Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2019, RV/5100553/2017

Pendlerpauschale: Keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel infolge des Gewichts zu transportierender Gegenstände

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100553/2017-RS1
Die Angaben des Pendlerrechners sind für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw zwischen Arbeitsstätte und Wohnung und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist, für Verhältnisse innerhalb Österreichs zwingend zu verwenden. Dies bedeutet aber auch, dass die Berücksichtigung weiterer, die individuelle Situation des Steuerpflichtigen berücksichtigende, Umstände nicht der Intention der pauschalen Pendlerregelung iSd § 16 Abs 6 EStG 1988 bzw der Pendlerverordnung entspricht. Maßgeblich für die Zumutbarkeit von Massenverkehrsmitteln ist somit ausschließlich die - durch den Pendlerrechner ermittelte, auf der Entfernung, der Arbeitszeit und der Frequenz öffentlicher Verkehrsmittel basierende - Wegzeit als objektivierter Unzumutbarkeitsmaßstab.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Renner in der Beschwerdesache XY, vertreten durch Mag. Erich Halbartschlager Steuerberatung GmbH, Stelzhamerstr 1a, 4400 Steyr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom , vertreten durch Mag. Ulrich Petrag, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2015 zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verwaltungsgeschehen

Die Beschwerdeführerin (in der Folge Bf), welche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Ordinationsassistentin erzielt, begehrte in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2015 Reisekosten (Kilometergelder) in Höhe von € 5.367,60 als Werbungskosten.

Über Vorhalt des Finanzamts gab sie bekannt, dass diese Werbungskosten deshalb angefallen seien, weil sie zwei Mal in der Woche mit ihrem Privat-Pkw von der Ordination in A, zur zweiten Ordination in B fahre. Laut Pendlerrechner betrage diese Strecke 77 km. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr „nicht zumutbar, weil sie jedes Mal Geräte hin und her transportieren muss“.

Im Einkommensteuerbescheid vom wurde an Stelle der beantragten Kilometergelder das Pendlerpauschale (1.344 EUR) als Werbungskosten bzw der Pendlereuro (102,67 EUR) als Absetzbetrag berücksichtigt.

Dagegen erhob die Bf am Beschwerde mit folgender Begründung:

„Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung hat die Bf Kilometergelder für Fahrten von Arbeitsort zu einer Ordinationsaußenstelle des Arbeitgebers geltend gemacht. Die Bf hat ihren Arbeitsort lt Arbeitsvertrag in A. Die Fahrten zur Zweitordination bzw zum Labor des Arbeitgebers erfolgten auf Anordnung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat die Fahrtkosten nicht ersetzt, weshalb die Bf diese Fahrtkosten in der Arbeitnehmerveranlagung als Werbungskosten geltend gemacht. Die Abgabenbehörde hat entgegen der beantragten Kilometergelder das Pendlerpauschale gem § 16 Abs 1 Z 6 EStG angesetzt. Hierbei wurde jedoch angenommen, dass ein öffentliches Verkehrsmittel zumutbar ist.

Die Zweitordination bzw Labor des Arbeitgebers befindet sich in B und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar erreichbar. Des Weiteren hat die Bf technische Geräte an den Ordinationsort mitzuführen, dort aufzubauen und nach den Behandlungen bzw Untersuchungen abzubauen und wieder an den Arbeitsort A zu bringen.

Nicht nur auf Grund der schlechten Verkehrsanbindung, sondern auch wegen der mitzuführenden technischen Geräte ist ein öffentliches Verkehrsmittel nicht zumutbar.

Nach der Ansicht der Bf bestehen die geltend gemachten Werbungskosten (Kilometergeld) zu Recht.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet abgewiesen:

„Laut übermittelten Unterlagen wurden im Durchschnitt 8 Fahrten pro Monat nach B unternommen. Laut Ausdruck des Pendlerrechners ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke möglich und zumutbar. Es steht daher die kleine Pendlerpauschale in Höhe von € 1.344,-- zu; diese wurde bereits im Erstbescheid berücksichtigt. Die Zumutbarkeit ist nicht abhängig von diversen Geräten, die transportiert werden müssen, sondern richtet sich rein nach den Fahrtzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel, da es sich hier nur um einen Pauschalbetrag handelt.“

