Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten eines Piloten im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, Adr1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer 2010 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 machte der Beschwerdeführer (Bf.) u.a. Kosten für Familienheimfahrten iHv 2.240 € sowie Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 6.300 € als Werbungskosten geltend.
Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurden diese Aufwendungen von der Abgabenbehörde nicht anerkannt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nicht vorlägen.
Mit Schreiben vom brachte der Bf. eine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 ein und führte darin aus, dass seine Tätigkeit in Wien am bei Personalleasing-GmbH, einer Leiharbeitsfirma, begonnen habe. Da die Dauer der Anstellung nicht definiert worden sei, hätte er aus wirtschaftlichen und privaten Gründen seinen Hauptwohnsitz nicht nach Österreich verlagern können. Somit habe er seinen Lebensmittelpunkt und Hauptwohnsitz bis September 2013, jenem Zeitpunkt, als eine unbefristete Anstellung bei der N-GmbH in Aussicht gestanden sei, in Deutschland belassen. Aus diesen Gründen sollten Familienheimfahrten Werbungskosten darstellen.
In einem Ergänzungsvorhalt des Finanzamtes vom wurde der Bf. aufgefordert, zum Nachweis der in der Beschwerde behaupteten Umstände den Dienstvertrag bzw. eine entsprechende Dienstgeberbestätigung vorzulegen sowie sämtliche Aufwendungen (auch jene, die bereits im Zuge des Erstbescheides berücksichtigt wurden) dem Grunde und der Höhe nach nachzuweisen (Aufgliederung nach einzelnen Positionen und Nachweis der Entrichtung).
In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens legte der Bf. die Grundvereinbarung, abgeschlossen zwischen der Personalleasing-GmbH und dem Bf., sowie eine Dienstplanauswertung vor und brachte vor, dass er bis 2013 in einem Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei der N-GmbH gestanden sei. Es sei somit bis 2013 nicht absehbar gewesen, wie lange diese Arbeitnehmerüberlassung andauern würde. Daher sei es nicht zumutbar gewesen, sein gesamtes privates Umfeld nach Wien zu übersiedeln. Dies sei im Jahr 2013 geschehen, nachdem er eine fixe Anstellung bei der N-GmbH erhalten habe.
Mit einem weiteren Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. eingeladen nachzuweisen, dass er im Jahr 2010 aus beruflichen Gründen zwei (oder mehrere) Wohnmöglichkeiten gehabt habe (Nachweis behördlicher Meldungen) und dass er dafür den Aufwand tragen habe müssen.
Der Bf. übermittelte daraufhin die Kontoauszüge von Juni bis Dezember 2010, aus denen monatliche Zahlungen iHv 700 € für "Miete Wohnung Wien" ersichtlich sind und eine Meldebescheinigung der Stadt Adr2.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.20.2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass der Ergänzungsauftrag des Finanzamtes vom nicht ausreichend bzw. nicht vollständig beantwortet worden sei.
Mit Vorlageantrag vom begehrte der Bf. die Berücksichtigung der Familienheimfahrten und der doppelten Haushaltsführung, da er 2010 nur als Leiharbeiter beschäftigt und es ihm daher nicht möglich gewesen sei, seinen Lebensmittelpunkt nach Wien zu verlegen.
Mit einem weiteren Ergänzungsvorhalt vom forderte das FA den Bf. auf, sämtliche in der Einkommensteuererklärung 2010 als Werbungskosten und Sonderausgaben geltend gemachten Aufwendungen nachzuweisen.
Diesem Ersuchen ist der Bf. nicht nachgekommen.
Mit Schreiben des wurde der Bf. ersucht eine genaue Aufstellung der Familienheimfahrten mit Datum der Hin- und Rückreise sowie bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln die jeweiligen Ticketsbzw. Fahrscheine oder bei Fahrten mit dem eigenen PKW das Fahrtenbuch, den Zulassungsschein und allenfalls vorhandene Tankbelege vorzulegen. Weiters wurde er um Vorlage des Dienstvertrages mit der N-GmbH ersucht.
Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Der aus Deutschland stammende Bf. war ab bei einer Personalleasingfirma beschäftigt. Er wurde im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung als Pilot der N-GmbH mit Stationierungsort in Wien zur Verfügung gestellt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Seit 2015 ist der Bf. bei der N-GmbH tätig.
