Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.04.2019, RV/1100047/2017

Kosten für optische Brillengläser samt Brillenversicherungsprämien (samt Kilometergelder) als außergewöhnliche Belastungen mit oder ohne Selbstbehalt?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1100047/2017-RS1
Krankheitskosten etwaiger Folgeerkrankungen einer Behinderung stellen Heilbehandlungskosten im Sinne der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen dar und sind damit ohne Abzug des Selbstbehalts anzuerkennen, sofern nachvollziehbar auf eine Ursächlichkeit des die Behinderung bewirkenden Hauptleidens für die Folgeerkrankung geschlossen werden kann. Aus einer solchen Folgeerkrankung selbst muss keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25% resultieren.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache des Bf., Gde X, K-Straße-xx, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Y, GDe Y, S-Straße-yy, vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
 

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe  

Der pensionierte Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) ist Inhaber eines Behindertenpasses (Nr. abcde) des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen; dieser weist einen Grad der Behinderung bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit iHv 50% und Gesundheitsschädigungen iSd § 2 Abs. 1 erster Teilstrich und dritter Teilstrich VO 303/1996 aus.

Nach Abgabe einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 (bei der Abgabenbehörde elektronisch eingelangt am ) wurde der Bf. mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2015 veranlagt. Dabei berücksichtigte das Finanzamt ua. als unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Heilbehandlungskosten (KZ 476; außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt) beantragte Kosten iHv 5.258,47 € als nicht mit der Behinderung im Zusammenhang stehende Krankheitskosten (KZ 730; außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt); außerdem anerkannte die Abgabenbehörde den Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 243,00 € und einen Pauschbetrag für Diätverpflegung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen iHv 504,00 €.

Mit Anbringen (FinanzOnline) vom erhob der Bf. dagegen Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er auf Grund seiner mit Behindertenpass bestätigten 50%igen Behinderung für die in Abzug gebrachten Heil- und Medikamentenkosten keinen Selbstbehalt zu tragen habe. Auch sei die Kürzung des Diätfreibetrages von 840,00 € auf 504,00 € nicht gerechtfertigt, da auf dem erwähnten Ausweis die Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, bestätigt werde.

Nach einem entsprechenden Vorhalteverfahren (vgl. Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde vom sowie die in diesem Zusammenhang vom Bf. vorgelegte Auflistung seiner Arzt-, Rezept- und Medikamentenkosten 2015 und seine Aufstellung der Km-Gelder für Arztbesuche, Heilbehandlungen und Medikamentenbeschaffung 2015; die entsprechenden Belege wurden von Seiten der Abgabenbehörde eingesehen und wieder retourniert) gab das Finanzamt dem Beschwerdebegehren mit Einkommensteuerbescheid 2015 (Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO) vom teilweise statt und änderte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2015 insofern ab, als es den Pauschbetrag für Diätverpflegung antragsgemäß mit 840,00 € (statt mit 504,00 €) und die geltend gemachten Arzt-, Rezept- und Medikamentenkosten samt Kilometergelder - mit Ausnahme der Zahnarztkosten sowie der Kosten für Brillen samt Kilometergelder (831,86 €) - als Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) im Betrage von 4.426,61 € berücksichtigte.

Der Bf. beantragte in der Folge mit Schriftsatz vom , die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen, womit die Beschwerde wiederum als unerledigt galt. Dabei führte der Bf. Nachstehendes begründend aus:

""Ich bin Inhaber des Behindertenausweises Nr. abcde des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, mit dem mir eine 50%-ige Behinderung bestätigt wird. Demzufolge habe ich bei der Vorlage der Kosten, die im Zusammenhang mit meiner Erkrankung stehen, keine "zumutbare Belastung" in Abzug zu bringen.
Sie haben aus der von mir vorgelegten Ausgabenaufstellung über Rezeptgebühren und Kosten für Medikamente und Heilbehelfe mit total 659,40 € Auslagen für optische Brillengläser plus 100,00 € für zwei Brillenversicherungs-Prämien herausgestrichen und diese mit Hinweis auf § 34 (4) EStG 1988 als zumutbare Belastung in Abzug gebracht.
Damit bin ich nicht einverstanden und begründe dies damit, dass die beschleunigte Verminderung meiner Sehkraft in direktem Zusammenhang mit meinen