Im dagegen gerichteten Vorlageantrag vom verwies die Bf darauf, dass der belangten Behörde bereits mitgeteilt worden sei, dass auf Grund der Arbeitszeit und der Entfernung ein öffentliches Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Trotz dieser Information sei das große Pendlerpauschale anerkannt worden. Laut Berechnung mittels Pendlerrechner des BMF stehe jedoch das große Pendlerpauschale zu.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde folgendermaßen um ergänzende Ausführungen zur Beschwerde:

„In der Beschwerde wird vorgebracht, dass Sie für Ihren Dienstgeber technische Ordinationsgeräte an den Ordinationsort in B mitzuführen, dort aufzubauen und nach den Behandlungen bzw. Untersuchungen wieder abzubauen und an den Arbeitsort in A zu bringen hätten. Es wird um Bekanntgabe der Art der technischen Geräte, der Häufigkeit eines solchen Transportes (im Monat) ersucht. Weiters sind entsprechende Nachweise dafür wie eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag samt Nachweis einer entsprechenden Qualifikation vorzulegen sowie die diesbezüglichen Aufträge durch Ihren Arbeitgeber für den Transport der Geräte.

Im Vorlageantrag vom wird nunmehr - in Ergänzung zur Beschwerde - vorgebracht, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (für die Fahrten zur Ordination nach B) sich laut Pendlerrechner ergeben würde. Diesem Vorlageantrag war ein Ausdruck aus dem Pendlerrechner angeschlossen, der einen Beginn der Arbeitszeit mit 16:00 Uhr und ein Ende mit 20:00 Uhr ausweist. Diese angegebene Arbeitszeit weicht erheblich von jener ab, die im Ausdruck aus dem Pendlerrechner vom ersichtlich ist und offenbar dem Arbeitgeber zur Berücksichtigung des kleinen Pendlerpauschales übermittelt wurde (dem Finanzamt mit Vorhaltsbeantwortung vom übermittelt).

Gemäß § 1 Abs. 2 der Pendlerverordnung, BGBl II 2013/276 idF BGBl II 2014/154 sind der Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die vorliegen, wenn die Arbeitsstätte in einem Zeitraum von 60 Minuten vor dem tatsächlichen Arbeitsbeginn bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn erreicht wird. Dieselbe Regelung gilt auch für das Arbeitsende (Verhältnisse vom tatsächlichen Arbeitsende bis zu einem Zeitpunkt, der 60 Minuten später liegt; § 1 Abs. 3 leg.cit.). Es wird daher um Bekanntgabe ersucht wann der Beginn der Arbeitszeit in der Ordination in B ist bzw. wann diese Arbeitszeit endet. Diesbezüglich sind ebenfalls entsprechende Nachweise (Dienstpläne; Arbeitsvertrag; Fahrtenbuch etc.) vorzulegen.“

Dieser Vorhalt wurde am folgendermaßen beantwortet:

Zu den technischen Ordinationsgeräten:

„Hierbei handelt es sich um bis zu vier Herzschrittmacherkontrollgeräte (pro Gerät 10,6 kg), sowie weitere diverse medizinische Geräte (Blutdruckmessgeräte etc.) die transportiert werden. Je nach Bedarf bzw. der zu behandelten Patienten werden unterschiedlich oft die Geräte an die Außenstelle mitgenommen. Der behandelnde Arzt ... fährt meistens von seinem Arbeitsplatz (...) zu Ordination. Die Ordinationsgehilfin bringt diese Geräte von der Ordination A zur Außenstelle. Die Bf ist in der Regel rd. eine bis eineinhalb Stunden vor der Ordinationsöffnung in der Ordination um alle Vorbereitungen zu treffen und die Geräte in Betrieb zu nehmen. Nach Ende der Ordinationszeiten werden die Geräte wieder abgebaut und in die Ordination nach A gebracht. Das Ende der Arbeitszeit kann nicht exakt angegeben werden, weil sich der Ordinationsschluss wegen der zu behandelnden Patienten über die übliche Öffnungszeit erstrecken kann. Es werden vom behandelnden Arzt alle Patienten die am Ordinationstag in die Ordination kommen behandelt. Dadurch ist auch die Anwesenheit der Ordinationshilfe notwendig, weshalb die Arbeitszeit sehr unregelmäßig endet. Sie endet jedenfalls nicht vor der offiziellen Ordinationsendzeit, sondern erstreckt sich je nach Patientenzahl auf einen späteren Zeitpunkt. Wie bereits ausgeführt müssen auch die Geräte wie abgebaut werden.“

