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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2019, RV/7104871/2018

Haftung des Geschäftsführers, Gleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den-Senat in der Beschwerdesache A.B., Adresse1, damals vertreten durch Stb1, nunmehr vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Riel Grohmann Sauer, Gartenaugasse 1, 3500 Krems/Donau über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO in der am in Anwesenheit des Parteienvertreters des Beschwerdeführers und entschuldigter Abwesenheit eines Amtsvertreters durchgeführten mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Schriftführerin*** zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 7.882,00 anstatt bisher € 50.277,08 eingeschränkt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lohnsteuer 
2010
18,29
Lohnsteuer   
2011
1,41
Lohnsteuer   
2012
35,17
Lohnsteuer   
2013
18,29
Lohnsteuer
12/2014
797,13
Lohnsteuer
01/2015
689,47
Lohnsteuer
02/2015
873,19
Lohnsteuer
05/2015
970,98
Lohnsteuer
06/2015
1.088,18
Lohnsteuer
07/2015
1.111,97
Lohnsteuer
08/2015
1.018,82
Lohnsteuer
09/2015
1.259,10

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt als ehemaliger Geschäftsführer der Firma XYGmbH für deren aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 50.277,08 gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen.

Diese setzen sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Höhe in €
Quote 20%
80%
Umsatzsteuer
2014
2.298,19
459,64
1.838,55
Umsatzsteuer
10/2014
1.668,56
333,71
1.334,85
Umsatzsteuer
11/2014
2.795,85
559,17
2.236,68
Umsatzsteuer
12/2014
6.976,82
1.395,36
5.581,46
Umsatzsteuer
01/2015
1.180,83
236,17
944,66
Umsatzsteuer  
04/2015
2.03,4
40,68
162,72
Umsatzsteuer
05/2015
4.931,25
986,25
3.945,00
Umsatzsteuer   
06/2015
5.282,95
1.056,59
4.226,36
Umsatzsteuer
 07/2015  
4.297,95
859,59
3.438,36
Umsatzsteuer
08/2015
4.294,22
858,84
3.435,38
Umsatzsteuer   
09/2015
3.820,94
764,19
3.056,75
Lohnsteuer 
2010
22,86
4,57
18,29
Lohnsteuer   
2011
1,76
0,35
1,41
Lohnsteuer   
2012
43,96
8,79
35,17
Lohnsteuer   
2013
22,86
4,57
18,29
Lohnsteuer
12/2014
996,41
199,28
797,13
Lohnsteuer
01/2015
861,84
172,37
689,47
Lohnsteuer
02/2015
1.091,49
218,30
873,19
Lohnsteuer
05/2015
1.213,73
242,75
970,98
Lohnsteuer
06/2015
1.360,23
272,05
1.088,18
Lohnsteuer
07/2015
1.389,96
277,99
1.111,97
Lohnsteuer
08/2015
1.273,52
254,70
1.018,82
Lohnsteuer
09/2015
1.573,87
314,77
1.259,10
Lohnsteuer
10/2015
1.865,87
373,17
1.492,70
Körperschaftsteuer
01-03/2015
437,00
87,40
349,60
Körperschaftsteuer
04—07/2015
437,00
87,40
349,60
Dienstgeberbeitrag
2010
72,12
14,42
57,70
Dienstgeberbeitrag
2011
70,38
14,08
56,30
Dienstgeberbeitrag
2012
74,18
14,84
59,34
Dienstgeberbeitrag
2013
72,17
14,43
57,74
Dienstgeberbeitrag
12/2014
703,85
140,77
563,08
Dienstgeberbeitrag
01/2015
402,3
80,46
321,84
Dienstgeberbeitrag
02/2015
532,34
106,47
425,87
Dienstgeberbeitrag
05/2015
626,74
125,35
501,39
Dienstgeberbeitrag
06/2015
804,54
160,91
643,63
Dienstgeberbeitrag
07/2015
877,89
175,58
702,31
Dienstgeberbeitrag
08/2015
660,35
132,07
528,28
Dienstgeberbeitrag
09/2015
759,53
151,91
607,62
Dienstgeberbeitrag
10/2015
870,11
174,02
696,09
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2010
6,41
1,28
5,13
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2011
 6,26
1,25
5,01
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
6,59
1,32
5,27
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2013
6,41
1,28
5,13
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
12/2014
62,56
12,51
50,05
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2015
35,76
7,15
28,61
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2015
47,32
9,46
37,86
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2015
55,71
11,14
44,57
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/2015
71,51
14,30
57,21
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/2015
78,03
15,61
62,42
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
08/2015
58,7
11,74
46,96
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
09/2015
67,51
13,50
54,01
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
10/2015
77,34
15,47
61,87
Verspätungszuschlag
11/2014
139,79
27,96
111,83
Säumniszuschlag 1
2014
166,24
33,25
132,99
Säumniszuschlag 1
2015
625,04
125,01
500,03
Säumniszuschlag 2
2015
69,77
13,95
 55,82
Säumniszuschlag 3
2014
83,12
16,62
66,50
Säumniszuschlag 3
2015
69,77
13,95
55,82
Summe:
 
