1. Nacherhebung von Antidumpingzoll auf Stahlwaren mit Ursprung in China; 2. Ermittlungen zum Ursprung der Waren durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF); 3. Unrichtigkeit eines Ursprungszeugnisses, das den Ursprung der Waren in Vietnam bescheinigt;
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse1, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien vom , Zahl: 320000/00000/2016, betreffend nachträgliche Abgabenerhebung und Abgabenerhöhung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beisein der Schriftführerin MH zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat im November 2015 im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung Ermittlungen über den Ursprung von aus Vietnam nach Österreich und in die Slowakei importierten Rohrformstücken aus Stahl (steel fittings) vorgenommen.
Laut dem vorliegenden OLAF-Bericht, OF/2014/0748, sind dabei ua Recherchen zu sieben Einfuhren, bei denen die Gestellung und Abfertigung (Verfahren: 42*) zwischen Oktober 2012 und März 2013 in Österreich erfolgt ist, durchgeführt worden. Abnehmer der eingeführten Waren war die Firma SRO in der Slowakei.
Laut einer Datenbankabfrage sind die betreffenden Waren zunächst von der Volksrepublik China vorübergehend zur anschließenden Wiederausfuhr in ein Drittland nach Vietnam eingeführt worden.
Als Ursprungsland scheint in der Datenbank sowohl bei der Einfuhr als auch bei der Wiederausfuhr die Volksrepublik China auf. Die chinesischen Lieferanten, darunter die Firma X, sind OLAF bereits von früheren Untersuchungen bekannt (falsche Ursprungsangaben bei der Einfuhr von Rohrformstücken aus Stahl aus Hong Kong in die EU).
Aufgrund der Ermittlungsergebnisse und der vorliegenden Unterlagen (Verträge, Rechnungen, Frachtbriefe, Zollpapiere etc) bestehe der Verdacht, dass die Waren in Vietnam keiner Bearbeitung oder Umwandlung unterzogen worden sind. Wenn die nach Österreich eingeführten Rohrformstücke ihren chinesischen Ursprung behalten haben, unterliegen sie bei der Einfuhr einem Antidumping-Zoll in Höhe von 58,6 %.
Dem Bericht sind Ablichtungen von Einfuhr- und Ausfuhrunterlagen aus China und Vietnam angeschlossen. Die relevanten Felder wurden in die englische Sprache übersetzt.
Das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien hat die Bf (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) als indirekten Vertreter des Empfängers im Hinblick auf die vorliegenden Erkenntnisse aufgefordert, nachzuweisen, in welchem Land die Ware, die Gegenstand der Zollanmeldung CRN vom ist, produziert wurde (Name und Adresse der Firma), wo die letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung stattfand, unter welchen Bedingungen die Ware hergestellt wurde (Ausmaß der Be- oder Verarbeitung), ob bzw welche Vormaterialien eingesetzt wurden und gegebenenfalls (wenn es die Ursprungsregel erfordert) den Wert und Ursprung dieser Vormaterialien.
Die Bf hat zwar ihren Auftraggeber in der Slowakei kontaktiert, es wurde aber keine der im Vorhalt angeführten Fragen beantwortet, um den Ursprung der Waren zu klären und zu bestimmen.
In der Folge hat das Zollamt eine nachträgliche buchmäßige Erfassung zu Zollanmeldung CRN vom vorgenommen und der Bf als indirekten Vertreter der SRO mit Bescheid vom , Zahl: 320000/00000/2016, einen Antidumpingzoll (A30) in Höhe von EUR 45.692,57 sowie eine Abgabenerhöhung in Höhe von EUR 2.885,03 zur Entrichtung mitgeteilt.