Eine seitens der belangten Behörde am erstellte Abfrage im Pendlerrechner ergibt untenstehende Fahrtstrecke zwischen Wohnung der Bf und Zweitordination in B. Bei einem angenommenen Arbeitsbeginn um 16:00 Uhr und einem Arbeitsende um 19:00 (Ordinationsöffnungszeiten) ergibt sich, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke möglich und zumutbar ist.

Im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht gab die belangte Behörde folgende Stellungnahme ab:

„In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Benutzung von Massenbeförderungsmitteln wegen mitzuführender technischer Geräte nicht zumutbar sei. Aufgrund des Vorhaltes vom wurde in der Vorhaltsbeantwortung dargelegt, dass es sich um Herzschrittmachergeräte handelt, die die Bf unterschiedlich oft nach B mitführe. Dies könne meist nicht durch ihren Arbeitgeber erfolgen, weil dieser direkt vom Krankenhaus in die Ordination nach A fahre. Trotz Aufforderung im Vorhalt vom wurden keine entsprechenden Nachweise über die Häufigkeit des Transportes bzw. eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag vorgelegt. Auch wurde nicht nachgewiesen, dass der Gerätetransport über entsprechenden Auftrag des Dienstgebers erfolgt ist. Unabhängig von dieser dargestellten sachverhaltsmäßigen Unklarheit ist festzuhalten, dass es sich bei der Zumutbarkeit im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Dieser ist nach der Rechtsprechung in einer typisierenden Betrachtungsweise auszulegen, wobei ausschließlich auf die Wegzeit als objektivierter Unzumutbarkeitsmaßstab abzustellen ist. Eine Berücksichtigung von weiteren individuellen Umständen wie eben die Notwendigkeit des Transportes von Geräten oder auch die Verwendung des PKWs als Arbeitsmittel am Arbeitsort entspricht nicht der Intention der Pendlerpauschalregelung. Diese bezweckt durch Pauschalierung und Typisierung eine notwendige Verwaltungsvereinfachung bei Massensachverhalten (vgl. zB ; ; ). Aus diesem Grund hat auch der VwGH ausgesprochen, dass das große Pendlerpauschale den Arbeitnehmern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (Unzumutbarkeit der Benutzung von Massenbeförderungsmitteln) auch dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer trotzdem öffentliche Verkehrsmittel nutzt (; vgl. auch Quantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 16 Rz 53; Wieser et.al, EStG, § 16 Anm. 82). Wenn im Vorlageantrag vorgebracht wird, dass laut Berechnung des Pendlerrechners das große Pendlerpauschale zustehen würde, ist festzuhalten, dass dem Vorlagentrag ein Ausdruck aus dem Pendlerrechner angeschlossen ist, der gravierend andere Beginn- und Endzeiten für die Arbeit anführt als jener der dem Vorhalt vom angeschlossen war. Aufgrund dieser Diskrepanz wurde die Bf … aufgefordert den Beginn und das Ende der Arbeitszeit in der Ordination in B anzugeben und dafür entsprechende Nachweise vorzulegen (Dienstpläne; Arbeitsvertrag, Fahrtenbuch,...). Dieser Aufforderung ist die Bf … nicht nachgekommen sondern wurde lediglich angeführt, dass das Ende der Arbeitszeit nicht exakt angegeben werden könne. Da die Bf für 2015 in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung die Fahrten nach B als Reisekosten geltend gemacht hat, erscheint es nicht nachvollziehbar wieso dieser Nachweis nicht angetreten werden kann, weil bei Geltendmachung von Reisekosten die Führung eines Fahrtenbuches mit Angaben über Beginn und Ende der Reise notwendig ist. Geht man vom Ende der Ordinationszeit laut Homepage des Arbeitgebers, dh. von 19.00 Uhr aus (überdies sind bei wechselnden Verhältnissen die durchschnittlichen Verhältnisse zugrunde zu legen), ergibt sich, dass die Verwendung von Massenbeförderungsmitteln iS des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 zumutbar ist (vgl. den Ausdruck aus dem Pendlerrechner vom ), weswegen die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.“

Die Bf hat zu dieser Stellungnahme keine Entgegnungen getätigt.