verschiedenen Krankheiten und deren Behandlung mit Kortison ua. Medikamenten steht. Ich hatte die letzten drei Jahre - erstmals nach sechsmonatiger Einnahme der erwähnten Medikamente - die nachfolgend aufgelisteten Auslagen für die jeweilige Anpassung meiner Brillengläser zu tragen. Dazu möchte ich darauf verweisen, dass die angeführten Aufwendungen auf Grund von Versicherungsverträgen nur jeweils die vereinbarten Selbstbehalte von 30% des Neupreises betragen und zwar jeweils dann, wenn durch die Veränderung der Sehkraft um eine halbe Dioptrie eine Anpassung ärztlich angeordnet wird.


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Aufstellung:
neue Gleitsichtbrille ohne Anspruch auf Versicherungsleistung
Korrektur der Gläser (Selbstbehalt)
Korrektur der Gläser und optische Sonnenbrille (zum Autofahren)
Korrektur der Gläser für Brille und Sonnenbrille (Selbstbehalt)
Korrektur der Gläser für Brille und Sonnenbrille (Selbstbehalt)
 
519,00 €
192,40 €
386,75 €
272,65 €
285,20 €

Eine neuerliche Anpassung steht bereits wieder an. Das ergibt im Schnitt fast pro Halbjahr eine Brillen-Anpassung. Somit ist der beschleunigte Sehverlust als Teil der Gesamterkrankung zu erkennen und nicht als altersbedingtes Nachlassen der Sehkraft.
Ich ersuche Sie daher höflich, die Positionen 1), 13), 20) und 31) im Gesamtbetrag 759,40 € aus meiner früher vorgelegten Aufstellung auf Grund meines Behindertenpasses ohne Abzug eines "zumutbaren Selbstbehalts" anzuerkennen und meinen Bescheid dahingehend zu ändern.""

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die in Rede stehende Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor; dabei gab die Abgabenbehörde noch an, dass aus ihrer Sicht Bedenken bestünden, ob die Ausführungen des Bf., dass die beschleunigte Verminderung der Sehkraft in direktem Zusammenhang mit der Behinderung stünde, geeignet seien, eine steuerliche Berücksichtigung ohne Selbstbehalt zu rechtfertigen.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. unter Verweis auf , ua. ersucht, hinsichtlich der noch strittigen Ausgaben für optische Brillengläser samt Brillenversicherungsprämien einen entsprechenden Nachweis (zB Bestätigung eines Arztes) dafür zu erbringen, dass die Verminderung der Sehkraft und daher auch die strittigen Kosten tatsächlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit den als Behinderung anerkannten Krankheiten stehen bzw. direkte Folge der Behinderung sind.
In Replik auf diese Vorhaltung legte der Bf. mit Begleitschreiben vom ua. die Gebrauchsinformation (Beipackzettel) betreffend das Medikament Prednisolon "Nycomed" 5 mg-Tabletten, div. Belege betreffend Optiker bzw. Brillenversicherung sowie eine Kopie des Behindertenausweises vor (auf die ergänzenden Ausführungen des Bf. im Begleitschreiben wird an dieser Stelle verwiesen; soweit diese Ausführungen ausschlaggebendes Gewicht für die getroffene Entscheidung haben, finden sie Eingang in die nachfolgenden Überlegungen).

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:

Wie im Verfahrensgang dargestellt, hat das Finanzamt dem Beschwerdebegehren mit Beschwerdevorentscheidung teilweise stattgegeben und den angefochtenen Bescheid insofern abgeändert, als es den Pauschbetrag für Diätverpflegung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen antragsgemäß mit 840,00 € (statt mit 504,00 €) und Arzt-, Rezept- und Medikamentenkosten samt Kilometergelder im Betrage von 4.426,61 € [statt als nicht mit der Behinderung im Zusammenhang stehende Krankheitskosten (KZ 730; außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt)] als unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel bzw. Heilbehandlungskosten (KZ 476; außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt) berücksichtigte.
Der erkennende Richter schließt sich dieser (nunmehr unstrittigen) Beurteilung bzw. Vorgehensweise der Abgabenbehörde an.
Außer Streit steht auch, dass die geltend gemachten Zahnarztkosten samt Kilometergelder (gesamt 69,40 €) als nicht mit der Behinderung im Zusammenhang stehende Krankheitskosten (KZ 730; außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt) zu berücksichtigen sind.