In der Begründung verweist die Behörde auf die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 803/2009 des Rates vom zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand sowie auf die aus Taiwan versandten Einfuhren der gleichen Waren, ob als Ursprungserzeugnisse Taiwans angemeldet oder nicht, und zur Aufhebung der den Unternehmen Chup Hsin Enterprise Co., Ltd und Nian Hong Pipe Fittings Co., Ltd gewährten Befreiung sowie auf die Ermittlungsergebnisse, wonach es sich bei den eingeführten Rohrformstücken aus Stahl nicht um Waren mit Ursprung Vietnam, sondern um chinesische Ursprungswaren handelt. Der Verkäufer in Vietnam, die Firma Ltd, welche die Rohrformstücke aus China importiert und an die SRO in der Slowakei weiterverkauft hat, sei an der angegebenen Adresse in Ho Chi Minh City seit fünf Jahren nicht mehr tätig.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Betrages von EUR 46.556,71 ein Gesamtschuldverhältnis mit der SRO in der Slowakei besteht und Zahlungen durch einen Gesamtschuldner dem anderen Gesamtschuldner zugute kommen.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf durch ihren Vertreter mit Schreiben vom form- und fristgerecht Bescheidbeschwerde erhoben.
Die Bf verweist auf das vorliegende Zeugnis der Vietnam Chamber of Commerce and Industry Ho Chi Minh City Branch (VCCI), Nr. 00000000, mit dem der Ursprung in Vietnam bescheinigt wird. Im Nachhinein treffe das Zollamt die Beweislast dafür, dass die verzollten Waren ihren Ursprung in China haben.
Man bestreite bzw bezweifle die Ergebnisse der OLAF-Ermittlungen. Unterlagen, die die Behauptungen im Bericht stützen könnten, seien weder erwähnt noch vorgelegt worden.
Auch ein konkreter Zusammenhang zwischen der behaupteten Einfuhr der Rohrformstücke aus China und der späteren Ausfuhr in die EU fehle. Da es sich bei Stahlfittings um ein verbreitet gehandeltes Gut handle, könne etwa aus allfälligen Mengenangaben nicht auf die Identität der Waren geschlossen werden.
Bei einer vergleichbaren Verzollung sei die Richtigkeit und Authentizität des Ursprungszeugnisses zwischenzeitlich von der VCCI bestätigt worden.
Die Behauptungen des Zollamtes seien völlig unbelegt, ohne Substanz, lediglich pauschal und generalisierend.
Die nachträgliche buchmäßige Erfassung wäre aber nach Artikel 220 Buchstabe b) dritter Absatz der Verordnung(EWG) Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (nachstehend "ZK") wegen des Gutglaubensschutzes jedenfalls unzulässig, da die VCCI gegebenenfalls unrichtige Präferenzbescheinigungen ausgestellt habe.
Die Bf habe sämtliche ihr als Zollspediteur obliegenden Sorgfaltspflichten erfüllt.
Überdies sei die Vorschreibung auch unverhältnismäßig und nicht in gehöriger Ausübung des entsprechenden Auswahlermessens erfolgt.
Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu dahingehend abzuändern, dass die Abgabenvorschreibung auf 0,00 reduziert wird.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom . Zahl: 320000/00000/2016-2, hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, bei Untersuchungen vor Ort sei festgestellt worden, dass die Firma Ltd, welche die Rohrformstücke aus China importiert und an die SRO in der Slowakei weiterverkauft hat, an der angegebenen Adresse in Ho Chi Minh City nicht existiere. Dort befinde sich ein Fast Food Restaurant. Laut der VCCI in Vietnam sei die genannte Firma zwar noch beim do Ministry of Industry and Trade registriert, übe aber laut Register der vietnamesischen Steuerbehörden seit November 2013 keine Geschäftstätigkeit mehr aus.
Das Ursprungszeugnis Nr. 00000000 sei von der VCCI auf Basis der dem Antrag beigelegten Informationen ausgestellt worden.
Die in den Anträgen zum Ursprungszeugnis angegebenen Lieferfirmen hätten ihre Geschäftstätigkeiten seit August 2014 eingestellt.