62.846,35
12.569,27
50.277,08

Zur Begründung wurde nach Zitierung der §§ 9 und 80 BAO im Wesentlichen ausgeführt, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

Laut Firmenbuch sei der Bf. seit Datum1 unbestritten handelsrechtliche Geschäftsführer der Firma XY GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 habe der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt
einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer
(Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter
entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu
berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für die Jahre 2014 und 2015 sei die Umsatzsteuer festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (,0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Lohnsteuer für den Zeitraum 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre daher seine Sache gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Der Bf. hingegen habe die fälligen Lohnsteuerbeträge dem Finanzamt gemeldet, eine Abfuhr jedoch unterlassen.

Es werde im Zusammenhang darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Zahlung des vollen
vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem
tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erkenntnis des ).

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Dienstgeberbeiträge und
Dienstgeberzuschläge wäre es seine Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Abfuhr Sorge zu tragen. Der Bf. hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Beträge unterlassen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken.

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet würden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe.
Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die
Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe
(vgl. Erk. des ; , 85/17/0035 und ,  87/14/0148).

Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht
nachgekommen sei und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen. Die Uneinbringlichkeit begründe sich darauf, dass über die Gesellschaft das Konkursverfahren am Datum2 eröffnet worden sei.
Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken würden. Ebenso seien Zwangs- u. Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

In der dagegen mit Eingabe vom eingebrachten Bescheidbeschwerde führte der steuerliche Vertreter aus, dass der Bf. stets bemüht gewesen sei, seine Zahlungen an das Finanzamt zu leisten bzw. das Finanzamt nicht zu benachteiligen.
Um dies nachzuweisen, würden folgende Unterlagen beigelegt bzw. wolle wie folgt
Stellung genommen werden:
-Zusammenstellung über die höchsten Verbindlichkeiten der XY. GmbH:
Die gesamten Verbindlichkeiten seien im Jahr 2015 bis zur Konkursanmeldung um rund € 75.000,00 angewachsen, darunter vor allem die Verbindlichkeiten gegenüber der Bank, den Lieferanten, dem Finanzamt und der Gebietskrankenkasse.

- Übersicht über die liquiden Mitteln in der XY. GmbH:

Den Verbindlichkeiten stünden Barmittel und Lieferforderungen gegenüber. Der Barbestand habe sich im Jahr 2015 kaum verändert und liege zwischen rd. T€ 1,8 und T€ 7,2, die Lieferforderungen seien um rd. T€ 13 angewachsen, wobei ein Teil der unterjährigen Forderungsabnahme nicht auf Bezahlung sondern auf Rechnungsstornierungen zurückzuführen sei, da Kunden die Rechnung nicht bzw nicht in voller Höhe anerkannt hätten.
Weiters möchte hier noch festhalten werden, dass der Bf. seit Beginn der Fälligkeiten der
im Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten bis zur Konkursanmeldung tatsächlich folgende Zahlungen an das Finanzamt geleistet habe:


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€ 5.000,00
€ 249,00
€ 3.000,00
€ 5.529,25
€ 10.277,99
€ 3.546,83
€ 6.000,00
€ 2.000,00
€ 3.489,60
€ 6.401,36
Gesamt
€ 45.494,03

Folgende Tabellen sollten nun nochmal kumuliert veranschaulichen, wie je Quartal der
Verbindlichkeitenstand gewesen sei, die Höhe der insgesamt geleisteten Zahlungen, daraus errechnet die Quote, die an das Finanzamt zu zahlen gewesen wäre und was tatsächlich an das Finanzamt gezahlt worden sei:


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Gesamtverb.
Summe geleist. Zl
entspreche Quote
01.01.-
497.962,89
120.870,66
24,27 %
01.04.-
521.514,50
157.280,51
30,16 %
01.07.-
572.788,30
212.909,08
37,17 %

Aufstellung der verfügbaren liquiden Mittel


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Kassa
1.874,81
7.162,78
5.384,99
2.410,44
Ford LuL
103.907,91
94.125,91
132.600,05
116.380,92
Haftrücklässe
27.007,66
27.007,66
27.007,66
27.007,66
Ford. gesamt
130.915,57
121.133,57
159.607,71
143.388,58

Zusammenstellung Verb. in der XY. GmbH


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1.1.
31.3.
30.6
13.11.
RAlBA
180.777,61
182.566,62
194.595,78
203.644,01
FW Verb
0,00
228,00
465,93
4.083,18
Verb LuL
32.367,71
30.562,38
22.337,50
58.119,50
Verb FA
47.604,16
52.886,95
68.049,68
61.854,49
Verb GKK
5.939,89
4.283,20
6.665,36
13.142,78
Verb Personal
21.391,47
17.546,48
19.510,99
22.055,08
Verb XY.
209.889,26
209.889,26
209.889,26
209.889,26
GESAMT
497.970,10
497.962,89
521.514,50
572.788,30


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Verb. FA lt. FinanzOnline
Tilgung iHv Quote
38.474,06
  9.338,82
38.472,10
11.602,58
47.235,59
17.557,77
Zahlung gesamt an FA
 
38.499,17


Dieser Aufstellung zufolge hätte der Bf. im Jahr 2015 € 38.499,17 an das Finanzamt
zahlen müssen, um eine Gleichberechtigung zwischen Finanzamt und den restlichen
Gläubigern zu erlangen. Tatsächlich habe er aber € 45.494,03 an das Finanzamt
bezahlt. Die steuerliche Vertretung sei daher der Ansicht, dass den Bf. keine weitere Haftung treffen könne und bitte um Aufhebung des Haftungsbescheids.

Am erging durch die belangte Behörde an den Bf. ein Ergänzungsersuchen, in dem ausgeführt wurde, dass für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung der Verwaltungsgerichtshof auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt abstelle (vgl. zuletzt ). Das Bundesfinanzgericht hingegen lasse auch eine monatsweise Betrachtung für den Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu (vgl. ), weil eine Zeitraumbetrachtung zu sachgerechteren Ergebnissen führte. 
Der Bf. werde aufgefordert, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zumindest in
monatsweiser Betrachtung (nicht Quartal) für den beschwerdegegenständlichen
Haftungszeitraum zu erbringen. Für die Berechnung des Quotenschadens werde auf UFSG vom , RV/0789-G/O9 verwiesen.
Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung habe auch die Zug-um-Zug-Geschäfte (zB
Geschäfte zur Aufrechterhaltung des Geschäftsverkehrs) zu beinhalten. 

Der Nachweis sei durch geeignete Unterlagen, zB durch Kopien von Bankbelegen etc.
nachvollziehbar zu belegen.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom legte der steuerliche Vertreter eine Tabelle mit monatsweiser Betrachtung Gläubigergleichbehandlung, Kopien des Kassabuches bis Datum2 sowie der Kontoauszüge vom Girokonto bis Datum2 vor.

Aus dieser Aufstellung sei ersichtlich, dass die Zahlungen des Bf. an das Finanzamt höher gewesen seien als die berechnete Haftungssumme.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftung anstatt bisher € 50.277,08 auf € 11.744,99 ein.