Sachverhalt

Die in A wohnhafte Bf ist Ordinationshilfe bei einem niedergelassenen Kardiologen, der an zwei voneinander 66 km entfernten Standorten (A und B) Ordinationen bzw ein Labor betreibt. Die Bf hat von der Hauptordination in A, wo sie auch wohnt, fallweise medizinische Geräte in die von 16:00 bis 19:00 geöffnete Zweitordination nach B und wieder zurück zu transportieren und führt diese Transporte mit ihrem Privat-PKW durch. Die Häufigkeit dieser Transporte war nicht eruierbar. Ein Kostenersatz durch ihren Arbeitgeber wird nicht geleistet. Die Ordination in B ist laut Homepage des Arbeitgebers von 16:00 bis 19:00 geöffnet; das Ausmaß einer darüber hinausgehenden Arbeitszeit der Bf bei einem dortigen Tätigwerden war nicht eruierbar. Laut Pendlerrechner (Abfrage durch die belangte Behörde) ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln in Bezug auf die Öffnungszeiten der Ordination in B auf der überwiegenden Strecke zwischen A und B möglich und zumutbar.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die sich im Akt des Verwaltungsgerichts befindlichen Unterlagen sowie die Angaben der Parteien des Beschwerdeverfahrens.

Maßgebliche Rechtslage

Gemäß § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 sind „Werbungskosten Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:

Bei mindestens 20 km bis 40 km 696 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km 1 356 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km 2 016 Euro jährlich.

d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:

Bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,

bei mehr als 20 km bis 40 km 1 476 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km 2 568 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km 3 672 Euro jährlich.

e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:

– Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.

j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen.“

Auf Grund des § 16 Abs 1 Z 6 und des § 33 Abs 5 EStG 1988 wurde für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, die Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl II 276/2013 erlassen, deren für den gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen folgendermaßen lauten:

„Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

§ 1. (1) Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte umfasst die gesamte Wegstrecke, die unter Verwendung eines Massenbeförderungsmittels, ausgenommen eines Schiffes oder Luftfahrzeuges, unter Verwendung eines privaten Personenkraftwagens oder auf Gehwegen (Abs. 7) zurückgelegt werden muss, um nach Maßgabe des Abs. 2 in der kürzesten möglichen Zeitdauer (§ 2 Abs. 2) die Arbeitsstätte von der Wohnung aus zu erreichen. Entsprechendes gilt nach Maßgabe des Abs. 3 für die Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung.

(2) Der Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die vorliegen, wenn die Arbeitsstätte in einem Zeitraum von 60 Minuten vor dem tatsächlichen Arbeitsbeginn bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn erreicht wird.

(3) Der Ermittlung der Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die vorliegen, wenn die Arbeitsstätte in einem Zeitraum vom tatsächlichen Arbeitsende bis zu einem Zeitpunkt, der 60 Minuten später liegt, verlassen wird.

Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels

§ 2. (1) Die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels ist nach Z 1 und Z 2 zu beurteilen. Dabei sind die Verhältnisse gemäß § 1 zu Grunde zu legen. Die Umstände, die die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit begründen, müssen jeweils überwiegend im Kalendermonat vorliegen.

1. Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels liegt vor, wenn,

 ) zumindest für die Hälfte der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder zwischen Arbeitsstätte und Wohnung nach Maßgabe des § 1 kein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht oder

2. Kommt Z 1 nicht zur Anwendung, gilt unter Zugrundelegung der Zeitdauer (Abs. 2) Folgendes:

a) Bis 60 Minuten Zeitdauer ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets zumutbar.

b) Bei mehr als 120 Minuten Zeitdauer ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets unzumutbar.

c) Übersteigt die Zeitdauer 60 Minuten nicht aber 120 Minuten, ist auf die entfernungsabhängige Höchstdauer abzustellen. Diese beträgt 60 Minuten zuzüglich einer Minute pro Kilometer der Entfernung, jedoch maximal 120 Minuten. Angefangene Kilometer sind dabei auf volle Kilometer aufzurunden. Übersteigt die kürzeste mögliche Zeitdauer die entfernungsabhängige Höchstdauer, ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels unzumutbar.