Eine Erstattung oder ein Erlass der Abgaben gemäß Artikel 119 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (nachstehend "UZK") komme ebenfalls nicht in Betracht. Ein aktiver Irrtum der Zollbehörde liege nicht vor, zumal das Zollamt zum Zeitpunkt der Abfertigung keine Kenntnis davon gehabt habe, dass das Zeugnis auf Grund unrichtiger Informationen an die ausstellende Behörde erlangt wurde. Man sei nicht in der Lage gewesen, die Unrichtigkeit der Zollanmeldung zu erkennen.
Mit Schreiben vom hat die Bf durch ihren Vertreter beantragt, das Bundesfinanzgericht möge über die Beschwerde entscheiden, eine mündliche Verhandlung anberaumen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, in eventu dahingehend abändern, dass die nachträgliche Abgabenvorschreibung auf 0,00 reduziert wird.
Der Zollbehörde sei es nicht gelungen, nachzuweisen, dass die aus Vietnam eingeführten Rohrformstücke chinesischen Ursprung haben bzw das vorgelegte Ursprungszeugnis ungültig ist. Die Beweislast dafür trage jedoch das Zollamt.
Es liege ein gültiges Ursprungszeugnis der VCCI vor. Die Behauptungen im OLAF-Bericht betreffend vorübergehende Einfuhr der Waren aus China zur anschließenden Wiederausfuhr in die EU seien nicht urkundlichen belegt.
Auch der Umstand, dass der Versender Ltd angeblich nicht mehr an der angegebenen Adresse tätig sei, belege weder, dass es das Unternehmen nicht gibt, noch dass die Ware nicht in Vietnam hergestellt oder ausreichend veredelt wurde. Zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Lieferung sei das genannte Unternehmen noch geschäftlich tätig gewesen.
Sollte das Ursprungsland der Rohrformstücke tatsächlich China sein, liege ein den Gutglaubensschutz begründender Irrtum vor, der einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung entgegenstehe. Die Bf sei lediglich als Zollspediteur tätig geworden und mit dem Transport der Waren nicht befasst gewesen. Sobald Bedenken an der Richtigkeit der Präferenzbescheinigungen mitgeteilt wurden, habe man umgehend entsprechende Bestätigungen der Richtigkeit dieser Bescheinigungen vom Auftraggeber verlangt und erhalten. Damit habe man jedenfalls sämtliche Sorgfaltspflichten erfüllt.
Die Vorschreibung sei daher nach Artikel 116 (1) lit c), 119 UZK unzulässig.
Allenfalls habe die VCCI bei Ausstellung der Bescheinigung gewusst, dass die Waren chinesischen Ursprungs sind. Dies stelle einen besonderen Grund dar, der eine Erstattung wegen Billigkeit rechtfertige.
Obwohl es seit vielen Jahren einen begründeten Verdacht auf Ausstellung unrichtiger vietnamesischer Ursprungszeugnisse für chinesische Stahlwaren gab, wurden die Zollspediteure in Österreich und die betroffenen Wirtschaftsbeteiligten nicht gewarnt. Dies stelle ebenfalls einen Billigkeitsgrund dar.
Schließlich sei die Vorschreibung auch unverhältnismäßig und nicht in gehöriger Ausübung des entsprechenden Auswahlermessens erfolgt, weil nicht die Bf, sondern der Importeur in der Slowakei das größere Naheverhältnis zum Entstehungsgrund der Zollschuld gehabt habe. Laut Punkt 1.2 der Arbeitsrichtlinie ZK-1890 dürfe keinesfalls ohne weitere Überlegung nur demjenigen vorgeschrieben werden, bei dem die Erwartung der Einbringlichkeit am größten ist.
Die beantragte mündliche Verhandlung hat am am Sitz des Bundesfinanzgerichtes stattgefunden.