Mit Beschluss des Gerichtes sei am Datum2 ein
Konkursverfahren eröffnet worden, das nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes am Datum3 aufgehoben worden sei.

Somit sei ein Zugriff auf Geldmittel der Gesellschaft über die erzielte und bei der
Haftungsinanspruchnahme angerechnete Quote von 20 % hinaus nicht mehr möglich und
folglich die Voraussetzung der Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben bei der
Primärschuldnerin gegeben.

Der Bf. sei ab Datum1 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am Datum2 in den verfahrensgegenständlich relevanten Zeiträumen unbestritten handelsrechtlicher
Geschäftsführer der GmbH gewesen.

Daraus ergebe sich, dass er im Zeitraum Ihrer Geschäftsführung grundsätzlich verpflichtet gewesen sei, für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Vorschriften Sorge zu tragen.

Zur Frage, ob nun eine schuldhafte Pflichtverletzung, welche eine Uneinbringlichkeit von
Abgabenschuldigkeiten bewirkt habe, vorliege, sei zunächst Folgendes auszuführen:

Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner
gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, der Beweis.

Daraus sei abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der
die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn
sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigten zur
Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform sei jedoch nicht gefordert, weshalb auch leichte Fahrlässigkeit genüge (z. B. , , 95/15/0137). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen dürfe. Unterbleibe der Nachweis, könne die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben (). Dem Vertreter obliege dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB. der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegengestanden seien (). Dem Vertreter obliege es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.

Der Vertreter hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die
Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung
gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er die Abgabenbehörde im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als bei anteiliger
Verwendung der vorhandenen liquiden Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten
(Gleichbehandlungsgrundsatz). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung
sämtlicher Gläubiger — bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits — an die Abgabenbehörde zu entrichten
gewesen wäre, obliege dem Vertreter.

Auf diesem, nicht auf der Behörde, laste auch die Verpflichtung zur Errechnung einer
entsprechenden Quote. Vermöge der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei
anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen
gewesen wäre, so hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich
erfolgten Zahlung. Werde dieser Nachweis nicht angetreten, könne dem Vertreter die
uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. z.B.
2007/15/0039, , a.o. Rev. zurückgewiesen).

Den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die
Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, habe der Vertreter in diesem Zusammenhang auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (vgl. und ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Reichten die einem Vertreter zur Verfügung
stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, dürfe der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene
Lohnsteuer auch abgeführt werden könne. Werde dagegen die auf ausbezahlte Löhne
entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, sei nach
ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des
Geschäftsführers auszugehen. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO gehe
hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden
(bzw. aller Gläubiger) hinaus (z.B. ; weitere Judikaturnachweise bei Ritz, BAO3, § 9 Tz 11).
Hinsichtlich der vorgelegten Quotenberechnung und der Behauptung, dass das Finanzamt
gegenüber den anderen Gläubigern im beschwerdegegenständlichen Haftungszeitraum
nicht benachteiligt worden sei, sei Folgendes auszuführen:

Der Umstand, dass die Zahlungen an das Finanzamt höher gewesen seien als die errechnete Haftungssumme laut vorgelegter Quotenberechnung stelle keinen geeigneten Beweis betreffend Gläubigergleichbehandlung dar, zumal die seitens des Bf. korrekt berechnete Quote in Prozent (je Monat) in ein Verhältnis zu den gesamten
Zahlungen (je Monat) zu setzen sei und der sich daraus ergebende Betrag jenen Betrag
darstelle, der bei gleichmäßiger Behandlung aller Gläubiger ans Finanzamt abzuführen
gewesen wäre. In jenen Monaten, in denen die Zahlungen den errechneten Betrag
überstiegen hätten, sei das Vorliegen einer Ungleichbehandlung der Gläubiger zu
verneinen. In den betreffenden Monaten (Jänner, Juni und September 2015) sei der
Vertreter betreffend den Quotenschaden haftungsfrei, für die Lohnsteuer hafte er
allerdings dennoch, zumal diese vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen sei und
jedenfalls zur Gänze der Ausfallshaftung (somit abzüglich der Konkursquote von 20%)
unterliege.