Im konkreten Fall ist allein (noch) strittig, ob die geltend gemachten Ausgaben für optische Brillengläser samt Brillenversicherungsprämien (samt Kilometergelder) als außergewöhnliche Belastungen mit oder ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.


§ 34 Abs. 4 EStG 1988 bestimmt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Belastung wesentlich beeinträchtigt wird, soweit die Belastung einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt, und legt in weiterer Folge die Höhe des Selbstbehaltes fest.

Krankheitskosten erfüllen dem Grunde nach diese Voraussetzungen, allerdings ist in der Regel von diesen Kosten der Selbstbehalt abzuziehen.

Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Berücksichtigung eines Selbstbehaltes ergibt sich aus § 34 Abs. 6 EStG 1988. Demnach können unter anderem Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988 (Vorliegen einer Behinderung), die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988), sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, soweit sie die Summe der vom Steuerpflichtigen bezogenen pflegebedingten Geldleistungen übersteigen, ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag (Abs. 3 leg. cit.) zu.
Gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung; bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 45% bis 54%: Freibetrag iHv 243,00 €).

Nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Die zu §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangene Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBI II Nr. 430/2010 (in der Folge kurz: VO) , welche nach deren § 1 Abs. 1 ua. für durch eine eigene körperliche Behinderung verursachte Aufwendungen gilt [nach § 1 Abs. 2 der VO liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt], enthält weiterführende Regelungen hinsichtlich der Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen.
In § 1 Abs. 3 der genannten VO wird ausgeführt, dass Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 der VO nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen sind.
Nach § 2 Abs. 1 der VO sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten ua. bei Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70,00 € pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.
Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 2 der genannten VO).
Nach § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (Hilfsmittel im Sinne obiger VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen; zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel; normale Gebrauchsgegenstände, die für jedermann nutzbar sind, sind als solche idR keine "Hilfsmittel") sowie Kosten der Heilbehandlung [als Kosten der Heilbehandlung gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen; ebenso stellen die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes im Ausmaß der tatsächlichen Kosten oder des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges Kosten der Heilbehandlung dar] im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Im nachgewiesenen Ausmaß gesondert absetzbare Kosten sind jedoch nur dann unter § 4 der VO zu subsumieren, sofern diese Kosten mit der Behinderung in (unmittelbarem, ursächlichem) Zusammenhang stehen (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2018, § 35 Rzen 25 und 27, mit Verweis auf ; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 35 Tz 17; Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2015, Seiten 595 f; siehe zB auch ; ; ; ).

Auch wenn außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen sind, wenn alle Voraussetzungen für deren Abzugsfähigkeit vorliegen, besteht keineswegs ein Automatismus dahingehend, dass diesbezügliche Kosten ohne Nachweisführung anzuerkennen sind. Der Abgabepflichtige, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wissen will, hat das Vorliegen dieser Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels nachzuweisen. Er hat dem Finanzamt über Verlangen die geltend gemachten außergewöhnliche Belastungen nachzuweisen oder wenigstens glaubhaft zu machen; ob dabei eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, hat die Abgabenbehörde (und auch das Finanzgericht) nach § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen.
Die Behörde ist nicht verpflichtet, von sich aus weitreichende Ermittlungen durchzuführen; der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung obliegt in erster Linie dem bzw. der Abgabepflichtigen (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Tz 7; Jakom/Peyerl EStG, 2018, § 34 Rz 9; Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2015, Seite 582; siehe zB auch ; ).