Dabei hat die Bf durch ihren Vertreter die Einvernahme näher genannter Zeugen in der Slowakei und in Vietnam zum Beweis beantragt,
- dass die SRO in der Slowakei bis heute durchgehend geschäftlich aktiv ist, Gewinne erzielt hat und daher über ausreichendes Vermögen verfügt, auch bereits im Jahr 2015, um die Abgaben entrichten zu können;
- über die Umstände der Ausstellung des vorliegenden Ursprungszeugnisses und damit zum Vorliegen der Gründe eines entsprechenden Irrtums iSd Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b) ZK.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Einleitend ist festzuhalten, dass Gegenstand des Verfahrens weder ein Antrag auf Erstattung oder Erlass der Abgaben noch ein Billigkeitsantrag ist, sondern ein Nacherhebungsbescheid gemäß Artikel 220 ZK.
Konkret handelt es sich Im verfahrensgegenständlichen Fall um die Nacherhebung von Antidumpingzöllen.
Mit der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern wurde ein Verfahren festgelegt, das damit enden konnte, dass vorläufige oder endgültige Anti-Dumping-Zölle durch Verordnung eingeführt werden, die von den Mitgliedstaaten "in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben" werden, die in der Verordnung zur Einführung dieser Zölle festgelegt sind. Gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 384/96 ist das Ausfuhrland normalerweise das Ursprungsland, jedoch kann es sich auch um ein Zwischenland handeln, außer in den Fällen, in denen die Ware nur Gegenstand eines Durchfuhrverkehrs durch dieses Land ist oder nicht in diesem hergestellt wird, oder wenn es dort keinen vergleichbaren Preis für sie gibt.
Gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 384/96 tritt eine endgültige Anti-Dumping-Maßnahme fünf Jahre nach ihrer Einführung oder fünf Jahre nach dem Datum des Abschlusses der letzten Überprüfung außer Kraft.
Die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Mit Artikel 23 dieser Verordnung wurde die Verordnung Nr. 384/96 aufgehoben, jedoch ist demnach die Verordnung Nr. 384/96 weiterhin auf Verfahren anwendbar, die während ihrer Geltungsdauer eingeleitet wurden.
Mit Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 803/2009 des Rates vom wurde auf die Einfuhren von näher angeführten Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand ein endgültiger Anti-Dumping-Zoll eingeführt. Mit Artikel 2 dieser Verordnung wurde der mit Artikel 1 eingeführte endgültige Anti-Dumping-Zoll auf Einfuhren mit Ursprung in der Volksrepublik China auf Einfuhren bestimmter gleicher Waren, die aus Taiwan, Indonesien, Sri Lanka oder den Philippinen versandt wurden, ob als Ursprungserzeugnisse der genannten Länder angemeldet oder nicht, mit Ausnahme näher angeführter Erzeugnisse ausgeweitet.
Laut Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/16/0014, beschränken sich die endgültigen Anti-Dumping-Zölle nicht auf Waren, die aus dem Ursprungsland der Volksrepublik China oder Thailand direkt in die Europäische Union versandt werden.
Im vorliegenden Fall weist die von der Bf abgegebene Zollanmeldung CRN vom Vietnam als Ursprungsland der einzuführenden Rohrformstücke aus Stahl aus. Als Nachweis des angegebenen Ursprungs ist der Anmeldung das Ursprungszeugnis Formblatt B Nr. 00000000 angeschlossen, welches von der VCCI ausgestellt und der Bf, die als Zollspediteur und indirekter Vertreter des Anmelders aufgetreten ist, vom in der Slowakei ansässigen Einführer übergeben worden war.
Aufgrund der Ergebnisse einer nachträglich von den Zollbehörden und OLAF durchgeführten Kontrolle bestehen Zweifel daran, dass dieses Zeugnis den wahren Ursprung der eingeführten Rohrformstücke bescheinigt.
Laut den vorliegenden Informationen befand sich der Versender Ltd zum Zeitpunkt der Überprüfung am schon seit mindestens fünf Jahren - also auch schon zum Zeitpunkt der Rechnungslegung an SRO - nicht mehr an der angegebenen Adresse in Ho Chi Minh City und übt laut den Tax Registration Records in Vietnam keine Geschäftstätigkeit aus.