In den übrigen Monaten (Februar, März, April, Mai, Juli, August und Oktober 2015)
sei das Finanzamt insofern benachteiligt worden, als die Zahlungen an die Abgabenbehörde niedriger ausgefallen seien als die Beträge, die bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wären. In den betreffenden Monaten hafte der Bf. somit für die Lohnsteuer (80% im Rahmen der Ausfallshaftung) sowie für den Quotenschaden laut Quotenberechnung.

Zwecks besserer Nachvollziehbarkeit werde auf die beiliegende Tabelle verwiesen.

Hinsichtlich des Vorbringens, dass ein Teil der mittels Haftungsbescheid vorgeschriebenen
Abgabenschuldigkeiten erst nach Konkurseröffnung fällig geworden sei, sei Folgendes auszuführen:

Die Haftungssumme sei um jene Abgabenschuldigkeiten, deren Fälligkeit in die Zeit nach
Konkurseröffnung falle (Datum2), reduziert worden. Jene Abgabenschuldigkeiten, deren Fälligkeit in die Zeit vor 2015 falle (betrefft Lohnsteuer 2010, 2011, 2012, 2013, Dienstgeberbeitrag 2010, 2011, 2012, 2013 sowie die entsprechenden Zuschläge), unterlägen trotz gegenteiliger Behauptung der Geschäftsführerhaftung und zwar im Ausmaß des Abgabenausfalles (80%), zumal diesbezüglich kein Gleichbehandlungsnachweis erbracht worden bzw. die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen sei . Die vorgelegte Verhältnisrechnung habe nämlich nur den Zeitraum Jänner-November 2015 umfasst.

Nach Lehre und Rechtsprechung sei die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der
Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung iSd. § 20 BAO innerhalb der
vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sei. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ sei dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei“, dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der
Einbringung der Abgaben“ beizumessen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten
Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der
Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffenden Abgaben beim Primärschuldner
uneinbringlich seien (vgl. ). Im gegenständlichen Fall seien die haftungsrelevanten Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Aufgrund der noch zu erwartenden künftigen Erwerbstätigkeit werde der Bf. durchaus in der Lage sein, zumindest einen Teil der aushaftenden Verbindlichkeiten
abzustatten.

Aus den genannten Gründen sei bei Ausübung des freien Ermessens dem öffentlichen
Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse des Bf., nicht bzw. nur zum Teil zur Haftung herangezogen zu werden, der Vorzug zu geben.

Aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO wäre es
rechtens gewesen, den Bf. für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der GmbH als Haftungspflichtigen in Anspruch zu nehmen (vgl. ).

Beigelegte Tabellen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
80%
Anmerkung
Lohnsteuer
2010
18,29
*
Lohnsteuer
2011
1,41
*
Lohnsteuer
2012
35,17
*
Lohnsteuer
2013
18,29
*
Lohnsteuer
12/14
797,13
*
Lohnsteuer
01/15
689,47
*
Lohnsteuer
02/15
873,19
*
Lohnsteuer
05/15
970,98
*
Lohnsteuer
06/15
1.088,18
*
Lohnsteuer
07/15
1.111,97
*
Lohnsteuer
08/15
1.018,82
*
Lohnsteuer
09/15
1.259,10
*
Umsatzsteuer
10/14
1.334,85
**
Dienstgeberbeitrag
2010
57,70
**
Zuschlag zum DB
2010
5,13
**
Dienstgeberbeitrag
2011
56,30
**
Zuschlag zum DB
2011
5,01
**
Dienstgeberbeitrag
2012
59,34
**
Zuschlag zum DB
2012
5,34
**
Dienstgeberbeitrag
2013
57,74
**
Zuschlag zum DB
2013
5,13
**
Umsatzsteuer
2014
158,72
***
Umsatzsteuer
12/14
481,83
***
Körperschaftsteuer
01-03/15
30,18
***
Dienstgeberbeitrag
01/15
27,78
***
Zuschlag zum DB
01/15
2,47
***
Säumniszuschlag1
2014
11,48
***
Umsatzsteuer
01/15
81,51
***
Dienstgeberbeitrag
02/15
36,75
***
Zuschlag zum DB
02/2015
3,27
***
Verspätungszuschlag
11/14
9,65
***
Körperschaftsteuer
04-06/15
41,28
***
Umsatzsteuer
05/15
390,07
***
Dienstgeberbeitrag
06/15
63,64
***
Zuschlag zum DB
06/15
5,66
***
Säumniszuschlag2
2015
5,52
***
Umsatzsteuer
06/15
425,81
***
Dienstgeberbeitrag
07/15
70,76
***
Zuschlag zum DB
07/15
6,29
***
Säumniszuschlag3
2014
6,70
***
Umsatzsteuer
08/15
308,01
***
Dienstgeberbeitrag
09/15
54,48
***
Zuschlag zum DB
09/15
4,84
***
Säumniszuschlag3
2015
5,00
***
Sämniszuschlag1
2015
44,83
***
 