(2) Die Zeitdauer umfasst die gesamte Zeit, die vom Verlassen der Wohnung bis zum Arbeitsbeginn bzw. vom Arbeitsende bis zum Eintreffen bei der Wohnung verstreicht; sie umfasst auch Wartezeiten. Für die Ermittlung der Zeitdauer gilt:

1. Stehen verschiedene Massenbeförderungsmittel zur Verfügung, ist das schnellste Massenbeförderungsmittel zu berücksichtigen.

2. Zudem ist die optimale Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel zu berücksichtigen; dabei ist für mehr als die Hälfte der Entfernung ein zur Verfügung stehendes Massenbeförderungsmittel zu berücksichtigen. Ist eine Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel mit einem Anteil des Individualverkehrsmittels von höchstens 15 Prozent der Entfernung verfügbar, ist diese Kombination vorrangig zu berücksichtigen.

3. Steht sowohl ein Massenbeförderungsmittel als auch eine Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel zur Verfügung, liegt eine optimale Kombination im Sinne der Z 2 nur dann vor, wenn die nach Z 2 ermittelte Zeitdauer gegenüber dem schnellsten Massenbeförderungsmittel zu einer Zeitersparnis von mindestens 15 Minuten führt.

Pendlerrechner

§ 3. (1) Für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. zwischen Arbeitsstätte und Wohnung (§ 1) und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist (§ 2), ist für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden.

(2) Dem Pendlerrechner sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die für den abgefragten Tag bestehen.

(3) Entsprechen die zeitlichen und örtlichen Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung während des gesamten Kalendermonats im Wesentlichen jenen, die für den abgefragten Tag im Pendlerrechner bestehen, kann angenommen werden, dass das unter Verwendung des Pendlerrechners für den abgefragten Tag ermittelte Ergebnis mit dem übereinstimmt, das sich für alle maßgebenden Tage des Kalendermonats ergibt.

…“

Gem § 33 Abs 5 Z 4 EStG 1988 steht bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis als Absetzbetrag der Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 hat, zu.

Erwägungen des Bundesfinanzgerichts

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob für die Zurücklegung der Entfernung zwischen der Wohnung der Bf und zweiter Arbeitsstätte die Benutzung von Massenbeförderungsmitteln zumutbar ist oder nicht und der Bf demzufolge das große (so die Bf im Vorlageantrag) oder das kleine Pendlerpauschale (so die belangte Behörde; im gegenständlichen Fall bei einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von mehr als 60 km [66 km] zwei Drittel von 2.016 Euro) zusteht. Die Bf begründet die von ihr eingewandte Unzumutbarkeit der Benutzung von Massenbeförderungsmitteln primär mit dem hohen Gewicht mitzuführender technischer Geräte und verweist weiters sinngemäß, jedoch ohne nähere Angaben, auf unregelmäßige Ordinationsöffnungszeiten.

Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels liegt jedenfalls vor, wenn zumindest für die Hälfte der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder zwischen Arbeitsstätte und Wohnung kein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht, eine Benützung daher tatsächlich unmöglich ist (§ 2 Abs 1 Z 1 lit a Pendlerverordnung). Liegt keine Unzumutbarkeit aufgrund tatsächlicher Unmöglichkeit vor, kann gem § 2 Abs 1 Z 2 Pendlerverordnung Unzumutbarkeit aufgrund der Fahrtzeit gegeben sein: Bei einer Zeitdauer von bis maximal 60 Minuten ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels jedoch stets zumutbar. Bei einer Zeitdauer von mehr als 120 Minuten ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels hingegen stets unzumutbar (Zorn/Stanek in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20 [2018] § 16 Tz 121).

Im gegenständlichen Fall hat die von der belangten Behörde vorgenommene Abfrage im Pendlerrechner, deren Ergebnis dem Grunde nach bindend ist, ergeben, dass für die Bf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke infolge der zurückzulegenden Wegstrecke und der hiefür aufgewendeten Wegzeit möglich und zumutbar ist, was dazu führt, dass die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales ex lege nicht möglich ist. Einwendungen gegen das Ergebnis dieser Abfrage, welches ihr im Vorlagebericht vorgehalten worden ist, hat die Bf nicht getätigt. Überdies hat sie auf einen entsprechenden früheren Vorhalt der belangten Behörde im Zuge des Beschwerdeverfahrens keine konkreten Angaben gemacht, sondern im Wesentlichen lediglich darauf verwiesen, dass sich ihre Arbeitszeit nicht mit den Öffnungszeiten der Ordination decke.

