Pauschbetrag §§ 5 und 6 VO BGBl. 1996/303 idgF BGBl. II 2010/430 nur bei behinderungsbedingten Mehraufwendungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe erfahren gegenüber der Beschwerdevorentscheidung vom keine Änderung.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 vom hat das Finanzamt die Berücksichtigung des monatlichen Pauschbetrages in Höhe von € 262, den der Bf für seinen behinderten - nicht im gemeinsamen Haushalt wohnhaften - volljährigen Sohn als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und § 6 der VO (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) geltend gemacht hat, mit der Begründung versagt, dass dieser bereits von der Kindesmutter beantragt und ihr auch gewährt worden sei.
Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass ihm, wie der UFS bereits betreffend Vorjahre mit Entscheidung vom , RV/1925-W/03, festgestellt habe, jedenfalls 50 % des Pauschbetrages zustünden. An der Sach- und Rechtslage habe sich seit der Entscheidung des UFS und der Veröffentlichung dieses Rechtssatzes nichts geändert. Mit der Gewährung des vollen Pauschbetrages an die Familienbeihilfenbezieherin und der grundlos geänderten Schätzung der Kostentragung unter Verletzung des Parteiengehörs, Verkennung der Rechtslage und Missachtung verbindlicher Rechtssätze sei der angefochtene Einkommensteuerbescheid jedenfalls mit Rechtswidrigkeit behaftet. Das Finanzamt möge die rechtswidrige Entscheidung rückgängig machen und mindestens 50 % des Pauschalbetrages von monatlich € 262,-- gemäß den §§ 5 und 6 der Verordnung des BMF über die außergewöhnliche Belastungen zuerkennen.
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Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der Bf u.a. aufgefordert, den letzten gültigen Unterhaltsbeschluss für den am XX.1997 geborenen Sohn Sohn sowie Zahlungsbelege für den laufenden Unterhalt 1-12/2017 beizubringen.
Weiteres sei der Nachweis über die zusätzlich zum Unterhalt erbrachten behinderungsbedingten Aufwendungen, die geleistet wurden, zu erbringen.
Darüber hinaus wurde der Bf aufgefordert, bestimmte - vor dem BFG nicht mehr streitgegenständliche - Werbungskosten aufzugliedern und zu belegen.
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Mit Vorhaltsbeantwortung vom übermittelte der Bf den letzten gültigen Unterhaltsbeschluss des BG BG vom . Demnach habe der Bf für sein Kind einen monatlichen Unterhalt von € 717,00 zu leisten, der seitens des Bf im Jahr 2017 auch in voller Höhe geleistet wurde. Dem Bf sind (ebenso wie der Familienbeihilfenbezieherin) im Jahr 2017 keine zusätzlichen behinderungsbedingten Aufwendungen für den Sohn angefallen. Ein belegmäßiger Nachweis darüber liege daher nicht vor.
Der Pauschbetrag von € 262,00 werde unverändert in halber Höhe beantragt.
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In der Beschwerdevorentscheidung vom fand der beantragte Pauschbetrag keine Berücksichtigung:
"Bei Personen, die Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag haben und das behinderte Kind dementsprechend nicht haushaltszugehörig ist, müsse hinsichtlich der Anerkennung der Pauschbeträge ein strenger Maßstab angelegt werden. Nur wenn über den für den Unterhaltsabsetzbetrag maßgebenden Unterhalt hinausgehende Beträge geleistet werden, die zumindest dem Grunde nach aus der Behinderung des Kindes resultieren (z.B. behinderungsbedingte Krankheitskosten), kann das Kriterium "Mehraufwendungen" gemäß § 5 Abs.1 der Verordnung als erfüllt angesehen werden. Somit steht der gegenständliche Pauschbetrag dem den Unterhalt leistenden Elternteil nicht zu, wenn nur der dem Alter entsprechende normale Unterhalt geleistet wird, der unabhängig von der Behinderung des Kindes berechnet wurde.