 
SUMME:
11.744,99
 

*Lohnsteuer, von der Gleichbehandlung ausgenommen,

** Kein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung,

*** Quotenschaden


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Zahlungen FA
Zahlungen Ges.
Gesamtverb.
%-Satz
bei gleichm. Behandlung
Haftung
01/2015
5.000,00
47.259,75
536.649,16
8,86
4.187,21
nein, nur L
02/2015
3.249,90
36.417,11
527.309,66
6,9
3.641,70
ja
03/2015
0,00
36.923,80
534.886,69
6,9
2.547,74
ja
04/2015
5.529,25
57.668,25
554.435,23
10,40
5.997,49
ja
05/2015
0,00
52.797,46
558.981,71
9,44
4.984,08
ja
06/2015
10.340,06
46.814,80
568.329,30
8,23
3.852,85
nein, nur L
07/2015
590,35
46.777,92
591.369,48
7,91
3.700,18
ja
08/2015
3.546,83
47.796,17
592.995,58
8,66
3.852,37
ja
09/2015
6.000,00
58.835,95
612.971,76
9,59
5.642,36
nein, nur L
10/2015
0,00
42.293,71
589.647,14
7,17
3.032,45
ja

Mit Eingabe vom brachte die steuerliche Vertretung namens und Auftrags des Bf. einen Vorlageantrag mit dem Ersuchen um Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung ein.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in der monatsweisen Betrachtungsweise teilweise eine Ungleichbehandlung des Finanzamtes im Vergleich zu anderen Gläubigern festgestellt worden sei. Der Bf. sei in der Sanierungsphase gezwungen gewesen, gewisse Zahlungen früher zu leisten, damit der Betrieb habe fortlaufen können. Er habe in anderen Monaten, wo der finanzielle Druck weniger stark gewesen sei, an das Finanzamt höhere Zahlungen geleistet, genau aus dem Grund, um zu versuchen, die Ungleichbehandlung der Vormonate wieder gut zu machen. Die steuerliche Vertretung sei daher der Ansicht, dass die Situation auch in Summe betrachtet werden sollte. Es sollte einem Unternehmer, der um den Betrieb bemüht sei, nicht auch noch dadurch erschwert sein, dass Mehrzahlungen ignoriert würden und er für Minderzahlungen uneingeschränkt die Haftung übernehmen müsse.

Mit Schreiben vom übermittelte das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde eine berichtigte Berechnung der Gleichbehandlungsberechnung, da bei der Berechnung der (un-)gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger in der Beschwerdevorentscheidung die vom Bf. errechnete Quote irrtümlich auf die gesamten Zahlungen anstatt auf die Abgabenschuldigkeiten verrechnet (angewendet) und auch die Zahlungen auf die Abgabenschuldigkeiten nicht verrechnet wurden.

Mit Eingabe vom erklärte sich das Finanzamt damit einverstanden, das Ergebnis dem weiteren Verfahren zu Grunde zu legen.

Am ergingen die Ladungen zu der am anberaumten mündlichen Senatsverhandlung.