Bei der von der VCCI ausgestellten Bescheinigung Nr. 00000000, deren Richtigkeit angezweifelt wird, handelt es sich nicht um ein Präferenzursprungszeugnis, sondern um ein Ursprungszeugnis Formblatt B (auch "allgemeiner" Ursprungsnachweis genannt).
Anders als der präferenzielle Ursprung ist der nichtpräferenzielle Ursprung nicht Grundlage von Vorzugsbehandlungen. Er kommt im Wesentlichen bei handelspolitischen Maßnahmen zur Anwendung. Als praxisrelevante Gebiete, die auch schon in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine große Rolle gespielt haben, hat sich insbesondere das Antidumpingrecht herausgebildet.
Das vorliegende Ursprungszeugnis Formblatt B ist auf der Grundlage der vietnamesischen nichtpräferenziellen Ursprungsregeln ausgestellt worden. Bei Rohrformstücken aus Stahl (HS-Code 7307) ist Voraussetzung für die Erlangung des nichtpräferenziellen Ursprungs eine Änderung der Warennummer (Tarifsprung).
Laut den Ergebnissen eines durchgeführten Cross-Checks und den vorliegenden Unterlagen sind am drei Container mit 66 Packstücken Rohrformstücken aus Stahl (steel fittings) in China zum Transport nach Vietnam verladen worden. Aus der vorliegenden Rechnung und der Packliste der Firma X geht hervor, dass die Sendung insgesamt 101.960 Stück mit einer Eigenmasse von 62.593,00 kg umfasst. Als Ursprungsland ist in den Unterlagen und der Datenbank China angegeben. Empfänger der Sendung war die Firma Ltd in Vietnam. Die Anmeldung der chinesischen Waren erfolgte in Vietnam zum Verfahren NTA01 Tạm nhập Tái xuất, das bedeutet "vorübergehende Einfuhr zur anschließenden Wiederausfuhr" (also nicht "aktive Veredelung").
Mit Rechnung Nr. 00000000/VN vom hat die Ltd der SRO in der Slowakei 66 Packstücke Rohrformstücke aus Stahl verkauft. Die Eigenmasse beträgt insgesamt 62.593,00 kg. Als Ursprungsland der Waren ist Vietnam angegeben. Laut den vorliegenden Unterlagen wurden die Waren in Vietnam zum Verfahren XTA02 "Wiederausfuhr nach vorübergehender Einfuhr" angemeldet. Laut Datenbankabfrage in Vietnam scheint dort als Ursprungsland sowohl bei der vorübergehenden Einfuhr als auch bei der Wiederausfuhr "China" auf.
Die Formstücke wurden in drei Containern nach Österreich verbracht und am mit Zollanmeldung CRN bei der belangten Behörde angemeldet (Verfahren: 42*). Als Ursprungsnachweis wurde das genannte Ursprungszeugnis Formblatt B vorgelegt.
Die Übereinstimmungen zwischen den Sendungen hinsichtlich Warenbezeichnung, Menge, Gewicht und Unterposition HS (7307 93) sowie der zeitliche Zusammenhang sind insoweit aussagekräftig, als im Prüfungszeitraum keine andere Warenlieferung zwischen den beteiligten Unternehmen mit exakt diesen Daten festgestellt werden konnte.
Auf Grund der konkreten Übereinstimmungen und der vorliegenden Unterlagen kann bei dem oben dargestellten Sachverhalt zu Recht davon ausgegangen werden, dass es sich bei jenen Waren, die Gegenstand der Zollanmeldung CRN sind, um die aus China stammenden Rohrformstücke handelt, die lediglich umgeladen worden sind. Konkrete Hinweise auf eine (ursprungsbegründende) Verarbeitung in Vietnam gibt es laut Aktenlage nicht und wurden entsprechende Informationen oder Unterlagen trotz Aufforderung durch die Zollverwaltung weder von der Bf noch von der SRO beigebracht.
