosten

§ 16. (1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:
[...]

6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.
b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von
20 km bis 40 km                696 Euro jährlich
40 km bis 60 km             1 356 Euro jährlich
über 60 km                     2 016 Euro jährlich

c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von
2 km bis 20 km                 372 Euro jährlich
20 km bis 40 km             1 476 Euro jährlich
40 km bis 60 km             2 568 Euro jährlich
über 60 km                     3 672 Euro jährlich

7. Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung). Ist die Nutzungsdauer der Arbeitsmittel länger als ein Jahr, ist Z 8 anzuwenden.

§ 20 Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 22/2012 lautet auszugsweise:

8. ABSCHNITT
Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben

§ 20. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
[...]
2. [...]
e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen.

Rechtliche Erwägungen

Doppelte Haushaltsführung / Familienheimfahrten:

Gemäß § 16 Abs 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes noch als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt (). Die Rechtsprechung stützt sich als Rechtsgrundlage ausschließlich auf den allgemeinen Betriebsausgaben- bzw Werbungskostenbegriff nach § 4 Abs 4 bzw § 16 EStG (vgl Zorn/Engelmann in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19 § 4 Rz 353), verwendet aber dennoch den Begriff (Familien)Wohnsitz oder zweiten Wohnsitz. Zorn/Engelmann, aaO, verwenden auch den Begriff Primärwohnsitz oder Wohnsitz am Heimatort.

Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner (auch ohne Kind iSd § 106 Abs 1) oder ein allein stehender Steuerpflichtiger mit einem minderjährigen Kind iSd § 106 Abs 1 EStG einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm 25). Der Begriff "Familienwohnsitz" bezieht sich jeweils nur auf die im Zeitraum der doppelten Haushaltsführung bestehende Familie (Ehe, Lebensgemeinschaft, Alleinerzieher mit Kind).

Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann.

Ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Weg zwischen Familienwohnsitz und Arbeitsstätte nicht möglich und der Arbeitsweg in eine Richtung rund 130 km lang, ist die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz selbst dann nicht zumutbar (und daher eine doppelte Haushaltsführung beruflich veranlasst), wenn der nahezu ausschließlich über eine Autobahn führende Arbeitsweg mit dem Auto in einer Richtung in etwa 70 Minuten zurückgelegt werden könnte ( und ; ).

Relevante Einkünfte liegen nach den Lohnsteuerrichtlinien ab einer Höhe von 6.000 € pro Jahr (bis 2012: 2.200 €) vor. Einkünfte des (Ehe-)Partners oder der (Ehe-)Partnerin bis zu 6.000 € (bis Veranlagungsjahr 2012: 2.200 €) können die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung bewirken, wenn sie mehr als ein Zehntel der Einkünfte der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers ausmachen und ihnen daher eine erhöhte wirtschaftliche Bedeutung zukommt (vgl auch )

In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2000/14/0154 brachte der dortige Beschwerdeführer vor, dass er am Familienwohnsitz eine eigene berufliche Tätigkeit ausübe und daher die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung gerechtfertigt wäre. Obwohl der Beschwerdeführer aus dieser Tätigkeit noch keine positiven Einkünfte erklärt hatte, war von einem beabsichtigten Ausbau der entsprechenden Aktivitäten auszugehen; es war auch nicht zu erkennen, dass die Tätigkeit nicht als Einkunftsquelle anzusehen gewesen wäre.
Der Entscheidung des lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem die Gattin des dortigen Beschwerdeführers arbeitslos war, jedoch an Umschulungsmaßnahmen teilnahm und eine betriebliche Tätigkeit am Familienwohnsitz beginnen wollte. In der Entscheidung des , erzielte die Gattin des Beschwerdeführers, der Aufwendungen für Familienheimfahrten geltend gemacht hatte, bereits seit einigen negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wobei jedoch keine Liebhabereitätigkeit vorlag.
Die Kosten für doppelte Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten wurden trotz negativer Einkünfte oder Arbeitslosigkeit der Gattin anerkannt.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat betont, dass die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung dann gegeben sein kann, wenn der Ehepartner des Steuerpflichtigen aus seiner Berufstätigkeit nachhaltig Einkünfte nicht bloß untergeordneten Ausmaßes bezieht (). Auch wenn die Unzumutbarkeit stets aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ist (zB ), so zeigt dies doch, dass auch andere Veranlagungszeiträume Relevanz haben.