Im Beschluss des Bezirksgerichtes BG vom wurde der Unterhalt aufgrund des Einkommens festgesetzt. Die Behinderung des Sohnes wurde für die Festsetzung der Höhe des Unterhaltes offensichtlich nicht berücksichtigt, weshalb davon auszugehen ist, dass mit dem festgesetzten Unterhalt nur der Normalbedarf des Kindes abgedeckt ist. Ein Mehraufwand kann aus den regulären Unterhaltszahlungen dementsprechend nicht abgeleitet werden. Wie Sie selbst in Ihrer Vorhaltsbeantwortung vom angaben, fielen im Jahr 2017 keine zusätzlichen behinderungsbedingten Aufwendungen für Ihren Sohn an. Somit liegt aber der für den Pauschbetrag nach § 5 Abs.1 der Verordnung erforderliche Mehraufwand nicht vor."
Darüber hinaus wurde der bisher gewährte Werbungskostenabzug (für Fortbildung und Umschulung) aus den in der BVE dargestellten Gründen um € 1.151,00 vermindert.
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Dagegen wurde fristgerecht der Antrag vom auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt und ausgeführt:
In der Beschwerdevorentscheidung werde überhaupt nicht darauf eingegangen, ob auch ein anderer Steuerpflichtiger Anspruch auf diesen Pauschbetrag hatte und ein Nachweis der Mehraufwendungen erfolgt sei. Wenn das Kriterium "Mehraufwendungen" gemäß § 5 Abs. 1 VO nur dann als erfüllt angesehen werden könne, wenn über den für den Unterhaltsabsetzbetrag maßgebenden Unterhalt hinausgehende Beträge geleistet würden, die zumindest dem Grunde nach aus der Behinderung des Kindes resultieren, dann übersehe das Finanzamt, dass nach § 140 ABGB der haushaltsführende Elternteil durch die Haushaltsführung auch lediglich seinen Unterhaltsbeitrag leiste. Erst darüber hinausgehende Aufwendungen, die zumindest dem Grunde nach aus der Behinderung resultierten wären als "Mehraufwendungen" im Sinne der obgenannten Verordnung zu qualifizieren. Das Finanzamt behauptete jedoch nicht einmal, dass die Familienbeihilfenbezieherin Mehraufwendungen für das behinderte Kind geltend gemacht habe.
Da die Finanzbehörde der Familienbeihilfenbezieherin offensichtlich den gesamten Pauschbetrag ohne Nachweis der von ihr getragenen Mehraufwendungen gewährt habe, stehe diese Vorgangsweise im krassen Gegensatz zum klaren Wortlaut des § 6 der Verordnung BGBl. Nr.303/1996 idgF. Die von der Finanzbehörde gewählte Vorgangsweise, der Familienbeihilfenbezieherin den gesamten Pauschbetrag ohne Nachweis der Kostentragung zu gewähren, dem Bf diesen jedoch wegen des fehlenden Nachweises der Kostentragung gänzlich zu verwehren, widerspreche nicht nur dem klaren Wortlaut der Verordnung, sondern auch dem in Art 7 Bundesverfassungsgesetz und Art. 2 Staatsgrundgesetz 1867 normierten Gleichheitsgrundsatz.
Die übrigen Ausführungen des Finanzamts hinsichtlich der Nichtanerkennung einzelner Werbungskosten wurden seitens des Bf ausdrücklich zur Kenntnis genommen.
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Mit Vorlagebericht des Finanzamtes vom wurde die Bescheidbeschwerde vom an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Strittig im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist nunmehr ausschließlich die Frage der steuerlichen Berücksichtigung des monatlichen Pauschbetrages in Höhe von 262 €, den der Bf für seinen behinderten Sohn als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und § 6 der dazu ergangenen Verordnung (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) im Ausmaß von 50 % begehrt.
Der volljährige Sohn lebt im Haushalt der Kindesmutter, welche für diesen laufend erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 bezieht. Der Bf leistet entsprechend dem aktuell gültigen Unterhaltsbeschluss des BG BG vom einen monatlichen Unterhalt von € 717,00.