Im Streitjahr war der Bf. ledig und bewohnte in Wien eine Unterkunft, für die er monatlich 700 € Miete zahlte; insgesamt hat er im Jahr 2010 Mietkosten iHv 5.600 € nachgewiesen.
Der Bf. verfügt außerdem über einen Wohnsitz in Adr2, Deutschland, wo er seit gemeldet ist. Darüber hinaus hatte er im Beschwerdejahr 2010 bis zum 01.04. einen weiteren Wohnsitz in Adr3, Deutschland.
Eine Aufstellung der Familienheimfahrten sowie Belege, welche die Kosten der Familienheimfahrten nachweisen, wurden trotz Aufforderung der Abgabenbehörde und des BFG nicht vorgelegt.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem dem BFG vorliegenden Akteninhalt sowie dem Vorbringen des Bf. und der von ihm vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Grundvereinbarung, abgeschlossen im März 2010 zwischen der Personalleasing-GmbH und dem Bf., der Meldebescheinigung Adr2 sowie der Kontoauszüge Juni-September 2010. Die Feststellung, dass der Bf. seit 2015 bei der N-GmbH beschäftigt ist, beruht auf einer Abfrage des BFG im Abgabeninformationssystem.
Was den Wohnsitz in Wien betrifft, so ist der Bf. laut einer ZMR-Abfrage zwar erst seit in Wien gemeldet, doch stellt die verwaltungspolizeiliche Meldung nur ein Indiz für das Vorliegen eines Wohnsitzes dar. Im Hinblick darauf, dass in der Anlage 1 zur Grundvereinbarung mit der Personalleasing-GmbH GmbH als Stationierungsort Wien angegeben ist, der Bf. seine Wohnung in Adr3 mit aufgegeben hat und die Mietzahlungen für die Wohnung in Wien zumindest für acht Monate nachgewiesen hat, war davon auszugehen, dass der Bf. bereits seit Beginn seiner Beschäftigung bei der Personalleasingfirma im Jahr 2010 einen Wohnsitz in Wien innehatte.
Rechtslage und Erwägungen:
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 Aufwendungen bzw. Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Demgegenüber sind Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Für eine die Einkünfte mindernde Berücksichtigung der Kosten einer doppelten Haushaltsführung und von Heimfahrten zum (Familien-) Wohnort muss somit die Begründung des zweiten Haushaltes am Arbeitsort beruflich veranlasst und die Aufgabe des bisherigen (Familien-)Wohnsitzes unzumutbar sein ().
Im vorliegenden Fall hat der Bf. mit Beginn seiner Tätigkeit bei der Personalleasingfirma am Beschäftigungsort in Wien eine Wohnung genommen und gleichzeitig seine Wohnung in Adr3 aufgegeben. Seinen bereits seit 1975 bestehenden Wohnsitz in Adr2 hat er beibehalten. Er hatte also ab zwei Wohnsitze, wobei sich nach seinen Angaben der Hauptwohnsitz in Deutschland befunden habe. Erst im September 2013, als eine unbefristete Anstellung bei der N-GmbH in Aussicht gestanden sei, habe er seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben.
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl. ).
Die Unzumutbarkeit muss die Folge von Umständen sein, die mit der Berufstätigkeit bzw. mit dem Ort der Berufstätigkeit im Zusammenhang stehen, wie zB die Tatsache, dass an diesem Ort keine zur Begründung des Familienwohnsitzes geeignete Wohnung zu beschaffen ist, oder eben die Tatsache, dass keine die Begründung eines Familienwohnsitzes rechtfertigende dauernde Arbeitsstelle vorliegt (; ).