Schließlich darf darauf hingewiesen werden, dass zum Thema der Lieferung von Rohrformstücken aus Stahl mit Ursprungsland China unter Vorlage unrichtiger Ursprungszeugnisse aus Vietnam für einen Empfänger in der Slowakei auch bereits rechtskräftige Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes vorliegen, mit denen vergleichbare Beschwerden gegen die nachträgliche Vorschreibung von Antidumpingzoll als unbegründet abgewiesen worden sind (zB ; Revision vom VwGH zurückgewiesen).
Auch bei dem von der Bf ins Treffen geführten Fall, in dem die Richtigkeit und Authentizität des Ursprungszeugnisses von der VCCI nachträglich bestätigt worden ist, wurde die Beschwerde gegen den Nacherhebungsbescheid als unbegründet abgewiesen ().
Aus den genannten Gründen kommt das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Rohrformstücken aus Stahl um chinesische Ursprungswaren handelt und das vorliegende Ursprungszeugnis Formblatt B Nr. 00000000, mit dem der nichtpräferenzielle Ursprung in Vietnam bescheinigt wird, unrichtig ist.
Zum Vorbringen der Bf betreffend Abstandnahme von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung ist Folgendes festzustellen:
Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 ZK erfolgt gemäß Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b) keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
Wird der Präferenzstatus einer Ware im Rahmen des Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung der Behörden eines Drittlands ermittelt, so gilt die Ausstellung einer Bescheinigung durch diese Behörden, falls sich diese Bescheinigung als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der im Sinne des Unterabsatzes 1 vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.
Die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung stellt jedoch keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, außer insbesondere dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllen.
Die Nachfolgebestimmung des Artikels 119 "Irrtum der zuständigen Behörden" im geltenden UZK lautet:
"(1) In anderen als den in Artikel 116 Absatz 1 Unterabsatz 2 und in den Artikeln 117, 118 und 120 genannten Fällen werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge erstattet oder erlassen, sofern der der ursprünglich mitgeteilten Zollschuld entsprechende Betrag aufgrund eines Irrtums der zuständigen Behörden einem niedrigeren als dem zu entrichtenden Betrag entsprach und die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Dieser Irrtum konnte vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden und
b) der Zollschuldner hat gutgläubig gehandelt.
(2) Werden die Bedingungen gemäß Artikel 117 Absatz 2 nicht erfüllt, so wird die Erstattung oder der Erlass gewährt, wenn aufgrund eines Irrtums der zuständigen Zollbehörden der ermäßigte Zollsatz oder die Zollfreiheit nicht angewandt worden ist, obwohl bei der Zollanmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr alle für die Anwendung des ermäßigten Zollsatzes oder der Zollfreiheit erforderlichen Angaben ordnungsgemäß gemacht und die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden waren.
(3) Wird die Präferenzbehandlung von Waren im Rahmen einer Verwaltungszusammenarbeit mit Behörden eines Landes oder Gebiets außerhalb des Zollgebiets der Union gewährt, so gilt eine von diesen Behörden ausgestellte Bescheinigung, die sich als unrichtig erweist, als Irrtum im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.
Die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung gilt jedoch nicht als Irrtum, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Tatsachen durch den Ausführer beruht, es sei denn, es ist offensichtlich, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für die Gewährung der Präferenzbehandlung nicht erfüllten.
Der Zollschuldner gilt als gutgläubig, wenn er darlegen kann, dass er sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit der gebotenen Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für die Präferenzbehandlung erfüllt worden sind.
Der Zollschuldner kann sich nicht darauf berufen, gutgläubig gehandelt zu haben, wenn die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung veröffentlicht hat, nach der begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Anwendung der Präferenzregelung durch das begünstigte Land oder Gebiet bestehen."
Da es sich bei dem vorliegenden Ursprungszeugnis Formblatt B Nr. 00000000 - wie bereits erwähnt - um keinen Präferenznachweis handelt, finden die vorstehend genannten Vertrauensschutzregelungen keine Anwendung.