Aus dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass der Abzug eines

Selbstbehaltes nur bei Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung und somit im Sinne eines bestehenden ursächlichen unmittelbaren Zusammenhangs der geltend gemachten Kosten mit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde liegt, entfallen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ro 2016/13/0010, festgestellt, dass auch Krankheitskosten etwaiger Folgeerkrankungen einer Behinderung im Sinne des § 1 Abs. 2 VO als Kosten der Heilbehandlung nach § 4 VO und somit ohne Abzug des Selbstbehalts zu berücksichtigen sind. Dass aus der Folgeerkrankung selbst eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) von mindestens 25% resultieren müsste, ist - so das Höchstgericht - dabei nicht erforderlich. Dies gilt aber nur dann, wenn nachvollziehbar auf eine Ursächlichkeit des die Behinderung bewirkenden Hauptleidens für die Folgeerkrankung geschlossen werden kann.

Im Beschwerdefall zeigte der Bf. ua. unter Vorlage einer entsprechenden Gebrauchsinformation (Beipackzettel betreffend Prednisolon "Nycomed" 5 mg - Tabletten) und unter Bezugnahme auf entsprechende Beratungsgespräche mit seinen behandelnden Ärzten (Fachärzte für Augenheilkunde und Innere Medizin) überzeugend auf, dass die für die Behandlung der die Behinderung bewirkenden Krankheiten (der vorgelegte Behindertenpass weist einen Grad der Behinderung von 50% und Gesundheitsschädigungen iSd § 2 Abs. 1 erster Teilstrich und dritter Teilstrich der VO aus ; entsprechend dem im Zuge der Veranlagung 2014 vorgelegten ärztlichen Attest vom wurden beim Bf. folgende Diagnosen gestellt: div.XYZ Krankheiten) medizinisch notwendigen Medikamente [ua. Prednisolon "Nycomed" Prednisolon ist ein künstlich hergestellter Wirkstoff, welcher zur Gruppe der Glukokortikoide gehört; diese Gruppe wird häufig unter dem bekannten Namen "Cortison" zusammengefasst; in seinen Wirkungen und Nebenwirkungen gleicht Prednisolon dem in der Nebennierenrinde des menschlichen Körper selbst hergestellten Hormon Cortisol oder Hydrocortison] seinen beschleunigten Sehverlust bzw. die Erhöhung seines Augeninnendruckes (grauer Star) verursachten. Dem Bf. war in diesem Zusammenhang auch beizupflichten, dass eine altersbedingte Verschlechterung der Sehkraft bzw. Erhöhung des Augeninnendruckes üblicherweise wohl nicht so schnell verlaufen bzw. so rasch eingetreten wäre; die Einnahme der zur Therapierung der die Behinderung auslösenden Krankheiten notwendigen Medikamente, ua. von Cortisonpräparaten, und die zeitnahe, beinahe halbjährliche Abfolge von Facharztbesuchen samt entsprechender Korrektur der Brillengläser (siehe dazu auch die Aufstellung des Bf. im Vorlageantrag vom ) sprechen zweifelsohne für den vorausgesetzten tatsächlichen ursächlichen Zusammenhang.

Nachdem die tatsächliche Kausalität der Verminderung der Sehkraft des Bf. und sohin der strittigen Kosten für optische Brillengläser samt Brillenversicherungsprämien und Km-Gelder mit der die Behinderung verursachenden Krankheiten im konkreten Fall als erwiesen anzunehmen war, waren diese als Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen.

Zusammenfassend waren daher die vom Bf. geltend gemachten Arzt-, Rezept- und Medikamentenkosten 2015 samt Kilometergelder iHv insgesamt 5.258,47 € wie folgt als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen:


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Außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt -
Krankheitskosten (KZ 730) -
Zahnarztkosten samt diesbezüglicher Km-Gelder:
 
 
69.40 €
 
 
Außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt -
Kosten aus der eigenen Behinderung nach § 4 der VO (KZ 476) -
restliche Arzt-, Rezept- und Medikamentenkosten 2015 samt Km-Gelder:
 
 
5.189,07 €

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) VwGH-Rechtsprechung beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.
Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100047.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at