Mit Eingabe vom teilte das Finanzamt mit, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.

In der mündlichen Verhandlung wurde im Hinblick darauf der Beschluss gefasst, dass die Verhandlung in Abwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt wird.

Der Parteienvertreter verwies zunächst auf das schriftliche Vorbringen. Auch seitens des Bf. bestehe kein Einwand hinsichtlich der Neuberechnung der Zahlungen auf die aushaftenden Außenstände wie auch von der Amtspartei angegeben. Der Bf. habe im verfahrensgegenständliche Zeitraum keinesfalls die Abgabenbehörde schlechter gestellt als andere Gläubiger, es seien sogar bedeutende Überzahlungen geleistet. Zum Sanierungsverfahren sei es wegen eines privaten Unfalles des Bf. gekommen. Er habe drei Finger einer Hand verloren, was ihn daran gehindert habe, seiner Arbeit als Maler in seinem Unternehmen nachzukommen. Das Sanierungsverfahren sei erfüllt worden. Der Bf. beziehe ein Geschäftsführergehalt von € 1.100,--. Der Jahresabschluss 2017 habe einen geringen Verlust ergeben, für 2018 sollte es einen kleinen Gewinn geben. Die finanzielle Lage des Bf. sei daher weiterhin angespannt. Unter Berücksichtigung der Überzahlungen, des Bemühens des Bf. die Abgabenschuldigkeiten zu begleichen und der angespannten Lage in wirtschaftlicher Hinsicht, werde beantragt, im Rahmen der Billigkeitserwägungen der Beschwerde zur Haftungsinanspruchnahme stattzugeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 9 Abs. 1 BAO lautet: Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO: Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1.) Vorliegen einer Abgabenforderung und Uneinbringlichkeit:

Mit Beschluss des Gerichtes vom Datum2 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss des Gerichtes vom Datum3 nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes aufgehoben wurde, wobei die  Sanierungsquote gemäß dem angefochtenen Haftungsbescheid 20%  betrug.

Die Uneinbringlichkeit in Höhe von 80% steht somit fest.

Diese Quote wurde seitens der Abgabenbehörde bereits im Haftungsbescheid berücksichtigt und die Beträge entsprechend vermindert.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die rechtskräftige Bestätigung eines (Zwangs-)Ausgleichs des Primärschuldners der Geltendmachung einer Haftung auch für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegen (vgl. ; ; ; ). Ob ein Erlöschen der Schuld auch dem Haftungspflichtigen zu Gute kommt, ist nach dem Zweck der den Schulderlöschungsgrund beinhaltenden jeweiligen Vorschrift zu prüfen. Davon ausgehend stellt der (Zwangs-) Ausgleich des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar (vgl. ; ; ). Da für einen Sanierungsplan (§ 156 IO) nichts anderes als für den vormaligen (Zwangs-) Ausgleich gilt, kann der Bf. die durch den erfüllten Sanierungsplan bewirkte teilweise Befreiung der erstschuldnerischen GmbH von den Abgabenverbindlichkeiten nicht für sich in Anspruch nehmen.

2.) Stellung des Bf. als Vertreter:

Gemäß Firmenbuchauszug fungierte der Bf. ab  Datum4 zunächst bis Datum5 mit weiteren Geschäftsführern, danach als alleiniger Geschäftsführer der GmbH und kann daher zur Haftung gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO herangezogen werden.

3.) schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Vertreter:

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Die Umsatzsteuern 9/2015, 10/2015 sowie die Lohnabgaben 10/2015 wurden erst nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig, kann den Bf. im Hinblick auf die Bestellung eines Masseverwalters keine schuldhafte Pflichtverletzung treffen.

Davon abgesehen wurde der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt dieser Abgabenschuldigkeiten vor der Eröffnung des Sanierungsverfahrens verwirklicht, weshalb es sich um Insolvenzforderungen handelt, die nicht gemäß ihrer Fälligkeit, sondern entsprechend dem Sanierungsplan zu entrichten war. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit war auch der Masseverwalter aufgrund der Bestimmungen der Insolvenzordnung gar nicht befugt, diese zu entrichten.