Der beschwerdegegenständliche Sachverhalt weist nun die Besonderheit auf, dass die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers Einkünfte aus mehreren Einkunftsquellen iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG am Familienwohnsitz bezieht, wobei aus einer Einkunftsquelle Verluste und aus der anderen Einkunftsquelle Gewinne erwirtschaftet werden. Dies trifft sowohl auf das beschwerdegegenständliche Jahr, als auch auf das dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum vorangegangene Jahr zu. Bereits im nachfolgenden Jahr (2013) erzielte die Lebenspartnerin aus beiden Gewerbebetrieben Gewinne. Schließlich ist noch zu bedenken, dass auch der verlustbringende Gewerbebetrieb von der Finanzverwaltung als Einkunftsquelle anerkannt wurde.
Hätte die Lebenspartnerin den bis 2012 verlustbringenden Gewerbebetrieb aufgegeben, hätte sie mit dem verbleibenden Gewerbebetrieb weit mehr als die von der belangten Behörde geforderten 2.200 € an Einkünften erzielt. Darüber hinaus erwirtschaftet die Lebenspartnerin mit dem Geschäft_1 nachhaltig positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die auch mehr als 10 % des Einkommens des Beschwerdeführers ausmachen. Von einem bloß untergeordneten Ausmaß der Einkünfte kann daher nicht ausgegangen werden. Die zuvor genannten Beträgen von € 2.200 bzw. € 6.000 sind keinesfalls als starre Grenzen anzusehen (; ). Relevante Einkünfte iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG am Familienwohnsitz liegen somit vor, die bei dessen Verlegung wohl verloren gingen. Bedenkt man noch, dass in den beiden Gewerbebetrieben acht Personen beschäftigt wurden und ein Umsatz von rund € 200.000 erzielt wurde, kann von keiner untergeordneten Tätigkeit mehr ausgegangen werden.

Kosten für Familienheimfahrten sind nur bis zur Höhe des höchsten großen Pendlerpauschales abzugsfähig. Daneben können neben dem höchsten Pendlerpauschale keine weiteren Kosten unter dem Titel der Familienheimfahrten geltend gemacht werden. Aus der Vorhaltsbeantwortung vom geht hervor, dass der Beschwerdeführer die Kosten für die Familienheimfahrten dadurch ermittelt hatte, dass er pro Woche zwei Fahrten á 132 km (einfache Wegstrecke) ansetzte, was bei 52 Kalenderwochen und 0,42 €/km eben € 5.765,76 ergibt. Da die Kosten für Familienheimfahrten im Kalenderjahr 2012 mit € 3.672 begrenzt sind, was umgerechnet ca. 33 Fahrten Familienwohnsitz-Beschäftigungsort-Familienwohnsitz bei der vorliegenden ganzjährigen Beschäftigung entspricht, braucht auf die angeführten 52 Wochen - bei denen offenbar kein Urlaub berücksichtigt wurde - nicht weiter eingegangen werden.

Die Kosten für die Anmietung der Kleinwohnung in Wien sowie die Kosten für die Familienheimfahrten im Ausmaß bis zum höchsten Pendlerpauschale waren daher als Werbungskosten anzuerkennen.

Computerzubehör:

Es widerspricht den Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Steuerpflichtige bei Geräten, welche sie als Arbeitsmittel bei ihrer eigenen Steuerveranlagung absetzen wollen, nicht darauf achten, dass die Rechnung auf ihren Namen ausgestellt wird. Durch die Ausstellung der Rechnung für das Tablet auf die Lebensgefährtin unter Angabe ihres (verlustbringenden) Geschäft_2 war für das Bundesfinanzgericht ein Veranlassungszusammenhang der Ausgaben mit den Einkünften nicht herstellbar ( ). Es lagen daher hinsichtlich des Tablets keine Werbungskosten vor.
Dasselbe gilt auch für den gebrauchten Computer, für dessen Anschaffung vom Beschwerdeführer überhaupt kein Nachweis vorgelegt wurde.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch hing diese Entscheidung im Wesentlichen von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab. Allerdings liegt - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, wie die Einkünfte des (Ehe)Partner bei geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen sind, wenn sich auf Grund des horizontalen Verlustausgleichs negative Einkünfte ergeben, jedoch nachhaltig vom Vorliegen mehrere Einkunftsquellen auszugehen ist und die positiven Einkünfte aus dem gewinnbringenden Betrieb mehr als 10 % der Einkünfte des Beschwerdeführers betragen. 

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Mittendorfer in ecolex 2019/393
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104475.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at