Es erübrigt sich daher auch, den von der Bf als Zeugen beantragten Direktor der VCCI zu den Umständen bei der Ausstellung dieser Bescheinigung zu befragen.
Hinweise auf einen (aktiven) Irrtum der Zollbehörden liegen nicht vor und wird ein solcher von der Bf auch nicht behauptet.
Zollschuldner ist gemäß Artikel 201 Absatz 3 ZK bei Überführung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware in den zollrechtlich freien Verkehr der Anmelder (Artikel 4 Nr. 18 ZK). Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird.
Im vorliegenden Fall ist demnach sowohl die SRO als auch die Bf als indirekter Vertreter des Empfängers Zollschuldner.
Die belangte Behörde hat den gemäß Artikel 220 ZK nachzuerhebenden Restbetrag zunächst der SRO vorgeschrieben und sodann auch der Bf, wobei im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses hingewiesen wird.
Es trifft also nicht zu, dass die Abgaben nur der Bf vorgeschrieben worden sind.
Gemäß Artikel 221 Absatz 3 ZK darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen.
Entstanden ist die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Zollanmeldung CRN angenommen wurde, das ist der .
Wenn auch an die Bf, die ja ebenfalls Zollschuldner ist, unmittelbar vor Eintritt der Verjährung ein Abgabenbescheid ergeht (Zustellung an die Bf am ), kann darin kein Verstoß gegen das Auswahlermessen erblickt werden. Vielmehr ist die belangte Behörde damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Einfuhrabgabenforderung nachgekommen.
Das Bundesfinanzgericht bezweifelt nicht, dass die SRO in der Slowakei, an die ja zuvor auch ein entsprechender Bescheid ergangen ist, geschäftlich aktiv ist, Gewinne erzielt hat und daher über ausreichendes Vermögen verfügt, auch bereits im Jahr 2015, um die Abgaben entrichten zu können. Auf die Einvernahmen der zu diesem Beweisthema von der Bf beantragten Zeugen kann daher verzichtet werden.
Da die Abgaben von der Bf als Gesamtschuldner iSd § 6 BAO entrichtet worden sind, ist das Gesamtschuldverhältnis jedoch erloschen (). Eine Abgabenleistung durch die SRO kommt deshalb nicht mehr in Betracht.
Es bleibt der Bf aber unbenommen, Ansprüche gegenüber ihrem Auftraggeber zivilrechtlich geltend zu machen oder sich um eine außergerichtliche Einigung zu bemühen.
Der Umstand, dass die Zollbehörden eines Mitgliedstaats Zölle nacherheben, wenn Ursprungszeugnisse sich aufgrund einer nachträglichen Kontrolle durch die Behörden dieses Staates als ungültig erwiesen haben, stellt der Rechtsprechung zufolge ein normales Geschäftsrisiko dar, dem jeder umsichtige und mit der Rechtslage vertraute Wirtschaftsteilnehmer Rechnung tragen muss (vgl Urteil des EuG vom , Hyper/Kommission, T-205/99, Rn 114).
Soweit es sich um Antidumpingzölle handelt, die gemäß einer Verordnung der Kommission oder des Rates auf Waren mit Ursprung in einem Drittland zu erheben sind, sind die Behörden dieses Drittlands - anders als bei Zollpräferenzregelungen - in keiner Weise an der Umsetzung einer solchen Verordnung beteiligt oder mit irgendwelchen Kontroll- oder Überwachungsaufgaben betraut, aufgrund derer der Abgabenschuldner davon ausgehen könnte, dass diese Behörde im Hinblick auf die unter eine solche Unionsregelung fallenden Aspekte "zuständig" seien (Urteil des EuG vom , Schenker/Kommission, Rs T-576/11, Rn 64).
Aus den genannten Gründen war die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere auch im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung - nicht erfüllt.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 220 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 119 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1 |
Verweise | Urteil EuG , T-576/11, Schenker/Kommission Urteil EuG , T-205/99, Hyper/Kommission |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7200019.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at