Der Bf hat in seiner Vorhaltsbeantwortung vom zweifelsfrei ausgeführt, dass ihm (auch) im Jahr 2017 keine zusätzlichen behinderungsbedingten Aufwendungen entstanden sind.
Rechtslage und Erwägungen
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Nach Absatz 6 dieser Gesetzesstelle können ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes ua. folgende Aufwendungen abgezogen werden:
Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des FLAG1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) übersteigen.
Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988).
Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, "Blindengeld" oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Die zu diesen gesetzlichen Regelungen ergangene, für das Streitjahr gültige Verordnung (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) normiert nun im § 5 Abs. 1, dass Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 € vermindert um die Summe der pflegebedürftigen Geldleistungen zu berücksichtigen sind.
Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Pauschbetrag nach § 5 VO, dann ist dieser Pauschbetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist gemäß § 6 der zitierten VO beim anderen Steuerpflichtigen der Pauschbetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.
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Der Begriff "Mehraufwendungen" im § 34 Abs. 6 EStG 1988 stellt klar, dass nur Aufwendungen, die aus der Behinderung eines Kindes erwachsen, der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung (kein Abzug des Selbstbehaltes) unterliegen. Nur solche Aufwendungen und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) werden auch durch die im § 5 der Verordnung BGBl. 1996/303 idgF vorgesehenen Pauschbeträge abgedeckt ().
Aus der Textierung der zitierten Verordnung ergibt sich, dass die Berücksichtigung des (um pflegebedingte Geldleistungen zu vermindernden) Pauschbetrages jedenfalls das Anfallen von Kosten im Sinne von finanziellen Zusatzaufwendungen voraussetzt, die dem Steuerpflichtigen für dessen (behindertes) Kind erwachsen sind (). Dies trifft jedoch - wie sich aus den vom Finanzamt durchgeführten Erhebungen (Vorhalteverfahren) ergeben hat - gegenständlich nicht zu.
Der Bf hat in seiner Eingabe vom an das Finanzamt ausdrücklich festgehalten, dass ihm über die Unterhaltszahlungen hinausgehende - behinderungsbedingte Kosten - im Jahr 2017 nicht entstanden sind. Die erbrachten Unterhaltsleistungen von € 717,00 monatlich stellen nach dessen Ausführung ausschließlich die gesetzlichen Unterhaltszahlungen dar und beinhalten keine "Mehraufwendungen", die aus der Behinderung des Kindes erwachsen.
Damit ist aber über das Schicksal der Beschwerde entschieden:
Liegen Mehraufwendungen des Bf unstrittig dem Grunde nach nicht vor, liegt kein Schätzungsfall vor (). Diesfalls bleibt für eine Schätzung der Höhe nach, nämlich eine Schätzung von "Mehraufwendungen" des Bf in beantragter Höhe von 50% des Pauschbetrages kein Raum.
Der beantragte Pauschbetrag gemäß § 5 Abs.1 der zitierten Verordnung steht somit zur Gänze nicht zu. Somit ist in diesem Verfahren auch nicht entscheidungsrelevant, ob bzw. in welcher Höhe der Kindesmutter Mehraufwendungen entstanden sind.
Hinsichtlich des weiteren Beschwerdepunktes - Berücksichtigung von Werbungskosten in dem vom Bf im Vorlageantrag außer Streit gestellten Ausmaß - ergibt sich zur Beschwerdevorentscheidung keine Änderung.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Berücksichtigung von Mehraufwendungen aus einer Behinderung eines Kindes ist durch den Wortlaut der Bestimmungen der §§ 34 und 35 EStG, der dazu ergangenen Verordnung BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430, und durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Lassen sich Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen auf Grund der Behinderung des Kindes eindeutig ausschließen, liegt ein Schätzungsfall nicht vor ().
Darüber hinaus waren lediglich einzelfallbezogene Sachverhaltsfragen zu klären.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 5 Abs. 1 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100329.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at