Für die Lohnabgaben 2010-2013 kann der Bf. trotz des Umstandes, dass diese nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt wurden bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Haftung herangezogen werden, da es sich um Selbstbemessungsabgaben handelt, deren gesetzmäßige Fälligkeit durch die bescheidmäßige Festsetzung keine Änderung erfährt.

4.) schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Vertreter:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war.

Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. beispielsweise , mwN). Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welchen Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. für viele , und vom , 2007/13/0137).

Der Bf. hat eine Gleichbehandlungsberechnung beginnend mit Jänner 2015 vorgelegt, der die belangte Behörde im Wesentlichen gefolgt ist. Irrtümlicher Weise wurde jedoch bei der Berechnung der (un-)gleichmäßgen Befriedigung der Gläubiger in der Beschwerdevorentscheidung die vom Bf. errechnete Quote irrtümlich auf die gesamten Zahlungen anstatt auf die Abgabenschuldigkeiten verrechnet (angewendet), wodurch nicht unerhebliche Differenzbeträge entstanden.

Gemäß der berichtigten Gleichbehandlungsberechnung, welche dieser Entscheidung als Beilage angeschlossen ist, erfolgten nachstehende Minderzahlungen (Quotenschaden) bzw. Mehr- (Über-)zahlungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2015
Mehrzahlung
Quotenschaden
Jänner
1.969,84
 
Februar
432,24
 
März
 
104,95
Mai
 
30,52
Juni
5.826,61
 
Juli
 
318,80
August
103,38
 
September
30,27
 
Oktober
 
297,86
Summe
8.362,34
752,13

Bezüglich der in den Monaten März, Mai, Juli und Oktober 2015 fällig geworden Abgabenschuldigkeiten liegt aufgrund des durch Ungleichbehandlung der Gläubiger eingetretenen Quotenschadens eine schuldhafte Pflichtverletzung vor.

Hinsichtlich der vor dem fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer 10/2014, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu Dienstgeberbeiträgen 2010-2013) in Höhe von insgesamt € 1.586,47 wurde keine Gleichbehandlungsberechnung vorgelegt, weshalb auch hier von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen ist.

Die aushaftenden Lohnsteuern sind gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () vom Gleichheitsgrundsatz ausgenommen, da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037,0038, Slg.N.G. Nr. 7038/F, ausdrücklich aufrechterhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne des § 80 BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet ().

Hinsichtlich der Lohnsteuern wurde die Haftung daher zu Recht geltend gemacht.

Kausalzusammenhang:

Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 Abs. 1 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Abgabenbehörde mangels dagegensprechender Umstände annehmen, dass bei Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung diese Ursache der Uneinbringlichkeit ist (vgl. z.B. , 0178).

V.) Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Der Bf. hat bezüglich der Haftungsverbindlichkeiten, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegen, in einigen Monaten (siehe Berechnung) Überzahlungen in Höhe von € 8.362,34 geleistet, denen ein Quotenschaden in Höhe von € 2.338,81 (2014: € 1.586,47 , 2015: € 752,13) gegenübersteht.

Aufgrund des offensichtlichen Bemühens des Bf., seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und des Umstandes, dass in Summe die Abgabenbehörde sogar bevorzugt behandelt wurde, wird für jene Abgabenschuldigkeiten die dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegen und für die ein Quotenschaden entstanden ist, der Billigkeit gegenüber der Zweckmäßigkeit der Vorrang eingeräumt und im Ermessen die Haftungsinanspruchnahme insoweit aufgehoben.

Hinsichtlich der Lohnsteuern wird im Rahmen des Ermessens der Zweckmäßigkeit gegenüber der Billigkeit der Vorrang eingeräumt, da diese Abgabenschuldigkeiten - wie bereits ausgeführt - vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen sind und es ihm als Verschulden zur Last fällt, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet ().

Der vom Bf. geltend gemachte Billigkeitsgrund seiner angespannten wirtschaftlichen Lage steht gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB vom , 89/15/0067) in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 1 EStG 1972, Einkommensteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 440/1972
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104871.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at