Der Beschwerdeführer hat die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung im Wesentlichen damit begründet, dass im Jahr 2010 noch nicht absehbar gewesen sei, wie lange die Überlassung an die N-GmbH andauern werde. Es trifft zwar zu, dass der Bf. im Beschwerdejahr als "Leiharbeiter" keine dauerhafte Arbeitsstelle innehatte, doch rechtfertigt dieser Umstand allein noch nicht die Beibehaltung eines Wohnsitzes in Deutschland. Nach der Verwaltungspraxis (LStR 2002, Rz 345) und Rechtsprechung () ist bei einer ständig wechselnden Arbeitsstätte (zB bei einem Bauarbeiter, bei saisonal Beschäftigten oder bei Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung) die Verlegung des Wohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine häufige Abberufung zu entsprechend weit entfernten Arbeitsstellen gegeben ist. Die abstrakte Möglichkeit einer Abberufung reicht aber dazu nicht aus, es muss sich vielmehr um eine konkret, ernsthaft und latent drohende Möglichkeit einer solchen Abberufung handeln.
Zwar wäre auf Grund der mit der Personalleasing-GmbH GmbH abgeschlossenen Vereinbarung im Falle der Beendigung der Arbeitskräfteüberlassung an die N-GmbH auch die Entsendung an ein anderes Flugunternehmen mit einem anderen Stationierungsort möglich gewesen, doch bietet weder die Aktenlage Anhaltspunkte für eine konkret, ernsthaft und latent drohende Möglichkeit des Einsatzes an einem anderen Beschäftigungsort noch wurde eine solche vom Bf. behauptet. Anders als etwa ein Bauarbeiter oder Monteur, die in der Regel auf ständig wechselnden Arbeitsplätzen eingesetzt werden, musste der Bf. angesichts seines ausgeübten Berufes als Pilot - trotz der fehlenden Dauerhaftigkeit der Arbeitsstelle - nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit mit einem Einsatz an einem anderen Beschäftigungsort rechnen als im allgemeinen Arbeitnehmer privatwirtschaftlicher Unternehmen mit einem Verlust des Arbeitsplatzes zu rechnen haben
Der Einwand des Bf., dass er erst im Jahr 2013 eine fixe Anstellung bei der N-GmbH erhalten habe, ist daher nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung im Streitjahr zu begründen.
Nach herrschender Rechtsauffassung können aber auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen, die diesbezüglichen Kosten wenigstens vorübergehend (in einer Übergangsphase) als Werbungskosten berücksichtigt werden. Dabei ist von einer angemessenen Frist auszugehen, welche sich nach den Möglichkeiten des Steuerpflichtigen, sich im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes einen Wohnsitz zu beschaffen, richtet. Ob und wann dem Steuerpflichtigen die Wohnsitzverlegung zumutbar ist, kann nicht vom Ablauf einer bestimmten Zeit abhängig gemacht werden, sondern ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. ).
Verwaltungspraxis (LStR 2002, Rz 354) und herrschende Rechtsauffassung (vgl. zB RV/0220-F/09; ; vom , RV/5100556/2014; , RV/2100763/2017 u.v.a.) erachten bei alleinstehenden Steuerpflichtigen üblicherweise eine Zeitspanne von sechs Monaten als ausreichend.
Entsprechend den obigen Ausführungen ist im vorliegenden Fall das Erfordernis einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung nicht erfüllt.
Daher können die beantragten Kosten lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten anerkannt werden. Allerdings hat der Bf. trotz Aufforderung der Abgabenbehörde sowie des BFG über die tatsächliche Durchführung der Fahrten nach Deutschland keinen Nachweis erbracht.
Grundvoraussetzung für eine steuerliche Anerkennung von derartigen Fahrten ist, dass diese auch ausreichend dokumentiert werden. Aufgrund der Beweislastverteilung wäre es am Bf. gelegen, nachzuweisen bzw. zumindest durch geeignete Mittel zu bescheinigen, ob und an welchen Tagen die geltend gemachten Fahrten erfolgt sind.
Diese Voraussetzungen liegen gegenständlich nicht vor.
Nachgewiesen wurden allerdings die Mietaufwendungen für eine Wohnung in Wien. Von den insgesamt geltend gemachten Aufwendungen iHv 8.540 € können daher lediglich die Mietaufwendungen, und zwar für einen Zeitraum von sechs Monaten, sohin 4.200 € (700 € x 6 Monate) anerkannt werden.
Nichtzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das gegenständliche Erkenntnis der angeführten Judikatur des VwGH folgt, ist eine Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Arbeitskräfteüberlassung wechselnde Arbeitsstätte fehlende dauernde Arbeitsstelle |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100750.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at