Die Angaben des Pendlerrechners sind gemäß § 3 der Pendlerverordnung für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw zwischen Arbeitsstätte und Wohnung und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist, ist für Verhältnisse innerhalb Österreichs zwingend zu verwenden. Dies bedeutet aber auch, dass – wie auch die belangte Behörde in ihrem Vorlagebericht an das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – die Berücksichtigung weiterer, die individuelle Situation des Steuerpflichtigen berücksichtigende, Umstände, im konkreten Fall die seitens des Bundesfinanzgerichts und offenbar auch seitens der belangten Behörde nicht in Abrede gestellte Notwendigkeit des Transportes von medizinischen Geräten nicht der Intention der pauschalen Pendlerregelung iSd § 16 Abs 6 EStG 1988 bzw der Pendlerverordnung entspricht. Maßgeblich für die Zumutbarkeit von Massenverkehrsmitteln ist somit ausschließlich die  - durch den Pendlerrechner ermittelte, auf der Entfernung, der Arbeitszeit und der Frequenz öffentlicher Verkehrsmittel basierende - Wegzeit als objektivierter Unzumutbarkeitsmaßstab.

Der VwGH hat diesbezüglich bereits vor dem Anwendungsbereich folgende Rechtsprechung zur pauschalen Abgeltungswirkung des § 16 Abs 1 Z 6 EStG entwickelt (vgl zB Erkenntnis vom , 2006/15/0319):

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Fahrtkosten in ihrer tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen sind, enthält § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Derartige Fahrtaufwendungen werden aus Vereinfachungsgründen in pauschaler Form mit dem Verkehrsabsetzbetrag und gegebenenfalls einem Pendlerpauschale berücksichtigt. Damit sind alle Ausgaben für sämtliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Solcherart kommt es auf die konkreten den Steuerpflichtigen im Einzelfall treffenden Kosten zur Erreichung der Arbeitsstätte nicht an (vgl. in diesem Sinne auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2006/15/0001 ).

Kennzeichnend für diese Fahrten ist, dass sie mit dem Ziel unternommen werden, die Arbeitsstätte aufzusuchen, bzw. von dieser in die Wohnung zurückzukehren. Derartige Fahrten fallen daher auch dann unter den Begriff der ‚Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte‘, die nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen abgegolten sind, wenn sie an arbeitsfreien Tagen vom Steuerpflichtigen durchgeführt wurden.“

Andererseits führt die Ausblendung der individuellen Situation des Einzelfalles auch dazu, dass nach der Judikatur das große Pendlerpauschale Arbeitnehmern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (Unzumutbarkeit der Benutzung von Massenbeförderungsmitteln) auch dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer dennoch öffentliche Verkehrsmittel nutzt ().

Die bei Massensachverhalten notwendige Verwaltungsvereinfachung in Form einer Pauschalierung und Typisierung eine lässt daher in Bezug auf die Zumutbarkeit der Benutzung von Massenbeförderungsmitteln die Berücksichtigung der individuellen Situation der Bf in Bezug auf die Beförderung bestimmter Gegenstände nicht zu, mögen diese auch den Einsatz eines Kraftfahrzeuges sinnvoll erscheinen lassen (vgl ähnlich bzw prinzipiell zB auch ; ; ).

Infolge insgesamt nicht vorliegender Unzumutbarkeit - somit also Zumutbarkeit - öffentlicher Verkehrsmittel war daher, wie auch bereits von der belangten Behörde vorgenommen, lediglich das kleine Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von mehr als 60 km (iSd § 16 Abs 6 lit e Teilstrich 1 EStG 1988 aliquot) zu berücksichtigen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gem Art 130 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die strittigen Voraussetzungen für die gegenständlich vorliegende Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und daran anknüpfend für die Berücksichtigung des großen oder kleinen Pendlerpauschales unmissverständlich aus den dargestellten Bestimmungen des EStG 1988 sowie aus der Pendlerverordnung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100553.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at